Baderegeln oder -verbote im mittelalterlichen Christentum

Zu diesem Zeitraum hatte ich bereits zweimal aus der einschlägigen Literatur zitiert:
Und darauf bin ich bereits am 3. Mai 2019 eingegangen.

Vielleicht ergänzend dazu: Es gab natürlich nicht nur Kleriker, die das Baden als eine Gefahr für das Seelenheil der Menschen sahen, sondern auch andere, die das lockerer gehandhabt haben. Trotzdem war keiner von ihnen so einflussreich wie Augustinus, dessen Lehre sich in der Kirche letztlich durchsetzte und in milderer Form bis heute gilt.

Jedenfalls war seine Lehre entscheidend für das Mittelalter bis zu den Kreuzzügen – ab da haben die Rückkehrer aus dem Morgenland die dortige Badekultur, die im Prinzip die alte römische war, in den Westen zurückgebracht, was manchen wieder nicht recht war. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich würde mich freuen, wenn wir uns darauf einigen könnten, denn ich bin des Streits überdrüssig.
 
Verstehe ich das richtig? Jemand aus dem 4. bzw. 5. Jahrhundert, aufgewachsen mit der spätantiken Badekultur im noch existierenden römischen Imperium soll die Ursache dass eine Jahrhunderte später für Klöster geltende Regel auf alle anzuwenden sei? Und das, wo es doch im Mittelalter verschiedene, bis heute überlieferte Ritual und Gebräuche gab, die damals als Unterhaltung gesehen und für Klöster unangemessen gewertet wurden.

Natürlich gab es Eiferer, aber mehr als eine lautstarke Minderheit war das nicht.

Erst mit der Syphilis endete dann nach der Entdeckung Amerikas die mitteleuropäische Badekultur.
 
Verstehe ich das richtig? Jemand aus dem 4. bzw. 5. Jahrhundert, aufgewachsen mit der spätantiken Badekultur im noch existierenden römischen Imperium soll die Ursache dass eine Jahrhunderte später für Klöster geltende Regel auf alle anzuwenden sei?
Nein, du verstehst das nicht richtig; Augustinus hat in seinen Büchern über den Gottesstaat nicht nur für Klöster geschrieben, sondern für die ganze Kirche.

Erst mit der Syphilis endete dann nach der Entdeckung Amerikas die mitteleuropäische Badekultur.
Das wäre, wie ich schon schrieb, eine andere Geschichte, die aber nicht in diesen Thread gehörte.
 
Und darauf bin ich bereits am 3. Mai 2019 eingegangen.
Da finde ich nichts, allenfalls ein Argument, welches auf die Herkunft eines Papstes aus einer römischen Patrizierfamilie zielt, also letztlich ein ethno-soziales Argument, was aber kaum ziehen kann, da fast alle, die du zitierst, aus demselben kulturellen Kontext kommen. Warum gilt für Gregor I. etwas anderes, als für seine Glaubensgenossen aus demselben ethno-sozialen kulturellen Kontext?

Vielleicht ergänzend dazu: Es gab natürlich nicht nur Kleriker, die das Baden als eine Gefahr für das Seelenheil der Menschen sahen, sondern auch andere, die das lockerer gehandhabt haben. Trotzdem war keiner von ihnen so einflussreich wie Augustinus, dessen Lehre sich in der Kirche letztlich durchsetzte und in milderer Form bis heute gilt.
Eine interessante Stelle, nur was bringt sie für unsere Diskussion?
Schauen wir uns doch mal an, was da steht. Augustinus beschriebt sehr detailliert den Sündenfall und dass Adam und Eva dadurch erst ihre Nacktheit bewusst wurde, derer sie sich schämten. Er leitet aus Sündenfall und Erbsünde also das bei allen Völkern vorhandene Schamgefühl ab und bemerkt dann:

ex hoc omnes gentes, quoniam ab illa stirpe procreatae sunt, usque adeo tenent insitum pudenda uelare, ut quidam barbari illas corporis partes nec in balneis nudas habeant, sed cum earum tegimentis lauent.

Darum ist allen diesen Völkern, die aus diesem Stamm gezeugt sind, es bis dahin eingepflanzt, die Scham zu verhüllen, dass gewisse Barbaren Körperteile nicht einmal im Bad nackt hätten, sondern sich mit ihren Mänteln baden.​

Die von dir verlinkte BKV-ÜS:

Daher ist es allen Völkern — alle sind sie ja aus jenem Stamm entsprossen — so sehr angeboren, die Scham zu verhüllen, daß man bei manchen Barbaren nicht einmal im Bade diese Körperteile entblößt, sondern sich mit deren Umhüllung badet.​

Verurteilt Augustinus also das Baden? Nein! Er stellt fest, dass die Erbsünde/Scham bei manchen Barbaren so verankert ist, dass sie sich NICHT EINMAL im Bad entblößen. Er wundert sich fast darüber. Baden ist also für Augustinus normal. Auch Nacktheit im Bad ist für ihn normal. Es ist für Augustinus erwähnenswert, dass manche Barbaren sich im Bad nicht die Blöße geben, so groß ist die Auswirkung der Erbsünde auf sie (obwohl sie keine Christen sind).

Auch Isidor schreibt - abseits von Klosterregeln - in seinen Etymologien (Buch XV, über öffentliche Bauten) völlig emotionsfrei über Badehäuser:

Sed et balnea et loca cursorum et athletarum gymnasia sunt, eo quod illic homines in suae artis studio exercitentur. [...] Thermas appellatas quod caleant; Graeci enim THERMON calorem vocant. Balneis vero nomen inditum a levatione maeroris; nam Graeci BALANEION dixerunt, quod anxietatem animi tollat. Haec et gymnasia dicuntur, quia ibi athletae uncto corpore et perfricato manibus exercitantur; nam GUMNASION Graece, Latine exercitium dicitur. Apodyterium, ubi lavantium vestimenta ponuntur, ab exuendo scilicet dictum; APODUEIN enim Graece exuere dicitur. Propina Graecus sermo est, quae apud nos corrupte popina dicitur: est autem locus iuxta balnea publica, ubi post lavacrum a fame et siti reficiuntur. Vnde et propina et propinare dicitur. PEINA enim Graece famem significat, eo quod hic locus famem tollat.

Aber Bäder und Ort des Laufs und der Athletik sind Gymnasien, das ist dort wo jene Menschen den eifer ihrer Kunst (= Sportart) ausüben. Thermen sind die genannt, die erhitzen, denn die Greichen nennen die Hitze Θέρμον. Den Bädern aber ist der Name gegeben, um den Kummer zu lindern, denn die Griechen sagen
βαλανεῖον was die Angst des Herzens aufhebt. Diese werden Gymnasien genannt, weil dort die Athleten die Salbung des Körpers und Reibung der Hände ausüben, denn γυμνάσιον wird auf griechisch das lateinische exercitium genannt. Apodyterium, wo die Kleider der sich Waschenden abgelegt werden, vom Entkleiden nämlich ist es bezeichnet; APODUEIN nämlich wird im Griechischen für entkleiden gesagt. Propina ist griechische Umgangssprache, was bei uns verschliffen popina genannte wird: Es ist nämlich der Ort neben den öffentlichen Bädern, wo nach der Waschung dem Klatsch und dem Durst nachgegangen wird [reficiuntur habe ich etas frei übersetzt]. Dort ist die Schänke und man sagt propinare. Denn Φήμη heißt im Griechischen Gerücht/Klatsch, deshalb weil hier der Ort ist, wo man den Klatsch erhebt.

Du argumentiertest mit Augustinus, dass der richtungsweisend für die katholische Kirche bis heute sei: Die Etymologien von Isidor waren - nach der Bibel natürlich - das am meisten verbreitete Buch in mittelalterlichen Klosterbibliotheken.


Ich würde mich freuen, wenn wir uns darauf einigen könnten, denn ich bin des Streits überdrüssig.
Ohne selektive Lektüre deinerseits kein "Streit". Respektive: Etwas geradezurücken oder richtigzustellen ist kein streiten.
 
Da finde ich nichts, allenfalls ein Argument, welches auf die Herkunft eines Papstes aus einer römischen Patrizierfamilie zielt, also letztlich ein ethno-soziales Argument, was aber kaum ziehen kann, da fast alle, die du zitierst, aus demselben kulturellen Kontext kommen. Warum gilt für Gregor I. etwas anderes, als für seine Glaubensgenossen aus demselben ethno-sozialen kulturellen Kontext?
Ich habe in dem Posting auch auf Hieronymus, Augustinus von Hippo und Benedikt von Nursia hingewiesen, die anders gedacht und geschrieben haben als der Papst Gregor I. Es gibt sicher welche, die der gleichen Auffassung waren wie er, aber sicher mehr, die Augustinus in seiner Ablehnung der Nacktheit folgten, sonst wäre die Kirche eine andere geworden.

Er [Augustinus] leitet aus Sündenfall und Erbsünde also das bei allen Völkern vorhandene Schamgefühl ab und bemerkt dann
(…)
dass die Erbsünde/Scham bei manchen Barbaren so verankert ist, dass sie sich NICHT EINMAL im Bad entblößen.
Möglich, dass es zu seiner Zeit so ein Volk gegeben hatte, aber dass es „bei allen Völkern vorhandene Schamgefühl“ die Nacktheit betrifft, ist eine Interpretation, die nicht zutrifft: Schamgefühl ist angeboren, aber wofür man sich schämt ist anerzogen, ist also kulturabhängig.

Du argumentiertest mit Augustinus, dass der richtungsweisend für die katholische Kirche bis heute sei: Die Etymologien von Isidor waren - nach der Bibel natürlich - das am meisten verbreitete Buch in mittelalterlichen Klosterbibliotheken.
Ob das Buch von Isidor das meist verbreitete Buch in mittelalterlichen Klosterbibliotheken war, können wir nicht mit Sicherheit wissen. Aber selbst wenn, muss man fragen, wie groß sein Einfluss war. Dass Augustinus richtungsweisend für die katholische Kirche war und teilweise bis heute ist, wird dir jeder Theologe bestätigen.

Nur ein Indiz: Im Katechismus der katholischen Kirche von 1992 wird Augustinus 73 Mal genannt, Isidor kein einziges.

Dazu passt auch ein Streitgespräch zwischen einem Schriftsteller und einem Jesuiten von heute: Erbsünde: Der Kirchenkrampf
 
Ich habe in dem Posting auch auf Hieronymus, Augustinus von Hippo und Benedikt von Nursia hingewiesen, die anders gedacht und geschrieben haben als der Papst Gregor I. Es gibt sicher welche, die der gleichen Auffassung waren wie er, aber sicher mehr, die Augustinus in seiner Ablehnung der Nacktheit folgten, sonst wäre die Kirche eine andere geworden.
Und ich dachte, du hättest mittlerweile verstanden, dass es sich bei den Stellen um Auszüge aus KLOSTERREGELN handelt.
Hieronymus "Brief über Asella" nennt sich zwar Brief (Epistula 45) , ist aber de facto nur eine in die Form des Briefes gekleidetet Klosterregel für junge Frauen, die sich für den Weg des Klosters entschieden haben, gilt also für Novizinnen. Kritisiert wird das tägliche Bad: Dir gefällt es dich täglich zu waschen - Tibi placet lavare quotidie - ein anderer - alius (vermutlich meint er sich selbst) - has munditias sordes putat hält diese (übertriebene) Sauberkeit für Schmutz. Es folgt ein Satz darüber, dass der (fiktive?) Adressat nach dem Genuss von Ente rülpst und damit angibt, dass er Stör isst, wohingegen Hieronymus sich mit Bohnen bescheidet. Es geht hier um die Opposition Luxus vs. Askese, nicht um ein allgemeines Waschverbot - das Waschen (es ist nun mal von lavare die Rede) an sich wird auch hier als offensichtlich normal angesehen.
Die Regula Benedicti und die Regula Augustini sind die Klosterregeln des lateinischen Mittelalters schlechthin, Basis aller nachfolgenden Klosterregeln der nächsten 1000 Jahre!

Möglich, dass es zu seiner Zeit so ein Volk gegeben hatte, aber dass es „bei allen Völkern vorhandene Schamgefühl“ die Nacktheit betrifft, ist eine Interpretation, die nicht zutrifft: Schamgefühl ist angeboren, aber wofür man sich schämt ist anerzogen, ist also kulturabhängig.
Wa ist das denn für eine Reaktion? Es geht doch nicht darum, ob es heute wissenschaftlich haltbar ist, was Augustinus vor 1500 Jahren schrieb, sondern was er in Opposition zu dem, was du ihm unterschiebst, tatsächlich geschrieben hat.
Zudem: Ob Scham anerzogen oder angeboren ist, darüber herrscht nach wie vor keine abschließende Einigkeit. Das wurde in der sogenannten Elias-Duerr-Kontroverse (die allerdings de facto mangels Response keine solche war) behandelt. Der Soziologe Norbert Elias hatte 1939 eine Arbeit Über den Prozess der Zivilisation vorgelegt, die der Ethnologe Hans Peter Duerr seit den 1980er Jahren zu widerlegen suchte (nur der erste Band des fünfbändigen Werks Der Mythos vom Zivilisationsprozeß, der über Nacktheit und Scham, erschien noch zu Lebzeiten von Norbert Elias, alle anderen (der letzte 2002) nach dessen Tode). Elias hat ihn wohl zunächst wohlwollend, dann zunehmend beleidigt zur Kenntnis genommen. Die Debatte selbst gilt in den Geisteswissenschaften als unabgeschlosssen.

Ob das Buch von Isidor das meist verbreitete Buch in mittelalterlichen Klosterbibliotheken war, können wir nicht mit Sicherheit wissen.
Es ist nach der Bibel a) das im MA am häufigste zitierte und b) in mittelalterlichen HSS am häufigsten auf uns gekommene Buch. Also ja, die Etymologien waren das nach der Bibel verbreitetste Buch des Mittelalters. Das ist begründete opinio communis unter den Mediävisten.

Aber selbst wenn, muss man fragen, wie groß sein Einfluss war. Dass Augustinus richtungsweisend für die katholische Kirche war und teilweise bis heute ist, wird dir jeder Theologe bestätigen.
Hat die Katholische Kirche Augustinus zum Patron des Internets ernannt?
Nein.
Wen denn?
Isidor.
Von Sevilla?
Von Sevilla.
Wenn das mal kein "Einfluss .... bis heute" ist. Und wie gesagt: Der Autor der meist kopierten Schrift in mittelalterlichen Schreibstuben nach der Bibel, eben jene Etymologien, aus denen ich oben zitierte.

Und noch eine Frage: Warum versuchst du Isidor zu bagatellisieren, anstatt inhaltlich auf Augustinus und Isidor einzugehen? Denn selbst wenn Isidor unbedeutend gewesen wäre*: Die von dir gebrachte Augustinus-Stelle, die du offensichtlich nicht zu Ende gelesen hast, belegt nun mal nicht deine Behauptung, sondern widerlegt sie sogar. Zur Erinnerung: Für Augustinus war das Bad offensichtlich eine normale Angelegenheit. Und für ihn war es offensichtlich auch normal, dass man nackt badete. Erwähnenswert war, dass einigen Barbaren dies (angeblich) nicht taten.

Und - wie ich hoffe - ein letztes Mal zur Thematik Klosterregeln:
Du behauptest, du wolltest nicht "streiten". Ich will das auch nicht. Aber wenn du nicht streiten möchtest, wäre es dann nicht angemessen, endlich einzusehen, dass Textschnippsel entkontextualisiert keinen Wert haben und dass die von dir vorgebrachten Textschnippsel alle aus Regelwerken für Mönche und Nonnen stammen und daher nicht auf die Gesamtheit des (lateinischen, weil du drauf bestehst) Christentums zu übertragen sind?



*ich könnte hier noch seitenweise über muslimisch-christliche Beziehungen im Spanien des 11. Jhdts. schreiben und wie die Translatio des (vermeintlichen) Leichnams von Isidor aus dem muslimischen Sevilla ins christliche León vonstatten ging - das wäre sehr viel Aufwand für einen "unbedeutenden" Heiligen gewesen.
 
Und ich dachte, du hättest mittlerweile verstanden, dass es sich bei den Stellen um Auszüge aus KLOSTERREGELN handelt.
Und ich dachte, dass du mittlerweile verstanden hättest, dass geschriebene Regeln für Zivilpersonen wenig Sinn gehabt hätten, weil es mit der fortschreitenden Zeit kaum noch Schulen für sie gab, selbst im etwas toleranteren Osten wurden die letzten von der Kirche unabhängige Schulen von Kaiser Justinian I. geschlossen (529).

Die Regula Benedicti und die Regula Augustini sind die Klosterregeln des lateinischen Mittelalters schlechthin, Basis aller nachfolgenden Klosterregeln der nächsten 1000 Jahre!
Von Regula Augustini habe ich nie gesprochen, sondern von Schriften Augustini, die grundsätzlichen Charakter und großen Einfluss auf die Kirche hatten bzw. haben. Seine Begründung, warum man sich nicht nackt vor anderen zeigen dürfe, leitete er aus der Erbsünde – vereinfacht gesagt: Der erste Mensch wurde vom Fleisch besiegt, und das wird auf alle seine Nachkommen übertragen; er wird durch Sünde gezeugt und sündig geboren, deshalb muss man immer darauf achten, nicht wieder durch den Teufel, d.h. durch „fleischliche Begierden“ verführt zu werden, und bei nackten Körpern sei diese Gefahr besonders hoch.

Dies wurde dann nicht nur Mönchen und Nonnen gelehrt, sondern allen Gläubigen, wäre dem anders, wäre die katholische Kirche eine andere geworden.

Dass man nur wenige an Zivilpersonen gerichteten Regelungen fand, sagt nichts darüber aus, ob sie sie nicht auf anderen Wegen (Kanzel) bekommen haben.

Ob Scham anerzogen oder angeboren ist, darüber herrscht nach wie vor keine abschließende Einigkeit. Das wurde in der sogenannten Elias-Duerr-Kontroverse (die allerdings de facto mangels Response keine solche war) behandelt.
Die Diskussion habe ich verfolgt und habe auch einige Bücher von Duerr gelesen: Ich halte seine Argumente für stichhaltiger. Elias hat sich in zu vielen Dingen geirrt, die seine Theorie eigentlich stützen sollten, um noch glaubwürdig zu sein.

Dass Schamgefühl – also die Fähigkeit, sich zu schämen – angeboren ist, beweisen Menschen überall auf der Welt, denn alle schämen sich für irgendetwas, doch dieses Etwas ist ganz verschieden und keineswegs ist immer die (geschlechtliche) Nacktheit mit im Spiel, deshalb ist das anerzogen.

Hat die Katholische Kirche Augustinus zum Patron des Internets ernannt?
Was ist das für ein Argument? Augustinus ist derjenige der Kirchenväter, der noch in dem Katechismus, der heutigen APOSTOLISCHE KONSTITUTION, am häufigsten genannt bzw. zitiert wird. Das, und nicht, wie bei Isidor, die Nennung zum Patron des Internets, sagt was über seinen Einfluss auf die Lehre der Kirche.

Du behauptest, du wolltest nicht "streiten". Ich will das auch nicht. Aber wenn du nicht streiten möchtest, wäre es dann nicht angemessen, endlich einzusehen, dass Textschnippsel entkontextualisiert keinen Wert haben und dass die von dir vorgebrachten Textschnippsel alle aus Regelwerken für Mönche und Nonnen stammen und daher nicht auf die Gesamtheit des (lateinischen, weil du drauf bestehst) Christentums zu übertragen sind?
Die von mir gebrachten Zitate stammen nicht alle „aus Regelwerken für Mönche und Nonnen“, mindestens zwei stammen aus den Apostolischen Konstitutionen des vierten Jahrhunderts, die sich nicht nur an Geistliche richteten.
 
Und ich dachte, dass du mittlerweile verstanden hättest, dass geschriebene Regeln für Zivilpersonen wenig Sinn gehabt hätten, weil es mit der fortschreitenden Zeit kaum noch Schulen für sie gab, selbst im etwas toleranteren Osten wurden die letzten von der Kirche unabhängige Schulen von Kaiser Justinian I. geschlossen (529).
Hm, was ist mit Schriften zum Verhalten von Nicht-Klerikern? Hatten die jetzt wenig Sinn weil die Bevölkerung nur wenig lesen konnte?
Oder war die Fähigkeit des Vorlesens vielleicht doch schon erfunden?
Deine Argumentationen sind hanebüchen.
 
Und ich dachte, dass du mittlerweile verstanden hättest, dass geschriebene Regeln für Zivilpersonen wenig Sinn gehabt hätten, weil es mit der fortschreitenden Zeit kaum noch Schulen für sie gab, selbst im etwas toleranteren Osten wurden die letzten von der Kirche unabhängige Schulen von Kaiser Justinian I. geschlossen (529).
Lass mich das verstehen: Du zitierst Klosterregeln, in der Auffassung, dass die für in selbst gewählter Askese Lebenden geschriebenen Regeln für ALLE gelten, wirfst mir dann aber vor, dass ALLE die gar nicht lesen konnten?

Von Regula Augustini habe ich nie gesprochen, sondern von Schriften Augustini, die grundsätzlichen Charakter und großen Einfluss auf die Kirche hatten bzw. haben. Seine Begründung, warum man sich nicht nackt vor anderen zeigen dürfe, leitete er aus der Erbsünde – vereinfacht gesagt: Der erste Mensch wurde vom Fleisch besiegt, und das wird auf alle seine Nachkommen übertragen; er wird durch Sünde gezeugt und sündig geboren, deshalb muss man immer darauf achten, nicht wieder durch den Teufel, d.h. durch „fleischliche Begierden“ verführt zu werden, und bei nackten Körpern sei diese Gefahr besonders hoch.
Das ist mir schon klar, dass DU nie von der Regula Augustini gesprochen hast. Du hast aber aus einem Buch zitiert, in der sie paraphrasiert wurde. Und die Paraphrase steht in deinem Zitat.

Die wahrscheinlich nicht von Augustin selbst verfasste Regel der Frauenklöster erlaubt das Baden “wie üblich” einmal im Monat, bei Krankheit häufiger.

Im Übrigen solltest du die von dir zitierten Schriften besser lesen. Denn direkt vor dem von dir zitierten Ausschnitt steht folgendes:

"Bischof Augustinus von Hippo war es gewöhnt, sich täglich das Gesicht zu waschen. Er besuchte die Thermen und fand es selbstverständlich, das man sich dort vollständig entkleidete. Er hatte Verständnis dafür, dass sich manche aus Bußgründen zeitweise des Bades enthielten, schrieb aber scharf gegen Leute, die auf eine unter Christen nicht übliche Weise schmutzig herumliefen. In seinen Klöstern hatten die Kranken nicht nur ein Recht auf ein Bad, sondern sollten sich den Anordngen der Ärzte ohne Murren unterziehen - offenbar ging es weniger darum, den asketisch lebenden Mönchend as Bad zu verbieten, als sie notfalls dazu aufzfordern. Die Thermen sollten sie zu zweit oder zu dritt besuchen."
Hans Rudolf Sennhauser: Klosterbäder, in: ders. Wohn- und Wirtschaftsbauten frühmittelalterlicher Klöster: internationales Symposium [...] im Zusammenhang mit den Untersuchungen im Kloster St. Johann in Müstair, S. 189 - 194, hier S. 190.

Das steht im eklatanten Widerspruch zu dem, was du seit Tagen behauptest, obwohl du aus genau diesem Text zitiert hast.

Dies wurde dann nicht nur Mönchen und Nonnen gelehrt, sondern allen Gläubigen, wäre dem anders, wäre die katholische Kirche eine andere geworden.
Aha, erzähl mal...

Was ist das für ein Argument? Augustinus ist derjenige der Kirchenväter, der noch in dem Katechismus, der heutigen APOSTOLISCHE KONSTITUTION, am häufigsten genannt bzw. zitiert wird. Das, und nicht, wie bei Isidor, die Nennung zum Patron des Internets, sagt was über seinen Einfluss auf die Lehre der Kirche.
Noch mal zur Erinnerung: der meistzitierte und meistkopierte Kirchenvater des Mittelalters war Isidor. Er ist 2000 zum Patron des Internets ernannt worden. Dies ist kein Argument, sondern rückt lediglich deine Versuche gerade, Isidors Bedeutung zu bagatellisieren. Der Katechismus interessiert mich nicht, vor allem nicht in einer Diskussion über Bäder.
 
Du zitierst Klosterregeln, in der Auffassung, dass die für in selbst gewählter Askese Lebenden geschriebenen Regeln für ALLE gelten, wirfst mir dann aber vor, dass ALLE die gar nicht lesen konnten?
Aus Augustinus Erklärung geht hervor, dass es Gotteswille ist, sich nicht nackt vor anderen zu zeigen, dann wurde das nicht nur an Klostergemeinschaften, sondern sicher auch an normale Gläubige kommuniziert.

"Bischof Augustinus von Hippo war es gewöhnt, sich täglich das Gesicht zu waschen. Er besuchte die Thermen und fand es selbstverständlich, das man sich dort vollständig entkleidete. …
Dass Kleriker ihre eigene Regeln nicht befolgen, kommt öfters vor.

In seinen Klöstern hatten die Kranken nicht nur ein Recht auf ein Bad, sondern sollten sich den Anordngen der Ärzte ohne Murren unterziehen - offenbar ging es weniger darum, den asketisch lebenden Mönchend as Bad zu verbieten, als sie notfalls dazu aufzfordern. Die Thermen sollten sie zu zweit oder zu dritt besuchen."
Dass die Kranken anders behandelt werden sollten, habe ich nie in Abrede gestellt.

Aha, erzähl mal...
Wäre Augustinus der Lebemann geblieben, der er war, hätte er höchstwahrscheinlich nicht diese strenge Moralgesetze formuliert und die Kirche wäre eine andere geworden. Es passiert oft, dass Menschen sich aus einem Extrem ins andere wandeln.

Der Katechismus interessiert mich nicht, vor allem nicht in einer Diskussion über Bäder.
Die Apostolischen Konstitutionen waren und sind Anleitung zum Leben eines Christen. Sie werden regelmäßig dem Zeitgeist angepasst, deshalb geben uns die aus dem vierten Jahrhundert genauso wie die von heute ein Bild davon, was unter christlichen Leben zu verstehen war bzw. ist.
 
Dass Kleriker ihre eigene Regeln nicht befolgen, kommt öfters vor.
Nee, sorry, das ist zu billig argumentiert und wird vor allem nicht dem gerecht, woher wir unsere Wissen um Augustinus' Gepflogenheiten haben. Hier geht es nicht um Heuchelei, die du Augustinus hier implizit unterstellst, sondern wir erfahren das aus Augustinus eigenen Schriften! Halten wir noch mal fest. Was steht in dem von dir verlinkten Kapitel von De civitate Dei? Dort steht ganz explizit NICHT folgendes:

Aus Augustinus Erklärung geht hervor, dass es Gotteswille ist, sich nicht nackt vor anderen zu zeigen, dann wurde das nicht nur an Klostergemeinschaften, sondern sicher auch an normale Gläubige kommuniziert.
Nein, Augustinus erklärt, woher das Schamgefühl kommt und dass es bei allen Völkern vorhanden sei, weil alle dieselbe Erbsünde geerbt hätten. Er stellt dabei irritiert fest, dass es bei einigen Barbaren sogar soweit ginge, dass sie nec in balneis - nicht einmal in den Bädern - sich entkleideten. Das ist was Augustinus in der von dir verlinkten aber offensichtlich nicht gelesenenen Stelle in De civitate Dei schreibt. Ansonsten bring die Stelle bei, auf die du dich beziehst!

Wäre Augustinus der Lebemann geblieben, der er war, hätte er höchstwahrscheinlich nicht diese strenge Moralgesetze formuliert und die Kirche wäre eine andere geworden. Es passiert oft, dass Menschen sich aus einem Extrem ins andere wandeln.
Ja, ja, die größten Kritiker der Elche... Ändert aber nichts daran, dass Augustinus - zumindest an der dir verlinkten Stelle in De civitate Dei nicht das geschrieben hat, was du behauptest hätte er geschrieben. Lies doch einfach mal die Texte oder bring Zitat und Stelle bei. Und behaupte nicht wieder, Klosterregeln gälten für den Otto-Normal-Christen. Das stimmt heute nicht, das hat 1137 und das hat 364 nicht gestimmt.

Die Apostolischen Konstitutionen waren und sind Anleitung zum Leben eines Christen. Sie werden regelmäßig dem Zeitgeist angepasst, deshalb geben uns die aus dem vierten Jahrhundert genauso wie die von heute ein Bild davon, was unter christlichen Leben zu verstehen war bzw. ist.
Warum hältst du das für eine adäquate Reaktion auf meine Äußerung, dass mich der Katechismus nicht interessiert?


Was genau steht in den Apostolischen Konstitutionen zum Thema Bad?
Ein Badeverbot?
Nein.
Was dann?
1.) Dass man getrenntgeschlechtlich baden soll.
2.) Dass man nicht zu jeder Uhrzeit baden soll, vor allem nicht am hellichten Tage.
3.) nicht allzu häufig.
Wie ist allzu häufig definiert?
"wenn möglich nicht täglich" - Wortlaut der von dir verlinkten ÜS. Das entspricht im Übrigen - wenn auch natürlich aus völlig anderen Gründen, darüber brauchen wir also nicht den nächsten Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen - der Empfehlung von heutigen Dermatologen, sich nicht täglich zu duschen.
 
Wenn es heißt, diese geschriebene Regeln in Bezug auf Baden hätten nur für Kleriker gegolten

Hm, was ist mit Schriften zum Verhalten von Nicht-Klerikern?

Kleine Begriffsklärung:
Nonnen sind definitiv Nicht-Kleriker.
Die Zugehörigkeit zum Klerus setzt die Priesterweihe (bzw. die Diakonweihe) voraus.
Man kann also Mönch sein, ohne Kleriker zu sein.
Und natürlich kann man Kleriker sein, ohne Mönch zu sein. Nicht jeder Kleriker ist also einer Ordensregel verpflichtet.

Schon möglich, dass er gegen den Übereifer der asketischen Mönche einschritt. Er war Nachkomme einer Patrizierfamilie, die (weströmische) Kaiser stellte, was impliziert, dass er selbst durchaus die Vorteile kannte, die das Baden mit sich bringt.
Gregor I. war übrigens zufällig Mönch, laut Wiki "der erste Mönch der lateinischen Kirche, der zum Bischof von Rom und damit zum Patriarchen gewählt wurde."
 
Was genau steht in den Apostolischen Konstitutionen zum Thema Bad?
Ein Badeverbot?
Nein.
Was dann?
1.) Dass man getrenntgeschlechtlich baden soll.
2.) Dass man nicht zu jeder Uhrzeit baden soll, vor allem nicht am hellichten Tage.
3.) nicht allzu häufig.

Die Regeln 2 und 3 gelten nicht für "man", sondern ausschließlich für "frau"!

... und wieder nur selektiv gelesen.
Schon der erste einschlägige Abschnitt beginnt mit den Worten:
"Wenn du aber auf dem Marktplatz spaziren gehst und ein Bad zu nehmen wünschest, so benütze ein Männerbad, damit nicht, während du den Leib unanständig entblößt den Weibern zeigest..."

Bereits hier wird deutlich, dass es für einen Christen völlig selbstverständlich war, bei einem Gang durch die Stadt mal eben ein Bad aufzusuchen. Irgendwelche ideologische Vorbehalte gegen das Bad sind hier nicht erkennbar, im Gegenteil.
Was den Kirchenmännern ein Dorn im Auge war, war das gemeinsame Bad von Männern und Frauen.

Unterschiedliche Baderegeln für Männer und Frauen waren allerdings keine christliche Erfindung.
Aus Bononia stammt eine Inschrift, aus der hervorgeht, dass Männer und Minderjährige beiderlei Geschlechts freien Zutritt zum Bad hatten:
Epigraphische Datenbank Heidelberg

Mir ist alledings nicht klar ist, ob Frauen im Gegensatz zu den Männern zahlen mussten oder ob sie keinen Zutritt hatten.
Im "lex metalli vipascensis" wird bestimmt, dass Frauen doppelt so viel Eintritt bezahlen mussten als Männer. Männer 1/2 As, Frauen 1 As. Kinder hatten freien Eintritt, ebenso Soldaten und andere Privilegierte.
 
Aus Augustinus Erklärung geht hervor, dass es Gotteswille ist, sich nicht nackt vor anderen zu zeigen, dann wurde das nicht nur an Klostergemeinschaften, sondern sicher auch an normale Gläubige kommuniziert.
Warum hast Du für diese Spekulation keinen Beleg, baust aber Deine Gedankengebäude darauf auf? (Hervorhebung von mir)
 
Warum hast Du für diese Spekulation keinen Beleg, baust aber Deine Gedankengebäude darauf auf? (Hervorhebung von mir)

Das Schema läuft hier bereits seitenlang.

Wenn man nur grob die Fachpublikationen zu "der" Kulturfrage überfliegt, wird schnell klar, dass man sich hier wochenlang einlesen müsste.
 
Ich bin es leid, mir vorwerfen lassen zu müssen, ich lese selektiv, wobei die „Gegenpartei“ auch nichts anderes betreibt, sprich nur die Stellen zitiert, die ihre Sicht der Dinge bestätigen. Und dann z.B. Empfehlungen, in denen es z.B. heißt, man solle nicht öfter als einmal monatlich baden, als „nicht allzu häufig“ übersetzt und das mit heutigen Empfehlungen der Dermatologen unterstützt. Geht’s noch?

Um dem Ganzen, wenn nicht eine Ende, so doch eine Wendung zu geben, schlage ich vor, dass jemand die Frage beantwortet, warum die Badekultur im lateinischen Westen seit dem fünften Jahrhundert bis zu der Neubelebung durch Kreuzzugrückhehrer im langsamen Niedergang begriffen war. Dabei sollte das Augenmerk nach Möglichkeit nicht auf Kaiser-, Fürsten- oder Bischofshöfe gerichtet werden, sondern auf die Stadt- und Landbevölkerung.

Es sollte z.B. erklärt werden, warum die Badehäuser, die früher bei jedem größeren Hof (Rustico) standen, nicht mehr benutzt wurden. Da dies nicht mit Wassermangel durch zerstörte Aquädukte erklärt werden kann, habe ich versucht ideologische Gründe geltend zu machen, was aber in diesem Forum auf heftigen Widerstand stößt.

Nun bin ich gespannt, wie ihr das erklärt.
 
Ein Argument dagegen? Die Kirche nahm im Mittelalter durchaus auch Geld ein mit Bädern, so baute etwa im 11. Jhdt. der Bischof von Bath die Aquae Sulis aus. Aachen (Aquis Gran) wurde wegen der Bäder gegündet, Bagnoregio ist ein berühmtes Bad, von dem isländischen Abt Niklas Bergson unter dem Namen Þiðreksbað auf seiner Pilgerreise erwähnt (im Übrigen wie Aachen und Bath ein Bischofsssitz). Die sogenannten Baños Árabes von Girona sind eigentlich - entgegen ihres Namens - kein von Muslimen errichtetes Bauwerk. Ihre Einnahmen gingen an die Kirche von Girona.

Das war Jahrhunderte später, wir sprechen hier über die Spätantike frühes Mittelalter, als das Sauberkeits- und Sexfeindliche ihren Anfang nahm.

Das Liber Pontificalis verrät uns, dass
- Papst Silvester († 335) ein Haus mit Bad verschenkte, das 85 Goldmünzen wert war.
- Papst Silvester aus einem Bad in Ceratheas, das Konstantin dem [Nachfolger des] Petrus geschenkt hatte, 42 Goldmünzen Einkünfte erhielt.
- Kaiser Konstantin dem Papst Silvester ein Landgut vor den Toren Roms mit Bad und allen zum Landgut zugehörigen Äckern schenkte.
- während der arianischen Katholikenverfolgung unter Kaiser Constantius II. (Amtszeit von Papst Liberius † 366) die Priester weder in die Kirchen noch in die Bäder konnten (ita ut clerici et sacerdotes neque in ecclesia neque in balnea haberent introitum).
- Innocentius I. († 417) ein Bad als Spende empfing, dass 32 Goldmünzen abwarf
- Sixtus III. neben der Kirche Santa Maia Maggiore ein Bad unterhielt, dass 154 Gold- und 3 Silbermünzen abwarf (eine seltsame Angabe).
- Papst Hilarus († 468) mit dem Lorenzkloster ein Bad errichtete.
- Papst Symmachus († 514) ein Bad neben der Pankratiuskirche baute, eine Wasserleitung ein- und bei der Paulskirche ein Bad ganz neu errichtete (wörtl.: "vom Fundament an" - ubi et balneum a fundamento fecit.)


Notker der Stammler († 912) berichtet in seinen De gesti beati Caroli Magni von einem Bischof, der sich gegen die Fastenzeit versündigt hatte und Buße tat:

... et ultra impendere volens die sancto sabbati paschalis plurima dolia de tota civitate postulavit, et calidas balneas a mane usque ad vesperam cunctis indigentibus exhibere curavit, et colla singulorum ipse manu sua rasit, et purulentias scabiesque per hirsutorum corporum vepres unguibus extraxit, et unguentis delibutos candidis vestibus quasi modo regeneratos induit. Cum autem sol appropinquaret occasui, et nullus iam remaneret qui talibus indigeret obsequiis, intravit ipse in balnea, et exiens mundata conscientia mundissimis opertus est lineis,...

...Um aber noch mehr zu tun, forderte er am heiligen Osterabend aus der ganzen Stadt viele Badewannen an, und ließ alle Bedürftigen von Morgens bis Abends heiße Bäder anbieten, er selbst nahm jedem einzelnen den Bart ab und reinigte mit seinen Fingern die Geschwüre ihrer haarigen Körper, salbte sie und kleidete sie wie Neugeborenen mit weißen Gewändern. Als aber die Sonne unterging, und keiner mehr übrig war, der dieser Pflege bedurfte, begab er sich selbst ins Bad und bekleidete sich mit gereinigtem Gewissen zurückkehrend mit weißen Leinen.....
Dass dieses Histörchen unwahr ist, wie man bei seiner Lektüre spätestens dann merkt, wenn der Teufel in personam auftritt, um den gereinigten Bischof vom Lesen der Osternachtsmesse abzuhalten und sich als Nachzügler und Aussätziger tarnt, ist dabei nicht von Bedeutung. Von Bedeutung ist, dass es für Notker absolut okay war, dass ein Bischof den Bedürftigen Bäder einließ.
 
Ich bin es leid, mir vorwerfen lassen zu müssen, ich lese selektiv, wobei die „Gegenpartei“ auch nichts anderes betreibt, sprich nur die Stellen zitiert, die ihre Sicht der Dinge bestätigen.
Das ist ein Wahrnehmungsfehler deinerseits. Darum, weil du - und das zieht sich ja nicht nur durch diesen Thread sondern auch durch alle anderen an denen du beteiligt bist und die Kirche irgendwie vorkommt (was zumindest gefühlt die Mehrheit der Threads betrifft an denen du dich beteiligst - und da, wo die Kirche eigentlich nichts zu schaffen hat - wie im Riefenstahl-Thread, bringst du sie in denunzierender Weise ein [dass ich auf die Faulhaber-Behauptung nicht reagiert habe, lag nicht nur daran, dass es mir fast körperliche Schmerzen bereitet einen derartigen Unsympathen und Antidemokraten gegen falsche Anwürfe zu verteidigen, sondern v.a. dass ich den dortigen Thread nicht noch weiter strapazieren wollte]) - ständig und a priori die Kirche als Wurzel allen Übels darstellst, geraten die Dinge manchmal eben so, dass aus dem Versuch das schiefe Bild geradezurücken akzidentell eine Apologie der Kirche wird. Das liegt aber nicht etwa an der prokirchlichen Haltung der "Gegenpartei" sondern an dem durch deine dezidiert antikirchliche Haltung produzierten schiefen Bild.

Jemand der - trotz entsprechender und wiederholter Hinweise - immer noch meint, die Adressaten einer Klosterregel wären nichtkongregierte Laien, der darf sich nicht wundern, wenn seine Komptenzen als "Historiker" nicht als sonderlich hoch anerkannt werden.

Zudem hast du nachweislich selektiv zitiert* bzw. verlinkte Texte offenbar nicht gelesen** (oder nicht verstanden, was ich aber ausschließe, weil du ja nicht doof bist). Und du weigerst dich seitenlang mit teils fadenscheinigen Argumenten anzuerkennen, dass Klosterregeln Klosterregeln sind. Es gehört zum historischen Handwerkszeug, zur Quellenkritik, Textgattungen zu erkennen, die Adressaten benennen zu können und damit entsprechend umzugehen.

Erst selektiv zitieren und dann, wenn du das aufs Brot geschmiert bekommst, indigniert reagieren, geht nicht. Das ist unlauter.



*wie etwa die unterschlagene Textpassage aus dem von dir in die Diskussion eingebrachten Sennhauser
**das gilt offenbar für den von dir verlinkten Ausschnitt aus De civitate Dei sowie auch vielleicht für die Apostolischen Konstitutionen.
 
Um dem Ganzen, wenn nicht eine Ende, so doch eine Wendung zu geben, schlage ich vor, dass jemand die Frage beantwortet, warum die Badekultur im lateinischen Westen seit dem fünften Jahrhundert bis zu der Neubelebung durch Kreuzzugrückhehrer im langsamen Niedergang begriffen war. Dabei sollte das Augenmerk nach Möglichkeit nicht auf Kaiser-, Fürsten- oder Bischofshöfe gerichtet werden, sondern auf die Stadt- und Landbevölkerung.

Es sollte z.B. erklärt werden, warum die Badehäuser, die früher bei jedem größeren Hof (Rustico) standen, nicht mehr benutzt wurden. Da dies nicht mit Wassermangel durch zerstörte Aquädukte erklärt werden kann, habe ich versucht ideologische Gründe geltend zu machen, was aber in diesem Forum auf heftigen Widerstand stößt.
Diese meine Fragen wurden offensichtlich nicht beachtet oder sind in Vergessenheit geraten – ich stelle meine Fragen noch einmal und um einer Frage erweitert:

1. Ob und warum die Badekultur im lateinischen Westen seit dem fünften Jahrhundert bis zu der Neubelebung durch Kreuzzugrückhehrer im langsamen Niedergang begriffen war?

2. Warum die Badehäuser, die früher bei jedem größeren Hof (Rustico) standen, nicht weiter benutzt wurden, obwohl sie nicht von (zerstörten) Viadukten abhängig waren?

3. Warum die katholische Kirche fast die ganze Zeit, also abgesehen von den ersten Jahrhunderten und während der Renaissance, die Nacktheit und das Sexuelle so vehement ablehnte und diese ihre Sicht allen gesellschaftlichen Schichten aufzuzwingen suchte?
 
- das Wort "Seife" ist seit dem althochdeutschen belegt - die ahd. Seife des 9. & 10. Jhs. dürfte ihre Verwendung auch beim waschen gehabt haben.
- auch das Verb baden ist im ahd. vorhanden (padon) Grimm Wörterbuch
- Spanien und Frankreich waren im Frühmittelalter Zentren der Seifenherstellung
- Karl der Große (Bäder in Aachen, Wasserleitung Ingelheim)

dass erst durch Kreuzzugsrückkehrer in Mitteleuropa öffentliche Badehäuser in Mode kamen, wirkt erstaunlich: "juhu, wir sind wieder daheim" jubelt der Kreuzritter in seiner Burg am Rhein und hebt an, seine Heldentaten zu besingen "wir haben's den satanischen Heiden ordentlich besorgt, ihnen die Köpfe abgehauen und ins mahomedanische Bethaus geschissen, Krak de Chevaliers gebaut, Jerusalem befreit, aber halt: was müffelt hier so? saperlot, nun wollen wir hier erstmal Badehäuser wie die Heiden bauen"...;) - - einigen Kulturaustausch mit eher spätrömisch-mediterranen Kulturen wie Byzanz, "maurisches" Spanien wird es wohl schon vor den Kreuzzügen gegeben haben.
 
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