Panzerkreuzer und Panzerfortifikation

Der Festungsbau gab dabei, soweit ich das sehe, keine Anregungen in der konstruktiven Entwicklung. Wie das umgekehrt war, entzieht sich meiner Kenntnis.:winke:
was meinst du damit?
a) allein die technische Entwicklung des Geschützes?
b) die möglichst gesicherte Aufstellung des Geschützes?

bei a) gehe ich davon aus, dass sinnigerweise Boots- wie Festungsartillerie möglichst weitreichend, treffsicher und wirkungsvoll sein wollten - das macht sie doch ziemlich ähnlich?!
bei b) ist natürlich zu konstatieren, dass der Bootskörper selber bei weitem nicht dieselben Schutzmöglichkeiten haben kann wie eine hinter mehreren Metern Erd-, Sand- und Betonvorlage versteckte Panzerbatterie - aber gewisse strukturelle Ähnlichkeiten der direkt das Geschütz deckenden Panzerung gibt es natürlich (Bdaian hatte das doch ausführlich dargelegt)
((da lag ja auch die Ausgangsfrage: ob der Festungsbau in diesem Detail von den Panzerkreuzern inspiriert war, oder nicht - wahrscheinlich traf ersteres zu, freilich mit Modifikationen, die den gravierenden Unterschieden zwischen Bootskörper und Betonfestung geschuldet sind))
 
Ich meinte damit nur, das mir unbekannt ist, ob Entwicklungstendenzen aus dem maritimen Bereich unmittelbar in den Festungsbau eingeflossen sind.

Zum "möglichst gesicherten Aufbau", zum "turret-ship" folgt noch ein Beitrag.
 
Wenn man sich die Treiber der Geschützentwicklung (indirekt damit auch der Kaliberwahl, Bestückung) anschaut, gibt es allerdings kaum (keine?) Querverbindung zur thematischen Verknüpfung von Panzerkreuzer und Panzerfortifikation.
:winke:

In seinem Eröffnungsthread schrieb dekumatland u. a.
Mich interessieren hier eventuelle Gemeinsamkeiten in der Entwicklung der Schiffs- und Festungsartillerie nach der Brisanzkrise (also ab ca. 1885)

also insofern geht es nicht nur um Panzerung.

Und Gemeinsamkeiten sehe ich schon:
Solange man mit Schwarzpulver schoß nebelte man sich gleichsam ein. Der nächste Schuß machte erst Sinn, wenn man wieder etwas vom Ziel sehe konnte.

Mit der Einführung rauchschwacher Pulver wurde das anders. Man sah und wurde gesehen. Also galt es schneller zu schießen und ggf. Schutz zu bieten. Bei der Feldartillerie führte dies zur Einführung von Schutzschilden an den Geschützen und gepanzerten Munitionswagen.

Bei allen Artillerien zur Erhöhung der Feuergeschwindigkeiten.

...
Treiber der Entwicklung war die "gedachte" Gefechtsentfernung bei gegebener schiffsbautechnischen Entwicklung der Panzerungen und Stahlqualitäten (es sollte sich zeigen, dass die Frage der Feuerleitung hier der entscheidende Aspekt in der Dynamik wurde).
...
:winke:


Schmalenbach beschreibt auf S. 57 ff. folgende Episode:

Noch im gleichen Jahr (1885, Anm. d. V) wohnte Jacobsen, inzwischen zur Inspektkion der Marine-Artillerie versetzt, einem Seezielschießen des Pommerschen Fußartillerieregimentes Nr. 2 bei. Da die Marine bis 1887 nur die Befestigungen von Kiel und Wilhelmshaven zu besetzen hatte, wurden alle anderen anderen Befestigungen vom Heer besetzt, so auch das Fort Kugelbake in Cuxhaven. ... Das Schießen verlief planmässig und begann zu Jacobsens Überraschung mit Salven, gleichzeitigen Schüssen von 2 oder 3 Geschützen, als Grundlage der Beobachtung. Gerichtet wurden die Geschütze der Höhe nach nach Gradscheiben und Gradbogen. Die Seite wurde direkt genommen. Abgefeuert wurde möglichst mit allen Geschützen gleichzeitig. ... Zur Entfernungsmessung diente ein Langbasisgerät auf dem Deich.
Dies erweckte in Jacobsen Wünsche nach ähnlichen Verfahren und Geräten für den Bordgebrauch.
...
wurde die Genauigkeit studiert, mit dem das Heer alle Einzelheiten der Schießübungen notierte und auswertete....

Die Marine lernte also vom Heer das systematische Schießen!

Im Gegenzug fanden Marinegeschütze auch immer wieder ihren Weg in Befestigungen.

:winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
[...]
Die Marine lernte also vom Heer das systematische Schießen![...]

Das es vergleichbare Systeme für die Zielerkennung und das Richten der Geschütze zu beginn des neuen Zeitalters ab 1850 für Artillerie zu See oder zu Land gab hat nix damit zu tun, wo die Artillerie ihren Einsatz fand.
Allerdings änderte sich das, mit fortschreiten der Technik und dem Panzerschiffbau ab den 1880-90iger Jahren. Die Schiffsgeschütze wurden in Ihren Rohrlängen immer Größer und mit diversen Schnellladevorrichtungen ergab das größere Gefechtsentfernungen und Salven gestütztes Feuer bzw. Zieleinmessung.

Hinzukommen Lafetten und Zielberechnung mit der Berücksichtigung der Bewegten See, was durch die erhöhte Gefechtsentfernung auch größere Abweichen verursacht.

Zu diesen Zeitpunkt lag die Seeartillerie und auch die Seezielmessung technisch weit über den Anforderungen an Festungswaffen.

Ich gehe zumindest Konform mit der These, daß es bis zum beginn des Panzerschiffbaus bzw. der Findung der neuen Typologischen Einordnung der neuen Panzerschiffsklassen (ca. 1880-90), fast keine Unterschiede zwischen Geschützen in Land- oder Seeaufstellung gab.

Die letzte Angabe betrachte ich allerdings mit etwas Skepsis, schließlich wird auf der selben Seite das Linienschiff Wittelsbach auch als "German Armored Cruiser Wittlesbach" bezeichnet, womit wir wieder beim Ausgangsthema "Panzerkreuzer und ..." wären.
Ach und nochetwas, die Linienschiffe der Wittelsbach-Klasse als Geschützen Kreuzer oder Panzerkreuzer zu betiteln ist der größte Nonsens, den ich bisher gelesen habe.
 
Zuletzt bearbeitet:
[...]
Schmalenbach beschreibt auf S. 57 ff. folgende Episode:[...]

Du hast hier etwas aus einen Zusammenhang herausgerissen, die Zitierten Textstellen gingen auf Schießübungen des Panzerschiffes Bayern zurück und die Problematik der Zielerkennung und der Nachjustierung der Zieleingabe.
Bei den Schießübungen in Cuxhaven von Land auf Seeziele, überraschte das Salvenverfahren, aber nicht das übernehmen von Technik am Geschütz.
Darauf hin wurde auch durch die Entwicklung des neuen Schnellfeuers das neue Schießverfahren Grundlage (eingabeln) der kaiserlichen Marine, welches auch so in einer Denkschrift 1890 niedergeschrieben wurde.
 
Allerdings änderte sich das, mit fortschreiten der Technik und dem Panzerschiffbau ab den 1880-90iger Jahren. Die Schiffsgeschütze wurden in Ihren Rohrlängen immer Größer und mit diversen Schnellladevorrichtungen ergab das größere Gefechtsentfernungen und Salven gestütztes Feuer bzw. Zieleinmessung.

Hinzukommen Lafetten und Zielberechnung mit der Berücksichtigung der Bewegten See, was durch die erhöhte Gefechtsentfernung auch größere Abweichen verursacht.

Zu diesen Zeitpunkt lag die Seeartillerie und auch die Seezielmessung technisch weit über den Anforderungen an Festungswaffen.

Ich gehe zumindest Konform mit der These, daß es bis zum beginn des Panzerschiffbaus bzw. der Findung der neuen Typologischen Einordnung der neuen Panzerschiffsklassen (ca. 1880-90), fast keine Unterschiede zwischen Geschützen in Land- oder Seeaufstellung gab.
ich kenne mich mit der Schiffsartillerie von 1880-1918 nicht aus, weshalb ich frage: wie groß war denn die Reichweite? Zum Vergleich die Reichweite der schweren Artillerie der Festung Helgoland: 26km (kurz vor dem Ersten Weltkrieg) wobei natürlich die Überhöhung (oben auf dem Felsen) einen gewissen Vorteil bedeutet, auch bzgl. der Sicht.
 
Bist Du jetzt nicht etwas streng mit den Jungens / Mädchen von navweaps.com?

Okay, ist jetzt etwas OT hier, aber was ist der Grund, warum dieses Schiff als Kreuzer angesehen wird. Wegen der geringen Kaliberstärke?

Nun ja, die Konstruktionen der Kaiser- und Wittelsbach-Klasse waren keine gelungenen Konstruktionen, stellen aber eindeutig die Klasse des Panzerschiffes 1. Ranges oder später, ein Linienschiff dar.
 
ich kenne mich mit der Schiffsartillerie von 1880-1918 nicht aus, weshalb ich frage: wie groß war denn die Reichweite? Zum Vergleich die Reichweite der schweren Artillerie der Festung Helgoland: 26km (kurz vor dem Ersten Weltkrieg) wobei natürlich die Überhöhung (oben auf dem Felsen) einen gewissen Vorteil bedeutet, auch bzgl. der Sicht.

Da die Geschütze auf Helgoland reine Schiffgeschütze waren, liegen die Gefechtsentferungen wohl gleich auf.
Die Entwicklung der Gefechtsentfernungen ging in dem angesprochenen Zeit von ca. 50 hm bis über 250 hm.
 
Da die Geschütze auf Helgoland reine Schiffgeschütze waren, liegen die Gefechtsentferungen wohl gleich auf.
Die Entwicklung der Gefechtsentfernungen ging in dem angesprochenen Zeit von ca. 50 hm bis über 250 hm.
@Köbis
da hab ich ein paar Fragen:
- was bedeutet hm?
- sind Schiffs- und Festungsgeschütze im fraglichen Zeitraum in der Reichweite unterschiedlich?
(der Festungsbau benötigte es ab ca. 1885, die äußere Verteidigungslinie 10-20km und weiter vom Festungskern nach außen vorzuschieben, damit eben im Fall einer Festungsstadt die Stadt nicht umgehend beschossen werden konnte (deshalb ist so mancher Fortgruppengürtel von 1900 heute immer noch außerhalb der seit über 100 Jahren nachgewachsenen Stadt)
schwerste Belagerungsartillerie wie die dicke Bertha musste bis auf 14-15km an das Ziel herangebracht werden, weiter reichten sie mit ihren über 1000kg schweren Granaten nicht)
 
Du hast hier etwas aus einen Zusammenhang herausgerissen, die Zitierten Textstellen gingen auf Schießübungen des Panzerschiffes Bayern zurück und die Problematik der Zielerkennung und der Nachjustierung der Zieleingabe.
Bei den Schießübungen in Cuxhaven von Land auf Seeziele, überraschte das Salvenverfahren, aber nicht das übernehmen von Technik am Geschütz.
Darauf hin wurde auch durch die Entwicklung des neuen Schnellfeuers das neue Schießverfahren Grundlage (eingabeln) der kaiserlichen Marine, welches auch so in einer Denkschrift 1890 niedergeschrieben wurde.

Irrtum Köbis, die zitierte Passage bezieht sich nicht mehr auf das Versuchsschießen der Bayern, das in den vorhergehenden Absätzen abgehandelt wurde.

Es geht um die anschließenden Absätze, alles unter der Überschrift "Feuerlösung und Schießverfahren".

Für Jacobsen war nicht nur die Feuereröffnung und das Einschießen im Salventakt neu sondern offensichtlich auch die Entfernungsmessung mit dem Basisgerät. Die Marine nutzte noch den Sextanten. Erst 1890 konnte Jacobsen als Kompaniechef in der III. MAA in Geestemünde und Kommandeur des Forts Langlütjen I den Inspekteur Thomsen von der Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens überzeugen.

Lt. Schmalenbach (S. 58) lautete der entscheidende Satz, den Thomsen in der Denkschrift formulierte:
Es ist mir gar nicht zweifelhaft, dass wir im Schießen auf große Entfernungen, d. h. auf solche auf die man nach dem Schuß noch beobachten kann bzw. auf die größten Schussentfernungen unserer älteren Kanonen und Lafetten, die höchstmöglichen Trefferresultate erreichen werden, wenn es uns gelingt, ein brauchbares Schießverfahren festzustellen und unsere Offiziere in demselben auszubilden!

Das Verfahren setzt also keine Schnellfeuergeschütze voraus, warum auch?
 
- was bedeutet hm?
- sind Schiffs- und Festungsgeschütze im fraglichen Zeitraum in der Reichweite unterschiedlich?

- hm = Hektometer und ein hm sind 100 m.
- und zur zweiten Frage, ich denke, bei den Geschützen, egal ob auf Land oder Wasser gibt es kaum unterschiede, entscheiden für Reichweite ist die Elevation, Rohrlänge und Treibladung.
 
@Köbis
da hab ich ein paar Fragen:
- was bedeutet hm?
- sind Schiffs- und Festungsgeschütze im fraglichen Zeitraum in der Reichweite unterschiedlich?

Du kannst Fragen stellen:winke:
hm hat Köbis korrekt beantwortet.

Bei der Reichweite spielt natürlich die Form der Aufstellung eine Rolle. In den Zwillingstürmen, die auch auf Helgoland (der Insel) aufgestellt wurden, betrug die maximale Rohrerhöhung zunächst 13,5° und nach einer Umrüstung nach dem Doggerbankgefecht 16°. Die maximale Schussweite stieg damit von 187 hm auf 205 hm (lt. Schmalenbach).

Bei anderer Aufstellung, z. B. als Eisenbahngeschütz oder als Küstengeschütz
Knokke Batterie Kaiser Wilhelm II

und insbesondere der Verwendung leichterer Granaten (250kg statt 405 kg) sind natürlich größere Reichweiten (>30km) möglich.

Div. Angaben zum Geschütz findest Du auch in: navweaps.
 
@Köbis
da hab ich ein paar Fragen:
- was bedeutet hm?
- sind Schiffs- und Festungsgeschütze im fraglichen Zeitraum in der Reichweite unterschiedlich?
(der Festungsbau benötigte es ab ca. 1885, die äußere Verteidigungslinie 10-20km und weiter vom Festungskern nach außen vorzuschieben, damit eben im Fall einer Festungsstadt die Stadt nicht umgehend beschossen werden konnte (deshalb ist so mancher Fortgruppengürtel von 1900 heute immer noch außerhalb der seit über 100 Jahren nachgewachsenen Stadt)
schwerste Belagerungsartillerie wie die dicke Bertha musste bis auf 14-15km an das Ziel herangebracht werden, weiter reichten sie mit ihren über 1000kg schweren Granaten nicht)

Schau Dir mal den Thread über die britischen Shclachtkreuzer am Skagerrak an. Die RN praktizierte so aus dem Kopf Schießentfernungen von 12 km erst kurz vor dem Weltkrieg und ging dann mit den Anweisungen auf über 15 km hoch.

Die Schiffsgeschütze hatten eine geringe Elevation bis 1918, verglichen mit der Zeit danach. Da gab es dann auch Umbauten.
 
Die RN praktizierte so aus dem Kopf Schießentfernungen von 12 km erst kurz vor dem Weltkrieg und ging dann mit den Anweisungen auf über 15 km hoch.
das entspricht in vergleichbarer Zeit der Reichweite fest installierter Batterien in der Feste Kaiser Wilhelm II:
  • Batterie 1 (im Nordwesten, Höhe 375) mit 4 x 10 cm Schirmlafetten-Kanonen, 80 mm Kuppelpanzer, Gesamtgewicht 19 t, Reichweite 10800 m, Feuergeschwindigkeit bis 9 Schuss pro Minute (S/min).
  • Batterie 2 (im Westfort) mit 4 x 15 cm Haubitzen Typ 93, 150 mm Kuppelpanzer aus Nickelstahl, Gesamtgewicht über 60 t, Reichweite 7200m, Feuergeschwindigkeit 2 bis 4 S/min.
  • Batterie 3 u. 4 (auf der Blottenspitze, Höhe 390 m) mit 4 x 10 cm Schirmlafetten-Kanonen.
  • Batterie 5 (im Ostfort) mit 4 x 15 cm Haubitzen Typ 93.
  • Batterie 6 (im äußersten Osten, Höhe 374) mit 4 x 10 cm Kanonen verstärkt, 150 mm Kuppelpanzer aus Nickelstahl, Gesamtgewicht über 60 t, Reichweite bis 10800 m, Feuergeschwindigkeit 9 S/min.
  • 8 Verschwindetürme (6 im Ost- u. 2 im Westfort) mit 5,7 cm Schnellfeuerkanone für Kartätschenmunition als Sturm-Abwehrgeschütz, 150 mm Kuppelpanzer aus Nickelstahl, Gesamtgewicht ca. 58 t, Reichweite 500 m, Feuergeschwindigkeit 25 S/min.
  • Die Grabenstreichen der beiden Forts waren mit 5,3 cm Schnellfeuerkanonen bestückt. Dieser Geschütztyp war auch in den Fahrpanzern montiert. Mit einer 40 mm starken Panzerung versehen, konnten sie auf einem Transportwagen mit 60 cm Spurweite je nach Bedarf in die dafür vorgesehenen Stellungen eingesetzt werden. Die Feste besaß 16 solcher Fahrpanzer mit einer Feuergeschwindigkeit von 25 Schuss pro Minute und einer Reichweite zwischen 400 und 3000 m.
http://de.wikipedia.org/wiki/Feste_Kaiser_Wilhelm_II.
 
Deku,

der Hinweis betraf 12, 13.5 und 15inch-Geschütze, also die schwersten Kaliber. Theoretisch reichten die für das Doppelte.

Das Problem waren die Feuerleitungen über die Dreyer-Tische und die Pollen-Geräte.
 
Bezüglich der Feuerleitung: Entfernungsmesser (mittels Quadranten) und Schiessen auf verdeckte Ziele waren bei der Artillerie an Land, besonders im Bereich Belagerungswesen, schon im 18. Jahrhundert allgemein gebräuchlich. In Artillerielehrbüchern tauchen diese Verfahren noch viel früher auf.

Zu napoleonischen Zeiten gab es dann auch für die gewöhnlich Feldartillerie Entfernungs- und Flugzeittafeln bei unterschiedlichen Ladungen und Zündereinstellungen für Haubitzen und später für Bombenkanonen.

Die Seeartillerie verfügte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht über Visiereinrichtungen für ihre Kanonen und sowieso über sehr begrenzte Richtmöglichkeiten. Als Richtschrauben an Belagerungs- und Festungsgeschützen an Land schon längs der Standard waren, wurden zur See noch Richtkeile verwendet.

Bekannte Belagerungen bei denen zum Teil auf erstaunliche Entfernungen geschossen wurde, waren z.B. Cadiz 1812, Venedig 1848, Sewastopol 1854, Charleston 1864 und Paris 1871.

Bei den ersten Panzerschiffen wurde überwiegend auf Kernschussweite gekämpft und sogar der Rammangriff gesucht, so dass das Zielen auch noch kein wichtiges Thema war. Zu Lande hatte man da jedoch bereits auf Grund der gestiegenen Schussweiten durch die gezogene Geschütze, große Fortschritte gemacht.

Im Deutschen Reich hat sich besonders die Fußartillerie, der ja auch das Belagerungswesen unterstand, in diesem Thema hervorgetan und dafür Verfahren, Instrumente und später sogar die erforderlichen Telekomunikationsmittel entwickelt, die für das Schiessen auf verdeckte Ziele auf größere Entfernungen erforderlich waren.

In meinen Büchern habe ich jetzt nichts konkretes über dieses Thema zur See gefunden, ausser ein paar Fotos der von Silesia erwähnten Dreyer-Tische, ihrer deutschen Equivalenten und von frühen optischen Telemetern.

Im Spanischen-Amerikanischen Krieg so wie im Chinesisch-Japanischen wurde noch wild umhergeballert und kaum getroffen, die theoretischen Reichweiten nicht annähernd ausgereitzt. Aber bereits 1905 haben die Japaner mit ihren modernen britischen Schiffen eine erstaunliche Zielgenauigkeit an den Tag gelegt und die Gefechtsentfernungen stiegen rasant.

Ich vermute mal deshalb, dass mit dem Dreadnought und seiner Einheitsartillerie auch die entsprechenden Zielgeräte und Verfahren auftauchten bzw. ihre Reife fanden.

Worauf ich hinaus will: Die Artillerie zur Land hatte der zur See Jahrzehnte vorsprung in diesem Thema. Es kann gar nicht anders sein, als dass die ersten Verfahren von dieser Übernommen wurden. Die Frage ist wieviel wurde übernommen und was wurde neu erfunden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Worauf ich hinaus will: Die Artillerie zur Land hatte der zur See Jahrzehnte vorsprung in diesem Thema. Es kann gar nicht anders sein, als dass die ersten Verfahren von dieser Übernommen wurden. Die Frage ist wieviel wurde übernommen und was wurde neu erfunden.

Da ist der richtige Punkt getroffen. Mit der steigenden Gefechts-Distanz, etwa ab 1890, funktionierte die Seeschlacht eben nicht mehr mit "wildem Geballere" wie auf 2000 Meter (kleinere Auseinandersetzungen wie im Chinesisch-Japanischen Krieg mal außer acht gelassen).

Die optischen Entfernungsmessungen sind das eine Problem, mit Geometrie lösbar. Grob vereinfacht:

Sind Länge oder Höhe eines identifizierten Schiffes bekannt, lieferte die Optik eine Einschätzung der Entfernung (Verhältnis der betrachteten Größe eines Objektes zur tatsächlichen, bekannten Größe des Objektes).

In der maritimen Praxis löste man die Ungenauigkeiten mit "Gabelungen". In einer Salve wurde mittels Treibsatz, Elevation des Rohres, etc die ungefähre Entfernung eingeschossen: zB je Schuss 200 Meter Abstand. Danach erfolgte die Korrektur, je nachdem, welche Einschläge vor oder hinter dem Objekt oder eben "deckend" lagen. Bei "ruhenden" Objekten war das Zielproblem somit einfach und schnell lösbar.

Die Schwierigkeiten betrafen nun allerdings (Problem 2) die Bewegung (Geschwindigkeiten und Fahrtrichtungen) es eigenen Schiffes und des Gegners, sowie die Zeitverzögerungen des Richtens, Schießens, Beobachtens. Sowohl während der Gabelungen als auch beim "deckenden" Schießen waren laufende Adjustierungen notwendig, um die sich ändernden Positionen auszugleichen. Das Problem vergrößert sich - logischerweise - mit angestrebt höheren Gefechtsentfernungen.

Dieses Problem der long range fire control verschärfte sich zusätzlich mit dem dreadnought-Sprung (gleichwohl es aufgrund der Armierungen bereits angelegt war, wie man zB bei Tsushima sehen konnte), und führte letztlich u.a. zu den Dreyer-Tables:
Dreyer Fire Control Table - The Dreadnought Project

Brooks, Dreadnought Gunnery and the Battle of Jutland
Sumida, In Defence of Naval Supremacy
Brown, Warrior to Dreadnought - Warship Development 1860-1905
Gordon, The Rules of the Game

Der weitere oben angesprochenene, vorlaufende wichtige Aspekt ist das "turret ship". Das war eine Frage der Stabilität des Schiffes und des Freibords.
 
Zurück
Oben