Die entzerrte Karte des Claudios Ptolemaios

Ich hab´s mit Absicht etwas weiter definiert. Sonst wär tenochtitlan ja ein Dorf :) gewesen. Und Rom ist ja auch wohl als Dorf gegründet und niemand hat Rom Stadtrechte verliehen.
Zumindest Braunschweig und Hannover sind als Städte (dauerhafte Handelsplätze) nachrömisch.
Hannover wird urkundlich erstmals als Colonia erwähnt und in Braunschweig auf dem Altstadtmarkt hat man Gruben gefunden, die als Zeltgruben aus dem Frümittelalter gedeutet wurden. Also auch kein dauerhafter Warenumschlagsplatz.

Das da schon sehr viel früher in der Gegend Leute gelebt haben, und das nicht nur vorrübergehend, ist schon länger bekannt.

Die verortung von Tulisurgium als "Braunschweig" ist angesichts des Verfahrens zweifelhaft. 40km weiter südlich liegt Werla, von der Anlage her ähnlich eines keltischen Oppidums mit Tumulus in der Gemarkung, mit Okerfurt und alter Salzstrasse.

Also, ich bezweifle mal, das man die Orte in dieser Karte zweifelsfrei identifizieren kann.
 
Die Frage, was eine "Stadt" ist, ist wirklich schwer zu beantworten. Spontan hätte ich gesagt, dass es auch auf eine bestimmte Bevölkerungsgröße ankommt, aber in meiner Gegend gibt es gleich zwei Städte (Hardegg und Schrattenthal), die sogar heute noch weniger als tausend Einwohner haben, aber trotzdem im Mittelalter zu Städten erhoben wurden und befestigt waren.
Zielführender zur Beurteilung, ob man bei einem Ort von einer Stadt sprechen kann, ist wohl ein bewegliches System:
- Stadt ist auf jeden Fall, was rechtlich zur Stadt erhoben wurde, sei es von den Römern (municipium oder colonia), sei es im Mittelalter oder in der Neuzeit durch die Verleihung des Stadtrechts.
- Stadt ist aber auch, was über eine bestimmte Bevölkerungsgröße und einen bestimmten Organisationsgrad (Verwaltungsapparat, evtl. autonome Stadtregierung und Wehrverfassung der Bürger) sowie eine gewisse Infrastruktur verfügt.
Nichts davon wird aber auf diese auf der Karte identifizierten Orte zugetroffen haben.
 
Unter einer einer Stadt versteht man in der Regel eine größere Siedlung mit geschlossener Bebauung, die im Unterschied zum Dorf zentrale Funktionen für das Umland besitzt. So vor allem in den Bereichen Handel, Handwerk, Gewerbe, Kultur, Verkehr und Verwaltung.Häufig sind Städte auch kirchliche Mittelpunkte (z.B. Bischofssitz) oder - besonders in der Antike - Zentren bestimmter Kulte.

Römische Städte bzw. Kolonien breiteten sich in allen von den Römern eroberten Gebieten aus, sodass es auch in Germanien zu ersten Städtegründungen kam. Hier entstanden im Gebiet von Rhein, Mosel und Donau Verwaltungs- und Garnisonstädte, die sich an römische Legionslager und Kastelle anlehnten (z.B. Mainz, Köln, Trier).

Nach dem Untergang des Römischen Reichs und den Stürmen der Völkerwanderung verloren die Römerstädte zwar an Bedeutung, doch als die Zeiten ruhiger wurden, erwachte hier am frühesten städtisches Leben. Oft waren die Römerstädte auch alte Bischofssitze, wo der Kirchenfürst nun eine Pfalz erbaute. Damit zog er Kaufleute und Handwerker an, die sich in der Nähe der zahlungskräftigen Kundschaft niederließen. In der Nähe großer Klöster oder mächtiger Burgen und Pfalzen wuchsen ebenfalls Städte heran. So ging die Stadt Essen aus einem Kloster hervor, dessen Abt ihr 1317 die Stadtrechte verlieh. Nürnberg hingegen entwickelte sich im Schutz einer Königsburg und erhielt von Kaiser Heinrich IV. im Jahr 1062 das Marktrecht.

Anlass für eine Stadtgründung bot auch der Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen oder ein Flussübergang mittels Furt (z.B. Erfurt) oder Brücke (z.B. Saarbrücken). Städte wie Hamburg, Stralsund oder Bremen entstanden schließlich in vorteilhafter Küstenlage, wo ein geschützter Hafen die Schifffahrt begünstigte. Oft wirkten auch mehrere der genannten Voraussetzungen bei der Entstehung einer gewachsenen Stadt mit.

Zu den gewachsenen Städten traten seit dem 11. Jh. zahlreiche Gründungsstädte, d.h. Orte, die vom König oder von geistlichen und weltlichen Fürsten planmäßig gegründet wurden. Große Aktivität entfalteten hier im 12. Jh. die Staufer, die das Reichsgut mit einer Kette von Burgen und Städten überzogen, um dem Kaisertum eine Machtbasis zu sichern. Ihnen eiferten zahlreiche Landesherren nach, die ihr Territorium durch Städtegründungen ausbauten und sich als Stadtherren Einkünfte versprachen. So z.B. durch den Marktzoll, das Münzrecht oder die Einnahme von Mietzins für ausgegebene Grundstücke.

Um allerdings Kaufleute und Handwerker überhaupt zur Ansiedlung bewegen zu können, räumte ihnen der Stadtherr besondere Rechte und Privilegien ein. So ein gewisses Maß an Selbstverwaltung, eine eigene Gerichtsbarkeit und natürlich Schutz und Frieden. Beispiele für derartige Städtegründungen sind Freiburg, das 1120 durch Herzog Konrad von Zähringen gegründet wurde oder Lübeck, das der Sachsenherzog Heinrich der Löwe auf dem Boden einer zerstörten Vorgängerin 1159 neu gründete.
 
Das Problem liegt wohl vor allem darin, dass man als Wissenschaftler seine Arbeit in den Medien publik machen muss und hier trifft man oft auf Journalisten, die von der Materie keine Ahnung haben und denen nicht an der Veröffentlichung der der Erkenntnisse gelegen ist, sondern darum, möglichst viele Leser für die Zeitung anzulocken. Die Koordinaten sind immer noch viel zu grob, um genauere Eingrenzungen vorzunehmen. Die Lokalisierung kann durchaus 50km abweichen. Siedlungen, Marktorte oder auch sogenannte "Städte" oder stadtähnliche Gebilde wird es auch schon bei den Germanen des 2. Jh. gegeben haben. Nur waren die nicht von Dauer und in den seltensten Fällen haben sich die Namen an diesem Ort erhalten, so dass man einen heutigen Ortsnamen damit verbinden kann. Die Größe der Siedlung spielte dabei keine Rolle, zumal generell die Bevölkerungszahl in Mitteleuropa sehr gering war. Selbst im Hochmittelalter hatte die Masse der Städte nicht mehr als 500 Einwohner.
Ein sehr eindrucksvolles Beispiel ist der Punkt "Jena". Hier ist unter dem Punkt eigentlich gar nichts zu Jena zu finden, weder der lokale, noch der namenkundliche Bezug ist in keiner Weise gegeben. Es wurde lediglich als heute bekannte Referenz zum Titel für diesen Punkt von den Autoren gewählt. Der darunter beschriebene Ort könnte zwischen Nürnberg und Halle gelegen haben und hat auch keine namenkundliche Ähnlichkeit irgendeiner heute existierenden Siedlung.

Man sollte einfach auch mal zur Kenntnis nehmen, dass noch bis ins 15. Jh. große Mengen von Siedlungen einfach wieder verschwanden und heute kaum oder gar nicht mehr bekannt sind. Warum soll dies nicht auch für die Zeit des 2. Jh. gelten.
 
Städte wie ESSEN, HANNOVER, JENA, LEIPZIG, BRAUNSCHWEIG wurden genannt. Diese Städte sollen also schon zur römischen Kaiserzeit bestanden haben.

Besonders für Braunschweig kann ich sagen, dass das kompletter Schwachsinn ist.

Die Stadtarchäologie hat während der letzten Jahrzehnte nichts zutage gefördert, was auch nur im entferntesten vor dem 9./10. Jh. einer Stadt nahekommen würde. Es gibt im Umkreis lediglich Spuren einiger kleiner sächsischer Dörfer, die bis ins 6. Jh. zurückreichen, und deren Namen zuweilen in Flurbezeichnungen eingingen. Braunschweig selbst entstand an einer Okerfurt, wo eine kleine Siedlung mit Namen Brunesguik/Brunswieck in Anlehnung an eine Burg seit dem 9. Jh. allmählich heranwuchs. 1031 wird Braunschweig erstmals urkundlich erwähnt.
 
Mir ging es in erster Linie darum entlich mal eine Karte zu sehen, mit Orten im germanischen Raum, die schon während der römischen Kaiserzeit bestanden haben sollen, na gut, ob es nun Städte waren, oder nur eine Ansammlung von Gehöften, in denen es einen Marktflecken gab, sei dahin gestellt. Ich danke für eure Informationen und euer Interesse.
 
Hallo!

Hier noch nen guter Beitrag zur Geschichte der Kartographie und damit auch zur Geographie des Klaudios Ptolemaios.
"Die Altkarte als Quelle für den Historiker von Thomas Horst"
aus"Archiv für Diplomatik Band 54".
Archiv für Diplomatik - Google Bücher
Die erste Seite ist leider nicht verfügbar. Darum hab ich erst die zweite verlinkt!

Da ich mich im Zusammenhang mit Ptolemaios ein wenig mit der Herkunft der Ortsbezeichnungen in der "Germania Magna"
befassen wollte, würde ich mich freuen wenn ich hier nen Tipp erhalten könnte was Literatur zu diesem Thema angeht.
Also in der Art das man anhand z.B. der Endungen die Herkunft der Ortsbezeichnung versucht festzustellen.
Habe natürlich auch schon gesucht aber leider nur wenig gefunden.
Hier jetzt noch n paar Links zu diesem Thema:

Handbuch der Alten Geographie von Albert Forbiger
Handbuch der Alten Geographie - Google Bücher

Kurzer Abriss der alten Geographie als Leitfaden beim Unterricht auf Gymnasien von Albert Forbiger
Kurzer Abriss der alten Geographie ... - Google Bücher

Germanien unter den Römern von Christian Gottlieb Reichard
Germanien unter den Römern: Nebst ... - Google Bücher

Desweiteren bin ich auf einen Aufsatz von Otto Klaus Schmich "Ptolemaeische Namen zwischen Rhein, Lippe und Elbe" gestoßen.
Auf der hier verlinkten Seite sind noch weitere Aufsätze zu Ortsnamen in der Germania Magna.
Aufsaetze
Die auf Wikipedia geäußerte Kritik bezüglich Schmich habe ich gelesen und wollte hiermit auch darauf hinweisen.

Da im Verlauf des Threads der Name Magdeburgs fiel. Hier noch nen Link zur "Magdeburger Schöppenchronik".

Magdeburg - Google Bücher

Magdeburg - Google Bücher




Mit freundlichen Grüßen, Lucio Cinico!
 
Die verortung von Tulisurgium als "Braunschweig" ist angesichts des Verfahrens zweifelhaft. 40km weiter südlich liegt Werla, von der Anlage her ähnlich eines keltischen Oppidums mit Tumulus in der Gemarkung, mit Okerfurt und alter Salzstrasse.

Also, ich bezweifle mal, das man die Orte in dieser Karte zweifelsfrei identifizieren kann.

Als in Tulifurdum Gebürtiger habe ich versucht, im Internet etwas über die Bedeutung der Silbe "Tuli" zu erfahren. Der einzige hilfreiche Hinweis stammte von dem allseits geschätzten Hr. Friebe, lt. dem "Tuli" altgermanisch so etwas wie "hoch", "riesig" bedeutet. Ob dies stimmt, vermag ich nicht einzuschätzen.
Sollte es aber richtig sein, und unter der zusätzlichen Annahme, dass irgendein Mönch beim Abschreiben mal ein Beta mit einem Sigma verwechselt hat (die ja durchaus verwechselbar sind), dann wäre "Tulisurgium" (Branuschweig) in Wirklichkeit Tuliburgium = 'die hohe Burg'. Und was liegt keine 3 km östlich von Werla - die kleine, aber feine Stadt Hornburg, in der Stadtanlage ziemlich un-niedersächsisch, und mich eher an Orte wie Orvieto oder Montepulciano erinnernd, also etrurisch / keltisch anmutend. Könnte gut sein, dass Du mit dem ersten Zitat recht, mit dem zweiten unrecht hattest ...

Es gibt noch ein paar Fälle, in denen mich die Kartenrekonstruktion durchaus überzeugt, wenn man den Radius etwas weiter um die ermittelten Orte zieht. Nehmen wir Bogadium - lokalisiert in Salzkotten. Ein paar Kilometer nordwestlich Salzkottens findet sich, direkt an der Lippe, Boke, bestehend aus den Ortsteilen Kirchboke und Ringboke. "Kirch" ist klar, aber woher "Ring"?. Keine 2 Kilometer östlich von RingBoke liegt dann das ehemalige Römerlager Ansdetten, und etwas südlich findet sich der "Wohnplatz von Thule" mit germanischen Siedlungsresten aus dem 1. Jh. Passt schon ..
Auch "Ascilingium" (Hildesheim) liegt sprachlich und räumlich nicht weit vom Hildesheimer Vorort Achtum entfernt (Mitlesende Germanisten - korrigiert mich bitte, wenn ich da laienhafterweise irgendwelche Gesetze der Lautverschiebung ignoriert haben sollte). Lupfurdum könnte Elbfurt heisen, und spricht nicht unbedingt gegen Lokalisierung in/ bei Dresden, usw.

Für andere Orte der Rekonstruktion allerdings fehlt mir bislang jeglicher Erklärungsansatz, archäologisch wie sprachlich. Aber vieeliecht können andere da ja was beisteuern, oder auch (Beispiel Schönberg / NWM) einzelne Lokalisierungen kritisch beleuchten.

Dies wäre für mich auf jeden Fall interessanter, als theoretische Diskussionen zur Definition einer Stadt - das Thema ist für mich seit meinem wirtschaftsgeographischen Studium geklärt, und Dieters und Wilfrieds Definitionen habe ich nichts hinzuzufügen.
 
Hier mal ein paar Fakten zu den Karten des Ptolemaios:
Hauptsächlich entnommen aus dem Stückelberger

Wie Ptolemaios selber schreibt, hat er als verlässlich astronomisch ermittelte Daten NUR die Daten des Hipparch ( 190 v. Chr. † um 120 v. Chr.)
Ein Teil dieser Daten sind über Strabon erschliessbar und decken sich fast vollständig mit denen von Ptolemaios. Geographisch erfassen sie aber fast nur den Mittelmeerraum und das Schwarze Meer. Für Germanien sind KEINE hipparchischen Werte bekannt.

Ein Grossteil der restlichen Daten stammt von Marinos von Tyros, wie Ptolemaios weiter ausführt. Dabei kritisiert er die getrennten Listen für Längen und Breitenkoordinaten. Man geht aber dennoch davon aus, dass diese Daten weitestgehend unkorrigiert übernommen wurden. Wahrscheinlich dann wenn keine besseren Daten vorlagen.
Dass für die Magna Germania eine andere Quelle vorlag, als für die Gebiete des ehemaligen römischen Imperiums, schliesst man aus der Reihenfolge der Ortsangaben. In der Magna Germania sind sie nach Klimazonen geordnet aufgelistet, während sie auf römischer Seite nach Verwaltungseinheiten? sortiert scheinen.
(Ausführlich zu den Klimazonen und Ptolemaios: Ernst Honigmann Die sieben Klimata und die Polis Episemoi)

Die Polis Episemoi (Kanon bedeutender Städte) tauchen bei Ptolemaios im Almagest auf (Also in seinem mathematisch astronomischen Werk) und sind auch in die Geograpie übernommen worden. Möglicherweise liegen für diese ca. 360 Orte also auch astronomisch bestimmte Messwerte zu Grunde, die Ptolemaios vor anderen (aus Reiseberichten erschlossene) bevorzugt haben könnte, wie er selbst schreibt. ( Ptol. Geogr. 1,4,1 )
Für die Magna Germania sind dies die Orte Luppia, Amisia und Eburodunum.
(Stückelberger,Mittenhuber,Koch Handbuch der Geographie Ergänzungsband 134ff)

Zusammengenommen lagen Ptolemaios aus heutiger Sicht also wahrscheinlich nicht mehr als 500 astronomisch bestimmter Koordinaten vor. Insgesamt umfasst die Geographie ca. 8000 Koordinaten.
Alles andere muss er sich also aus Reiseberichten erschlossen,
Fehlende Koordinaten errechnet? und Wiedersprüchliches aufgelöst haben.

Es ist nicht sicher, ob die erhaltenen gezeichneten Karten zur Geographie auf eine Karte des Ptolemaios zurückgehen. Die Geographie ist im wesentlichen nur eine Anleitung zum Zeichnen einer Karte. Sicher ist dass auch andere Karten nach der Geographie gezeichnet haben. So hat sich ein gewisser Agathodaimon mit einem Subscriptio auf einer Karte verewigt.
( ausführlich in Mittenhuber Text und Kartentradition in der Geographie des Klaudios Ptolemaios)

Deshalb sind Spekulationen über die Links- oder Rechtsrheinische Position germanischer Orte mit Vorsicht zu geniessen. Ptolemaios selbst gibt nur eine Quelle und drei Mündungen für den Rhein an, sowie die Information, dass dieser von Süd nach Nord fliesst.

Ab hier mein Gedankenspiel wie Ptolemaios möglicherweise gearbeitet hat ;-)
Wir haben am Rhein also einerseits unterschiedliche Quellen vorliegen, andererseits die Notwendigkeit diese Quellen sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Ein Reisebericht aus der Magna Germania hat sich möglicherweise vermutlich bei seinen Entfernungsangaben auf den Rhein, oder inirekt auf eine Stadt am Rhein, als Ausgangspunkt der Reise bezogen. Jetzt hat Ptolemaios aber nur Quelle und Mündung für diesen Fluss. Und schon liegt ein Ort zu weit westlich da die Ost-Westausdehnung des Flusses nicht bekannt ist. Gleichzeitig vertraut er aber einem anderen Ort aufgrund seiner Quelle zu sehr und setzt Ihn fälschlich zu weit nach Osten. Andere Orte eines anderen Reiseberichts ERBEN diesen Fehler.
Man kann das mit mathematischen Methoden angehen, und in den ehemals römischen Gebieten hat es ja auch ansehnliche Ergebnisse gebracht, wenn man verlässliche Startpunkte( bekannte Orte ) in ausreichender Zahl hatte.
Für die Magna Germania hatte man diese aber nicht, und musste diese erst durch Archäologen ERZEUGEN.

Ein interessanter Ansatz, aber nicht der Stein der Weisen!

Gruss
jchatt
 
So hat sich ein gewisser Agathodaimon mit einem Subscriptio auf einer Karte verewigt.

Damit habe ich ein gewisses Problem. Der Agathodaimon, von ágathos, 'gut' und daimon, 'Geist' also übersetzt 'guter Geist' ist eigentlich ein Hausgott in Form der Kobra im ptolemaischen Ägypten. Nur schwer vorstellbar, dass das jemand als Eigennamen geführt hat.
 
Damit habe ich ein gewisses Problem. Der Agathodaimon, von ágathos, 'gut' und daimon, 'Geist' also übersetzt 'guter Geist' ist eigentlich ein Hausgott in Form der Kobra im ptolemaischen Ägypten. Nur schwer vorstellbar, dass das jemand als Eigennamen geführt hat.

Die komplette Übersetzung der Subscriptio laut Stückelberger:
"Auf Grundlage der acht Bücher der Geographie des Klaudios Ptolemaios habe ich, der Ingenieur (mechanikos) Agathodaimon aus Alexandria, die gesamte Oikumene zeichnerisch dargestellt"

Sie findet sich in fast allen älteren Handschriften der Geographie am Ende des 8. Buches.

Gruss
jchatt
 
Ich habe mir heute von Kleineberg/Marx/Knobloch/Lelgemann und von Kleineberg/Marx/Lelgemann die Bücher Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios 'Atlas der Oikumene', Darmstadt 2010 und Europa in der Geographie des Ptolemaios. Die Entschlüsselung des 'Atlas der Oikumene'. Zwischen Orhney, Gibraltar und den Dinariden, Darmstadt 2012 besorgt.
Ich muss sagen, dass insbesondere das Buch zu Germanien mich nicht wirklich überzeugen kann. Die Autoren stellen völlig korrekt die Problematik dar: Wir kennen die Ortsnamen in der Germania nicht, können also nur Orte mit Siedlungskontinuität, die Flüsse und Gebirge wirklich einigermaßen zuweisen (eine Namenskontinuität seit römischer gibt es in der Magna Germania nur bei den Flüssen, nicht bei den Gebirgen). Desweiteren müssen wir mit Abschreibfehlern rechnen, die entweder Ptolemaios oder einem seiner Kopisten passiert sind (die frühesten überlieferten Handschriften stammen aus dem 13. Jahrhundert, sind also knapp 1100 Jahre nach Ptolemaios entstanden, das Handschriftenstemma ist in zwei Linien, die Omega- und die Xi-Linie (Ω, Ξ) eingeteilt, wobei es unter den Handschriften mehr als 1000 Abweichungen, Ortsangaben betreffend gibt, die durch Lese- oder Schreibfehler, Verderbnisse, Zeilenverrutschungen oder vielleicht auch durch Ptolemaios eigene Korrekturen zustande gekommen sind).
Hinzu kommen eben verschiedene Messmethoden, nach Stadien (die unterschiedlich groß sein konnten, was Ptolemaios laut den Verfassern der Studie nicht bedacht hat), Leugen, Tagesreisen etc. Die meisten Orte in der Germania seien nur durch Ptolemaios überhaupt belegt, es gibt also keine Quelle, mit der man sie und ihre Lage irgendwie abgleichen könne.

Trotz all dieser Probleme wollen die Autoren nun die Orte wieder identifiziert haben, wobei ihnen nicht der Vorwurf zu machen ist, dass sie eine Siedlungskontinuität annehmen oder insinuieren, wie man das teilweise den Beiträgen hier im Thread entnehmen kann, dass dies im medialen Bereich germacht wurde.

Das Problem ist, dass die Methode, wie sie die Orte errechnet haben wollen, unklar bleibt. Da ich persönlich, was Mathematik angeht, geradezu ignorant bin und meine Kritik daher eher auf ein Bauchgefühl zurückgingen und weniger auf Argumente, ich mich aber nicht auf Bauchgefühle verlasse, will ich hier mal jemand geeigneteres sprechen lassen, den Professor für Historische Kartographie Gyula Pápay (Uni Rostock).

Gyula Pápay: Rezension zu: Kleineberg, Andreas; Marx, Christian; Knobloch, Eberhard; Lelgemann, Dieter: Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios' "Atlas der Oikumene". Darmstadt 2010, in: H-Soz-u-Kult, 14.09.2011, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-3-161>.

Pápay schrieb:
Aus diesen Darlegungen geht klar hervor, warum die Verortung der antiken Koordinatenangaben in einem modernen Koordinatensystem so schwierig ist und warum die bisherigen Versuche so starke Divergenz aufweisen. Dabei werden die Schwierigkeiten durch die Annahme, dass Ptolemaios für das Gebiet Germaniens auch Karten verwendete (zum Beispiel S. 7), sogar untertrieben.
[...]
Die Lokalisierung der Orte erfolgte primär auf der Grundlage von Itinerarien, die die Ortsentfernungen beinhalteten. Diese Angaben waren unsystematisch ungenau, demzufolge lassen sich die Koordinaten von Ptolemaios keineswegs systematisch entzerren. In der vorliegenden Publikation wird trotzdem eine Methode zur systematischen Entzerrung vorgeschlagen, die sogar als „geodätisch“ bezeichnet wird (S.11).
[...]
Der Untertitel der vorliegenden Publikation ist nicht zutreffend, denn es handelt sich hier nicht um die Entschlüsselung von Oikumene-Karten, sondern um den Entschlüsselungsversuch eines Teils der ptolemäischen Koordinaten.
[...]
Die auf dem Schutzumschlag gegebene Einschätzung des Werkes steht in krassem Widerspruch zum eigentlichen Inhalt. Es wird verschwiegen, dass die sogenannten „revolutionären“ Ergebnisse viele Unsicherheiten enthalten. Die Autoren selbst stufen in der Tabelle mit den entzerrten Koordinaten auf dem Gebiet von Germania Magna 84% der Identifizierungen als unsicher ein.

Bei der Unterstreichung muss ich Pápay allerdings widersprechen. Die unsicheren Identifizierungen werden mehrfach von den Autoren angemerkt, in der Tabelle sogar extra verzeichnet und auch hinterher im Kommentar wiederum vermerkt. Was man den Autoren allerdings vorwerfen muss, ist eine gewisse Unübersichtlichkeit. Sie identifizieren Orte nämlich aufrund unterschiedlicher Methoden, einmal denen die sie "geodätisch" nennen (was nach Pápay ja nicht gerechtfertigt ist) und dann historisch-archäologischen Methoden. Das ist nicht immer deutlich vermerkt, nach welcher Methode sie einen Ort gerade identifiziert haben.

Zur eigentlichen Methodenkritik:
Pápay schrieb:
Wie bereits angedeutet, ist die Entzerrungsmethode selbst kritisch zu betrachten. Bei Entzerrung historischer Karten kann man mit der Methode der Georeferenzierung sehr gute Ergebnisse erzielen.[3] Sie lässt sich jedoch für die Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten außerhalb des Römischen Reiches nicht verwenden, da sie das Vorhandensein einer hinreichenden Anzahl identischer Orte oder geographischer Punkte in der historischen und in der modernen Karte voraussetzt. Die Georeferenzierung wird nicht als geodätische Methode bezeichnet, noch weniger verdient diese Bezeichnung die Methode, die zur Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten verwendet wurde. Es handelt sich dabei um die Ausgleichsrechnung, die in der Geodäsie zur Eliminierung von Messfehlern dient. Zur Entzerrung der ptolemäischen Koordinaten lässt sich diese Methode so wie in der Geodäsie nicht für die Gebiete außerhalb des Römischen Reiches verwenden, da die ptolemäischen Koordinaten hier keinen Systemcharakter aufweisen.
[...]
Ebenso ist nicht nachvollziehbar, wie die Ausgleichsrechnung konkret zur Ermittlung solcher Ortsgruppen verwendet wurde. Die Bemerkungen dafür sind zu lakonisch: „Die Suche nach Transformationseinheiten erfolgt kombinatorisch. Dabei werden die Orte eines Startgebietes so lange miteinander kombiniert, bis eine maximale konsistente Ortsgruppe gefunden wird.“ (S. 12) Es ist völlig rätselhaft, wie zum Beispiel in der Mitte von Germanien, wo die ptolemäischen Koordinaten mit großen Unsicherheiten behaftet sind, eine „maximale konsistente Ortsgruppe“ ermittelt werden konnte. Der vorliegenden Publikation wurde auch keine konkrete Berechnung beigefügt. Damit entzieht sich die angewendete Entzerrungsmethode jeglicher Überprüfungsmöglichkeit.
An einem Bsp. wird gezeigt, wie unsicher selbst als sicher ausgegeben Identifizierungen sind:
Pápay schrieb:
Celamantia gehört zu den ganz wenigen Orten in der Tabelle zu Germania Magna (S. 31), deren Koordinaten (18° 14’ und 47° 45’) als sicher bezeichnet wurden. Demzufolge wurde dieser Ort mit Leányvár (bei Komarno) identifiziert. Die archäologische Forschung schließt jedoch eine solche Identifizierung definitiv aus.[4] Dieses Beispiel belegt zugleich, dass die Identifizierungsresultate, zum Teil sogar diejenigen, die als sicher angegeben werden, mit Vorsicht zu betrachten sind.

Das Schlussresümmee:
Pápay schrieb:
Die vorliegende Publikation kann nicht den Anspruch erheben, die ptolemäischen Koordinaten entschlüsselt zu haben. Sie bereichert lediglich die bisherige Vielzahl der Identifizierungsvorschläge für Germanien und die Anrainergebiete.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tschechische Forscher haben sich vor nicht allzulanger Zeit ebenfalls Ptolemäus' Karte angenommen, mit einem anderen Ansatz:http://www.e-perimetron.org/Vol_6_2/Brychtova_Tsorlini.pdf

  1. Unter der Annahme, dass alle vorliegenden Ptolemäus-Transkriptionen fehlerbehaftet sein können, wurde die Analyse nicht mit den Daten einer Quelle, sondern verschiedener Quellen durchgeführt. Hierfür wurden zunächst die Editionen von De Turre (1490), und Stevensons Übersetzung des Transcripts von Nicolaus Germanus (Mitte 15. Jhd) auf interne Konsistenz geprüft, und offensichtliche Transkriptionsfehler (z.B. Elbmündung bei Stevenson 15-20° südlich aller anderen Koordinaten in der Germania Magna) anhand weiterer Transkriptionen korrigiert.
  2. Im nächsten Schritt wurden die korrigierten Daten für ganz Europa (nicht nur die Germania Magna) auf die aktuelle Europakarte projeziert und sodann auf Basis der durch bekannte Toponyme markierten Küstenverläufe georeferenziert korrigiert.
  3. Abschließend wurden die Ergebnisse auf die aktuelle Karte übertragen, und mit entsprechenden Projektionen aus dem 19. Jahrhundert, sowie bekannten Lokalisierungsversuchen verglichen.
Der letzte Schritt erfolgte leider nur für solche Orte, die im Vorwege in der heutigen Tschechischen Republik vermutet worden waren. Für drei der von Ptolemäus genannten Orte ergab sich eine relative gute Übereinstimmung historischer Lokalisierungen mit der entzerrten Karte:.

  1. Eburodunum wird, wie von den Berliner Forschern, im Großraum Brünn lokalisiert.
  2. Mediolanum wird auf der Linie Tulln a.d. Donau - Raab a.d. Thaya verortet. Bei den Berliner Forschern liegt es etwas weiter östlich, in Korneuburg an der Donau.
  3. Setuacotum dürfte im Raum zwischen Cham und Domazlcze, also im Bayrischen Wald an der schon neolithisch bezeugten Verbindung Regensburg-Pilsen (-Prag) gelegen haben. Die Berliner Verortung ist ganz wo anders, nämlich bei Treuchtlingen.
Bei den übrigen Orten ergaben sich relative große Unterschiede zwischen der Entzerrung und bisherigen Lokalisierungen. Die Tschechen Konstatieren dies, ohne eigene Lokalisierungsvorschläge zu entwickeln. In der Folge stelle ich von Nord nach Süd die ungefähre Lokalisierung auf Basis der entzerrten Koordinaten nach De Turre (CZ) der der Berliner Forscher (B) gegenüber. Hierbei sei darauf verwiesen, dass Ptolemäus Urkoordinaten nur mit einer Genauigkeit von 5 Bogenminuten angegeben sind, was einer Meßtoleranz von gut 50 km in jede Himmelsrichtung entspricht. Falls beide Lokalisierungen nicht viel weiter als diese Messtoleranz entfernt liegen, kennzeichne ich dies durch Unterstreichung:

  • Momestorium: CZ etwas SO Görlitz, B bei Litomerice ("Nomisterium");
  • Rhedinturium: CZ bei Liberec, B bei Louny/ Eger ("Redintuinum");
  • Marobudum: CZ etwas westlich von Pilsen, B bei Amberg;
  • Meliodunum: CZ etwas westlich von Svitavy, B bei Pisek;
  • Coridorgis: CZ etwas östlich Tabor, B bei Jihlava;
  • Brodentia: CZ etwas NO Regensburg, B Donauwörth ("Brodeltia")
  • Abilunum: CZ Neustift im Mühlkreis, B Freistadt/ Österreich ("Abiluum")
Tendenziell scheinen die Berliner Lokalisierungen, für den von den Tschechen untersuchten Ausschnitt, etwas südlich und gut 100 km westlich der der Tschechen zu liegen, wobei die Abweichung jedoch alles andere als systematisch ist.
 
jetzt muß ich doch mal was als ehemaliger Artillerie-Beobachter was zu dieser Entzerrerei sagen.

Man kann jetzt bei antiken Autoren im Vergleich zu der modernen Geografie systematische Fehler vermuten (wenn zum Beispiel eineindeutige Orte prinzipiell mit faktor x oder Summand y damals und heute von ein ander abweichen). Dabei ist zu berücksichtigen, das Rom, Marseille und andere heute einen anderen Kern haben als damals. Ht man das herausgefunden, sollten die heute nicht identifizierbaren Orte an den entsprechenden "entzerrten" Orten liegen.

Was man jedoch keinesfalls machen darf, den Fehler extrapolieren. Bsp.: Rom liegt 20 km zu weit östlich, Marseille 40 , da muß das für nördlichere Orte keinesfalls gelten. Weder in absoluten KM noch in irgendeinem Winkelmaß. Und bei der damaligen Siedlungsdichte sind am Ende 40 km Abweichung +/- 20 km eigentlich immer ein Treffer- Bei Flußmündungen ist eine Verlagerung der Mündung zu beachten. Wenn also ein Antiker Autor die Elbmündung bei yx angibt, dann lag sie nach seinen Informationen da. Aber nicht unbedingt zu der Zeit, als er das Werk geschrieben hat. Also eine Flußmündung, die so ungefähr 50 km weiter südlich oder westlich oder was auch immer lokalisiert wurde als die archäologisch feststellbare zur Entstehungszeit, kann durchaus korrekt beschrieben sein. Dummerweise gabs Sturmfluten etc. Also auch daran kann man nichts festmachen.

Wenn also eine Ortschaft im Raum Braunschweig beschrieben wird, dann lag da irgendwo eine. Das ist jetzt nichts neues, im Streufeld der Beschreibung lagen damals schon viele... Das selbe gilt für andere Orte.
 
Tendenziell scheinen die Berliner Lokalisierungen, für den von den Tschechen untersuchten Ausschnitt, etwas südlich und gut 100 km westlich der der Tschechen zu liegen, wobei die Abweichung jedoch alles andere als systematisch ist.
Das zeigt glaube ich die Schwäche beider Lokalisierungen. Wobei die "alles andere als systematisch[e]" Abweichung möglicherweise daran liegt, dass die Berline davon ausgehen, dass Ptolemaios verschiedene Angaben hatte, welche er nicht korrekt oder gar nicht harmonisierte. Das ist aber nur ein Versuch meinerseits die Unterschiedlichkeit der Abweichungen voneinander zu erklären, der erst überprüft werden müsste.

jetzt muß ich doch mal was als ehemaliger Artillerie-Beobachter was zu dieser Entzerrerei sagen.

Man kann jetzt bei antiken Autoren im Vergleich zu der modernen Geografie systematische Fehler vermuten (wenn zum Beispiel eineindeutige Orte prinzipiell mit faktor x oder Summand y damals und heute von ein ander abweichen). Dabei ist zu berücksichtigen, das Rom, Marseille und andere heute einen anderen Kern haben als damals. Ht man das herausgefunden, sollten die heute nicht identifizierbaren Orte an den entsprechenden "entzerrten" Orten liegen.

Was man jedoch keinesfalls machen darf, den Fehler extrapolieren. Bsp.: Rom liegt 20 km zu weit östlich, Marseille 40 , da muß das für nördlichere Orte keinesfalls gelten. Weder in absoluten KM noch in irgendeinem Winkelmaß. Und bei der damaligen Siedlungsdichte sind am Ende 40 km Abweichung +/- 20 km eigentlich immer ein Treffer- Bei Flußmündungen ist eine Verlagerung der Mündung zu beachten. Wenn also ein Antiker Autor die Elbmündung bei yx angibt, dann lag sie nach seinen Informationen da. Aber nicht unbedingt zu der Zeit, als er das Werk geschrieben hat. Also eine Flußmündung, die so ungefähr 50 km weiter südlich oder westlich oder was auch immer lokalisiert wurde als die archäologisch feststellbare zur Entstehungszeit, kann durchaus korrekt beschrieben sein. Dummerweise gabs Sturmfluten etc. Also auch daran kann man nichts festmachen.

Wenn also eine Ortschaft im Raum Braunschweig beschrieben wird, dann lag da irgendwo eine. Das ist jetzt nichts neues, im Streufeld der Beschreibung lagen damals schon viele... Das selbe gilt für andere Orte.

Die Abweichung heutiger und damaliger Stadtzentren und die Verlagerung von Flussläufen dürfte den Autoren beider Studien genügend bewusst sein.
 
Auch die Abweichungen in den Quellen, also ~20 Jahre alte Informationen in den antiken Schriften verwertet?

Wenn ihnen diese Abweichungen bewußt sind, dann verstehe ich den Versuch der Entzerrung und die absolute Zuordnung zu heutigen Orten nicht.
Da ist ja die Suche nach römischen Marschlagern entlang von Heerstraßen im 20 Leugen Abstand wissenschaftlicher ..
 
Das Problem sind die Rechenfehler bei Ptolemaios (bzw. seinen Gewährsleuten). Die sollen anhand der (durch Namenskontinuität oder erhaltene Inschriften) identifizierbaren Orte in seiner Weltkarte korrigiert werden. Ob das wirklich möglich ist, ist eine andere Frage.
 
DAS ist sicher mölich, die Systemfehler des Ptolemaios zu finden und zu korrigieren. Nur, dazu braucht man feste, definierte Punkte. Flußmündungen, Quellen oder beliebeige, vermutete Siedlungen (wenn damit das gemeint ist wäre die Abweichung ...) wäre geografische Kaffeesatzleserei.
Als Beispiel:
der heilige Berg der Sueben liegt xy tage reisen von...im Nordosten und zx Tagereisen von...im Norden. Gut, da kann man ein wenig triangulation betreiben und ein bischen vermuten. Hat sich ptolemaios nicht vertan und der moderne Geograf macht alles richtig , landet er ziemlich nördlich des Brocken am großen Fallstein, ein ziemlich kleines Hügelchen. Aber eben nur ~ 40 km vom Brocken weg, weswegen der genommen wird und , die ganze Chose wird umgerechnet. Selbst wenn mann hunderte von definierten Punkten hätte, die Fehler in der Wertung der anderen Orte und der gegebenen Ungenauigkeit führen dazu, das die echten Systemfehler überdeckt werden.
Alles eine Sache der Statistik, am Ende kommt nicht mehr raus als "geomantische Linien" oder ähnliches.
 
Nach meinem Verständnis gibt es zwei Probleme:

  1. Ptolemäus hat als Erster versucht, aus der bis dahin flachen Erde eine Kugel zu machen (geographisch gesprochen). Leider weiss keiner ganz genau, wie er seine Koordinaten dabei berechnet hat, d.h., wie groß war bei ihm die Kugel, wo lag ihr Äquator, etc. (mal abgesehen davon, dass man heute weiss, dass die Kugel eher ein Ei ist, weil die Erdrotation auch die Kontinentalkruste beinflusst). Dieser Fehler ist systematisch, man kann ihn theoretisch entzerren.
  2. Ptolemäus hatte, wie Wilfried schon andeutete, gewisse Probleme mit seinen Basisdaten. Schon im römischen Reich waren Entfernungsangaben manchmal geschönt (wie es scheint, wurde immer auf die nächste ganzzahlige Meile bzw. Leuge abgerundet). Auf größere Entfernungen summiert sich da von Etappe zu Etappe so einiges auf. Dann haben die Römer zwar normalerweise ziemlich gerade Strassen gebaut, aber ab und zu ging es im Gebirge oder zu Brücken/ Furten doch nicht ohne Kurve, was alles natürlich nicht sauber kartiert war. Ausserhalb des römischen Reichs war es noch viel schlimmer, da gab es nur Wegbeschreibungen von Kaufleuten, oder aus einem x Jahre alten Rachefeldzug. Der gute Ptolemäus wird reichlich trianguliert haben, um diese Fehler irgendwie zu kompensieren - ob er da immer richtig lag, weiss keiner. Spätere Transkriptionsfehler setzen dann noch mal einen drauf.
Nach meinem Verständnis (aber Du, EQ, hast Dich viel intensiver mit den Berlinern beschäftigt, korrigier mich wenn ich falsch liege), haben sowohl die Berliner als auch die Tschechen versucht, anhand bekannter Punkte die unbekannten zu ermitteln. Der Hauptunterschied zwischen beiden liegt darin, dass die Berliner sich hier auf die Magna Germania beschränkt haben, und Legionslager an Main und Donau für ihre Kalibrierung nutzten, während die Tschechen ganz Europa einschlossen, und bekannte Häfen in Syrien, Italien, Spanien, Britannien etc. ihrer Kalibrierung zugrunde legten. Ich denke, letztere Methode ist für die systemische Entzerrung zuverlässiger, weil:

  1. Sie eine sehr viel größere Region für die systematische Entzerrung zugrunde legt,
  2. An Felsküsten, und um solche geht es bei den Tschechen wohl v.a., sich an den Koordinaten vermutlich weniger geändert hat als entlang Donau und Rhein, die doch das eine oder andere Mal in den letzten Jahrtausenden ihr Flussbett verschoben haben;
  3. Die Hoffnung besteht, dass Ptolemäus die Koordinaten von Seehäfen besser triangulieren konnte als die von Städten im Inland, weil ihm hier neben den Daten aus der Strassenvermessung auch noch solche aus der Nautik zur Verfügung standen.
Die unsystematischen Fehler kriegt man so natürlich nicht in den Griff, das bleibt Rätselraten. Und für eine vernünftige Entzerrung fehlt beiden ein verlässlicher Referenzpunkt in der Nord-Ost Ecke. Ptolemäus Lokalisierung der Weichselmündung ist vermutlich mit die fehlerbehafteste aller seiner Koordinaten, und wo die Weichsel vor 2000 Jahren für die Römer genau mündete, weiss auch keiner (Es gibt ja die These, die Römer hätten das Frische Haff für die Weichselmündung gehalten). Auch hier sehe ich jedoch die Tschechen im Vorteil, die haben auf der Krim Kalibrierungspunkte, die zwar nicht an der Nordostecke, aber zumindest im Osten auf halber Höhe ihrer Karte liegen.

Alle von Ptolemäus benannten Orte wird man wohl nie finden. Aber bei einigen, Z.B. Eburodonum-Brünn, scheint sich ja doch gewisse Sicherheit herauszukristallisieren. Bei anderen kriegen wir zumindest eine Idee, wo sich Buddeln lohnen könnte.
Was ich bei beiden etwas vermisse, ist der Bezug zur Verkehrsgeographie. Die Orte lagen nicht irgendwo in der Magna Germania, sondern an Strassen(-kreuzungen(, die von römischen Höndlern oder ihren Lieferanten frequentiert wurden. Andernfalls hätte Ptolemäus von ihnen gar keine Kenntnis erlangt. Einige solcher Stra0en sind archäologisch gut dokumentiert, und eigentlich müsste eine erfolgreiche Rekostruktion den Hellweg, die Bernsteinstrassen, auch wichtige Flurten über Weser, Elbe, Oder und warthe klar heraustreten lassen. Da fehlt es mir bei beiden: Wo ist Prag bei den Tschechen? Wo sind die Weserfurten (Minden, Hameln, Höxter) bei den Berlinern? Wo die alten Elbfurten bei Artlenburg, Bleckede, Gorleben, Magdeburg, Strehla? Wo wurden Harzer Erze verhandelt? Was ist mit den großen eisenzeitlichen Salinen von Halle und von Wieliczka bei Krakau?
 
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