1983: Strauß vermittelt den DDR-Millionenkredit

Denn Strauß war ein 'Gschaftlhuber'* in einer 'Spezlwirtschaft'.*
Mit Schalck-Golodkowski traf er, so vermute ich, auf einen Seelenverwandten, dessen Aufgabe es war so zu agieren, wie der Strauß es mit weit größerer Leichtigkeit und großem Genuss tun konnte.

Umgekehrt, meine ich. U.a. deswegen zog es Strauß wohl immer wieder zu autoritären Führungen und Staaten, denn die konnten 'freier' agieren - und er dann auch.
Und ja, in der Spezlwirtschaft zählte die Freundschaft, das Parteibuch war egal. Strauß hat sich primär nicht selbst bereichert, dafür hatte er überall 'Freunde', die ihn im Urlaub aushielten, hier ein Flugzeug zur Verfügung stellten, dort einluden und diesen Gefallen taten, dieses und jenes halt. Nicht der Besitz, die Verfügungsmöglichkeiten waren entscheidend im Netzwerk der viieeelen Freunde, der Spezln.
 
1981 sind die RGW-Länder Polen und Rumänien defacto zahlungsunfähig

Der SPIEGEL-Artikel Im Kaufrausch die Kontrolle verloren, erschienen im Heft 4/1982, (24.1.2) von Edward Böhm, Mitarbeiter Hamburger HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, zeichnet den Weg der Polnischen Administration in die Zahlungsunfähigkeit 1981 nach.
Es begann Anfang der 1970er Jahre mit Reformen der Wirtschaftslenkung, ebenfalls mit dem Ziel der Erhöhung des Lebensstandards. Nach jahrelanger Stagnation sollte damit durch höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, mithin 'Wachstum', dieses Ziel erreicht werden. In Folge wurden neue Produktionsanlagen/Produktionsmaschinen, die das Wirtschaftswachstum generieren sollten, jedoch planlos durch reichlich Auslandskredite finanziert (und teils im NSW-Ausland eingekauft, was später immer häufiger den Kauf von Vorprodukten aus dem NSW-Ausland nötig machte ), nicht durch eigene Erwirtschaftung der Investitionsmittel.
Die Hoffnung war, mit neuen Produkten im NSW (kapitalistisches Ausland) erfolgreich Absatz zu generieren, mit welchem die Auslandkredite zurück bezahlt werden sollten. Was natürlich nicht geschah, weder waren die Produkte wettbewerbsfähig, noch herrschte in den NSW-Märkten ein Produktmangel.

Dass die polnische wie rumänische Regierung 1981 die westlichen Bankenkredite nicht mehr bedienen konnten, war der Anlass für die drastische Kehrtwende in der Geschäftspolitik der westlichen (Gläubiger-)Banken insgesamt den RGW-Staaten gegenüber. Kontakte zwischen DDR-Administration und der Bonner Administration unter BK Schmidt zu einem (Überbrückungs-)Bankenkredit mit staatlichen Garantien für die westlichen DDR-Auslandsschulden gab es bereits ab 1980. Immer verbunden mit Forderungen der Bonner Administration nach deutlichen Erleichterungen, immer auch verbunden mit der Sorge vor den (innen-)politischen Auswirkungen einer solchen Kredit-Garantie durch die Bonner Regierungen.

Ansonsten war es tatsächlich Strauß-Spezl und CSU-Mitglied Josef März in Bayern, der Strauß von der Kreditsuche via KoKo und Schalcks erzählte, den März inzwischen persönlich kannte.
 
2. Importen aus dem RGW, Transferrubelbilanzen bzw. Segmenten der Zahlungsbilanz mit RGW-Außenhandel haben vernachlässigbare Auswirkungen auf Devisenprobleme der DDR im NSW-Bereich. Im Prinzip war es hierfür egal, wie der XTR-Saldo steht, oder wie die RGW-Handelsbilanzergebnisse aussehen. Das hatte nur Bedeutung, soweit das auf die NSW-Handelsbilanzen durchgeschlagen ist, und dieser Durchgriff ist an den NSW-Handelsbilanzen bzw. Kapitalverkehrsströmen direkt ablesbar.

Die Importe aus der Sowjetunion hatten insofern eine direkte Auswirkung auf die Devisenwirtschaft, wie die geforderten Gegenleistungen qualitativ zunahmen. Die geforderte Qualität auf Weltmarktniveau verringerte den Spielraum der DDR für eigene Exporte gegen Devisen.

Die deutliche Erhöhung der Rohstoffkosten vor allem durch die Importe aus der Sowjetunion aufgrund der seit Anfang 1975 neuen Berechnungsgrundlage - jährliche Preisanpassung gemäß dem Durchschnitt der Weltmarktpreise der jeweils vorangegangenen fünf Jahre, Erhöhung bereits 1975 auf der Preisbasis von 1972 bis 1974 (Cornelsen 71) - führten (besonders) bei der nach der Sowjetunion in den 1970er Jahren zweitgrößten Industrieproduktion im RGW, der DDR, zu einem Handelsdefizit/Schuldenwachstum gegenüber den anderen RGW-Staaten, besonders der Sowjetunion. Dies erhöhte den Druck/Zwang auf die DDR-Wirtschaft, vermehrt in die RGW-Staaten, besonders die SU zu exportieren, die nur den kleinen RGW-Staaten erlaubte, die Hälfte der Preiserhöhungen durch Kredite zu finanzieren. (Q: Cornelsen, Doris (1990), Die Wirtschaft der DDR in der Honecker-Ära, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Berlin, Vol. 59, Iss. 1, pp. 70-79, S. 71)

Durch den vermehrten Export in die RGW-Staaten, in die SU, aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise im RGW, aus der SU, wurden wiederum auch Waren dem West-Export entzogen.

So notiert der SPIEGEL, Ausgabe 11/1978, im Artikel Keulen gegen Knochen, u.a.

Der Handel mit den RGW-Partnern brachte im vergangenen Jahr wieder ein Defizit von rund drei Milliarden Valuta-Mark*, vorwiegend verursacht durch die teurer gewordenen Rohstoffimporte aus der Sowjet-Union.

Und weiter

Der Zwang zu höheren Ausfuhren in die RGW-Länder aber blockiert die Produktion für den West-Export, und zwar so stark, daß DDR-Betriebe, die mit ihren bundesdeutschen Handelspartnern Kompensationsgeschäfte - Ware gegen Ware - vereinbart haben, nicht liefern können: Statt der vereinbarten Ware muß Ost-Berlin bar zahlen, in kostbaren Devisen.
 
Der Milliardenkredit hat diese strukturellen Probleme nicht können, aber auch nicht sollen. Er diente zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses, da die geringeren (subventionierten) Öllieferungen der UdSSR ab 1982 empfindliche Auswirkungen auf die Petrochemie und die Exportgeschäfte in den Westen hatte.
Tatsächlich stiegen die Exporte der DDR von 1979 bis 1985 von 12 auf 24 Mrd. Valutamark, (etwa 1:4 zum US-$).

Die Mineralöl-Einfuhr in die DDR
  • 1960: 2 Millionen t
  • 1969: 9 Millionen t
  • 1979: rund 21 Millionen t
  • 1980er Jahre: konstant rund 23 Millionen t

Der Inlandsverbrauch Mineralöl DDR
  • 1978: rund 18 Millionen t
  • Mitte 1980er Jahre, nach drastischen Sparmaßnahmen: rund 11 Millionen t

Mit der (vergrößerten) Differenz zwischen Einfuhr und Inlandsverbrauch vor allem nach den drastischen Sparmaßnahmen wurden in den 1980er Jahren, beispielsweise 1981-1985, ganz wesentlich durch den wachsenden Export von Mineralöl-Produkten die Liquiditätsschwierigkeiten beseitigt, die Handelsbilanz ausgeglichen.

Der größte Teil des Mineralöls wurde aus der SU importiert, inklusive der Preissteigerungen, doch natürlich führte der Rückgang der Mineralölpreise im Laufe der 1980er Jahre andererseits zu einem Preisrückgang auch bei den exportierten Mineralöl-Produkten, zu Minderung der Exporterlöse, was durch eine Reduzierung der Importe aufgefangen wurde bzw. aufgefangen werden sollte.

(Q: Cornelsen, Doris (1990), Die Wirtschaft der DDR in der Honecker-Ära, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Berlin, Vol. 59, Iss. 1, pp. 70-79, S. 74 f., S. 77)
 
Was ich nicht verstehe, vielleicht hab ich was überlesen: was war denn das geile Zeug wegen dem die RGW-Staaten und die DDR in eine finanzielle Abhängigkeit von den kapitalistischen Staaten gerieten?
War es High-Tec? Wenn ja, wie kann das sein? Es stand doch selbst der PC des Westdeutschen Kinderzimmers in der CoCom-Liste*, soweit ich mich erinnere.
Waren es Hilfsstoffe für die Halbleiterfertigung, von denen mein Kollege aus dem Osten Deutschlands behauptete, der Schalck Golodkowski habe sie teilweise mit dem Diplomatengepäck herbeigebracht, weil auch auf der CoCom-Liste?
Aber damit kann man doch nicht so viel Geld auf den Kopf hauen. Oder doch?
Oder hatten Drittstaaten als Technologie-Händler in einer Grauzone eine wesentliche Rolle?
Oder war es ganz blamabel der Weizen?
Immerhin kaufte, laut einem Bericht der Zeit von 1963, die SU in Kanada. Die Abschlüsse – Käufe im Wert von 500 Millionen Dollar aus Kanada und ein 100-Millionen-Kontrakt mit Australien –
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* was ich nicht gefunden habe ist die vollständige CoCom-Liste irgendeines Jahres.
Lediglich Auszüge, die erahnen lassen wie umfangreich diese war.
z.B.: https://de.scribd.com/document/22775440/CoCom-Lists-1985
 
Prämisse: Mittag gestand Anfang der 80er Jahre ein, dass die DDR nicht mehr in der Lage sei, aus eigener Kraft eine Produktivitätssteigerung ihrer Industrien zu erreichen. (Adomeit, S. 168)

Das bedeutete die Notwendigkeit, via Importe "Hightech" zu importieren, gegen Devisen. Das bedeutete aber auch die Abhängigkeit von westlichen Devisen. Und erzeugte in der UdSSR sehr massive Befürchtungen hinsichtlich der politischen Abhängigkeit der DDR vom Westen, speziell der BRD. Kossygin wies Mittag in diesem Kontext darauf hin, dass die DDR ihren Kreditrahmen von 6 Mrd nicht überziehen sollte, da dieses bereits eine Verschuldung sei, die ca. 3,6 Mal höher wäre wie das Exportvolumen (Przybylski, Bd. 1, S. 325)

Es war also immer eine enge Verbindung zwischen Rohstoffmärkten, Produktivitätssteigerungen, Lebensqualität, Systemrivalität und politischer Legitimierung der DDR.

Ansonsten veränderte sich in den 80er Jahren die Beziehungen im RGW.
1. Die UdSSR importierte aus der DDR primär Produkte des Maschinenbaus

2. Die DDR exportierte in die nicht-sozialistischen Länder zunehmend auch diese Produkte.

3. Um die Qualitätsanforderungen auf dem Weltmarkt bedienen zu können wurden die hochwertigen Produkte gegen Devisen exportiert und die anderen in die UdSSR. "

4. Die UdSSR reagierte und wollte u.a. ihren eigenen Maschinenbau sehr drastisch steigern und b. bezog ihre eigenen Produkte zunehmend lieber vom Weltmarkt wie aus der DDR (vgl. Adomeit, S. 225)

5. Das ganze ist vor dem Hinergrund der deutlichen Verteuerung der Energiepreise zu sehen, die von der UdSSR an die DDR teilweise weiter gegeben wurden.

Diese deutlich erhöhten Rohstoffkosten konnten nur erbracht werden, indem die von Honecker vorgesehen Mittel zur Steigerung des Lebensstandard in der DDR, also für den Wohnungsbau, zur Deckung der Importe genutzt wurden.

Mit den entsprechenden Konsequenzen für den zunehmend sinkenden Lebensstandard in der DDR.

Adomeit, Hannes (1998): Imperial overstretch: Germany in Soviet policy from Stalin to Gorbachev. An analysis based on new archival evidence, memoirs, and interviews. 1. Aufl. Baden-Baden: Nomos-Verlag
Przybylski, Peter: Tatort Politbüro. Honecker, Mittag und Schalck-Golodkowski. Bd.1, Berlin: Rowohlt Berlin .
Przybylski, Peter (1991): Tatort Politbuero. Die Akte Honecker. Bd. 2 . Rowohlt Berlin:
Steiner, André (2007): Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR. 1. Aufl. Berlin: Aufbau-Verl.-Gruppe
 
Was ich nicht verstehe, vielleicht hab ich was überlesen: was war denn das geile Zeug wegen dem die RGW-Staaten und die DDR in eine finanzielle Abhängigkeit von den kapitalistischen Staaten gerieten?

DDR: Der Verbrauchersozialismus/Konsumkurs (vermehrte Einfuhr Konsumgüter aus dem NSW) von Honecker, #34 + 35
Tatsächlich findet unter dem neuen Staatsratsvorsitzenden Honecker in den 1970er eine eigentlich nicht mehr finanzierbare Entscheidung zugunsten des im Artikel so bezeichneten Verbrauchersozialismus statt. Wohl/angeblich schon 1973 hatte die Staatsicherheit in einer Stellungnahme zur ökonomischen Situation der DDR und der anstehenden Neigung zur (ökonomischen) Politik eines Verbrauchersozialismus von Letzterem abgeraten (hatte ich vor Jahren mal dazu gelesen)


Polen: #42
Der SPIEGEL-Artikel Im Kaufrausch die Kontrolle verloren, erschienen im Heft 4/1982, (24.1.2) von Edward Böhm, Mitarbeiter Hamburger HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, zeichnet den Weg der Polnischen Administration in die Zahlungsunfähigkeit 1981 nach.
Es begann Anfang der 1970er Jahre mit Reformen der Wirtschaftslenkung, ebenfalls mit dem Ziel der Erhöhung des Lebensstandards. Nach jahrelanger Stagnation sollte damit durch höhere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, mithin 'Wachstum', dieses Ziel erreicht werden. In Folge wurden neue Produktionsanlagen/Produktionsmaschinen, die das Wirtschaftswachstum generieren sollten, jedoch planlos durch reichlich Auslandskredite finanziert (und teils im NSW-Ausland eingekauft, was später immer häufiger den Kauf von Vorprodukten aus dem NSW-Ausland nötig machte ), nicht durch eigene Erwirtschaftung der Investitionsmittel.
Die Hoffnung war, mit neuen Produkten im NSW (kapitalistisches Ausland) erfolgreich Absatz zu generieren, mit welchem die Auslandkredite zurück bezahlt werden sollten. Was natürlich nicht geschah, weder waren die Produkte wettbewerbsfähig, noch herrschte in den NSW-Märkten ein Produktmangel.

Rumänien: West-Kredit finanzierte Industrialisierung in den Bereichen Stahlerzeugung und Metallverarbeitung, Erdölförderung und Chemieproduktion. Das übliche Spiel: Fehlende, teure Vorprodukte, Ersatzteile, fehlender Nachfragemarkt, fehlende Absatzwege, nicht ausreichende Produktivität + Qualität (Fachkräfte), dafür nicht ausreichende Energieversorgung, armes Land versucht kreditfinanziert eine sehr teure industrielle Infrastruktur aufzubauen, verschuldet sich hoffnungslos, Zentralverwaltungswirtschaft.
Im SPIEGEL-Artikel Falsch gerechnet, Heft 4/1983 (23.1.83) wird das gut dargestellt.
 
Prämisse: Mittag gestand Anfang der 80er Jahre ein, dass die DDR nicht mehr in der Lage sei, aus eigener Kraft eine Produktivitätssteigerung ihrer Industrien zu erreichen. (Adomeit, S. 168)
Weil der Schwerpunkt der Honecker-Politik in der Ökonomie im Verbrauchersozialismus, der Erhöhung und Stabilisierung des Lebensstandards lag, in Abkehr zur vorhergehenden Wirtschaftspolitik der Stärkung der industriellen Infrastruktur + Produktivität unter Ulbricht.

Mittags Äußerung zeigt die Folge dieser Politik von Honecker, welche zulasten der (industriellen) Investitionen ging, und nicht die Ursache.
Das bedeutete die Notwendigkeit, via Importe "Hightech" zu importieren, gegen Devisen.

Gleiches Thema, es war eher die Folge der Honecker-Politik. Zudem konnte die DDR nicht einfach Hightech importieren, wie die Cocom-Liste zeigt.
Und erzeugte in der UdSSR sehr massive Befürchtungen hinsichtlich der politischen Abhängigkeit der DDR vom Westen, speziell der BRD. Kossygin wies Mittag in diesem Kontext darauf hin, dass die DDR ihren Kreditrahmen von 6 Mrd nicht überziehen sollte, da dieses bereits eine Verschuldung sei, die ca. 3,6 Mal höher wäre wie das Exportvolumen

Das stimmt natürlich, es ist aber schlicht falsch, dies in den Zusammenhang mit einer angeblich forcierten Hightech-Import-Politik der DDR-Administration zu stellen. Schau Dir doch bitte mal die Beiträge ab #34 an, bei Gelegenheit...

Lange (Vor-)Geschichte, wie so oft recht gut im SPIEGEL dokumentiert. Beispielsweise im SPIEGEL-Artikel Glatte Erpressung in der Ausgabe 34/1977, der Vorspann zum Artikel lautet: Bei der Erschließung immer neuer Devisenquellen ist Ost-Berlin erfinderisch. Trotzdem wächst die West-Verschuldung -- und damit die Kritik Moskaus.

Im Artikel wird u.a. geschrieben:

Schon seit langem verfolgen die Sowjets argwöhnisch, mit welchen Praktiken die DDR versucht, ihren Platz an der Spitze des sozialistischen Wirtschaftsblocks zu halten. Allein bei westdeutschen Geschäftspartnern stehen die ostdeutschen Außenhändler inzwischen mit 2,6 Milliarden Devisen-Mark in der Kreide, die gesamten West-Schulden belaufen sich gar auf 13,3 Milliarden Mark (West).
Und weiter:

Die Devisen-Not aber zwingt die DDR-Wirtschaftslenker unter dem SED-Chefökonomen Günter Mittag nachgerade zur Konsum-Propaganda. So baute die DDR im letzten Halbjahr die Intershops kräftig aus, in denen Ost-Bürger gegen harte D-Mark aus den Privatschatullen westdeutscher Freunde und Verwandter jene Güter kaufen können, die sie in den Läden mit heimischer Währung vergeblich suchen.
 
Was ich nicht verstehe, vielleicht hab ich was überlesen: was war denn das geile Zeug wegen dem die RGW-Staaten und die DDR in eine finanzielle Abhängigkeit von den kapitalistischen Staaten gerieten?

Sieht man sich die Zahlungsbilanzstatistik der DDR an, wie sie von der Deutschen Bundesbank 1999 veröffentlicht wurde, sind die Einfuhren aus dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) sogar langsamer gewachsen als die aus dem sozialistischen (SW): aus dem NSW von 10,4 Mrd. Valutamark (VM) 1975 auf 19,5 VM im Jahr 1985, aus dem SW von 13 Mrd. auf 29 Mrd. Ein Handelsbilanzdefizit gegenüber dem NSW hatte die DDR nur bis 1980, und dann erst wieder in der Endphase ab 1987. (Die Bundesbank hat dabei die Zahlungsbilanz mit dem SW in Valutamark umgerechnet, um eine einheitliche Zahlungsbilanz der DDR erstellen zu können.)
Damit möchte ich nicht in Abrede stellen, dass die Verschuldung im NSW ein zentrales und zuletzt unlösbares Problem war, aber die Zahlungsbilanzdaten zeigen keine ungewöhnliche Entwicklung der Handelsströme.

Übrigens ist es ja überhaupt nicht selbstverständlich, dass es der DDR-Wirtschaft nicht gelang, in ausreichendem Maß wettbewerbsfähige Industriegüter für das NSW zu produzieren. China hat das ja mit extremem Erfolg seit Ende der 70er Jahre vorgemacht - freilich im Zuge eines radikalen Umbaus des Wirtschaftssystems.
 
Übrigens ist es ja überhaupt nicht selbstverständlich, dass es der DDR-Wirtschaft nicht gelang, in ausreichendem Maß wettbewerbsfähige Industriegüter für das NSW zu produzieren.

Die Exportsituation der DDR war zunehmend seit den siebziger Jahren durch eine Überforderung gekennzeichnet.

1. Zum einen war sie eingebunden in die Lieferverpflichtungen in die UdSSR, um den steigenden Kosten für Rohstoffe gerecht zu werden und zum anderen war sie gezwungen, in den kapitalistischen Westen zu exportieren, primär um hochwertige Güter zu beschaffen.

2. In dieser Phase erkennt man an der Exportstruktur die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit - primär - des DDR-Maschinenbau. Das bedeutete für die Exportstruktur in den RGW eine Ausfuhr von Konsum- bzw. Investitionsgütern. Demgegenüber veränderte sich die Struktur der Exporte in den Westen, die Kopstein als "Lateinamerikanisierung" bezeichnet.

Exporte DDR in den Westen in %
..................................................1975................1980.................1988
Raw materials...........................31,2 .................38.......................40,3
Machine tools & electronics....30,5..................34,4...................27,8
Light industry & food................38,2................27,7....................31,9

"Exports increasingly consited of an array of low value-added products, including raw materials, food, textiles, and semifinished goods. Those goods that were exported were often done so at prices far below their costs of production in order to keep the supplies of hard currency at acceptable levels." (ebd. S. 99)

Dieses ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Wirtschaftspolitik unter Honecker seit 1971 sich dramtisch von der von Ulbricht unterscheiden wollte. Das ursprüngliche Neue Ökonomische System beließ eine Reihe von dezentralen Investitions- und Bevorratungsentscheidungen bei dem VEB`s. Zudem war man offen für kybernetische ökonomische Steuerung und Operations Research Konzepte. Ulbricht`s System beruhte beim Import darauf, Investitionsgüter zu beschaffen, die sich durch die mit ihnen erzeugten Produkte refinanzieren würden.

Dieses System kippte Honecker und Importe wurde zunehmend im Bereich der Konsumgüter getätigt. Die Begründung war eine politische, da sich die Systemrivalität im Lebensstandard ausdrückte und der sollte durch die Importe "künstlich" und symbolisch gehoben werden. Allerdings ohne die Modernierung bzw. Produktivität der industriellen Anlagen im Auge zu behalten.

Mit dem Ergebnis, das immer größere Menge an DDR-Erzeugnisse in den Export gingen und so zu einer komparativen Verschlechterung des Lebensstandards der Bevölkerung in den achtziger Jahren in der DDR beitrugen.

Die Kredite aus dem Westen änderten nichts an dieser Situation. Außer, dass sie Kohl und Strauss (vgl. "Erinnerungen") die Möglichkeit geboten haben, via Annäherung an die DDR das politische Profil der CDU/CSU zu modernisieren und sich so jüngeren Wählerschaften zu öffnen.

So trafen sich der zunehmend sinnloser werdende ökonomische und politische Überlebenskampf der DDR / RGW und die Repositionierung der Union durch Kohl.

Kopstein, Jeffrey (2009): The Politics of Economic Decline in East Germany, 1945-1989. Chapel Hill: The University of North Carolina Press.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Bundesbank veröffentlichte im August 1999 eine Broschüre, Die Zahlungsbilanz der DDR 1975-1989, als PDF online kostenfrei abrufbar. S. 41 wird u.a. sinngemäß notiert,

hohe Handelsdefizite in den 1970er Jahre seien besonders durch steigenden Einfuhren von Konsumgütern + konsumnahen Produkte aufgrund der wirtschaftspolitischen Zielsetzungen entstanden.​

Die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen waren der 'Verbrauchersozialismus' von Honecker seit 1971.

Weiter S. 41 sinngemäß:
Als Reaktion der dadurch sowie durch die steigenden Rohstoffpreisen + Zinsbelastungen auftretenden Liquiditätsschwierigkeiten Anfang der 1980er wurde verstärkte Exportanstrengungen ins NSW unternommen.​

Hans-Hermann Hertle schreibt im Artikel 1980 - 1983: Bankrott mit Anlauf. Die DDR-Wirtschaft am Abgrund. Stasianalysen über den Zustand der DDR-Ökonomie Anfang der 80er Jahre, am 2.11.2016 online auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht, am Anfang seines Artikels u.a.

Die DDR als zehntstärkste Industrienation der Welt: so sah sich die SED-Führung noch am Ende der 1980er Jahre gerne selbst. Tatsächlich führte der Konsumsozialismus unter SED-Generalsekretär Erich Honecker die DDR jedoch bereits seit Ende der 1970er Jahre an den Rand des Bankrotts – und die SED-Führung wusste darüber bestens Bescheid. Die Erhöhung des Lebensstandards und die Verbesserung der Sozialleistungen zu Beginn der 1970er-Jahre beruhte nicht auf eigener Wirtschaftskraft, sondern auf einem Rückgang der Investitionsquote und zunehmender Verschuldung vor allem im Westen. [1]

Im Artikel von Hertle findet sich auch ein Link zu einem Bericht der DDR-Staatsicherheit vom 25. Januar 1982 zur Wirtschaftslage, ebenfalls frei online als PDF zugänglich.

S. 15, Punkt 1.5 wird u.a. sinngemäß festgestellt, zur Verwirklichung der Beschlüsse der Parteitage und des Programms der SED seien seit 1971 Volkswirtschaftspläne ausgearbeitet worden, die insgesamt nicht ausgeglichen (Wirtschaftsbilanz) gewesen seien und mehr Nationaleinkommen verbraucht hätten, als selbst erwirtschaftet worden war.
Gemeint ist damit natürlich Honecker 'Konsumsozialismus'.

S. 6 bemerkt der Stasi-Bericht zutreffend u.a.:

Aufgrund der objektiv eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der VR Polen und der SR Rumänien gegenüber dem NSW und in Kenntnis der ökonomische und finanziellen Lage in der DDR ist seit Mitte 1981 und seit November 1981 feststehend, das kapitalistische Banken die Ausreichung von Krediten an die DDR boykottieren bzw. verweigern.


Die Begründung war eine politische, da sich die Systemrivalität im Lebensstandard ausdrückte und der sollte durch die Importe "künstlich" und symbolisch gehoben werden. Allerdings ohne die Modernierung bzw. Produktivität der industriellen Anlagen im Auge zu behalten.

Es war eine (vermeintlich) systemerhaltende Entscheidung, die die Erwartung der Bevölkerung gerade auch im Vergleich mit der BRD besser bedienen sollte, und sie dadurch zu mehr eigener, freiwilliger Leistung/Produktivität/Innovation motivieren sollte. Das deficit spending (auf Kredit, auf 'Pump') ist ja geradezu eine Spezialität der späten 1960er und frühen 1970er Jahre. Auch im RGW, siehe Polen seit 1970 oder Rumänien.

Zum einen war sie eingebunden in die Lieferverpflichtungen in die UdSSR, um den steigenden Kosten für Rohstoffe gerecht zu werden und zum anderen war sie gezwungen, in den kapitalistischen Westen zu exportieren, primär um hochwertige Güter zu beschaffen.

Wie oft willst Du das noch behaupten, ohne die hier nun recht prominent vertretene, einschlägige (Fach-)Literatur, einschlägigen Quellen zu berücksichtigen?
 
Im 'Westen' stiegen zumindest bis zu Ölkrise 1973 auf breiter Front der Konsum, der Lebensstandard - die Löhne. Und die Produktivität. Also durchaus ein Zeitgeist-Phänomen.
 
Wie oft willst Du das noch behaupten, ohne die hier nun recht prominent vertretene, einschlägige (Fach-)Literatur, einschlägigen Quellen zu berücksichtigen?
Ich bekomme nicht recht mit, worin die Meinungsverschiedenheiten genau bestehen. Natürlich mussten Westdevisen erwirtschaftet werden, um hochwertige Westgüter zu beschaffen, was für Güter denn sonst?
Dass der von Honecker in den 70ern eingeschlagene sozialpolitische Kurs auch die außenwirtschaftlichen Probleme verschärfte, dürfte doch auch nicht kontrovers sein. Wichtiger scheint mir aber doch zu sein, dass die DDR-Wirtschaft nicht in die Lage versetzt wurde, den sozialpolitischen Zielen gerecht zu werden. Und da spielen wohl Fehlanreize eine Rolle, die vermutlich durch die Umsetzung des Programms der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik noch verschärft wurden.
 
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Ok, aufgrund der von Silesia zitierten Passage denke ich jetzt die Frage verstanden zu haben: Hat die DDR aus dem NSW hauptsächlich High-Tech-Produkte oder Rohstoffe bzw. einfache Vorprodukte importiert? An sich würde ich vermuten, dass sich das aus den Exportstatistiken der NSW-Länder rekonstruieren ließe (wenn sie damals so detailliert waren wie sie es heute sind), diese Statistiken würde ich für belastbar halten.
 
Volze ist eine gute Adresse..:) allerdings (meist) ohne innerdeutschen Handel.... Volze, A., 1999: Zur Devisenverschuldung der DDR – Entstehung, Bewältigung und Folgen, in: Kuhrt, E. (Hrsg.) in Verbindung mit Hannsjörg F. Buck und Günter Holzweißig im Auftrag des Bundesministeriums des Inneren: Die Endzeit der DDR – Wirtschaft. Analysen zur Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik. Opladen: Leske + Budrich, S. 151 – 188.

Wir sprechen hier von der DDR Außenhandels-Entwicklung ab 1971 im Rahmen der Honeckerschen Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Unter Einbeziehung des innerdeutschen Handels sind es besonders die Konsumgüter und konsumnahen Güter sowie Verbrauchsgüter für die Produktion von Nahrungsmitteln und Konsumgütern, die in steigendem Masse eingeführt werden, dem Import aus dem NSW wachsen lassen.

Und nicht etwa 'High-Tech'-Produkte (Definition??)/'hochwertige Güter' (Definition?), die dank Cocom-Liste ggf. sowieso nicht oder kaum direkt aus dem NSW eingeführt werden konnte.

Im Beitrag 53 hatte ich schon den MfS-Bericht vom 25. Januar 1982 zur Wirtschaftslage der DDR gepostet, mit eindeutigen Aussagen, siehe oben.
 
Man kann halt auf die Vermutung kommen, dass aus dem NSW wohl vor allem hochwertige Güter eingeführt wurden (zu Konsum- oder auch anderen Zwecken), weil man den Eindruck hat, dass die Finanzierung von Importen aus dem SW viel leichter fiel. Es muss ja Gründe gegeben haben, dass die Importe aus dem NSW nicht durch SW-Importe zu substituieren waren.
Ein anderer Grund wäre, dass das NSW und dessen Produktvielfalt (unabhängig von Qualiätsaspekten) viel größer war als das SW, dass es also SW-Alternativen zu NSW-Produkten häufig einfach nicht gab.
 
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