War das Mittelalter ein Rückschritt?

Wenn man davon ausgeht dass am Ende jeder Entwicklung der Tod steht , dann wäre nicht nur die Beschäftigung mit Geschichte sinnlos, sondern die Geschichte als solche.

Auch am Ende jeder Biographie steht der Tod. Trotzdem sind Biographien nicht sinnlos.

Noch ein Stückchen philosophisch weiter: Selbstverständlich steht am Ende jeder Entwicklung der Tod. Das gilt für menschliche und tierische Individuen ebenso wie für Sterne, Planeten, biologische Arten oder menschliche Gesellschaften. Wobei der Tod keine Null und kein absolutes Nichts ist, weder bei Sternen noch bei Menschen. Die Komplexitäts- und Systemwissenschaften haben für solche Prozesse den allgemeineren Begriff „Phasenübergang“ bzw. „Phasenübergang in komplexen Systemen“ geschaffen. Ein Stern schleudert am Ende seiner Entwicklung einen großen Teil seiner Materie in den umgebenden Raum, ein anderer Teil verglüht allmählich als sogenannter Weißer Zwerg, aus Bestandteilen von beiden bildet sich die nächste Generation von Sternen. Von gestorbenen Menschen und Tieren ernähren sich Hyänen und Würmer. Untergegangene biologische Arten sind größtenteils von Feinden oder Viren gefressen, aber einige wenige überlebende Arten entwickeln sich in eine ganz neue Richtung wie die Theropoden zu Vögeln. Der Tod ist fast nie ein absolutes Ende.

Wenn sich die Sonne allerdings eines Tages zum Roten Riesen ausdehnt – na, dann ist wirklich Schluss mit lustig für die ganze Biologie hienieden.
 
Der traurige Haufen der sich zur Befreiung von Jerusalem zum ersten Kreuzzug vor den Toren der Stadt eingefunden hat wäre z.b. für eine Armee Alexanders des Grossen taktisch, material-und ausbildungstechnisch oder logistisch keinerlei Gegner gewesen, obwohl dazwischen knapp 1000 Jahre liegen.
In Hinblick auf den Steigbügel (und wohl auch die Kettenhemden) wage ich einmal zu vermuten, dass die Ritter des 1. Kreuzzugs Alexanders Hetairenreiterei überlegen gewesen wären. Ohne Kavalleriedeckung jedoch war die makedonische Phalanx ziemlich verwundbar.
 
Also ist die gotische Architektur mathematisch unbedeutend oder etwa die Erfindung der Brille keine Leistung?
Gotische Architektur war nicht unbedeutend, aber sie erreichte nicht die Leistung der Römer: Das Pantheon in Rom, 128 n. Chr. fertiggestellt, wurde in der Größe der Kuppel durch keine gotische Kathedrale erreicht, geschweige denn übertroffen. Kathedralen brauchen überdies Stützpfeiler an den Außenwänden, um überhaupt in die Nähe der Höhe des Pantheons zu kommen, das ohne sie auskommt. Mir ist nur eine gotische Kathedrale bekannt, die es mit 46 Metern Höhe überragt, aber nie zu Ende gebaut wurde und braucht heute Stützen im Innern.
 
Kommt es auf die Größe Höhe an? Das eigentlich interessante am Pantheon ist doch nicht die Höhe, sondern, dass es sich für über 1000 Jahre um die größte freitragende Kuppel der Welt handelte und dass diese bis heute steht. Wenn die Kuppel des Pantheon 20 m niedriger läge, wäre die architektonische Leisstung der Römer deshalb nicht niedriger einzuschätzen. Allerdings ruht die Kuppel auf ziemlich starken Mauern, ein Problem, was die Gotik mit der Zeit überwinden konnte. Dass gotische Architektur nicht die Leistung der Römer erreichte, ist wohl mehr eine Frage des persönlichen Gusto, als eine faire Beurteilung der Leistungen mittelalterlicher Baumeister. Die Gotik baute keine Kuppeln sondern Kreuzbogen und Rippengewölbe. Ihrerseits filigrane Bauwerke. Deine Bewertung erinnert mich ein wenig an die (fiktive) Skala des (fiktiven) Literaturwissenschaftlers James Evans Pritchard in dessen (fiktiven) Werk Unterstanding Poetry (Tom Schulman).
 
Dass gotische Architektur nicht die Leistung der Römer erreichte, ist wohl mehr eine Frage des persönlichen Gusto, als eine faire Beurteilung der Leistungen mittelalterlicher Baumeister.
Es ist ja nicht so, El Quijote, dass die mittelalterlichen Kirchenbauer es nicht versucht hätten, Pantheon zu übertrumpfen – gerade der von mir erwähnte Bau der Kathedrale von Beauvais war ein derartiger Versuch. Auch beim Bau des Aachener Doms orientierte man sich daran und an den byzantinischen Bauten Italiens. Aber sie haben es nirgendwo geschafft, weil meistens ihre Berechnungen falsch waren, so dass sie die Baupläne der Realität anpassen, sprich kleiner bauen mussten als ursprünglich geplant, um nicht wieder während des Baus oder kurz danach einstürzende Bauten zu erleben.

Verstehe mich bitte nicht falsch: Gotik hat großartige Bauten errichtet, aber die alten Römer trotz zahlreicher Versuche nicht erreicht. Und in diesem Thread geht es gerade um die Frage, gab es im 1000 Jahre dauernden Mittelalter einen Rückschritt in Sachen Wissenschaft und Technik oder nicht. Ich sage dazu ja, du sagst nein – und verweist u.a. auf die gotischen Kathedralen als Gegenbeispiel. Mein Einwurf bezog sich allein darauf, und deine Erwiderung, in der du suggerierst, gotische Baumeister wollten gar nicht so bauen wie die alten Römer, erinnert ein wenig an die Geschichte vom Fuchs und den Trauben.

Grundsätzliches zum Thema aus meiner Sicht: Nach der Übernahme des Christentums als Staatsreligion und der Völkerwanderungen, die zum Zusammenbruch des westlichen Teils des römischen Reiches führten, entstand ein Vakuum an ordnenden staatlichen Instanzen, in dem fortan jeder auf sich gestellt war. Das konnte man am besten auf dem Land, weil man sich nur da selbst mit allem Nötigem versorgen konnte. Die Naturalwirtschaft entstand und die Städte, die ja zu allen Zeiten aufgrund der Konzentration von Geld und geistigen Ressourcen die Wissenschaft und Technik betreiben konnten, erlebten durch die Flucht auf das Land nach und nach einen Bevölkerungsrückgang, der alle diesbezüglich Aktivitäten verkümmern, wenn nicht ganz aufhören ließ.

Gewiss, es gab Kloster, die einiges an alten Büchern retteten, aber sie waren Ausnahmen und unterlagen zudem Selbstbeschränkungen, die es ihnen nicht erlaubten, das dort gesammeltes Wissen zu verwenden, geschweige denn es weiter zu entwickeln, dies auch, weil auch in den Klöstern der Alphabetisierungsgrad eher niedrig als hoch war – siehe Die christliche Haltung zur paganen Literatur.

Nichtsdestotrotz waren Klöster im Endeffekt die Bewahrer des antiken Wissens, was sich allerdings erst im Kontakt mit dem Islam, der in den ersten Jahrhunderten keine Berührungsängste mit der antiken Kultur hatte, als sehr nützlich erwies. Vor allem die rückkehrenden Kreuzfahrer, die im Morgenland die Annehmlichkeiten dieser hochstehenden Kultur (die vom Oströmischen Reich quasi gerettet wurde) kennenlernen konnten, haben zu Hause dafür gesorgt, dass sich die Zustände allmählich änderten.

So verlieh der Templerorden z.B. Geld gegen Zinsen, was zwar gegen das Gebot der Kirche verstieß, aber wieder die Konzentration des Geldes ermöglichte, das für größere Investitionen unabdingbar ist. Nicht zuletzt durch die wieder einsetzende Geldwirtschaft wurde das Leben in den Städten wieder attraktiv, schließlich konnte der Handel alles besorgen, was nicht an Ort und Stelle zu bekommen war. Und durch den Handel gab es wieder Kontakte über weite Distanzen hinweg, was, wie wir in unserem Internetzeitalter tagtäglich erfahren, den Austausch von Informationen beschleunigte.

Man kann sagen, ab dem 12. Jahrhundert ging es wieder aufwärts in Europa, bis es in der Renaissance – in Italien schneller als anderswo – endgültig wieder den einstigen Stand der Römer in Wissenschaft und Technik erreichte bzw. überschritt.
 
Woran machst Du das fest? Vergleiche doch mal verschiedene Dinge der Gesellschaft.

Bereits in #3 wurde eigentlich der entscheidende Hinweis auf die Beantwortung gegeben. Technik oder als Spezialfall die Architektur ist dabei nur ein Aspekt, und der Kirchenbau - m.E. - noch ein relativ unbedeutender.

Ansonsten wurden zentrale Aspekte, die ich in #53 literaturorientiert angeführt habe, schlichtweg in der weiteren Diskussion ignoriert und ein wenig über "Gott und die Welt" philosophiert. Aber an diesen Punkten wird die zentrale Bedeutung erkennbar, die das Mittelalter für die Entwicklung Zentraleuropas hatte (vgl. z.B. M. Mann: The Sources of Social Power)

Ohne die enormen Fortschritte im Mittelalter wären die Entwicklung in der FNZ nicht möglich gewesen. Und diese mündete ca. ab dem 18. Jahrhundert in einen Wettbewerbsvorsprung Mitteleuropas ein.
 
dass die mittelalterlichen Kirchenbauer es nicht versucht hätten, Pantheon zu übertrumpfen – gerade der von mir erwähnte Bau der Kathedrale von Beauvais war ein derartiger Versuch.
Das ist zunächst einmal eine Behauptung. Woher weißt du, dass der Bau der Kathedrale von Beauvais der Versuch war, das Pantheon zu übertrumpfen? Worin?

Auch beim Bau des Aachener Doms orientierte man sich daran und an den byzantinischen Bauten Italiens. Aber sie haben es nirgendwo geschafft, weil meistens ihre Berechnungen falsch waren, so dass sie die Baupläne der Realität anpassen, sprich kleiner bauen mussten als ursprünglich geplant, um nicht wieder während des Baus oder kurz danach einstürzende Bauten zu erleben.
Gerade war noch von römischen Bauten (Pantheon) und Gotik die Rede, nun sprichst du plötzlich von byzantinischen Bauten und romanischen. Denn bei allen gotischen Anbauten des Aachener Doms: Sein Kern ist romanisch.

Halten wir noch mal fest:
DrMarkuse sprach von
"völligen Stillstand im Bereich wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und planerischer Entwicklung [...] wenn man sich z.b. die mathematischen [...] Leistungen und baulichen Ausmasse Babylons oder die Kultur Griechenlands ansieht und das ganze z.B. mit Köln im Jahr 1300 vergleicht."​
Das stellte ich mit dem Verweis auf die Gotik in Frage:
"Also ist die gotische Architektur mathematisch unbedeutend [...]?"​
Jetzt kommst du ins Spiel mit deiner Bewertung von Architektur im Stile von James Evans Pritchard:
"Gotische Architektur war nicht unbedeutend, aber sie erreichte nicht die Leistung der Römer:"​
Eine Aussage, die ziemlich steil ist und so nicht stimmt. Auf meinen Widerspruch hin fängst du plötzlich mit der romanischen Architektur an (die du als solche natürlich nicht explizit ansprichst, aber du sprichst eindeutig über die Pfalzkapelle in Aachen und die ist nun mal romanisch und nicht gotisch) und schließt dann, deine alte Behauptung wiederholend:

Verstehe mich bitte nicht falsch: Gotik hat großartige Bauten errichtet, aber die alten Römer trotz zahlreicher Versuche nicht erreicht.

Ich sage dazu ja, du sagst nein – und verweist u.a. auf die gotischen Kathedralen als Gegenbeispiel. Mein Einwurf bezog sich allein darauf, und deine Erwiderung, in der du suggerierst, gotische Baumeister wollten gar nicht so bauen wie die alten Römer, erinnert ein wenig an die Geschichte vom Fuchs und den Trauben.
Überhaupt nicht. Das frühe Mittelalter hat sich an die römische Architektur gehalten, das ist der Stil, den wir als Romanik bezeichnen, es gab weniger Geld und ja, auch weniger Knowhow.

Die Gotik ist etwas Neues. Basierend auf dem alten, ja, aber neu. Und deine Behauptung, dass die gotische Architektur nicht das erreichte, was die alten Römer konnten, ist etwas befremdlich und lässt mich eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass du von der Gotik und ihrer Architektur keinerlei Ahnung hast. Die Filigranität der gotischen Architektur ist etwas völlig Neues, was die Römer in der Weise gar nicht kannten. Die römische Architektur hat andere Vorzüge, die das Mittelalter nur selten kopiert hat.

Alles in allem hast du am Ende wieder ein Thema gefunden, in dem du deinen ewigen (und langweilenden) Kreuzzug gegen die Kirche fortsetzen kannst und jeder, der deiner einseitigen Kirchenfeindlichkeit widerspricht wird von dir fast automatisch in die Rolle des Defensor Ecclesiae gesetzt, die ihm aber erst durch deine ewige Einseitigkeit zukommt. Da habe ich aber gar keine Lust drauf. Das macht keinen Spaß und verhindert am Ende eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Sujet, weil man so damit zu tun hat, den Einseitigkeiten zu widersprechen, dass für das Eigentliche gar keine Zeit mehr ist.
 
Ohne die enormen Fortschritte im Mittelalter wären die Entwicklung in der FNZ nicht möglich gewesen. Und diese mündete ca. ab dem 18. Jahrhundert in einen Wettbewerbsvorsprung Mitteleuropas ein.

Hier würde ich ein dickes Fragezeichen setzen. Der Wettbewerbsvorsprung Mitteleuropas entstand in einer gezielten Beförderung wissenschaftlichen Denkens gepaart mit einem beginnenden kapitalistischen System dass wissenschaftliche Unternehmungen aus Eigeninteresse mitfinanzierte. Dabei handelt es sich also um eine Gegenbewegung zum MA in dem das Denken eher religiös geprägt ist.

Es wurde hier oft als Argument angeführt dass das Wissen der Antike in mittelalterlichen Klöstern konserviert wurde: Das ist sicher richtig und eine der grossen Leistungen der Klöster. Klar ist aber auch dass viele Schriften die Zeit nicht überdauerten während ein weiterer Teil des Wissens erst durch den Beitrag der neuzeitlichen Archäologie wieder zugänglich wurde.
 
Hier würde ich ein dickes Fragezeichen setzen.

Du kannst gerne soviele Fragezeichen setzen wie gewünscht. Meine obige kurze Zusammenfassung spiegelt in etwa - zumindest in der zeitlichen Einordnung - den aktuellen Kenntnisstand wider. Bedauerlicherweise wurde das allerdings in seiner Komplexität im Forum so nicht ausführlich diskutiert, mangels Interesse.

Als Einstieg in die Thematik wird allgemein Abu-Lughod als Referenz angesehen. Die anderen Autoren können als weitere wichtige Referenzen angesehen werden zu einzelnen Themen. Diesen Themenkomplex hätte ich gerne mal im Forum diskutieren wollen, aber es gab kein Interesse.

Abu-Lughod, Janet L. (1991): Before European Hegemony. The World System A.D. 1250-1350. Oxford, New York, et al.: Oxford University Press.
Daly, Jonathan (2014): Historians Debate the Rise of the West. Hoboken: Taylor and Francis.
Daly, Jonathan W. (2014): The rise of Western power. A comparative history of Western civilization. London: Bloomsbury.
Darwin, John (2008): After Tamerlane. The global history of empire since 1405. New York: Bloomsbury Press;
Frank, André Gunder (1998): ReOrient. Global economy in the Asian age. Berkeley, Calif.: Univ. of California Press.
Frankopan, Peter (2016): The silk roads. A new history of the world. London, Oxford, New York, New Delhi, Sydney: Bloomsbury
Hodgson, Marshall G. S.; Burke, Edmund (2002): Rethinking world history. Essays on Europe, Islam, and world history. Cambridge: Cambridge University Press
Hoffman, Philip T. (2015): Why did Europe conquer the world? Princeton: Princeton Univ. Press
Jacob, Margaret C. (2014): The first knowledge economy. Human capital and the European economy, 1750 - 1850. Cambridge: Cambridge Univ. Press.
Manning, Patrick; Rood, Daniel (Hg.) (2016): Global scientific practice in an age of revolutions, 1750-1850. Pittsburgh: University of Pittsburgh Press.
McNeill, William Hardy (2001): The rise of the West. A history of the human community : with a retrospective essay. Chicago: Univ. of Chicago Press.
Mokyr, Joel (2002): The gifts of Athena. Historical origins of the knowledge economy. Princeton: Princeton Univ. Press.
Mokyr, Joel (2017): A culture of growth. The origins of the modern economy : the Graz Schumpeter lectures. Princeton, Oxford: Princeton University Press.
Moyn, Samuel; Sartori, Andrew (Hg.) (2015): Global intellectual history. New York: Columbia Univ. Press
Pomeranz, Kenneth; Topik, Steven (2015): The world that trade created. Society, culture, and the world economy : 1400 to the present. London, New York, London, New York: Routledge, Taylor & Francis Group.
Reinhard, Wolfgang (2016): Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415-2015. München: C.H. Beck
Vries, Peer (2015): State, economy and the great divergence. Great Britain and China, 1680s-1850s. London: Bloomsbury Academic.
Wootton, David (2015): The invention of science. A new history of the scientific revolution. London: Penguin Books.
 
Haha , ja das Himmelreich wäre die nächste Stufe nach dem Tod- aber immer noch noch nicht die letzte. Denn im aktuellsten Geschichtsbild (Harari) steht am Ende der Geschichte nicht das Reich Gottes, sondern der Homo Deus. Der Mensch ist selbst Gott geworden.
So wie ich das verstehe, beschreibt Harari mit dem "Homo Deus" nicht das "Ende der Geschichte", sondern deren gegenwärtigen Zustand.

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Das ist zunächst einmal eine Behauptung. Woher weißt du, dass der Bau der Kathedrale von Beauvais der Versuch war, das Pantheon zu übertrumpfen? Worin?
Zitat aus der Wikipedia: Der damalige Bischof von Beauvais, Milon de Nanteuil, plante seit 1225 einen Neubau. In den nächsten 20 Jahren wurden immer ausgefeiltere, architektonisches Neuland beschreitende Pläne erarbeitet. Beauvais sollte die höchste und größte Kirche der Christenheit werden, allerdings verhinderten die politischen Gegebenheiten zu dieser Zeit einen konsequenten Baubeginn.

Gerade war noch von römischen Bauten (Pantheon) und Gotik die Rede, nun sprichst du plötzlich von byzantinischen Bauten und romanischen. Denn bei allen gotischen Anbauten des Aachener Doms: Sein Kern ist romanisch.
Natürlich weiß ich, dass Aachner Dom kein gotischer Bau ist – das habe ich nur geschrieben, weil der Bau in diesem Thread schon erwähnt wurde als „das massive Oktogongewölbe des Aachener Doms die weiteste und höchste holzlose Raumüberdeckung nördlich der Alpen“, und weil dessen Erbauer sich auch am Pantheon (meinem Argument) orientierten – Zitat aus Wikipedia: Man geht davon aus, dass sich diese Bauten mit ihrer idealen Zentralbaugeometrie an antiken Vorbildern wie dem Pantheon in Rom orientierten, das im Mittelalter als Ideal der vollkommenen Architektur angesehen wurde.

Meine Interpretation habe ich bereits oben geschrieben: Sie eiferten dem Vorbild nach, ohne es zu erreichen.

Die Gotik ist etwas Neues.
Habe ich nicht in Abrede gestellt.

Und deine Behauptung, dass die gotische Architektur nicht das erreichte, was die alten Römer konnten, ist etwas befremdlich und lässt mich eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass du von der Gotik und ihrer Architektur keinerlei Ahnung hast.
Außer dass das einer Beleidigung nahe kommt, kann ich auch sagen: Du hast keine Ahnung, was ich weiß bzw. nicht weiß.

Die römische Architektur hat andere Vorzüge, die das Mittelalter nur selten kopiert hat.
Ja, aufgrund des fehlenden Knowhows.

Alles in allem hast du am Ende wieder ein Thema gefunden, in dem du deinen ewigen (und langweilenden) Kreuzzug gegen die Kirche fortsetzen kannst …
Das ist eine Unterstellung, denn meine bisherige Beiträge in diesem Thread sprechen dagegen.


Das MA, ab ca. 1200, hat stichwortartig in Anlehnung an Tilly in Strayer:
- die europäische Staatenwelt geprägt mit einer eigenständigen "Identität" in Abgrenzung zum Oströmischen Reich
- die Netzwerke des europäischen Handels gelegt
- die institutionelle Verständnis für Staaten geprägt
- eine "Revolution" im Rechtsverständnis durchgeführt
- die ersten Wurzeln für ein "modernes" individualistisches Verständnis von "Mensch" und "Gesellschaft" gelegt
- erste wichtige Schritte zur Konsolidierung der Finanzierung (Steuern, Zentralisierung, Administration), um - neue Formen von - Kriegen zu führen
- durch die Kirche / Klöster die vorhandenen antiken Wissensbestände - teils als Übersetzung aus islamischen Quellen gerettet / erschlossen

nur um ein paar "Meilensteine" zu nennen, die wichtig waren als notwendige Voraussetzung für die Entwicklung in der FNZ.
Ich möchte das nicht in Abrede stellen, aber es ist zu einfach, auf die letzten 3 Jahrhunderte eines Zeitalter zu verweisen, das 10 Jahrhunderte dauerte. Bei der Beurteilung dessen, was das Mittelalter ausmacht, muss man schon das Ganze sehen und sich nicht nur die Rosinen herauspicken.

Wie wäre es, wenn jemand, der sich darin gut auskennt, die Fortschritte in Technik und Wissenschaften während des Mittelalters Jahrhundert für Jahrhundert aufzählen würde? Ich weiß außer dem Kummet, das im 10. Jhdt. und der Brille, die im 13. Jhdt. erfunden wurde, kaum etwas Neues auf dem Gebiet der Technik aus der Zeitepoche. Und auf dem Gebiet der Wissenschaft wäre die Übernahme der arabischen Ziffern von den Arabern im 10. Jhdt. zu nennen, wobei man die Bedeutung der Null erst in der Neuzeit voll erkannte.
 
So einfach ist das sicherlich nicht. Die Bücherverbrennungen können einen so komplexen Vorgang, der sich im Anschluss - also ab ca 500 - an den Zusammenbruch des Römischen Imperium ereignet hatte, kaum ausreichend erklären.

Mein Kenntnisstand der Literatur legt andere Schlüsse nahe.

Das MA, ab ca. 1200, hat stichwortartig in Anlehnung an Tilly in Strayer:
- die europäische Staatenwelt geprägt mit einer eigenständigen "Identität" in Abgrenzung zum Oströmischen Reich
- die Netzwerke des europäischen Handels gelegt
- die institutionelle Verständnis für Staaten geprägt
- eine "Revolution" im Rechtsverständnis durchgeführt
- die ersten Wurzeln für ein "modernes" individualistisches Verständnis von "Mensch" und "Gesellschaft" gelegt
- erste wichtige Schritte zur Konsolidierung der Finanzierung (Steuern, Zentralisierung, Administration), um - neue Formen von - Kriegen zu führen
- durch die Kirche / Klöster die vorhandenen antiken Wissensbestände - teils als Übersetzung aus islamischen Quellen gerettet / erschlossen

nur um ein paar "Meilensteine" zu nennen, die wichtig waren als notwendige Voraussetzung für die Entwicklung in der FNZ.

Ergo: das MA bildete die notwendige Voraussetzung für die Phase, in der der europäische Kolonialismus bzw. dann in der Folge der Imperialismus seine wirtschaftiche bzw. militärische Überlegenheit entwickeln konnte, wie in "King Cotton" von Beckert dargestellt.

Zunächst einmal würde ich die Verbrennung von Büchern nicht geringschätzen, oder lapidar beiseite wischen, denn ein Buch, eine Schriftrolle oder eine Tafel sind zur damaligen Zeit möglicher Weise Unikate und damit das einzige Medium das Gedanken und Wissen für die Nachwelt erhalten kann. Sie beziehen sich ja selbst in ihren Artikeln auf eine ganze Reihe von Büchern, deren gesammeltes Wissen Sie ins Feld führen können, da heute niemand mehr auf die Idee kommt diese Bücher zu verbrennen.

Ein Zeitgeist der nach der Vernichtung von Wissens trachtet wäre also erst einmal nicht mit Ihrer These vereinbar dass im MA zahlreiche Grundlagen für den Wissensvorsprung Mitteleuropas in der Neuzeit gelegt wurden. Er wäre im Gegenteil ein Indiz gegen diese These.


"- die europäische Staatenwelt geprägt mit einer eigenständigen "Identität" in Abgrenzung zum Oströmischen Reich"

Diese angebliche Abgrenzung wird ja heute bis hin zu PEGIDA als Folklore gepflegt. Die Grundlagen des mitteleuropäischen Fortschritts seit dem 18 Jhdt beruhen allerdings allesamt auf den dem geistigen Fundament Mesopotamiens, der Levante, Ägyptens und Griechenlands (später Ost-Rom). Das gilt für praktisch alle kulturellen Bereiche von der Erfindung der Schrift, der Literatur und des Theaters über die Mathematik, das Rechtswesen , die Philosophie , das Staatswesen, die Architektur, Strassenbau, die Astronomie, die Kartierung der Welt bis hin zu den monotheistischen Weltreligionen. Der Aufstieg Westeuropas ist einer Umarmung und Fortentwicklung dieses kulturellen Erbes und beruht auf dessen Grundfesten. Abgrenzung dagegen kann also nicht das Erfolgsmodell gewesen sein.


"- eine "Revolution" im Rechtsverständnis durchgeführt
- die ersten Wurzeln für ein "modernes" individualistisches Verständnis von "Mensch" und "Gesellschaft" gelegt
- erste wichtige Schritte zur Konsolidierung der Finanzierung (Steuern, Zentralisierung, Administration), um - neue Formen von - Kriegen zu führen"

Sicherlich wurden im MA zwangsläufig Grundlagen für die Neuzeit gelegt, denn es handelt sich ja bei Geschichte um kausale Verkettungen und insofern ist ein Heute nicht denkbar ohne das Tun von Gestern.
Entscheidend für das ursprüngliche Thema ist aber die Gewichtung. Wieviel Beitrag wurde im MA geleistet im Vergleich zur Zeit davor und handelt es sich dabei um einen Rückschritt in dem Sinne dass entweder das Tempo des Fortschritts verlangsamt wurde, oder statt der Generierung neuen Wissens, altes nicht verbreitet oder sogar vernichtet wurde, der Wissensbestand also abnahm.

- durch die Kirche / Klöster die vorhandenen antiken Wissensbestände - teils als Übersetzung aus islamischen Quellen gerettet / erschlossen"

Einverstanden, allerdings wäre ich auch hier vorsichtig mit der Formulierung "aus islamischen Quellen gerettet", denn zunächst einmal wurde dieses antike Wissen im islamischen Herrschaftsbereich bewahrt und gepflegt - also nicht verbrannt- und musste demnach auch nicht davor "gerettet" werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zunächst einmal würde ich die Verbrennung von Büchern nicht geringschätzen, oder lapidar beiseite wischen, denn ein Buch, eine Schriftrolle oder eine Tafel sind zur damaligen Zeit möglicher Weise Unikate und damit das einzige Medium das Gedanken und Wissen für die Nachwelt erhalten kann. Sie beziehen sich ja selbst in ihren Artikeln auf eine ganze Reihe von Büchern, deren gesammeltes Wissen Sie ins Feld führen können, da heute niemand mehr auf die Idee kommt diese Bücher zu verbrennen.

Ein Zeitgeist der nach der Vernichtung von Wissens trachtet wäre also erst einmal nicht mit Ihrer These vereinbar dass im MA zahlreiche Grundlagen für den Wissensvorsprung Mitteleuropas in der Neuzeit gelegt wurden. Er wäre im Gegenteil ein Indiz gegen diese These.

Ich meinerseits, würde die Verbrennung von Büchern nicht grundsätzlich über einen Kamm scheren und mit einem Antrieb zur Vernichtung von Wissen gleichsetzen, denn dabei geht es ja in der Regel darum unliebsame Weltbilder los zu werden, aber nicht neutrales, nützliches Wissen an und für sich.
Im Übrigen, im Rahmen dessen was sich gemein hin "Damnatio memoriae" schimpft, wurde auch in der Antike hin und wieder Versucht Informationen über das Leben und Wirken bestimmter Persönlichkeiten (und auch das ist eine Form von Wissen) zu tilgen.
Deine Schlussfolgerung hier, kann ich auch nicht nachvollziehen. Warum soll ein Zeitgeist, der, wie du es ausdrückst, nach der Vernichtung von Wissen trachtet, nicht mit der Schaffung der Grundlagen neuen wissens vereinbar sein?
Haben die Nationalsozialisten etwa nicht versucht, das erreichte Wissen in der Altertums-, Geschichts-, Sprachwissenschaft und Soziologie, sofern es ihnen nicht in den Kram passte zu vernichten (unter anderem im Rahmen inszenierter Verbrennungen "undeutscher Literatur") sind aus diesem gesellschaftlichen zutand nicht etwa die Grundlagen der Raumfahrt, die unsere Gesellschaft heute mit prägt gelegt worden? (Um hier nicht falsch verstanden zu werden, möchte ich hier explizit festgestellt haben, dass ich entsprechede Taten selbstredend nicht gutheiße).

Wenn man mit Bücherverbrennungen etc. anfängt, müsste man sich erstmal näher damit beschäfftigen, ein wie großer Teil nützlichen und neutralen Wissens, tatsächlich willentlich vernichtet wurde (ist ja auch möglich die nützlichen Teile aufzuschreiben und irgendwo aufzuheben, während nur der Rest vernichtet wird) und bei einem wie großen Anteil es sich um unliebsame Thesen handelte, die mit tatsächlichem Wissen, aber nur bedingt etwas zu tun haben.
Dann müsstest du auch erklären, warum die Repression eines Wissensbereiches (wenn wir das mal annehmen wollen) grundsätzlich die Ausprägung anderer Bereiche unterminieren sollte.

"- die europäische Staatenwelt geprägt mit einer eigenständigen "Identität" in Abgrenzung zum Oströmischen Reich"

Diese angebliche Abgrenzung wird ja heute bis hin zu PEGIDA als Folklore gepflegt. Die Grundlagen des mitteleuropäischen Fortschritts seit dem 18 Jhdt beruhen allerdings allesamt auf den dem geistigen Fundament Mesopotamiens, der Levante, Ägyptens und Griechenlands (später Ost-Rom). Das gilt für praktisch alle kulturellen Bereiche von der Erfindung der Schrift, der Literatur und des Theaters über die Mathematik, das Rechtswesen , die Philosophie , das Staatswesen, die Architektur, Strassenbau, die Astronomie, die Kartierung der Welt bis hin zu den monotheistischen Weltreligionen. Der Aufstieg Westeuropas ist einer Umarmung und Fortentwicklung dieses kulturellen Erbes und beruht auf dessen Grundfesten. Abgrenzung dagegen kann also nicht das Erfolgsmodell gewesen sein.

Du verwechselst hier zwei ganz maßgeblich verschiedene Dinge, nämlich die Tatsache auf Vorrangegangenen Leistungen zu beruhen und die Tatsache diese Leistungen als Ebenbild wiederszuspiegeln.

Nehmen wir die Architektur:
Die Stahlskelettbauweise moderner Wolkenkratzer lässt sich nicht aus dem Ägyptischen, Römischen, Griechischen, Mesopotanischen oder sonstwo herleiten. Die dafür notwendigen Prinzipien (wenn auch mit anderen Materialien und Techniken ausgeführt), mit relativ leichten Materialien entsprechend hoch und stabil zu bauen, sind dann doch eher in der Gotik zu suchen und die hat keine antiken Vorläufer in diesem Sinne.

Nehmen wir den Straßenbau:
Zwischen der via Appia und einer modernen Autobahn dürften dir verschiedene Unterschiede auffallen. Die Römer mögen möglicherweise die Inspiration geliefert haben, wie man normierte Verkehrswege für sich genommen ins Werk setzt, mit den heute angewandten Techniken, Normen und auch dem Zweck solcher Bauprojekte, hat dass aber nur noch im geringen Maße etwas zu tun.
Der moderne Straßenbau hat mehrere geistige Fundamente und da gehört das Prinzip des normierten gefestigten Verkehrsweges aus dem alten Rom ebenso dazu, wie die späere Leistung in Sachen Statik, moderner Metallurgie (z.B. Brückenbau). Im Übrigen etwa auch der Umgang mit Sprengstoffen (zur Räumung von Hindernissen), von dem die Antike in der Form nichts wusstel

Im Übrigen könnte man nun auch behaupten, die Antike habe all das nur palgiiert, denn nachweisbare Laufhorizonte, die man mit einiger Phantasie zum Urahn der modernen Straße umdeklarieren könnte, wird man ohne Mühe bereits im Neolithicum ausfinde machen können.


Sicherlich wurden im MA zwangsläufig Grundlagen für die Neuzeit gelegt, denn es handelt sich ja bei Geschichte um kausale Verkettungen und insofern ist ein Heute nicht denkbar ohne das Tun von Gestern.
Entscheidend für das ursprüngliche Thema ist aber die Gewichtung. Wieviel Beitrag wurde im MA geleistet im Vergleich zur Zeit davor und handelt es sich dabei um einen Rückschritt in dem Sinne dass entweder das Tempo des Fortschritts verlangsamt wurde, oder statt der Generierung neuen Wissens, altes nicht verbreitet oder sogar vernichtet wurde, der Wissensbestand also abnahm.

Das ist mir etwas zu kurz gedacht. Für einen qualitative Umbruch im Hinblick auf die Entwickung der Welt ist nicht nur die Gescchwindigkeit der Entwicklung in der Spitze eine notwendige Angelegenheit, sondern auch ihre Durchdringung in der Breite.
Im näheren Umfeld des Mittelmeeres, leistete da etwa das römische Reich einiges, aber bereits an seiner Peripherie gingen doch viele gesellschaftliche Leistungen der Zentrale bereits verloren. Die Peripherie wurde insofern in die Nähe des Standes der Italischen Halbinsel oder der anderen Mittelmeerprovinzen versetzt, wie es die militärischen und wirtschaftlcihen Interessen des Imperiums, so wie die Fähigeit zu seiner Verwaltung es erforderten.

Eine große Leistung des Mittelalters, die meiner Meinung nach sehr unterschätzt wird, besteht in der flächendeckenden strukturellen Entwicklung des Barbaricums zu einem Raum, der dadurch überhaupt erstmal in die Lage kam, die Neuzeit entscheidend mit zu prägen und zu gestalten.

Einige entscheidende thechnische Quantensprünge hat es im Mittelalter durchaus auch gegeben, man denke etwa an den aufkommenden Buchdruck, der es in der Folge ermöglichte Wissen viel schneller zu verbreiten. In dem Kontext möchte ich auch die Entwicklung der Universität als Sich ausbreitende Institution angesprochen haben.
Ich würde mal behaupten ohne dem wäre unsere moderne Informationsgesellschaft genau so wenig denkbar, wie ohne die Erfindung der Schrift an sich, oder die Elektrotechnik.

Handelt es sich beim Mittelalter nun um einen Rückschritt? Ich denke, das muss regional getrachtet werden. Vergleicht man etwa das mittelalterliche Rom, mit seinesm Antiken Vorgänger, wird man in einiger Hinsicht durchaus von Rückschritten sprechen und das etwa an der Infrastruktur festmachen können. Für das, was sich im Römischen Barbaricum nennt, was immerhin flächenmäßig so in etwa die Hälfte der europäischen Landmasse ausmacht, wird man das nicht konstatieren können.
Da wird man eine Konsolidierung technischer Errungenschaften und eine stark beschleunigte Entwicklung feststellen können.
 
Wie wäre es, wenn jemand, der sich darin gut auskennt, die Fortschritte in Technik und Wissenschaften während des Mittelalters Jahrhundert für Jahrhundert aufzählen würde? Ich weiß außer dem Kummet, das im 10. Jhdt. und der Brille, die im 13. Jhdt. erfunden wurde, kaum etwas Neues auf dem Gebiet der Technik aus der Zeitepoche. Und auf dem Gebiet der Wissenschaft wäre die Übernahme der arabischen Ziffern von den Arabern im 10. Jhdt. zu nennen, wobei man die Bedeutung der Null erst in der Neuzeit voll erkannte.

Nehmen wir die Mühlentechnik: Die Römer kannten Hand- und Wassermühlen, beide Techniken wurden im Mittelalter weiterverwendet, beispiele gibt es aus der Merowinger- und der Karolingerzeit, hinzu kam die Windmühle, welche die Römer offenbar nicht kannten. Diese wurden in den Niederlanden dann auch - nach der Eindeichung und Polderung (seit dem 11. Jhdt.) - als hydraulische Mühlen verwendet ("Wasserpumpen"), wahrscheinlich seit dem 14., gesichert seit dem 16. Jhdt. (Davon abgekopelt die persische Windmühle, die anders funktionierte als die europäische und tw. noch in Persien und Afghanistan zu sehen ist.)
Die Tretmühle wurde häufig als Antrieb für Kräne eingesetzt, in der Römerzeit wie im Mittelalter.

Der Pflug. Es gab ihn seit der Bronzezeit, in der Römerzeit ist dann vereinzelt der Räderpflug belegt, ein Wissen, das aber wieder verloren geht und im 10. oder 11. Jhdt. wird er neu erfunden und verbreitet sich. Ähnliches gilt für den Wendepflug, auch dieser wird im Mittelalter in Europa neu erfunden, obwohl es ihn vorher bereits gegeben hatte.

Die Uhr: Natürlich gab es Sand-, Wasser- und Kerzenuhren etc. bereits früher, aber die Räderuhr, deren Fortentwicklungen wir bis heute verwenden (wenn wir nicht Digitaluhren benutzen) ist eine Erfindung des 13. Jahrhunderts.

Bzgl. Waffen und Verteidgungsanlagen gibt es eine ganze Menge Neuerungen, etwa die Armbrust, die wesentlich einfacher zu bedienen war, als die römische Balliste. Viele dieser Neuerungen sind natürlich nicht unbedingt technisch anspruchsvoll. Unsicher, ob es sich um eine Erfindung der Kreuzfahrer oder Muslim handelt ist eine fortifikatorische Neuerung, die z.B. in Krak de Chevaliers zu beobachten ist: Unterere Teil der Burg- oder Stadtmauern werden abgeschrägt. Das hat zwei Effekte: Die Kraft von Rammen auf Mauern wird wenigstens ein bisschen abgeleitet und - und das ist wohl fast wichtiger - der tote Winkel, der sich durch die Mauer ergibt, wird ausgeglichen.
Entwicklung Festugsmauern.jpg
 
Einige entscheidende thechnische Quantensprünge hat es im Mittelalter durchaus auch gegeben, man denke etwa an den aufkommenden Buchdruck, der es in der Folge ermöglichte Wissen viel schneller zu verbreiten. In dem Kontext möchte ich auch die Entwicklung der Universität als Sich ausbreitende Institution angesprochen haben.
Ich würde mal behaupten ohne dem wäre unsere moderne Informationsgesellschaft genau so wenig denkbar, wie ohne die Erfindung der Schrift an sich, oder die Elektrotechnik.

Richtig, aber es handelt sich gerade bei diesen beiden Entwicklungen bereits um Vorboten einer neuen Zeit und einer neuen Haltung zur Welt und den Dingen (durchaus auch in Anknüpfung an das Denken der Antike, siehe Renaissance in Italien).

Die Erfindung des Buchdrucks hat das Verbreiten von Wissen zum Ziel.
Dem Gedanken der Universität liegt die Vermehrung und Erforschung von Wissen zugrunde. In ihrer Entwicklung war es daher zwangsläufig das Eingeständnis des Nicht-Wissens zum Prinzip zu erheben. Diese Entwicklung sehen wir allerdings nicht von Beginn an. Noch das Pariser Pest-Gutachten 1348 beruht auf Aberglaube und falschen Annahmen. Die Universität selbst macht also zunächst eine Entwicklung von mittelalterlichem Denken hin zu Neuzeitlichem Denken durch.

Dem MA wohnt auch in gewisser Weise die Religion als Gegenmodell zur Wissenschaft inne. Denn Religion setzt (meistens) göttlich tradiertes Wissen anstelle von Nicht-Wissen.
Dieser Aspekt kommt mir bei der ganzen Diskussion zu kurz und die Rolle von Kirche und Religion im Mittelalter wurde bereits im ersten Beitrag kritisch hinterfragt.

Man sollte in diesem Zusammenhang wahrscheinlich auch das späte Mittelalter gesondert und als ein Zeitalter des Übergangs sehen, in dem ein langsamer Shift von religiös geprägter Denke, hin zu wissenschaftlichem Denken stattfand. Dabei hatte die Rückbesinnung auf die Antike wiederum einen Anteil.
Zunächst wurden beide Denkschulen sogar vermischt so z.b. in der Figur des Kolumbus, der die Welt als Kugel annimmt, aber noch in der Karibik glaubt das irdische Paradies erspäht zu haben.
 
Noch das Pariser Pest-Gutachten 1348 beruht auf Aberglaube und falschen Annahmen.
Das ist allerdings eine Kritik ex post. Was wussten denn die Römer über die Pest und war das so viel schlauer als das, was man im Mittelalter wusste?
Es geht ja nicht darum, das Wissen des Mittelalters mit dem heutige Wissen zu vergleichen sondern darum, das Wissen des Mittelalters - der Threadtitel lautet "War das Mittelalter ein Rückschritt?" - mit dem Wissen davor zu vergleichen. Niemand, der ganz bei Trost ist, würde das Mittelalter als goldenes Zeitalter der Erkenntnis bezeichnen, aber die allzu einfach Gleichung {Mittelalter = Rückschritt} die ist ebenso grundfalsch.

Dem MA wohnt auch in gewisser Weise die Religion als Gegenmodell zur Wissenschaft inne. Denn Religion setzt (meistens) göttlich tradiertes Wissen anstelle von Nicht-Wissen.
Dieser Aspekt kommt mir bei der ganzen Diskussion zu kurz und die Rolle von Kirche und Religion im Mittelalter wurde bereits im ersten Beitrag kritisch hinterfragt.
Und kommt dabei über tradierte Kritik nicht hinaus. Wir müssen den Ballast aus Reformation, Aufklärung, Marxismus und Faschismus in der Betrachtung des Mittelalters bzw. der historischen Kirche endlich mal loswerden, um das Mittelalter bzw. die vorreformatorische Kirche fair beurteilen zu können. Denn wir fußen immer wieder - wenn wir die (katholische) Kirche betrachten - auf den Geschichtsdarstellungen a) ihrer eigenen internen Kritiker, b) der Reformatoren verschiedenster Prägung, die sich im Konfessionskampf mit ihr auseinandergesetzt haben, c) der Aufklärer, d) der per se meist religionsfeindlichen Marxisten und d) der meist in reformatorischer Tradition stehenden Nationalisten, welche das katholische Element zu Gunsten der Nationalkirchen ablehnten und schließlich der Faschisten, hier insbsondere der Nationalsozialisten, der Falanguismus war ja eher kirchenfreundlich vulgo nationalkatholisch.

D.h. wir müssen den Ballast von 500 Jahren Kirchenbashing und Weben an der schwarzen Legende hinter uns lassen, um zu einer fairen Beurteilung zu kommen. Dabei dürfen wir natürlich nicht in das Gegenteil verfallen und an einer rosa Legende mitweben, wie sie dann von Anhängern der Religion tw. immer noch verbreitet wird.

Die Motive des Kirchenbashings waren freilich immer andere, mal mehr, mal weniger berechtigt. Wir müssen uns einfach gewahr sein, dass unser Bild von der Geschichte des Mittelalters und der Kirche weitestgehend von Leuten geprägt worden ist, die ein negatives Bild auf das Mittelalter und die - aus konfessionellen Gründen - katholische Kirche hatten.
Dass wir z.B. von gotischer Kunst und Architektur reden, ist ein Überrest einer negativen Mittelalterrezption, die zum Glück entsemantisiert ist. Niemand mehr (außer vielleicht einer Einzelperson in diesem Thread) versteht den Begriff Gotik als negativ, er ist semantisch losgelöst von den Goten. Aber semantisch ist das sein Ursprung: Nicht römisch, nicht gut also gotisch = barbarisch.

Zunächst wurden beide Denkschulen sogar vermischt so z.b. in der Figur des Kolumbus, der die Welt als Kugel annimmt, aber noch in der Karibik glaubt das irdische Paradies erspäht zu haben.
Die Kugelgestalt der Erde wurde im Mittelalter - entgegen weit verbreiteter Annahmen - nicht in Frage gestellt sondern von der Mehrheit derjenigen, die sich dazu äußerten auch vertreten und zumindest für wahrscheinlich erachtet. Auch so ein Restballast des Antikirchlichen, der sich sogar in Schulbüchern wiederfindet, wenn eine Darstellung, wenn etwa das bekannte Bild von Camille Flammarion aus dem Jahr 1888 als mittelalterlicher Holzstich dargestellt wird.
800px-Flammarion.jpg
 
Richtig, aber es handelt sich gerade bei diesen beiden Entwicklungen bereits um Vorboten einer neuen Zeit und einer neuen Haltung zur Welt und den Dingen (durchaus auch in Anknüpfung an das Denken der Antike, siehe Renaissance in Italien).

Die Erfindung des Buchdrucks hat das Verbreiten von Wissen zum Ziel.
Dem Gedanken der Universität liegt die Vermehrung und Erforschung von Wissen zugrunde. In ihrer Entwicklung war es daher zwangsläufig das Eingeständnis des Nicht-Wissens zum Prinzip zu erheben. Diese Entwicklung sehen wir allerdings nicht von Beginn an. Noch das Pariser Pest-Gutachten 1348 beruht auf Aberglaube und falschen Annahmen. Die Universität selbst macht also zunächst eine Entwicklung von mittelalterlichem Denken hin zu Neuzeitlichem Denken durch.

Klassischer Zirkelschluss, würde ich meinen.

Weil du a priori davon ausgehst, das Mittelalter hätte per se eine Bildungsfeindliche Geisteshaltung an den Tag gelegt. Dem widersprechen etwa Maßnahmen wie die "karolingische Rennaiccance (was war die eigentlich, wenn kein Versuch an das Wissen der antik-römischen Welt anzuknüpfen) und auch diverse andere Dinge, recht deutlich.

Noch das Pariser Pest-Gutachten 1348 beruht auf Aberglaube und falschen Annahmen.

Kennst du zufällig etwa Gerard van Switens Schrift zum Thema "Vampyrismus", in der dieser Versucht mit dem Vampierglauben aufzuräumen? Das ist Mitte des 18. Jahrhunderts.
Das sich selbst Wissenschaftler von Rang zu weilen in Aberglauben verirrten und darauf dann zu falschen Schlussfolgerungen kamen, mitunter mit schädlichen bis katastrophalen Folgen (man denke z.B. auch an das Thema "Aderlass"), lässt sich bis weit in das 19. Jahrhundert hinein verfolgen, dass ist kein Merkmal des Mittelalters.

Dem MA wohnt auch in gewisser Weise die Religion als Gegenmodell zur Wissenschaft inne. Denn Religion setzt (meistens) göttlich tradiertes Wissen anstelle von Nicht-Wissen.
Dieser Aspekt kommt mir bei der ganzen Diskussion zu kurz und die Rolle von Kirche und Religion im Mittelalter wurde bereits im ersten Beitrag kritisch hinterfragt.

Das ist überzogen.
Religion neigt dazu Dogmen an die Stelle von Wissen zu setzen, aber nur dann, wenn sich zwichen beiden ein Konfliktfeld ergibt, was im Besonderen auf theologischer Ebene der Fall, andere Wissensbereiche aber nicht oder nur peripher berührt.
Der wissenschaftliche und technische Fortschritt vollzieht sich aber auch jenseits davon und in anderen Bereichen ist es ja nicht so, dass die Kirchen (obwohl ich die wirkich ungerne verteidige) durchaus aus als fananzstarke Förderer auftraten bzw. über ihre Bibliotheken das Grundwissen zur Verfügung stellten.


Man sollte in diesem Zusammenhang wahrscheinlich auch das späte Mittelalter gesondert und als ein Zeitalter des Übergangs sehen, in dem ein langsamer Shift von religiös geprägter Denke, hin zu wissenschaftlichem Denken stattfand.
Inwieweit löst sich denn die religiöse/abergläubische Denke nach dem Mittelalter ab? Ich mag mich dabei irren, aber diverse (unter anderem) religiös motivierte Auseinandersetzungen, die sehr viel mit a priori gegebener religiöser Engstirnigkeit zu tun hatten, brachen sich doch erst danach Bahn?
Warum konnte das 19. Jahrhundert etwa den politischen Katholizismus, den Ultramontanismus oder die protestantische Erweckungsbewegung in dieser Form hervor bringen (in denen sich nicht wenige Akademiker engagierten), wenn das Paradigma das Glaubens am Ausgang des Mittelalters durch das der Rationalität ersetzt wurde?

Wie du richtig schriebst, der große Schritt zur Rationalität in der Wissenschaft ist die Akzeptanz von Nichtwissen gegenüber dem Paradigma Wissenslücken mit erdachten, unbewiesenen Surrogaten zu füllen um sich der Ungewissheit zu entledigen.

Wenn dieser Schritt aber schon längst vollzogen war, wie erklärst du dir dann z.B. die Postulate diverser "Rasseforscher" von Gobineau bis zu einschlägigen Stellen der SS, deren Mutmaßungen mit irgendeiner Form von Wissen oder Beweisbarkeit nichts zu schaffen hatten, ergo die Tatsache, dass sie für die unterschiedlichen Entwicklungen menschlicher Zivilisation kein belastbares Erklärungsmodell anzubieten hatten, nicht akzeptierten?
Das waren ja nicht irgendwelche abgeehalfterten Spinner (natürlich waren sie das, aber sie wurden nicht so beurteilt), die von der Gesellschaft, auch nicht von der Gesamtheit der Akademiker für nicht ernst zu nhemende Aluhutträger gehalten worden wären, sondern deren Unfug fand (mit bekanntlich fatalen Folgen) gesamtgesellschaftlich und auch in akdaemischen Kreisen einigen Zuspruch.

Wenn der Schritt zur breiten Akzeptanz vo Nichtwissen in der Wissenschaft vollzogen wurde (im Bereich der Theologie, sofern man diese als Wissenschaft betrachten möchte, möchte ich das mindestens in Teilen ausdrücklich bezweifelt haben), ist dies eine Leistung des 20. Jahrhunderts. Vorher gehörten in diversen Bereichen der Wissenschaft, platt ausgedrückt Aluhüte mindestens periodisch durchaus zur Grundausstattung von Teilen der damit Befassten "Wissenschaftler".

Dabei hatte die Rückbesinnung auf die Antike wiederum einen Anteil.
Gehörte es zum antiken Repertoire die gelungene Überfahrt über das Mittelmeer als Grundlage einer natuischen Debatte zu betrachten, statt sie Poseidon oder Neptun zu danken? Wo für dann deren Tempel und die Opferpraktiken, frage ich mich?
Ist die Verehrung einer Gottheit, als Lohn für bestimmte ihr unterstellte Taten, als Erklärungsersatz für Naturphänomene etwas anderes als die Nichtakzeptanz von Nichtwissen zu Gunsten sinnstiftender Metaerzählungen? Ich meine nein.


Zunächst wurden beide Denkschulen sogar vermischt so z.b. in der Figur des Kolumbus, der die Welt als Kugel annimmt, aber noch in der Karibik glaubt das irdische Paradies erspäht zu haben.

Die Tatsache, dass die Welt eine Kugel war anzunehmen war zu Kolumbus Zeit nun keine theoretisch wissenschaftliche Leistung mehr, sondern längst erwiesen und war von den meisten Meschen auch längst akzeptiert. Bei der Frage nach dem Umfang dieser Kugel wurde es zu seiner Zeit schon interessanter und da war er sehr schnell bereit allzu voreiligen (und grottesk falschen) Schlussfolgerungen a priori das Wort zu reden, weil sie sichin seine Wünsche einer West-Reise sehr gut fügten.

Er selbst folgte dabei einer Stoßrichtung einer Debatte, die er technisch selbst nicht nachvollziehen konnte auf gut Glück. Das hat mit strenger Rationalität nichts zu tun. Darüber zufällig über Amerika gestolpert zu sein, konnte der Mann froh sein, sonst wären er und die Besatzungen seiner 3 Schiffe mit einiger Wahrscheinlichkeit Opfer seiner Leichtgläubigkeit geworden und an Proviant- und Wassermangel zu Grunde gegangen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, liebe Freunde der Geschichte. Wir kommen hier wohl zu keinem gemeinsamen Ergebnis. Aber ich gestehe natürlich zu, dass Antworten auf Fragen die die Geschichte stellt vielschichtig sind, und dass man dem MA nicht Ehre und Respekt absprechen sollte, wo ihm Ehre gebührt. Das gilt natürlich auch für Religion und Kirche.
 
Einverstanden, allerdings wäre ich auch hier vorsichtig mit der Formulierung "aus islamischen Quellen gerettet", denn zunächst einmal wurde dieses antike Wissen im islamischen Herrschaftsbereich bewahrt und gepflegt - also nicht verbrannt- und musste demnach auch nicht davor "gerettet" werden.
Ich hatte schon vor einiger Zeit Einspruch eingelegt:
Es ist schon richtig, dass die islamischen Mathematiker die Mathematik über das Mittelalter retteten
Ohne die byzantinische Tradition hätten die islamischen Mathematiker wenig zu retten gehabt. In Byzanz wurden die Werke von Euklid, Archimedes & Co. noch über viele Jahrhunderte kopiert, ediert und kommentiert.
... also auch nicht verbrannt...
 
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