Offenbarung des Johannes

Das "do ut des" besagt, dass den Göttern geopfert wird, um von ihnen eine Gegenleistung zu erhalten. Im Christentum fällt das Opfer an Gott weg, da das einmalige Selbstopfer des Christus alle singulären Opferhandlungen obsolet gemacht hat. Der Christ muss, um seinen Gott gnädig zu stimmen, lediglich Gott und Christus verehren sowie - das kommt bei J hinzu - für diese Überzeugung als Märtyrer auch zu sterben bereit sein.
Ursprünglich ist das sicherlich die alleinige Bedeutung des do ut des.
Liegt das Hauptspannungsverhältnis aber nicht darin, dass Rom die Anerkennung seiner Götter forderte, damit auch der Christengott innerhalb einer Göttergemeinschaft seine Daseinsberechtigung haben konnte? Erkennst du meine an, kann auch deiner samt seiner Anhängerschaft in Frieden existieren.
Machen die Christenverfolgungen nicht vor dem Hintergrund erst einen Sinn? Wie gesagt, war die tolerante Seite die römische. Die sich gerade konstituierende christliche Religionsgemeinschaft mit dem Alleinherrschaftsanspruch ihres Gottesbildes war die nicht tolerante.
 
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Das folgende sollte eigentlich einen Überblick über die Entstehungsbedingungen der jüdischen Apokalypse-Literatur während der Makkabäerzeit einleiten, dann aber entwickelte sich die Darstellung der Vorgeschichte dieser Ära (323-167 BCE) zu einem eigenständigen Block, den ich jetzt unter der ´Antikes Griechenland´-Rubrik (da es unter ´Religionsgeschichte´ technische Probleme gab) als neuen Thread eröffnet habe ("Hellenisierung Judäas bis zum Makkabäeraufstand"). Die Zeit der Makkabäer- bzw. Hasmonäerherrschaft, in welche die Entstehung der ersten apokalyptischen Texte fällt, möchte ich separat thematisieren, sobald der Hellenisierungsthread hinreichende Aufschlüsse über die Vorgeschichte gebracht hat. Ich bitte um Verständnis dafür, dass mein persönlicher Fokus bis auf weiteres auf jenen beiden Themen liegt.


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Die JohOffb entsteht zwar in direkter Opposition zum römischen Kaisertum, bezieht ihre Interpretationsmuster aber eins-zu-eins aus der jüdisch-apokalyptischen Literatur, die im Kontext viel früherer politisch-religiöser Konflikte entstand. Ihr Beginn fällt in die Zeit gewaltsamer Auseinandersetzungen im Juda der 60er Jahre des 2. Jahrhunderts BCE, in die drei Parteien involviert waren: 1) Antiochus IV. Epiphanes, 2) die pro-hellenistischen Juden, 3) die anti-hellenistischen Juden. Um das in der Offb angewandte Interpretationsmuster zu verstehen, ist der Entstehungskontext dieses Musters zu betrachten.

Das Judentum ist in der postexilischen Ära in zwei Hauptströmungen gespalten, eine priesterlich-präsentische und eine eschatologisch-futurische.

Die präsentische Strömung basiert auf der Idee einer unmittelbar gegenwärtigen göttlichen Ordnung, die statisch ist, also weder einer tiefgreifenden historischen Dynamik unterworfen noch ihrer bedürftig. Jahwe herrscht über die Welt und lässt jeden am göttlichen Heil partizipieren, der die kultischen Gesetze der Tora befolgt und ein Leben in ´Reinheit´ führt. Als vermittelnde Instanz zwischen dem transzendenten, d.h. für Menschen unerkennbaren und unerreichbaren Jahwe und dem israelitischen Volk steht eine vom Hohepriester angeführte Priesterschaft.

Die futurische Strömung basiert auf der Erwartung eines geschichtlichen Bruchs, der von der unheilvollen ´sündigen´ Gegenwart (altes Äon) in ein von Jahwes Herrschaft geprägtes heiliges Zeitalter (neues Äon) überleitet. Finstere Mächte beherrschen die Welt des alten Äons. Jahwe steht wie im präsentischen Weltbild unerreichbar hoch über den Menschen, doch nicht eine Priesterschaft ist das vermittelnde Glied, sondern zunächst die Propheten, denen Jahwe vermeintliche Botschaften übermittelt, sowie, nachdem die Prophetie ihre Bedeutung einbüßt, übermenschliche Wesen, die Engel, die als Gegenspieler der Dämonen und als Boten Jahwes den Menschen erscheinen und geschichtlich intervenieren.

Zu unterscheiden ist zwischen einer prophetischen Eschatologie, die einen Bruch innerhalb der irdischen Geschichte erwartet, die sich unter den Bedingungen der Gottesherrschaft aber fortsetzt, und einer apokalyptischen Eschatologie, für die der Bruch das Ende der irdischen Geschichte und den Beginn der Gottesherrschaft markiert. Für erstere steht (Deutero-)Jesaja, für letztere, als ihr erster Vertreter, der Verfasser des apokalyptischen Teils des Daniel-Buchs, der in die Mitte des 2. Jh. BCE, kurz nach den Makkabäerkriegen, zu datieren ist, auch wenn das Buch, um sich als genuine Prophetie auszugeben, behauptet, in der Zeit des Exils (6. Jh. BCE) in Babylon entstanden zu sein.
 
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Sorry, aber ich darf doch von einem altgedienten User des GF erwarten, dass er selbständig nach Fachliteratur Ausschau hält. W

Das habe ich freilich auch getan in den Threads davor mit dir, mit dem Ergebnis das sich kaum etwas was du hier fabrizierst stützen lässt.

Derzeit bin ich nur Leser hab weder Zeit noch Lust, dass alles auf Herz und Nieren zu prüfen was du sagst.
 
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Ebenso selbstverständlich erwarte ich, dass ein altgedienter User des GF, der sich auf "Fachliteratur" und "Fachkreise" beruft, auf Anfrage dann auch Auskunft dazu gibt.

Ich hatte deine Anfrage erst unmittelbar vor meiner letzten Antwort (auf die du hiermit reagierst) gelesen, also längst nachdem du selbst fündig wurdest.

Du hattest von Theorien im Plural gesprochen. Von "aktuellsten Theorien" sogar, daher habe ich nach möglichst aktueller Literatur Ausschau gehalten.

Unter diesen Theorien ist die von Witulski die wichtigste, die seit dem Erscheinen auch viel diskutiert wird. Den Namen hatte ich incl. Buchtitel von Beginn an genannt. Die andere Theorie, eine Entstehung unter Trajan favorisierend, wird z.B. von Prof. Peter Pilhofer, "Das Neue Testament und seine Welt" (Tübingen 2010), vertreten, worauf ich in Bälde eingehen werde.

Wie sieht denn die Evidenz für die Hadrianzeit aus? "Unter der Regierung Hadrians (117-138 ) ist kein einziges Martyrium in Kleinasien überliefert." Christian Marek (2010)

Dass überhaupt Christenverfolgungen stattgefunden haben, ist in der Offb vorausgesetzt, also kann sie (die Offb) - da unter Nero und Domitian keine Verfolgungen belegbar sind und auch keine juristische Drohlage gegenüber Christen (wie später bei Trajan und Hadrian) bestand - in relevantem Umfang frühestens unter Trajan entstanden sein, der das Christsein juristisch unter (Todes-)Strafe stellte. Wer seine Unschuld beweisen wollte, hatte die römischen Götter anzurufen und Christus zu ´schmähen´.

Hadrian hat daran nichts geändert, auch wenn sein Reskript von der Formulierung her Anlass gegeben hat, ihm eine moderatere Haltung zu unterstellen. Nach Christen wurde nicht aktiv gefahndet, sie wurden nur belangt, wenn jemand sie anzeigte. Wenn sich die Anschuldigung als willkürlich erwies, blühte dem Anzeigenden eine schwere Strafe. Für diese Rechtssicherheit hat Hadrian gesorgt - mehr auch nicht.

Es ist nur schwer vorstellbar, dass es in den Jahrzehnten von Hadrians Regierung nicht zu Hinrichtungen standhafter Christen gekommen war, also zu ´Martyrien´ - auch wenn keine belegt sind. Aber selbst wenn - extrem unwahrscheinlicherweise - es in dieser Zeit keine Hinrichtungen gab, so bestand doch die juristische Drohlage.

Verschiedenfarbig waren die Tuniken der Wagenlenker (...) In Offb 6 gibt es keine Wagenlenker, hier sind wohl tatsächlich die Farben der Pferde gemeint. Eine Assoziation mit Fellfarben (Schimmel, Fuchs, Rappe, Falbe) hielte ich da für weniger an den Haaren herbeigezogen-

Die Offb ist zum Bersten gefüllt mit Symbolik. Dass ausgerechnet die Farben der vier apokalyptischen Pferde auf triviale Fellfarben anspielen sollen - und nicht mehr -, halte ich für unmöglich, außer Fellfarben hätten eine relevante Symbolik im Denken jener Zeit gehabt, was mir neu wäre.

Nein, die Farbgestaltung muss einen symbolischen Wert haben, und den hatte sie auch im Kontext der römischen Rennen, bei denen, wie du richtig schreibst, die Tuniken der Wagenlenker die Farben des Rennstalls repräsentierten. Diese Farben waren zum einen politisch konnotiert (wie auch heutzutage), zum andern auch auf die vier Jahreszeiten bezogen. Analog haben die Farben der vier apokalyptischen Pferde einen symbolischen Wert (z.B. das Weiß des ersten Pferdes = Farbe des Christus / der Heiligkeit), siehe auch:

https://en.wikipedia.org/wiki/Four_Horsemen_of_the_Apocalypse

The color white also tends to represent righteousness in the Bible, and Christ is in other instances portrayed as a conqueror.

Die Ähnlichkeit der vier Reiter und Pferde zu den römischen Wagenrennen ist aber nicht nur per se auffallend, ihr Zusammenhang drängt sich auch durch die Vielzahl anderer Bezüge auf, die zwischen der Offb und römischer Institutionen und Symbolen bestehen - dazu bald mehr.

Datierungsvorschläge reichen von den 60er Jahren bis nach 130.
Auch hier ist die Behauptung "frühestens Anfang des 2. Jh." unseriös

Sind die Autoren des von mir verlinkten Bibelwissenschaft-Artikels auch unseriös? Dort steht, wie schon zitiert:

Die vorausgesetzte Diskussion um das christologische Bekenntnis, der literarische Charakter des Joh und die älteste handschriftliche Überlieferung legen eine Entstehung der Endfassung des Joh zu Beginn des 2. Jh. (ca.100-110) nahe.


Anders gesagt: Der Text ist frühestens zu Beginn des 2. Jh. entstanden, weil "das christologische Bekenntnis, der literarische Charakter des Joh und die älteste handschriftliche Überlieferung" eine frühere Entstehung unwahrscheinlich macht - nicht anders ist das zu verstehen. Wir können das Thema aber auch gerne in einem separaten Thread breittreten, für den ich schon einen Entwurf vorliegen habe, basierend vor allem auf den gnostischen Bezügen des JohEv.
 
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Mangelnde Evidenz von Christenverfolgung unter Nero? Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich.

Man muss die Räuberpistolen, die über Nero kursieren, nicht alle glauben. Er ließ einige Christen wegen angeblicher Brandstiftung anklagen, aber nicht wegen ihrer Religion verfolgen. Falls es also wirklich unter Nero in Rom Christen gab (was per se schon zweifelhaft ist), dann hat er sie nicht "verfolgt", sondern nur als Brandstifter belangt, und das auch nur in Rom und sonst nirgends. Wie könnte das einen Judenchristen in Kleinasien veranlassen, seine ´Offenbarung´ zu schreiben???

Immerhin gibst du deine ideologische Befangeheit zu. Sinnvoll wäre allerdings, jeden einzelnen Text auch als solchen zu betrachten und eine Datierung aus textimmanenten Gründen vorzunehmen anstatt in cummulo spätzudatieren.

Wieder mal die gute alte ´Ideologie´ - ich habe sie schon vermisst... "Favorisieren" heißt übrigens "bevorzugen". Ich bevorzuge die Hadrian-Datierung der Offb, weil sie mit der von mir bevorzugten Spätdatierung der Evangelien harmoniert. Man nennt das ´Hypothesenkohärenz´.

Nicht nur für die Hadrian-Datierung, auch für die Spätdatierung der Evangelien gibt es gute Argumente, aber darüber streiten wir ja schon seit Jahren.

Es gibt doch eher Momente, die dagegen sprechen:
- die Farben der Turnierpferde sind Tuchfarben: Blau, rot, grün, weiß
- die Farben der apokalyptischen Pferde sind Fellfarben: Schwarz, rot, fahl (blond? aschfarbig?), weiß
- die Turnierpferde sind in Gespanne eingebunden, werden also nicht geritten sondern vom Wagen aus gelenkt
- die apokalyptischen Reiter kommen wie Kavalleristen daher
So betrachtet sind die Parallelen also recht dünn.

Entscheidend sind nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten: Die Vierzahl, die farbliche Symbolik, die todbringende Dramatik (viele Teilnehmer der Rennen fanden den Tod). Laut Tertullian entsprachen die römischen Farben übrigens dem Westwind Zephyrus (weiß), dem Gott Mars (rot), der Terra Mater (grün) und Jupiter & Neptun (blau).

Es gibt der Offb aber auch - wie ich hinzufügen darf - einen Bezug auf Sacharja 6,1 ff, wo vier mit mehreren Pferden bespannte Wagen in die vier Himmelsrichtungen auseinander streben. Das könnte die Hauptquelle für J beim Entwurf der Reiterszene gewesen sein, allerdings sind auch hier die Parallelen zur Offb begrenzt.

Vermutlich hat J bei der Gestaltung seiner Szene sowohl Sacharja als auch die römischen Rennen vor Augen gehabt - man nennt das dann eine ´symbolische Überdetermination´, d.h. die Symbolik der Reiterszene wird von zwei ihrerseits symbolischen Vorlagen inspiriert. Beispiel ´Drache´ in Offb 12: Dieses Symbol vereinigt ein Mehrzahl bereits vorgegebener Motive - die Eden-Schlange, die Seth/Typhon-Schlange und - der Drache als Zeichen am Himmel! - das Sternbild Drache, der dem Sternbild Jungfrau (die Himmelsfrau) direkt benachbart ist. Die Symbolik der Offb ist also oft vielschichtigt, das dürfte auch bei den vier apokalyptischen Reitern so sein (Sacharja plus Wagenrennen).

Sacharja - Kapitel 6
Die achte Vision: die vier Wagen
1 Und ich hob meine Augen abermals auf und sah, und siehe, da waren vier Wagen, die gingen zwischen zwei Bergen hervor; die Berge aber waren ehern. 2 Am ersten Wagen waren rote Rosse, am andern Wagen waren schwarze Rosse, 3 am dritten Wagen waren weiße Rosse, am vierten Wagen waren scheckige, starke Rosse. 4 Und ich antwortete und sprach zu dem Engel, der mit mir redete: Mein HERR, wer sind diese? 5 Der Engel antwortete und sprach zu mir: Es sind die vier Winde unter dem Himmel, die hervorkommen, nachdem sie gestanden haben vor dem Herrscher aller Lande. (Sacharja 4.14) 6 An dem die schwarzen Rosse waren, die gingen gegen Mitternacht, und die weißen gingen ihnen nach; aber die scheckigen gingen gegen Mittag. 7 Die starken gingen und zogen um, daß sie alle Lande durchzögen. Und er sprach: Gehet hin und durchziehet die Erde! Und sie durchzogen die Erde. 8 Und er rief mich und redete mit mir und sprach: Siehe, die gegen Mitternacht ziehen, machen meinen Geist ruhen im Lande gegen Mitternacht.
 
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Ich hatte deine Anfrage erst unmittelbar vor meiner letzten Antwort (auf die du hiermit reagierst) gelesen

Die Anfrage habe ich am 25. Januar gestellt.
Am 28. Januar hast Du zwei Beiträge in diesen Thread gestellt.
Aber meine Anfrage hast Du erst am 5. Januar gelesen.

Dass überhaupt Christenverfolgungen stattgefunden haben, ist in der Offb vorausgesetzt, also kann sie (die Offb) - da unter Nero und Domitian keine Verfolgungen belegbar sind
Die Neronische Christenverfolgung ist durchaus belegbar, Du willst sie halt nicht glauben.
Das sind zwei Paar Stiefel.

Man muss die Räuberpistolen, die über Nero kursieren, nicht alle glauben. Er ließ einige Christen wegen angeblicher Brandstiftung anklagen, aber nicht wegen ihrer Religion verfolgen.

Da schreibst Du das glatte Gegenteil von dem, was in den Quellen steht. Laut Tacitus wurden sie kaum wegen Brandstiftung, sondern eher wegen des "Hasses auf das Menschengeschlecht" überführt.

http://www.gottwein.de/Lat/tac/ann1544.php

Sueton erwähnt die Anklagen wegen Brandstiftung noch nicht einmal. Er erzählt hier auch keine "Räuberpistolen", sondern erwähnt die Todesstrafe für die Christen unter den strafrechtlichen Maßnahmen, und das in durchaus zustimmendem Tonfall:

"Multa sub eo et animadversa severe et coercita nec minus instituta: adhibitus sumptibus modus; publicae cenae ad sportulas redactae; interdictum, ne quid in propinis cocti praeter legumina aut holera veniret, cum antea nullum non obsonii genus proponeretur; afflicti suppliciis Christiani, genus hominum superstitionis novae ac maleficae; vetiti quadrigariorum lusus, quibus inveterata licentia passim vagantibus fallere ac furari per iocum ius erat; pantomimorum factiones cum ipsis simul relegatae.

=

Viele alte strenge Straf- und Verbotsbestimmungen wurden wieder unter ihm in Kraft gesetzt und nicht weniger neue eingeführt. So wurden dem Aufwand Schranken gesetzt, die Volksspeisungen durch vollständige Mahlzeiten auf Speiseportionen beschränkt und ein Verbot erlassen, in den Schenken Gekochtes, mit Ausnahme von Kohl und Hülsenfrüchten, zu verkaufen, während früher alle möglichen Arten von Gerichten dort angeboten wurden. Todesstrafen trafen die Christianer, eine Sekte mit einem neuen und schädlichen Aberglauben. Verboten wurden die Belustigungen der Rennfahrer, die das hergebrachte Recht genossen, zu gewissen Zeiten durch die Stadt zu schweifen und unter der Maske des Spaßes allerlei Betrügereien und Diebesstreiche auszuführen. Die Claqueurbanden der Pantomimen sowie diese selbst wurden aus der Hauptstadt verwiesen."

Suetonius: Nero (14-17), Manahmen der inneren Verwaltung (lateinisch, deutsch)


Detlef Liebs (Das Recht der Römer und die Christen, Tübingen 2015) hält die Nachwirkungen der Neronischen Verfolgung aus rechtshistorischer Sicht für durchaus bedeutsam:

"Neros Vorgehen wirkte bei den Rechtsvertretern des Reiches, insbesondere in der Strafjustiz, wie ein Präjudiz. Sein bedenklicher Schluss vom Bekenntnis zum Christenglauben auf erwiesene Übeltaten der schlimmsten Sorte verselbständigte sich. Fortan genügte für ein Todesurteil Zugehörigkeit zu ihrer Vereinigung; Christentum wurde eo ipso zum Schwerverbrechen."


in relevantem Umfang frühestens unter Trajan entstanden sein, der das Christsein juristisch unter (Todes-)Strafe stellte.

...

Hadrian hat daran nichts geändert, auch wenn sein Reskript von der Formulierung her Anlass gegeben hat, ihm eine moderatere Haltung zu unterstellen. Nach Christen wurde nicht aktiv gefahndet, sie wurden nur belangt, wenn jemand sie anzeigte.
Die Anweisung "conquirendi non sunt" ("Fahnen soll man nach ihnen nicht") stammt doch gerade von Trajan.

Wie sehen denn die Belege für die Behauptung "frühestens unter Trajan" aus?


Die Offb ist zum Bersten gefüllt mit Symbolik. Dass ausgerechnet die Farben der vier apokalyptischen Pferde auf triviale Fellfarben anspielen sollen - und nicht mehr -
... habe ich so nicht behauptet. Und El Quijote auch nicht.

Eine Zuordnung der Fellfarben nach symbolischen Gesichtspunkten schließt niemand aus.
Nur passen die Tunika-Farben der Rennwagenlenker nicht zu den vier Pferden. Und das in mehrfacher Hinsicht.

Sind die Autoren des von mir verlinkten Bibelwissenschaft-Artikels auch unseriös?
Natürlich nicht. Mit Formulierungen wie "circa" und "legen nahe" werden abweichende Meinungen nicht ausgeschlossen.

Unseriös ist es, wenn persönliche Glaubensauffassungen als Tatsachenbehauptungen präsentiert werden.
 
Man muss die Räuberpistolen, die über Nero kursieren, nicht alle glauben. Er ließ einige Christen wegen angeblicher Brandstiftung anklagen, aber nicht wegen ihrer Religion verfolgen. [...]
dann hat er sie nicht "verfolgt", sondern nur als Brandstifter belangt, und das auch nur in Rom und sonst nirgends.
Das ist nicht wirklich logisch...
Wenn Nero die Christen deshalb der Brandstiftung anklagte, weil sie Christen waren, was ist es dann anderes, als Christenverfolgung? Zudem sind unsere Hauptquellen für die neronische Christenverfolgung bezeichnenderweise keine christlichen, also keine an einem Opferdiskurs interessierten Quellen. Ja, die Christen werden darin zwar als in der Sache unschuldig, im Kern aber als schlecht ("Verderber des Menschengeschlechts") dargestellt.

Falls es also wirklich unter Nero in Rom Christen gab (was per se schon zweifelhaft ist),
Das ist dein persönliches Problem, dass du die frühen Christen ja wegen deiner Ablehnung der Historizität Christi als erfunden ansehen musst, obwohl sie in durchaus zeitgenössischen Quellen genannt werden. Christliche Interpolationen, das wurde dir schon mehrfach dargelegt, sind schon deswegen auszuschließen, weil die Christen in der einen Quelle als Feinde des Menschgeschlechtes dargestellt werden und die andere Quelle sich als so schlecht informiert über das Christentum erweist, dass der Religionsgründer für einen griechischen Sklaven gehalten wird.

Wie könnte das einen Judenchristen in Kleinasien veranlassen, seine ´Offenbarung´ zu schreiben???
Ich habe gar nicht geschrieben, dass die neronische Christenverfolgung - wieso meinst du übrigens, dass der Patmeier ein Judenchrist gewesen sei? - Anlass für die Offenbarung gewesen sei. Ich enthalte mich da vorerst jeglicher Deutung,

Wieder mal die gute alte ´Ideologie´ - ich habe sie schon vermisst...
Wenn du aufhörst ideologisch zu argumentieren, wird auch die Kritik daran enden. Solange du aber deine persönlichen Ideologien in den Vordergrund deiner Argumentationen stellst, wirst du dafür immer wieder die entsprechende Replik erhalten. Es geht gar nicht anders.

"Favorisieren" heißt übrigens "bevorzugen".
Du erlebst mich verwirrt... Wieso glaubst du, dass es dieser Erklärung bedarf?

Ich bevorzuge die Hadrian-Datierung der Offb, weil sie mit der von mir bevorzugten Spätdatierung der Evangelien harmoniert.
Das ist schon klar. Ändert aber nichts an der Tatsache, dass es sich dabei um reine Ideologie und nicht um saubere aus der Textkritik und Einzelfallprüfung hergeleitete Datierungen handelt. "Hypothesenkohärenz" hin oder her.

Nicht nur für die Hadrian-Datierung, auch für die Spätdatierung der Evangelien gibt es gute Argumente, aber darüber streiten wir ja schon seit Jahren.
Weil deine Datierungsversuche nicht textimmanent sind sondern sich an den Erwähnungen in anderen Quellen ermessen. Dieser Maßstab wird aber nicht konsequent angelegt sondern nur an einer bestimmten Auswahl von Quellen, nämlich denen, die du - da sind wir wieder bei der Ideologie! - diskreditieren möchtest. Und das sind a priori alle, welche die Frühgeschichte des Christentums belegen (könnten).

Entscheidend sind nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten: Die Vierzahl, die farbliche Symbolik, die todbringende Dramatik (viele Teilnehmer der Rennen fanden den Tod).
Das ist sehr herbeikonsturiert und ist auch nicht wirklich logisch.
Zunächst einmal standen die Farben für Stadtviertel und daraus resultierend auch für politische (oder eher machtpolitisch beeinflusste) Gruppierungen. Da es aber sicher nur eine zufällige Verteilung von Todesfällen gab und nicht immer nur die Lenker der grünen Partei oder der roten ums Leben kamen (eine fahle Partei gab es ja nicht), ist eine farbliche Zuweisung für den Tod aus den Pferderennen nicht glaubwürdig.
Ja, Krieg gab es in der Arena natürlich auch, nach einigen Darstellungen waren die Kloppereien heftiger als das, was viele Hooligans sich heute leisten und Hunger werden die Circusfans sicher auch irgendwann mal gehabt haben... Aber was hat das mit den Fellfarben der Pferde der Offenbarung zu tun?!?
 
Um das noch mal aufzugreifen:

Laut Tertullian entsprachen die römischen Farben übrigens dem Westwind Zephyrus (weiß), dem Gott Mars (rot), der Terra Mater (grün) und Jupiter & Neptun (blau).
Blaue und grüne Pferde gibt es, außer in der modernen Kunst (Franz Marc), normalerweise nicht. Und Tertullian bezieht sich auch klar auf die Kleidung der Wagenlenker: "auctoribus quadrigae ... aurigas coloribus idolatriae vestierunt": Es handelt sich u.a. auch um Götzenabetung (idolatria).

Weiter heißt es, dass es zunächst nur zwei Farben gab, die für den Winter oder den Schnee und für den Sommer bzw. die Sonne standen: weiß und rot. (Namque initio duo soli fuerunt, albus et russeus. Albus hiemi ob nives candidas, russeus aestati ob solis ruborum voti erant.)
Später seien sie des Aberglaubens (superstitio) wegen auf vier erweitert worden. (Sed postea tam voluptate quam superstitione provecta russeum alii Marti, alii album Zepyhris consecraverunt, prasinum vero Terrae matri vel verno, venetum Caelo et Mari vel autumno.) Als Christ lehnt er das ab: Cum autem omnis species idolatriae damnatia sit a deo, utique etiam damnatur, quae elementis mundialibus profanatur. (ÜS: Da aber alle Arten des Götzendienstes durch Gott verflucht sind, so ist auf jeden Fall auch verdammt, dass die Elemente der Erde [durch Götzenanbetung] profaniert/entweiht werden.)

Es bleibt, wie es ist: Es sind völlig andere Farben in der Offb. und beim antiken Pferderennen, das einzige Korrelat ist rot/Krieg. Bei weiß gibt es keine Korrelation zwischen der Symbolik des Pferderennens und der Symbolik der Offenbarung und bei fahl und schwarz bzw. blau und grün bestehen weder Übereinstimmungen in den Farben noch in den Bedeutungen (Spectaculi) bzw. Andeutungen (Apo.).

Text nachzulesen bei Tert. de spectaculis, X.
 
MOD-Hinweis

Wir sind ein GESCHICHTSFORUM. Wir diskutieren hier über Geschichte! Die erneuten Abschweifungen in die Theologie wurden gelöscht.

Ich wiederhole mich wirklich äußerst ungern. Beim nächsten Mal ist hier dicht!
 
Es empfiehlt sich bezüglich der Farben Sacharija Kapitel 6 zu lesen, um den jüdischen Kontext einmal wiederherzustellen. Nach wie vor bleibe ich dabei, dass es wenig Sinn macht, Christen mit Symbolen einer polytheistischen Kultur überzeugen zu wollen. Warum sollte sich der Autor der Apk einer fremden Symbolik bedient haben?
 
Es empfiehlt sich bezüglich der Farben Sacharija Kapitel 6 zu lesen, um den jüdischen Kontext einmal wiederherzustellen. Nach wie vor bleibe ich dabei, dass es wenig Sinn macht, Christen mit Symbolen einer polytheistischen Kultur überzeugen zu wollen. Warum sollte sich der Autor der Apk einer fremden Symbolik bedient haben?

Zuerst Pferde mit Reiter. Dann Pferde mit Streitwagen:

Sacharia 1,8: Ich schaute bei Nacht, und siehe, ein Mann ritt auf einem rötlichen Pferd, und er hielt zwischen den Myrten, die im Talgrund stehen, und hinter ihm her rötliche, fuchsrote und weiße Pferde.

Sacharia 6, 1-3: Und ich erhob wiederum meine Augen und schaute, und siehe, vier Streitwagen kamen zwischen zwei Bergen hervor, und die Berge waren Berge aus Erz. Am ersten Streitwagen waren rote Pferde, am zweiten Streitwagen schwarze Pferde, am dritten Streitwagen aber weiße Pferde und am vierten Streitwagen scheckige, starke Pferde.

Gefundene Erklärungen:

a): Die Verse führen die verwaltenden Geister der durch Vorsehung geschehenden Regierung Gottes in Verbindung mit den vier Reichen der Nationen als Rosse ein. Dabei wird zwischen roten (Babylon), schwarzen (Meder und Perser), weißen (Griechen) und scheckigen, starken (Römer) Rossen unterschieden.

b): Die roten Streitrosse dürften für den Krieg stehen (Off.6:4), die schwarzroten (einfach gesagt: die schwarzen) für Hungersnöte (Off.6:5), die weißen für den Sieg (Off.6:2) und die scheckigen, falls sie dem fahlen Pferd von Offenbarung 6:8 entsprechen, für den Tod.

c): Das vierte Pferd – Das „fahle“ Pferd. Die Übersetzer der Original King James Bibel-Version (1538) haben das Wort „fahl“ als Beschreibung für das vierte Pferd vorgegeben. Schauen wir uns einmal an, wie sie darauf gekommen sind. Im griechischen Urtext heißt es „chloros“, und die wortwörtliche Übersetzung lautet „grün“. Es ist das Grün des Chlorophyll bei den Pflanzen. Offensichtlich konnten die Übersetzer sich kein grünes Pferd vorstellen; deshalb verwendeten sie stattdessen das Wort „fahl“.
 
Deswegen wäre nett du würdest deine Thesen mit Dinge auch belegen statt eine Behauptung nach der anderen zu machen die man wieder nachprüfen muss.

Dann sei doch so gut und nenne zwei oder drei meiner "Thesen", die ich deiner Ansicht nach nicht oder zu wenig belegt habe.

Zudem interessiert mich, warum ein Verfasser, der sich an Christen, also Anhänger des Monotheismus, wendet, ausgerechnet Elemente aus der Vielgötterei zur Untermauerung seiner Worte verwenden sollte.

Zu deinem obigen Statement, das du auf die These einer Verbindung zwischen Himmelsfrau-Symbolik und Isis-Symbolik beziehst, folgendes: Über die Gründe, die den Autor der Offb zu seiner Anleihe aus der Isis-Mythologie motivierten, lässt sich nur spekulieren. Mit einiger Sicherheit lässt sich aber sagen, dass dem Autor die Isis-Symbolik beim Abfassen der entsprechenden Stellen vor Augen stand. Das wird entscheidend dadurch gestützt, dass der Handlungsverlauf in Offb 12 deutliche Parallelen zu einem griechisch-ägyptischen Mythos aufweist, in welchem die schwangere Isis von einem Schlangendrachen, dem Seth-Typhon verfolgt wird, vor dem sie auf eine Insel flieht (die Himmelsfrau wird von dem Satan-Drachen verfolgt und flieht in die Wüste).

Zum Thema hier zwei Zitate aus der Fachliteratur:

(H.J. Stein, Frühchristliche Mahlfeiern: ihre Gestalt und ihre Bedeutung, 282)

Gleich zu Beginn lässt Johannes eine hochschwangere Frau auftreten, die mit der Sonne bekleidet ist, den Mond unter ihren Füßen und einen Sternenkranz auf ihrem Haupt trägt. Damit nimmt sie Züge der Himmelskönigin Isis, aber auch der ähnlich porträtierten ephesenischen Artemis und der syrischen Atargatis an.

(J.F. Eckoldt u.a., Geschehen und Gedächtnis: die hellenistische Welt und ihre Wirkung, 275)

Zugleich übernimmt die Himmelsfrau in Apk 12 Attribute der Isis. Sie erscheint wie diese am Himmel, bekleidet mit der Sonne (12,1) und gebiert einen Sohn wie Isis den Horus.

(Becker/Öhler, Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie, 181)

Abgesehen von ihrer äußeren Erscheinung besteht eine wichtige Analogie zwischen Isis und der Himmelsfrau aus Apk hinsichtlich ihrer Mutterrolle.

Es empfiehlt sich bezüglich der Farben Sacharija Kapitel 6 zu lesen, um den jüdischen Kontext einmal wiederherzustellen. Nach wie vor bleibe ich dabei, dass es wenig Sinn macht, Christen mit Symbolen einer polytheistischen Kultur überzeugen zu wollen. Warum sollte sich der Autor der Apk einer fremden Symbolik bedient haben?

Es gab auf Patmos in frühchristlicher Zeit unter der Regierung des Proconsuls von Ephesus ein Hippodrom, in dem römische Wagenrennen veranstaltet wurden. Bedenkt man die Winzigkeit der Insel (45 qkm), ist sehr unwahrscheinlich, dass der Offb-Verfasser mit diesem Schauspiel nicht vertraut war. Ich bitte das bei den folgenden Ausführungen im Hinterkopf zu behalten.

Wenn du oben Zitiertes auf meine Aussage, dass die vier apokalyptischen Pferde (auch) nach dem Vorbild römischer Wagenrennen konzipiert wurden, beziehst: Ich meine selbstverständlich nicht und habe es auch nie so gesagt, dass die (mehrdeutige, aber existente) römische Farbsymbolik vom Offb-Autor als solche übernommen wurde. Vielmehr scheint er die Idee einer symbolischen Farbmarkierung der Pferde von den Römern (auch wenn es dort die Fahrertuniken sind) übernommen zu haben; was er bei Sacharja vorfand, waren zwar farblich markierte Pferde, ohne dass ihre Farben aber eine erkennbare symbolische Bedeutung hätten. Vielmehr scheinen die Pferde bei Sacharja naturalistisch gemeint zu sein, so wie es Sepiola - die Symbolik verkennend - für die apokalyptischen Pferde angenommen hat. Bisher ist es noch keinem Forscher auch nur annähernd konsensträchtig gelungen, eine Symbolik aller vier Farben bei Sacharja plausibel zu machen.

Im Unterschied zu den Farben der Sacharja-Pferde hatten die römischen Farbmarkierungen eine symbolische Bedeutung; welche das konkret waren, darüber lässt sich debattieren, was aber für unseren Kontext nicht relevant ist; entscheidend für den Kontext ist, dass die Farben bei den Wagenrennen symbolisch aufgeladen waren. In der Offb konnotiert das Weiß des ersten apokalyptischen Pferdes den siegreichen Christus (ohne ihn an dieser Stelle namhaft zu machen), später in Offb 19,11 erscheint er wieder auf einem weißen Pferd als siegreicher Führer eines Himmelsheeres.

Abschließend noch Belege für Weiß-Symbolik im Christentum und im Judentum. In den NT-Zitaten erscheint Jesus an einer wichtigen Stelle wie in der Offb in ein weißes Gewand gekleidet. Das Zitat aus Mischna Yoma 3 schildert den Reinigungsritus, dem ein jüdischer Priester in der frühchristlichen Zeit unterzogen wurde, wobei er weiße Kleidung erhält, mit der er den Tempeldienst ausführt. Diese Stelle in Mischna Yoma 3 ist der einzige existierende Textbeleg dafür, dass frühe jüdische Priester beim Tempeldienst weiß gekleidet waren. Aus Stellen im Tanach geht die Gewandfarbe nicht hervor.

Mk 9,3
Und seine Kleider wurden hell und sehr weiß wie der Schnee, daß sie kein Färber auf Erden kann so weiß machen.

Mt. 17,2
Und er wurde vor ihnen umgestaltet. Und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.

Aus Mischna Yoma 3:

This is deduced from the verse: “And he will wash his flesh in a holy place” (Leviticus 16:24).] They then spread a sheet of linen between him and the people. He sanctified his hands and his feet and disrobed. Rabbi Meir says: He disrobed first, and then sanctified his hands and his feet [the halachah does not follow Rabbi Meir]. He went down and immersed himself, then came up and dried himself. Afterwards, they brought him the white garments [the shirt, trousers, belt and hat, all made out of linen, these vestments were worn while performing the services in the Temple, while the gold vestments were used for services performed in the courtyard, such as the tamid and mussaf offerings]. He dressed and sanctified his hands and his feet.
 
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Nichtsdestotrotz befindet sich die Offenbarung des Johannes in jüdisch-apokalyptischer und evangelien-apokalyptischer Tradition.
Die Zahl 12 (Strahlenkranz) hat im Judentum die Bedeutung des Volkes Israel mit den 12 Stämmen, die Zahl 4 (apokalyptische Reiter) verweist in meiner Erinnerung auf die Welt, die Zahl 7 hat etwas mit Vollkommenheit zu tun etc.

Selbstverständlich gibt/gab es auch immer Einflüsse anderer Kulturen, aber warum ausschließlich auf einen anderen Kontext verweisen?

Apokalyptische Texte jüdisch-christlichen Ursprungs haben in der Regel etwas mit geschichtlicher Auseinandersetzung zu tun: Sind die äußeren Umstände suboptimal, findet der Mensch Gerechtigkeit im Jenseits über JHWH und im Christentum zusätzlich über Jesus. Das war mE der Beweggrund für das Verfassen apokalyptischer Texte: Sie machten Hoffnung auf bessere Zeiten im Jenseits, die über im Sinne des Glaubens rechtschaffenes Verhalten zu erlangen waren.
 
... was er bei Sacharja vorfand, waren zwar farblich markierte Pferde, ohne dass ihre Farben aber eine erkennbare symbolische Bedeutung hätten. Vielmehr scheinen die Pferde bei Sacharja naturalistisch gemeint zu sein, so wie es Sepiola - die Symbolik verkennend - für die apokalyptischen Pferde angenommen hat.

Möglicherweise hast Du auch diesmal die inzwischen geschriebenen Beiträge nicht gelesen.

Geschrieben habe ich nämlich:

Eine Zuordnung der Fellfarben nach symbolischen Gesichtspunkten schließt niemand aus.
Nur passen die Tunika-Farben der Rennwagenlenker nicht zu den vier Pferden. Und das in mehrfacher Hinsicht.

Was da in mehrfacher Hinsicht nicht passt, hat El Quijote (noch einen Beitrag vor meinem) geschrieben; ich brauche das nicht zu wiederholen.

Vermutlich hat J bei der Gestaltung seiner Szene sowohl Sacharja als auch die römischen Rennen vor Augen gehabt

Eher haben die Römer bei der Gestaltung ihrer Wagenrennen Sacharja vor Augen gehabt. Denn bei Sacharja gibt es immerhin vier Wagen.

Die Wagenrennen scheinen Johannes ja dermaßen inspiriert zu haben, dass er die Wagen glatt vergessen hat.

Den vier Pferden mit ihren vier Reitern sind übrigens noch die vier (aus Ezechiel übernommenen) Lebewesen zu geordnet, von denen bisher merkwürdigerweise noch gar nicht die Rede war. Jedes der Lebewesen ruft eines der Pferde:

1. "Löwe" → weißes Pferd
2. "Stier" → rotes Pferd
3. "Mensch" → schwarzes Pferd
4. "Adler" → fahles Pferd


Bisher ist es noch keinem Forscher auch nur annähernd konsensträchtig gelungen, eine Symbolik aller vier Farben bei Sacharja plausibel zu machen.
Und ist das bei der Offenbarung anders? Wie sähe da der "Konsens" aus?
Du versucht zum Beispiel, das weiße Pferd mit Christus in Verbindung zu bringen:
In der Offb konnotiert das Weiß des ersten apokalyptischen Pferdes den siegreichen Christus
Lichtenberger (S. 139) schreibt hingegen: "Versuche, in diesem Reiter Christus zu sehen, müssen jedoch daran scheitern, dass aufgrund der Parallelität mit den anderen eine Plage versinnbildlicht sein muss."
 
Zuletzt bearbeitet:
Nichtsdestotrotz befindet sich die Offenbarung des Johannes in jüdisch-apokalyptischer und evangelien-apokalyptischer Tradition.
Die Zahl 12 (Strahlenkranz) hat im Judentum die Bedeutung des Volkes Israel mit den 12 Stämmen (...) Selbstverständlich gibt/gab es auch immer Einflüsse anderer Kulturen, aber warum ausschließlich auf einen anderen Kontext verweisen?

Hast du meinen Beitrag #71 vom 28. Januar 2016 nicht gelesen, wo ich ausführlich auf die Israel-Symbolik der Himmelsfrau eingegangen bin und auch in Beziehung zur Isis-Symbolik gesetzt habe, in dem Sinne, dass die Himmelsfrau Israel ´bedeutet´, zugleich der Isis aber ´nachempfunden´ ist, um die Himmelsfrau in einem Umfeld (Provinz Asia), das mit der Isis-Symbolik gut vertraut war, phänomenologisch aufzuwerten? Bevor wir das weiterdebattieren, bitte ich dich also, den Beitrag #71 in diesem Kontext zur Kenntnis zu nehmen.

Zwei Zitate daraus:

Vielmehr deutet sie zunächst auf Israel hin: Das einführende Bild (Offb 12,1) zeigt sie bekleidet mit der Sonne auf dem Mond stehend und mit einer Krone mit 12 Sternen auf dem Haupt. Diese Merkmale verweisen J´s Publikum auf den Traum Josephs in Gen 37,9, in welchem seine 11 Brüder, zusammen mit Joseph die Väter der 12 Stämme Israels, als 11 Sterne und Josephs Eltern Jakob und Rachel als Sonne und Mond erscheinen.
(...)
Dass die Frau visuell der Himmelsgöttin Isis nachempfunden ist, deren astrale Piktorialisierung mit Sternen, Sonne und Mond in Asia wohlbekannt war, wird in der internationalen Fachliteratur seit Gunkel und Bousset allgemein akzeptiert. Diese Bezüge widersprechen der Israel-Deutung nicht, da die Frau Isis nicht ´bedeutet´, sondern phänomenologisch (visuelle Attribute) und theologisch (Isis = Mutter des Horus) mit ihr konkurrieren soll.

Apokalyptische Texte jüdisch-christlichen Ursprungs haben in der Regel etwas mit geschichtlicher Auseinandersetzung zu tun: Sind die äußeren Umstände suboptimal, findet der Mensch Gerechtigkeit im Jenseits über JHWH und im Christentum zusätzlich über Jesus. Das war mE der Beweggrund für das Verfassen apokalyptischer Texte: Sie machten Hoffnung auf bessere Zeiten im Jenseits, die über im Sinne des Glaubens rechtschaffenes Verhalten zu erlangen waren.

Guter Ansatz, aber ausbaufähig.

Im einzelnen:

1)

"Suboptimale äußere Umstände" ist zu vage ausgedrückt. Die Umstände, unter denen die apokalyptische Literatur entstanden ist, sind relativ genau bekannt. Ich habe zu diesem Zweck in ´Antikes Griechenland´ den bislang jungfräulichen Thread "Hellenisierung Judäas bis zum Makkabäeraufstand" eröffnet, wo ich auf die hellenisierenden Tendenzen im Judäa des 2. Jh. BCE eingehe, die mit einem Konflikt zwischen der Tobiaden-Partei (die eine Vollhellenisierung Judäas und eine Minimierung der jüdischen Religion wünschte) und der Oniaden-Partei (die einen hellenistischen Lebensstil unter Beibehaltung der jüdischen Religion wünschte) einhergingen. Ein Aufstand des Oniaden Jason gegen den von Antiochus IV. favorisierten tobiadischen Hohepriester Menelaus führt zu einem Verbot jüdischen Rituale und Sitten durch den Seleukidenkönig (167 BCE), was die makkabäische Widerstandsbewegung hervorrief, die 165 BCE durch militärische Siege die Herrschaft über Judäa erlangte und das Judentum reinstallierte. Das jüdische Chanukka-Fest erinnert in dieses Ereignis.

In der Ära der Makkabäer/Hasmonäer, die bis zur römischen Eroberung 63 BCE durch Pompeius reichte, entstehen die ersten umfassend apokalyptischen Konzepte. "Umfassend" heißt, dass nach dem Endgericht die erwünschte Gottesherrschaft global errichtet wird und nicht nur, wie bei Ezechiel (6. Jh. BCE) - an den Sepiola dankenswerterweise erinnert hat - , im Land der zwischenzeitlich von Jahwe schwer bestraften Israeliten. Bedeutende in der Makkabäer-Zeit entstehende Texte sind z.B. die apokalyptischen Teile des Daniel-Buches und des Jesaja-Buches (Kap. 24-27).

Die Apokalyptik ist also nicht unmittelbar in bedrängten Zeiten entstanden, sondern in einer Zeit der durch Kriege wieder errungenen politischen Souveränität Judäas. Gleichwohl waren viele Chassidim nicht davon überzeugt, dass durch die Makkabäer das endgültige Heil für Israel erreicht worden sei, wie z.B. Daniel 11,34 zeigt, wo der Makkabäeraufstand nur als "kleine Hilfe" bezeichnet wird. Den wahren geschichtlichen Umschwung kann nur ein Eingriff Jahwes in die Weltgeschichte bringen. Darauf bin ich vor einigen Tagen im Beitrag #88 eingegangen:

Die futurische Strömung basiert auf der Erwartung eines geschichtlichen Bruchs, der von der unheilvollen ´sündigen´ Gegenwart (altes Äon) in ein von Jahwes Herrschaft geprägtes heiliges Zeitalter (neues Äon) überleitet. Finstere Mächte beherrschen die Welt des alten Äons. Jahwe steht wie im präsentischen Weltbild unerreichbar hoch über den Menschen, doch nicht eine Priesterschaft ist das vermittelnde Glied, sondern zunächst die Propheten, denen Jahwe vermeintliche Botschaften übermittelt, sowie, nachdem die Prophetie ihre Bedeutung einbüßt, übermenschliche Wesen, die Engel, die als Gegenspieler der Dämonen und als Boten Jahwes den Menschen erscheinen und geschichtlich intervenieren.

Wir können das gerne noch vertiefen.

2)

Was das von dir angesprochene "Jenseits" betrifft: Es gibt in der jüdischen Apokalyptik keine Jenseits-Erwartung, so wie sich das Christentum ein Jenseits vorstellt. Es geht der jüdischen Apokalyptik vielmehr um die Errichtung des Gottesreichs auf Erden, d.h. um den Anbruch eines neuen Äons, in dem der Satan keine Macht mehr hat und alle Toten, die das Endgericht für würdig befunden hat, körperlich wiederauferstehen, während die Verdammten auf ewig in der Hölle schmoren.

Möglicherweise hast Du auch diesmal die inzwischen geschriebenen Beiträge nicht gelesen.

Ich bekenne mich schuldig, wird hoffentlich nicht mehr vorkommen.

Was da in mehrfacher Hinsicht nicht passt, hat El Quijote (noch einen Beitrag vor meinem) geschrieben; ich brauche das nicht zu wiederholen.

Es geht gar nicht darum, ob etwas passt oder nicht passt, es geht vielmehr darum, ob der Verfasser der Offb von der Farbsymbolik römischer Pferderennen zur Farbsymbolik der apokalyptischen Pferde grundsätzlich angeregt wurde. Das habe ich in #104 so ausgedrückt:

Vielmehr scheint er die Idee einer symbolischen Farbmarkierung der Pferde von den Römern (auch wenn es dort die Fahrertuniken sind) übernommen zu haben.

Das liegt um so näher, als es - wie schon gesagt - auf Patmos ein Hippodrom mit Rennveranstaltungen gab, die dem J vermutlich entweder direkt als Zuschauer oder über detaillierte Berichte bekannt waren. Es wäre sicher falsch, sich J als weltabgewandten Eremiten vorzustellen, dem es nie in den Sinn gekommen wäre, eine römische Veranstaltung zu besuchen. Alles spricht dafür, dass er hochintelligent, gebildet und offen für Eindrücke (z.B. ägyptische Symbolik) war, die er in seiner Literatur kreativ verarbeitete. Die komplexe Struktur seines Werks und ihr reiches Geflecht an symbolischen Bezügen lassen kaum einen anderen Schluss zu.

Eher haben die Römer bei der Gestaltung ihrer Wagenrennen Sacharja vor Augen gehabt. Denn bei Sacharja gibt es immerhin vier Wagen.

Netter Scherz. Nein, die Reduzierung von fünf Wagen bei griechischen Wagenrennen (seit Homerzeit) auf vier Wagen bei den Römern hängt mit der geringeren Größe der römischen Arenen zusammen. Die Anfänge römischer Rennen fallen spätestens in das 6. Jahrhundert BCE, als das Sacharja-Buch frühestens entstand (vielleicht auch im 5. Jh. BCE).

Auf den Rest deines Beitrags gehe ich später ein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Den vier Pferden mit ihren vier Reitern sind übrigens noch die vier (aus Ezechiel übernommenen) Lebewesen zu geordnet, von denen bisher merkwürdigerweise noch gar nicht die Rede war. Jedes der Lebewesen ruft eines der Pferde:
1. "Löwe" → weißes Pferd
2. "Stier" → rotes Pferd
3. "Mensch" → schwarzes Pferd
4. "Adler" → fahles Pferd.

Hier haben wir ein schönes Beispiel für die monotheistische Übernahme einer polytheistischen Symbolik.

Die von dir genannten vier Wesen Löwe, Stier, Mensch und Adler (bei Ezechiel und später Johannes) gehen auf die Tierkreiszeichen der babylonischen Astronomie zurück, wo sie für folgende Planetengötter stehen: 1) Stier = Königsgott Marduk, 2) Löwe = Kriegsgott Nergal, 3) Adler = Windgott Ninurta, und 4) Mensch = Weisheitsgott Nabu. Ihnen entsprechen die Sternbilder Stier, Löwe, Adler und Wassermann. Als jüdischer Exilant in Babylon lernte Ezechiel diese Symbolik kennen und verarbeitete sie in seiner Visionsbeschreibung.

Auf die Ezechiel-Vision, die möglicherweise von verschiedenen Autoren stammt, bin ich 2013 ausführlich eingegangen, siehe:

http://www.geschichtsforum.de/675702-post172.html

Und ist das bei der Offenbarung anders? Wie sähe da der "Konsens" aus?
Du versucht zum Beispiel, das weiße Pferd mit Christus in Verbindung zu bringen:
Lichtenberger (S. 139) schreibt hingegen: "Versuche, in diesem Reiter Christus zu sehen, müssen jedoch daran scheitern, dass aufgrund der Parallelität mit den anderen eine Plage versinnbildlicht sein muss."

Ein Indikator für Konsens ist Wikipedia. Der dortige Artikel über die "apokalyptischen Reiter" spricht den vier Farben ganz selbstverständlich eine symbolische Bedeutung zu. Was die Farben bei Sacharja betrifft, besteht null Konsens darüber, ob sie überhaupt symbolisch sind.

Lichtenbergers Argument ist natürlich nachvollziehbar, steht aber vor dem Problem, dass – wie ich kürzlich detailliert ausführte – die Farbe „weiß“ (griech. leukos) in der Offb 15 mal auftritt, davon 14 mal definitiv in positiver Bedeutung (im Kontext von Heiligkeit). Nr. 15, das Weiß des ersten apokalyptischen Pferdes, kann von daher eigentlich unmöglich in einem negativen Kontext stehen. Johannes hat seine Symbolik gründlich durchdacht und hätte sich einen so offensichtlichen Widerspruch nicht erlaubt. Das ist mein Hauptargument für die Christusdeutung des ersten Reiters. Ich habe es bei Michael Bachmann („Von Paulus zur Apokalypse“, 26) bestätigt gefunden. Ein zweites Argument ist die von mir schon mehrmals erwähnte Parallelität des weißen Pferdes des ersten Reiters zum weißen Pferd des siegreichen Christus in Off 19,11.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was das von dir angesprochene "Jenseits" betrifft: Es gibt in der jüdischen Apokalyptik keine Jenseits-Erwartung, so wie sich das Christentum ein Jenseits vorstellt. Es geht der jüdischen Apokalyptik vielmehr um die Errichtung des Gottesreichs auf Erden, d.h. um den Anbruch eines neuen Äons, in dem der Satan keine Macht mehr hat und alle Toten, die das Endgericht für würdig befunden hat, körperlich wiederauferstehen, während die Verdammten auf ewig in der Hölle schmoren.
:confused:

Was wäre der Unterschied zur folgenden Aussage (der zitierte Herr ist sicher nicht "das Christentum", er repräsentiert aber einen nicht ganz unbedeutenden Teil des Christentums)

Papst Benedikt XVI.:

"Die kirchliche Lehre von der Auferstehung des Fleisches läßt sich in zwei
Hauptaussagen zusammenfassen:
a) Am Ende der Welt werden alle Toten, Gerechte und Ungerechte, auferstehen.
b) Der Auferstehungsleib ist derselbe Leib wie derjenige, der der Seele im Erdenleben angehörte."
http://www.hoye.de/Ratz/3.pdf

Allerdings wirds jetzt schon wieder ziemlich theologisch.
Ich weiß nicht genau, wo die Toleranzgrenze der Moderation liegt.


Es geht gar nicht darum, ob etwas passt oder nicht passt, es geht vielmehr darum, ob der Verfasser der Offb von der Farbsymbolik römischer Pferderennen zur Farbsymbolik der apokalyptischen Pferde grundsätzlich angeregt wurde.
Und da nichts zusammenpasst, kann diese Frage nicht positiv beantwortet werden.


Vielmehr scheint er die Idee einer symbolischen Farbmarkierung der Pferde von den Römern (auch wenn es dort die Fahrertuniken sind) übernommen zu haben.
Dass die Römer die Pferde farblich markiert haben, hast Du nicht belegt.

Johannes hat weder die Farben noch die Fahrer noch die Tuniken übernommen. Und schon gar nicht die Symbolik - oder haben die "Weißen" bei den Römern immer gesiegt? ;)

Also hat er offensichtlich gar nichts übernommen.
 
Die von dir genannten vier Wesen Löwe, Stier, Mensch und Adler (bei Ezechiel und später Johannes) gehen auf die Tierkreiszeichen der babylonischen Astronomie zurück, wo sie für folgende Planetengötter stehen: 1) Stier = Königsgott Marduk, 2) Löwe = Kriegsgott Nergal, 3) Adler = Windgott Ninurta, und 4) Mensch = Weisheitsgott Nabu.
Schon klar.

Hier haben wir ein schönes Beispiel für die monotheistische Übernahme einer polytheistischen Symbolik.
Übernommen wurden die Bilder.

Wurde die dahinterstehende Symbolik übernommen? Ist für Ezechiel der Stier die Entsprechung des Königsgotts Marduk? Der Löwe die Entsprechung des Kriegsgotts Nergal?

Dafür sehe ich keinen Anhaltspunkt.

NB: Bei Ezechiel hat jedes der vier Wesen alle vier Gesichter (Johannes hat dagegen jedem Wesen eine bestimmte Gestalt zugeordnet).


Auf die Ezechiel-Vision, die möglicherweise von verschiedenen Autoren stammt, bin ich 2013 ausführlich eingegangen, siehe:

http://www.geschichtsforum.de/675702-post172.html
Da steht aber auch nichts über einen Zusammenhang der Ezechiel-Vision mit Planetengöttern, Marduk, Nergal usw.

Lichtenbergers Argument ist natürlich nachvollziehbar
Es ist nicht nur Lichtenbergers Argument.

Ähnlich argumentieren Ulrich B. Müller, Die Offenbarung des Johannes, Gütersloh 1984 und Wengst, der außerdem noch schreibt:
"Der Bogen war die typische Bewaffnung der parthischen Reiterheere. Außerdem ist weiß die Farbe des Orients. Daher wird der erste Reiter das Partherreich symbolisieren, das im Osten fast eine ständige Bedrohung der Herrschaft Roms bedeutete und auch immer wieder Erfolge hatte."

Dazu würde nach Wengst auch die mehrmalige Erwähnung des römisch-parthischen Grenzflusses passen, in 12,16 offensichtlich in Zusammenhang mit einer bevorstehenden Invasion:
"Der sechste Engel goss seine Schale über den großen Strom, den Eufrat. Da trocknete sein Wasser aus, sodass den Königen des Ostens der Weg offen stand."

(Auch bei Ezechiel stürmen die weißen Pferde nach Westen. Zufall?)

Ein weiteres Argument, das die Identifikation des weißen Reiters mit Christus ausschließen soll, wäre laut Wilhelm Hadorn (Die Offenbarung des Johannes, Leipzig 1928, zit. nach Wengst) "die Komposition des visionären Gemäldes, in welchem Christus bereits vertreten ist, und zwar durch das die Siegel öffnende Lamm, das nicht zugleich mit dem Reiter identisch sein kann."

Oder ein wenig simpler ausgedrückt:

Das Lamm (Christus) öffnet das erste Siegel, und dann ruft das erste Wesen ein Pferd herbei, auf dem wer herbeigeritten kommt? Noch ein Christus?

Auf eine solche Interpretation träfe Dein Einwand "Johannes hat seine Symbolik gründlich durchdacht und hätte sich einen so offensichtlichen Widerspruch nicht erlaubt" wohl eher zu als auf folgendes "Problem":

... steht aber vor dem Problem, dass – wie ich kürzlich detailliert ausführte – die Farbe „weiß“ (griech. leukos) in der Offb 15 mal auftritt, davon 14 mal definitiv in positiver Bedeutung (im Kontext von Heiligkeit). Nr. 15, das Weiß des ersten apokalyptischen Pferdes, kann von daher eigentlich unmöglich in einem negativen Kontext stehen.
Nur unter der Prämisse, dass es in der Offenbarung nur eine eindimensionale Symbolik geben darf, gibt es hier ein Problem. Weiß kann im einen Kontext für "Heiligkeit" stehen, in einem anderen Kontext für "Sieg" (ohne dass hier Heiligkeit notwendigerweise mitspielen muss). Und in einem dritten Kontext möglicherweise für beides.

Also nicht Lichtenbergers Argument steht vor einem Problem.

Die Prämisse ist das Problem.
 
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