Ja. Es gibt auch (wenige) nicht Nahuatl-Sprecher, die wohl den gleiche legendären Ursprungsort beanspruchen. Bei diesen wenigen Ausnahmen könnte es sich aber um eine Übertragung handeln. Die wesentlichen (d.h. nahezu alle) Aztlan-Migranten gehören zur Nahuatl-Sprachgruppe.
Dazu ein Literaturhinweis: Michael E. Smith (Loyola University of Chicago) in "THE AZTLAN MIGRATIONS OF THE NAHUATL CHRONICLES: MYTH OR HISTORY" in
"Ethnohistory 31(3):153-186 (1984)" S. 153 ff
Smith listet u.a. die unterschiedlichen "Nahuatl-Migranten Gruppen" auf, die ihre Herkunft auf die Region von Aztlan zurück führen. Das sind auch - aber nicht nur - die Azteken. Smith (S. 165) nennt drei große Gruppierungen:
- Chichimeca (zu denen auch nicht Nahuatl-Sprecher wie Otomi gehören sollen) als "Sammelbezeichnung" für alle "unzivilisierten" Völker
- Culhua (Nahuatl Sprecher in Kontext mit den "ziviliserten Tolteken")
- Mexica (als letzte der Nahuatl-Sprecher)
Eine andere mehr nach der Örtlichkeit tendierende Aufteilung von Smith (S. 166) ist
- Nicht Nahuatl sprechende Chichimeken
- Gruppen im späteren Basin von Mexiko
- Gruppen aus den umschließenden Tälern und
- Mexica (die wohl den Kern der Gruppe um die Azteken bilden).
Und jetzt komme ich zu den Volksteilen, die nach der aztekischen Sage oder Legende nach zunächst mit den Azteken gezogen sein sollen.
Prem schreibt dazu:
Die acht Völker, die zunächst mit den Mexi'ca' gemeinsam gewandert und dann vor diesen vorausgezogen waren, sind in historischer Zeit tatsächlich ihre Nachbarn im und rings um das Becken von Mexiko gewesen: Die Huexotzinca' jenseits der Vulkankette des Popocatepetl im Tal von Puebla, die Chalca', Xochimilca' und Cuitlahua'ca' am Südufer der Sees von Mexiko, die Tepaneca', Malinalca' und Matlatzinca' am Westufer des Sees und im westlich anschließenden Tal von Toluca. Die Chichimeca' stehen für die Bevölkerung von Acolhua'can, die sich von chichimekischen Einwanderern herleitet. Da alle längst vor den Mexi'ca' im Becken von Mexiko ansässig und bedeutend gewesen sind, war es diesen offenbar wichtig, ihre Nachbarvölker so in die eigene Geschichte einzuordnen, daß sie als den Mexi'ca' untergeordnet erkennbar werden, wie es bis auf die Huexotzinca' und die Chichimeca' zum Zeitpunkt der spanischen Eroberung tatsächlich der Fall gewesen ist.
Das ist in der Tat eine mögliche Erklärung.
Eine mehr historisierende Erklärung wäre, dass diese Volksstämme tatsächlich Teil einer ursprünglich gemeinsamen "Völkerwanderung" waren, die sich im Laufe dieser Wanderung geteilt haben. Das kennen wir doch von der germanischen Völkerwanderung auch.
Dazu:
Archäologische Funde können eine Besiedlung Tulas bis ins 11. Jahrhundert hinein bestätigen. In das mit dem Niedergang entstehende Machtvakuum stoßen "Chichimeken" vor.
Mary G. Hodge (a.a.O.) schreibt auf S. 42: 1073: Chichmekische Gruppen verlassen das legendäre Aztlan und datiert damit den Beginn der Wanderung(en).
In der Reihenfolge von Smith (a.a.O.) mit dessen Angaben (S. 168 fff) erfolgte nach Smith dann Ankunft der
- Xochimila: 1182 / 1240 im Südlichen Tal von Mexiko, 1240
- Chalca: 1195
- Tepaneca: 1184 Gründung von Ixtilxóchitl
- Acolhua, Otomi und Tepanec erreichen 1226 das Tal von Mexiko
- Chichmeken gründen 1149 Chicomoztoc
- Chichmeken erreichen 1197 Acolhuacan
- Tlaxcala 1120 von Chichimken mit dem Ursprung aus "Aztlan" gegründet
- 12. Jhd. Nahuatl sprechende Chichmeken aus Colhuacan bei Aztlan erreichen die nördl. Puebla-Provinz
-- 1200 Xonotla
-- 1215 San Esteban
-- 1219 Tetela und Zuzumba
-- 1241 Capulapan
-- 1281 Tutula
- 1211 / 1220: Mexika erreichen Chapultepec
Diese Angaben korrespondieren nach Smith (S. 175) sowohl mit linguistischen wie auch mit (S. 176) archäologischen Belegen. Smith weist besonders darauf hin, dass die "Aztlan-Migration" mit einem neuen Keramik-Stil in Zentral-Mexiko einhergeht (S. 177 f.).
Wie weiter?
Mich interessiert vor allem, welche Ursprungssagen die weiter südlich bis Nicaragua ziehenden Nahua-Völker hatten. Ich denke da etwa
an die Nicarao, und der "Geschwistervolk", die
Pipil people, die sich in Kontext mit dem Kollaps der Tolteken sehen und nicht Nahuatl (wie die Mexiko) sondern eine nah verwandte Abwandlung (Nawat) sprechen.
Haben diese Gruppierungen ebenfalls die Legende von Aztlan bewahrt oder beschränkt sich diese legendäre Herkunft auf das zentrale Hochland von Mexiko und die Völker dort, die ja massiv von den Azteken beeinflusst und z.T. unterjocht waren. Eine solche regional begrenzte Verbreitung könnte eine Übertragung der "Aztlan-Legende" auf die "Verwandten und Fremdvölker im ehemaligen Aztekischen Reich" als Ursache haben.