Brandenburg: Verhältnis der teutschen Markgrafen zu den slawischen Fürsten im 10. Jh.

Ich hatte ja 940 gewählt, weil ich (siehe Eröfnungseintrag, Thema Plakat) an dieser Stelle ins Grübeln kam, wer denn damals nun tatsächlich "die Macht" in meiner Heimatregion hatte.
jetzt muss ich ganz dumm fragen: gibt es denn nicht genügend Literatur über die Billungermark und sächsische Ostmark, über die Bistümer Brandenburg, Havelberg und Magdeburg, über den anschließenden Lutizenaufstand und über die Sorben, und später über die Askanier?
 
z.B.:
Wolfgang Brüske: Untersuchungen zur Geschichte des Lutizenbundes. Deutsch-wendische Beziehungen des 10. – 12. Jahrhunderts. 2. Aufl., Böhlau, Köln u. Wien 1983
Christian Lübke: Zwischen Polen und dem Reich. Elbslawen und Gentilreligion. In: Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. Berlin 2002
und ;) natürlich:
Christian Lübke: Das östliche Europa (Die Deutschen und das europäische Mittelalter). Siedler, München 2004
 
Warum sollte man für "Sachsen" einen anderen Begriff wählen? Das ist schließlich ein "übergeordneter Begriff"
 
Warum sollte man für "Sachsen" einen anderen Begriff wählen? Das ist schließlich ein "übergeordneter Begriff"

Ja, wenn es nach mir ginge sicherlich, ich bin Regionalist, ich mag es kleinteilig.

Die Diskussion wurde, von mir vielleicht auch ein wenig unglücklich, ins Rollen gebracht mit Blick auf eine Literaturempfehlung zum Thema Ostbesiedlung.

Selbst verspüre ich den Zwang nicht, alle und jeden in irgendeine übergeordnete Schublade zu stellen. Woran ich aber festhalte, ist meine Aussage, daß man nicht "über Kreuz" bezeichnen sollte. (siehe: hier nach dem dritten Zitat)
 
jetzt muss ich ganz dumm fragen: gibt es denn nicht genügend Literatur über die Billungermark und sächsische Ostmark, über die Bistümer Brandenburg, Havelberg und Magdeburg, über den anschließenden Lutizenaufstand und über die Sorben, und später über die Askanier?

So dumm ist ja die Frage nicht. Ich habe diesen Thread ursprünglich eröffnet, weil ich mir gerade zum Schmucke einer noch leeren Wand im Haus ein Plakat mit den Herrschern Brandenburgs inklusive der Darstellung der frühen Siedlungsgeschichte anfertige. Vor 940 war es für mich einfach und ab 1157 sowieso. Ich erhoffte eine "schnelle" Antwort erheischen zu können, wer in diesen 2 Jahrhunderten nun hier der "Herrscher" war, wer letztendlich "die Macht" inne hatte. Habe nun erkannt, daß mein Plakat erstmal warten muß, da man wohl keine eindeutige Aussage treffen kann und ich mir eine eigene Meinung durch Lesen bilden muß....

Andererseits? Ist die Frage nach der vorhandenen Literatur nicht auf jedes Thema dieses Forums anwendbar?:scheinheilig:
 
Ich erhoffte eine "schnelle" Antwort erheischen zu können, wer in diesen 2 Jahrhunderten nun hier der "Herrscher" war, wer letztendlich "die Macht" inne hatte.
da stellt sich die Frage, ob "deine Region" innerhalb des geschrumpften Bistums Brandenburg liegt oder innerhalb des Herrschaftsbereichs des Liutizenbunds. In letzterem Fall wird wohl nur die Literatur zum Liutizenbund nützlich sein.
 
da stellt sich die Frage, ob "deine Region" innerhalb des geschrumpften Bistums Brandenburg liegt oder innerhalb des Herrschaftsbereichs des Liutizenbunds. In letzterem Fall wird wohl nur die Literatur zum Liutizenbund nützlich sein.


Mein Heimat- und Wohnort dürfte auf dem Gebiet der Sprewanen (im Nordwesten des Landkreises Teltow-Fläming) liegen, für den Liutizenbund wohl zu weit südlich, aber mit "meiner Region" meine ich das, was von der Mark noch übriggeblieben ist, das Land Brandenburg als ganzes. Für meine Übersicht auf dem Plakat stellt sich nun die Frage, ob ich nur Gero als Markgrafen der sächsischen Ostmark aufführe oder auch noch die einzelnen slawischen Fürsten. Derzeit tendiere ich zu letzterem (vielleicht auch ein wenig deshalb, weil mir die Vorstellung gefällt, daß es nicht nur "Mord und Totschlag" gegeben haben könnte sondern ebenso ein Neben- und Miteinander).
 
Zuletzt bearbeitet:
Und nochmal: Auch für mich, lautet die einzig genaue, und ideologisch am wenigsten verfängliche Zuordnung Heinrichs I. - "Sachse".

Aber auch die Sachsen als Volk(sstamm) lassen sich in einer Übergeordneten Einheit zusammenfassen. Nur in welche? (ohne daß eben falsche Assoziationen oder Rückschlüsse erleichtert werden!)

Ich verstehe diese immer wieder auftauchende Problematik nicht. Wir befinden uns während der Zeit des ausgehenden 9. und 10. Jahrhunderts in einer staatlichen und ethnischen Übergangsphase. An die Stelle der zahlreichen germanischen Stämme sind einige wenige Großstämme getreten, die Althochdeutsch in verschiedenen Dialekten sprechen. Ob man diese "Stämme" besser als "Völker" bezeichnen sollte, wie das einige fordern, ist umstritten.

Staatlich überdacht werden die Stämme vom Ostfränkischen Reich unter den letzten ostfränkischen Karolingern. Anscheinend muss es ein Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben haben, denn sonst hätten sich die vier Großstämme der Sachsen, Baiern, (Ost)Franken und Alemannen/Schwaben nicht unter einem König sächsischer Herkunft zusammengeschlossen (die Bevölkerung des Herzogtums Lothringen ist nur sehr bedingt als Stamm zu bezeichnen). Das ist ja das eigentlich Neue, dass erstmals kein Angehöriger der fränkisch-karolingischen Königsdynastie im Ostfrankenreich zum König gewählt wird, sondern einer aus den Stämmen jenseits des Rheins.

Staatlich gehörten die Stämme auch unter dem Sachsen Heinrich I. nicht zu einem imaginären "Deutschland", sondern zum Ostfränkischen Reich; und so wurde auch geurkundet: regnum francorum orientalium. Als "Deutscher" hat sich noch niemand verstanden, denn dieser Begriff existierte nicht. Also war Heinrich I. ein Sachse, der das das Ostfränkische Reich regierte. Man muss aber im Auge behalten, dass unter ihm und mehr noch unter seinem Sohn Otto I. die Fundamente dessen gelegt wurden, was einmal "Deutschland" werden sollte. Insofern gibt es auch Historiker, die Heinrich I. als "ersten deutschen König" bezeichnen (so z.B. W. Schlesinger, Die Königserhebung Heinrichs I., der Beginn der deutschen Geschichte, Historische Zeitschrift 221, 1975). Wiki sagt dazu: "Lange Zeit galt Heinrich als erster „deutscher“ König im „deutschen Reich“. Erst in der modernen Forschung setzte sich die Auffassung durch, dass das Deutsche Reich nicht durch einen Akt, sondern in einem lange währenden Prozess entstanden ist. Gleichwohl wird Heinrich darin weiterhin eine entscheidende Rolle zugemessen."

Man muss bedenken, dass wir uns in einem staatlichen und ethnischen Transformationsprozess befinden und daher ist es nicht möglich, irgendwelche fixen Zeitpunkte anzugeben, die den Beginn einer "deutschen Identität" postulieren. Wir sind in einem breiten Zeitkorridor und können nur mutmaßen, wie der ethnische Prozess chronologisch verlaufen ist. Die Frage ist also, wann der ostfränkische Staat unter den ottonisch-salischen Herrschern den Namen "Deuschland" erhielt, bzw. wann die in ihm lebenden Völker/Stämme Franken, Sachsen, Baiern, Alamannen zusätzlich zu ihrem bisherigen Volksnamen umfassend "Deutsche" genannt wurden - und ein eigenes Staatsbewusstsein entwickelten. Vielfach ist man sich heute einig, dass ein solches Bewusstsein kaum vor 1000, voll erst im 11. und 12. Jh. einsetzte.
 
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Ich verstehe diese immer wieder auftauchende Problematik nicht.

In allem was Sie aufführen kann ich Ihnen doch durchaus zustimmen. Mir ging es lediglich um den Unterschied zwischen dem Selbstverständnis in der jeweiligen Zeit und dem Verständnis nationalisierender Historiker oder Publizisten in der Neuzeit, welches sich in populärwissenschaftlichen Beiträgen bis heute gehalten hat und einen solchen Unterschied unbeachtet läßt.
 
In allem was Sie aufführen kann ich Ihnen doch durchaus zustimmen. Mir ging es lediglich um den Unterschied zwischen dem Selbstverständnis in der jeweiligen Zeit und dem Verständnis nationalisierender Historiker oder Publizisten in der Neuzeit, welches sich in populärwissenschaftlichen Beiträgen bis heute gehalten hat und einen solchen Unterschied unbeachtet läßt.

Ich sagte schon, dass kein großer Schaden entsteht, wenn in irgendeinem Sachbuch Heinrich I. als "erster deutscher König" aufgeführt wird. Da die ethnischen Identitäten und Grenzen in dieser archaischen Zeit ohnehin verschwimmen, ist das kein großer Beinbruch. Und von germanophilen Exzessen sind wir doch inzwischen weit entfernt - einmal abgesehen von gewissen Existenzen aus der extremen rechten Ecke.
 
Ich weiß jetzt nicht , wo ich das gelesen habe, Widukind???
Jedenfalls verstand sich OttoI schon als "deutscher " König (des (ost)Frankenreichs. Und er sprach wohl auch gnadenlos den südostfälischen Dialekt des Sächsischen.

Und der Sprachunterschied zwischen den Siedlern und den Wenden war auch nicht sächsisch- wendisch sondern deutsch und wendisch.

Nur bezeichnet hier deutsch eben nicht sowas wie eine Nation oder Volk sondern eine "Kulturgemeinschaft". So, wie wir ja hier auch deutsch schreiben, ohne alle einer Nation anzugehören.
 
Jedenfalls verstand sich OttoI schon als "deutscher " König (des (ost)Frankenreichs. Und er sprach wohl auch gnadenlos den südostfälischen Dialekt des Sächsischen.

Dass im Raum des heutigen Deutschland im 10. Jh. alt- oder mittelhochdeutsche Dialekte gesprochen wurden, steht außer Frage. Ein "deutsches Bewusstsein" lässt sich davon aber noch nicht ableiten. Ob sich Otto I. als "deutscher König" verstand, wissen wir nicht und es ist auch ziemlich unwahrscheinlich. Woher sollte ihm das plötzlich zugeflogen sein?

Und der Sprachunterschied zwischen den Siedlern und den Wenden war auch nicht sächsisch- wendisch sondern deutsch und wendisch.

Dass die Wenden slawisch sprachen, hat eigentlich niemand hier bestritten.
 
Es wurden von den Siedlern in der Mehrheit keine Alt/mittehochdeutschen Dialekte sondern sächsische/niederdeutsche Dialekte..

Beide wurden aber wohl als "tiudisk" bezeichnet, also heute "düt(i)sk" geschrieben/gesprochen im Niederdeutschen...

Da läßt sich denn schon ein "deutsches Sprachbewußtsein/ev. Kulturbewußtsein" postulieren. Von z.B. Ursis schreiben hier kann man ja auch kein "deutsches Bewußtsein" herleiten. Ich hoffe , ich tue ihm jetzt nicht Unrecht.

Sowas wie ein Nationalbewußtsein für "deutsch" war Heinrich, Otto und anderen sicher fremd. Sie waren Teil des fränkischen Reiches, waren sich aber näher als den Westfranken ...

Der Bairische und der sächsische Herzog waren beide "Deutsche", aber nicht im Sinne eines Bewußtseins, sprich es war beiden herzlich egal, ob der andere "auch Deutscher " war. Oder anders ausgedrückt:
Das "Deutsch sein" hatte nichts verbindendes
 
Es wurden von den Siedlern in der Mehrheit keine Alt/mittehochdeutschen Dialekte sondern sächsische/niederdeutsche Dialekte..

Wir unterscheiden einmal vier Sprachstufen oder Zeitabschnitte der deutschen Sprache, nämlich Alt-, Mittel, Frühneuhochdeutsch und Neuhochdeutsch. Ferner gibt es die beiden Sprachkategorien Nieder- und Hochdeutsch.

Sowas wie ein Nationalbewußtsein für "deutsch" war Heinrich, Otto und anderen sicher fremd. Sie waren Teil des fränkischen Reiches, waren sich aber näher als den Westfranken ...

Das zeigen schon die Straßburger Eide von 842 in Althochdeutsch und Altfranzösisch. Im 9. Jh. hatten sich die Sprachen also bereits entscheidend auseinanderentwickelt.

Der Bairische und der sächsische Herzog waren beide "Deutsche", aber nicht im Sinne eines Bewußtseins, sprich es war beiden herzlich egal, ob der andere "auch Deutscher " war. Oder anders ausgedrückt:
Das "Deutsch sein" hatte nichts verbindendes

Streng genommen waren sie das nicht, denn einen Begriff "deutsch" gab es lediglich als "diutisk" für eine Sprache. Eine politische oder ethnische Zuordnung war damit nicht verbunden.
 
Dieter, stimmt, sie verstanden sich eher als "deutschsprachig", allerdings ohne da eine bewußte Zusammengehörigkeit draus zu machen.

Also die Ottonen waren schon deutsch(sprachige) Könige , allerdings des (Ost)Fränkischen Reichs.

Wenns heute noch schwer ist "deutsch -was ist das" zu beantworten, für damals sollte mans lassen. Wir wissen es nämlich schlicht nicht genau
 
Das zeigen schon die Straßburger Eide von 842 in Althochdeutsch und Altfranzösisch. Im 9. Jh. hatten sich die Sprachen also bereits entscheidend auseinanderentwickelt.

In welcher Zeit hatten sich Althochdeutsch und Altfranzösisch noch nicht entscheidend auseinanderentwickelt?
 
Nun, zumindest war im Westfränkischen Reich, das, was die unter Latein verstanden, Amtssprache/wohl auch Umgangssprache und im Ostfränkischen tiudisk
 
Nun, zumindest war im Westfränkischen Reich, das, was die unter Latein verstanden, Amtssprache/wohl auch Umgangssprache und im Ostfränkischen tiudisk


Amtssprache?
Normalerweise wurden Urkunden in Latein verfasst. Also dem, was wir auch heute unter Latein verstehen.
File:Urkunde 814 Ludwig der Fromme Ellwangen HStAS H 51 U 2.jpg - Wikimedia Commons


Die beiden Sprachen der Straßburger Eide werden mit den Worten "alter teudisca, alter romana lingua" beschrieben.
 
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