WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Oberster Befehlshaber in der Monarchie war Kaiser Franz-Joseph und den meinst du sicherlich nicht. Du meinst wohl den Chef des Generalstabes Conrad, der in der Tat sowohl gegen Serbien als auch Italien den Präventivkrieg mehrfach gefordert hatte. Im Nachhinein wird sich Conrad durch den Gang der Ereignisse bestätigt gefühlt haben.

Danke für die Richtigstellung.
Ja, ich meinte den Conrad über dessen Bewertung wir in gewohnter Harmonie uneinig sind.
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:D

Dann stellt sich für mich die Frage, weshalb man dann in der Julikrise ganz bewusst den Weltkrieg in Kauf genommen hat;

Die Haltung Russlands ist in der Tat schwer zu verstehen.
Die ist ja geradezu absurd.
Russland hat am wenigsten zu gewinnen und am meisten zu verlieren.
Es hat ein stabiles Wirtschaftswachstum und kann auf ein weiteres Erstarken hoffen.
Im Gegensatz zu anderen Mächten muss gerade für Russland ein späterer Zeitpunkt eines Krieges günstiger erscheinen, wenn man schon meint, dass man auf einen zusteuert.
Ich kapier es immer noch nicht.


Auch 1912 trat man gegenüber Wien schon sehr drohend auf,
Wenn ich es recht erinnere (finde grad die Quelle nicht, vielleicht kannst Du helfen)
dann erklärte Sazonov 1912, dass man eine weitere Demütigung wie 1908 nicht mehr hinnehmen würde, denn keine russische Regierung würde eine solche überleben.
Man würde in diesem Falle auch dann Krieg führen wenn man ihn voraussichtlich verlieren würde.
Gab es inkompatible Ehrbegriffe? Oder spielt da jemand den 'mad man'?

Oder wird in Russland die Außenpolitik durch den Beifall der öffentlichen Meinung bestimmt, wie Durnovo in seinem Memorandum vom Feb. 1914 beklagt?
Eine öffentliche Meinung die erst ab 1906 mit der Umkehr der Zensur (nicht mehr vorher, sondern nur ggf. nach Veröffentlichung) und der Schaffung der Duma entfesselt wurde.
Ein Vorgang der anfangs typischerweise politische Instabilität fördert?

Und da kann ich mir noch viele Geschichten ausdenken und noch viele lesen.
Ich komm nicht dahinter, wieso die russische Führung so gegen das Interesse des eigenen Landes handelte.
Auch weil das so widersinnig erscheint, haben Ö-U und DR falsch auf die Reaktion Russlands gewettet.
Das es eine gefährliche Wette ist, wussten sie.
 
Wenn ich es recht erinnere (finde grad die Quelle nicht, vielleicht kannst Du helfen)
dann erklärte Sazonov 1912, dass man eine weitere Demütigung wie 1908 nicht mehr hinnehmen würde, denn keine russische Regierung würde eine solche überleben.

Das Zitat kommt mir auch bekannt vor. Es müsste, so meine ich, Dezember 1912 getätigt worden sein. Ich werde mal die Aktenpublikation nachschauen, ob ich dort etwas finde.

Auch weil das so widersinnig erscheint, haben Ö-U und DR falsch auf die Reaktion Russlands gewettet.

Das haben sie.

Das es eine gefährliche Wette ist, wussten sie.

Ja.
 
Das sehe ich anders, denn die Briten hielten sich zurück, solange sie konnten, aber als das neutrale Belgien angegriffen wurde, mobilisierten auch sie.
Hierzu eine Randnotiz:
Wie alle "Player" im fraglichen Zeitraum bereiteten sich die Briten ebenfalls für allerlei Eventualitäten militärisch vor. Beispielsweise wurden die britischen Inseln und die Kanalküste vehement fortifiziert und permanent modernisiert.
...der russ.-jap. Krieg war ein willkommener Probelauf für die moderne britische Artillerie. In Sachen Flotte...

Festungen, Artillerie, Flotten, Kriegshäfen, alles stets modernisiert (sowieso Waffenindustrie und -forschung) bei allen (!!) Militärs - nach Friedenstaubenzucht en Gros sah das nirgendwo aus...
 
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Die Entscheidung für den Blankoscheck wurde doch auf einer falschen Grundlage getroffen. Das ist wichtig.

Wilhelm II. hatte schon Hoyos nahegelegt, das sehr schnell gegen Serbien gehandelt werden sollte. Es sollte ein Fait accompli geschaffen werden, damit die anderen Großmächte überrumpelt werden und die Aktion gegen Serbien lokalisiert bleibt. Das war der Gedanke.

Und nein, das hieß nicht, das ÖU mit Serbien machen könne was es wolle. Und die Annexionskrise lassen wir hier lieber beiseite, denn was du da ausführst ist nicht korrekt und ich möchte nicht jetzt ellenlang hier einen fundierten Widerspruch ausformulieren. Das geht nämlich nicht so auf die Schnelle. Du kannst ja dafür ein separates Thema aufmachen.

Du darfst die Dinge sehen wie du möchtest. Das ist dir unbenommen. Eine andere Sache ist es, ob die auch mit der historischen Wirklichkeit im Einklang zu bringen sind.

Ich habe dir doch weiter oben ein Beispiel dafür gebracht, das König Georg V. von Grey verlangte, er solle bitte einen Kriegsgrund finden. Hast du diese Ausführung von mir eigentlich zur Kenntnis genommen?
Und lies dann bitte das Memorandum von dem Senior Clerk des Foreign Office Crowe aus dem Jahre 1907 durch. Dann weißt du, welche Gründe dafür maßgeblich waren, weshalb London der Ansichgt war, es sich nicht leisten zu können, im Krieg beiseite zu stehen.
Des Weiteren wurde beizeiten auch die Frage nach einer Verpflichtung Großbritanniens für Belgien in den Krieg zu ziehen im Foreign Office erörtert und verneint.
 
Ja, das tue ich - weil man sonst bei einem so komplizierten Thema nicht zu Potte kommt.
Man muss auch verstehen nicht zu Potte zu kommen.
Verstehen was man nicht versteht als Basis allen Lernens.
Auch wenn dabei herauskommt: es bleibt ein ungelöstes Rätsel.

Und natürlich kann man vereinfachen, sollte dann aber mehrere Modelle der Vereinfachung betrachten.
 
@hatl

Am 04.Dezember 1912 thematisierte der Temps die angebliche Analogie mit Hinweis auf die deutsche Stellungnahme. Der k.u.k Botschafter Thurn wies darauf hin, das die Erinnerung an die diplomatische Niederlage von 1908/09 in Petersburg immer noch eine sehr unerfreuliche sei und das in der österreichisch-ungarischen Presse doch bitte dieses nicht betont werden solle, um es der russischen Regierung zu erleichtern, den Standpunkt Wiens Rechnung tragen zu können.

Einige Tage später am 16.12.1912 berichtet Thurn schon, das gewisse Presseäußerungen sowohl Sasonow als auch den Ministerpräsiden Kokowzow unangenehm berührt hätten.

Das Sasonow Zitat habe ich noch nicht gefunden.
 
Ja, das tue ich - weil man sonst bei einem so komplizierten Thema nicht zu Potte kommt.

Wenn du ein halbwegs zuverlässiges und fundiertes Urteil fällen möchtest, dann ist es nicht wichtig zu Potte zu kommen, sondern die Fakten, zumindest die meisten, nicht selektiv, zu kennen und richtig einzuordnen. Das dauert nun einmal seine Zeit.
 
Du konntest das schreiben, weil du verkürzt zitiert hast. Wenn schon, dann hättest du nicht nur den einen Satz zitieren sollen, sondern auch den Folgesatz – hier zu deinem besseren Verständnis schreibe ich beide Sätze nochmal hin:

Der Hauptschuldige war Österreich-Ungarn, weil es den Krieg begonnen hatte. Ö-U hat Serbien angegriffen, das aber nur gewagt, weil es vom DR einen Blankoscheck erhielt – auf sich allein gestellt, würde es niemals wagen, Serbien anzugreifen, weil hinter diesem Russland stand.

Und nun sage mir, was an dieser Aussage falsch sein sollte.

Ich meine mich an einen User erinnern zu können, der kürzlich in verschiedenen Diskussionssträngen in diesem Forum das Postulat herausgehauen hat, dass jeder, der die Fischer'sche These von der Hauptschuld Deutschlands am Kriegsausbruch nicht teilte eine Art politsisch unziemlicher Revisionist sei, der aus ideologischen Gründen irgendwelche Wahrheiten nicht anerkennen wollte.

Wenn nun der gleiche User auf die Idee käme, die Hauptschuld am 1. Weltkrieg auf einmal abweichend von Fischer nicht mehr bei Deutschland, sondern bei Österreich-Ungarn sehen zu wollen, zu was würde ihn dieses Postulat seinem eigenen Anspruch nach machen, frage ich mich?

Und auch würde mich, wenn er nun versuchte andere auf die Zustimmung zu einer Österreichisch-Ungarischen Hauptverantwortung festzunageln brennend interessieren: Hat er schon bei jedem den er vorher beschimpft hat, wenn der Deutschlands Hauptverantwortung gemäß Fischer, so als nicht plausibel betrachtet hat Abbitte geleistet?
 
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Ich habe dir doch weiter oben ein Beispiel dafür gebracht, das König Georg V. von Grey verlangte, er solle bitte einen Kriegsgrund finden. Hast du diese Ausführung von mir eigentlich zur Kenntnis genommen?
Ja, habe ich.
Und?
Bei uns sagte man (ich weiß jetzt nicht genau wer von den hohen Tieren), man müsse Russland dazu bringen, zuerst zu mobilisieren, anders wäre der deutschen Öffentlichkeit der Krieg nicht zu vermitteln gewesen. Und das war leicht, weil man wusste, dass Russland dazu lange brauchen würde. Und es hat lange gedauert: 3 Monate, bis die 95 Divisionen die Sollstärke erreicht haben.
 
Beispielsweise wurden die britischen Inseln und die Kanalküste vehement fortifiziert und permanent modernisiert.
Das sind alles Abwehrmaßnahmen - die Briten ließen ihre Soldaten nirgendwo aufmarschieren. Im Gegenteil, das britische Kabinett hat es am 1. August abgelehnt, die British Expeditionary Force auf dem Kontinent einzusetzen – Frankreich war deswegen nicht erfreut. Aber nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien war die Situation eine andere.

Und dass die britische Marine zuvor in Alarmbereitschaft versetzt wurde, ist normal – es nicht zu tun, wäre unnormal.

Wenn du ein halbwegs zuverlässiges und fundiertes Urteil fällen möchtest, dann ist es nicht wichtig zu Potte zu kommen, sondern die Fakten, zumindest die meisten, nicht selektiv, zu kennen und richtig einzuordnen. Das dauert nun einmal seine Zeit.
Ich tue alles, was ich kann. Aber ich bin kein Historiker, sondern ein Laie auf diesem Gebiet. Dass ich über den Kriegsrat vom 8. Dezember 1912 in diesem Faden berichtete, war dem Umstand geschuldet, dass ich zuvor davon nichts wusste und in diesem Forum auch nichts Entsprechendes fand – habe extra die Suchfunktion benutzt. Das schien mir seltsam, schließlich gibt es hier mehrere tausend Beiträge zum Thema I. Weltkrieg.
 
Das sind alles Abwehrmaßnahmen
Natürlich kann man jede militär. Aufrüstung als Defensiv-, Sicherheitsmaßnahme oder Prävention deklarieren, denn diesen Aspekt enthält sie wohl auch: nur wer bewaffnet ist, kann sich gegen bewaffnete Angriffe verteidigen. Aber die Medaille hat zwei Seiten:
Festungen, Artillerie, Flotten, Kriegshäfen, alles stets modernisiert (sowieso Waffenindustrie und -forschung) bei allen (!!) Militärs - nach Friedenstaubenzucht en Gros sah das nirgendwo aus...
(bei allen Militärs bedeutet: überall. D, R, F, Ö-U, GB...)

(Den Testlauf brit. Artillerie 1904 bei Port Artur als Abwehrmaßnahme zu erklären, dürfte nicht einfach sein)

Sage ich mit diesem Beitrag und zuvor: "alle agierten zielstrebig Richtung Krieg"? Nein! Aber die Atmosphäre Anfang 20.Jh. war überschattet von Kriegsgefahr bis hin zur Idee, diese Gefahr könne unausweichlich sein (wenn nicht gar notwendig, so in den Überlegungen einiger Militärs) und wie so oft: unvorbereitet wollte niemand sein.

Einzig offen war: wer fängt an?
 
Dass ich über den Kriegsrat vom 8. Dezember 1912 in diesem Faden berichtete, war dem Umstand geschuldet, dass ich zuvor davon nichts wusste und in diesem Forum auch nichts Entsprechendes fand – habe extra die Suchfunktion benutzt. Das schien mir seltsam, schließlich gibt es hier mehrere tausend Beiträge zum Thema I. Weltkrieg.
Noch etwas Zum Kriegsrat vom 08.12.1912.
Aus der Nichtteilnahme Bethmanns darf aber nicht geschlossen werden, das dieser uninformiert geblieben wäre. Noch am 08.Dezember wurde Bethmann persönlich durch Admiral Müller informiert.

Auch die Denkschrift Goltz-Paschas "Betrachtungen über die politische Lage Europas nach dem Zusammenbruch der türkischen Herschaft", vom 17.November 1912 gelangte zur Kenntnisnahme Bethmanns. (1) Bethmann hat sich dann auch persönlich mit von der Goltz just eben an dem berühmt berüchtigten 08.Dezember eingehend über dessen Denkschrift unterhalten. (2)



(1) Schulte, Vor dem Kriegsausbruch 1914

(2) Krethlow, Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz Pascha

Wenn man die Sichtweise nicht nur auf die Spätphase der Krise bezieht, sollte die politische Risikostrategie des Außenamtes und des Reichskanzlers einbezogen werden, um das "Uhrwerk" überhaupt in Gang zu setzen. Dieses war in zweierlei Hinsicht "unprofessionell" (was man mit "schlafwandlerisch" übersetzen mag):

1. zum einen war es Bethmann-Hollweg selbst, der anläßlich der Rüstungsspirale und der Heeresvermehrung nach dem Kriegsrat 1912 davor warnte, dass (zudem noch im Kontext der "short-war-illusion" und des "cult of offensive") die politischen Reaktionsmöglichkeiten in dieser Spirale verkürzt würden und das Kriegsrisiko steigen würde. Glaser, Rational Theory of International Politics - The Logic of Competition and Cooperation, Kapitel: Applying the Theory to Arms Races; Testing It with Counterfactuals, S. 246).

2. Zum anderen lag der "Risikostrategie" keine belastbare Lageanalyse zugrunde, da deutscherseits drei Prämissen aufeinandertürmt wurden, deren Wahrscheinlichkeit keiner Bewertung unterzogen wurde (Rußland würde bei Serbien abseits stehen - wenn es nicht abseits steht, würde Frankreich keinen Beistand leisten - Großbritannien würde nicht in den Krieg eintreten) und deren Wahrscheinlichkeiten sogar konträr (GB!) zu den militärischen Planungen standen: Selbstmord aus Angst vor dem Tod - Committing Sucide for Fear of Death. Zum Beispiel bzw. grundlegend Jarausch: The Illusion of Limited War: Chancellor Bethmann Hollweg’s Calculated Risk, July 1914, auf den sich spätere Publikationen (zB Herwig) bezogen haben.

Dem Schlußsatz zu dieser außenpolitisch vorsätzlich betriebenen Risikospirale im Zitat von thanepower kann man daher nur zustimmen. Die letzten Tage der Krise wurden, unter Hinweis auf Thanepowers Schwächeanalyse der Politik, von den Mobilmachungsplänen dominiert: Trachtenberg, The Meaning of Mobilization in 1914, International Security 1991 bzw. derselbe, History and Strategy.
...vermutlich streikte bei dir @Dion die Suchfunktion? Wie dem auch sei: den Lorbeer, den Kriegsrat vom 8.12.1912 in die Diskussion gebracht zu haben, solltest du dir nicht attestieren ;) (und ich habe bei weitem nicht alle Beiträge dieses Fadens, die ihn ansprechen, zitiert)
 
Ja, habe ich.
Und?

Ist diese Äußerung dein Ernst dieses "und"?????????????

Das ist es was ich meine. Selektive Informationsaufnahme. Die, die nicht in dein eigenes Bild passen werden mit "und" abqualifiziert bzw. nicht wahrgenommen, statt einmal darüber nachzudenken, da diese Information ein ernster Hinweis ist, das deine These von Großbritannien wohl nicht korrekt ist. Wenn du als Diskussionspartner ernst genommen werden möchtest, wovon ich einmal ausgehe, dann verbieten sich Äußerungen wie "und".

Bei uns sagte man (ich weiß jetzt nicht genau wer von den hohen Tieren), man müsse Russland dazu bringen, zuerst zu mobilisieren, anders wäre der deutschen Öffentlichkeit der Krieg nicht zu vermitteln gewesen. Und das war leicht, weil man wusste, dass Russland dazu lange brauchen würde. Und es hat lange gedauert: 3 Monate, bis die 95 Divisionen die Sollstärke erreicht haben.

Die Erste und Zweite Armee des Zarenreichs überschritten sehr schnell die Grenze zu Ostpreußen; nämlich am 17.08.1914.
An der russischen Front der Monarchie kam es ab 23.August 1914 zu Kämpfen, ja zu Schlachten. Erwähnt seien hier Krasnik, 23.08. bis 25.08., Beginn der Schlacht bei Komarow 26.08., Beginn der Schlacht bei Lublin ebenfalls 26.08., Kämpfe bei Zamcc und Tomazow am 27.08. und 28.08.
Also soo langsam, auch wenn noch nicht alles Divisionen verfügbar waren, war man durchaus aktionsfähig, war die russische Mobilmachung nicht. Die hatte sich in den Vorkriegsjahren nicht unterheblich beschleunigt; u.a. auch aufgrund des Ausbau auf zwei- bzw. viergleisige Eisenbahnlinien. Richtig ist vielmehr, das Moltke seinen Kollegen Conrad über den beschleunigten russischen Aufmarsch am Vorabend des Krieges informierte.

Und dass die britische Marine zuvor in Alarmbereitschaft versetzt wurde, ist normal – es nicht zu tun, wäre unnormal.

Dies geschah ohne Genehmigung des britischen Kabinetts. Diese Maßnahme, die britische Flotte in Bereitschaft zu versetzen, hatte Churchill im Alleingang beschlossen und durchgeführt. Später wurde die Anordnung Churchills dann durch das Kabinett nachträglich legitimiert. Aber Churchill hatte Fakten geschaffen. Und er war ja nicht der einzige, der dies tat.
Es war in der Phase der Julikrise, in der so eine Maßnahme eher ungünstig war. Aber sie zeigte die Entschlossenheit der Engländer, Frankreich nicht im Stich zu lassen.
 
Bei uns sagte man (ich weiß jetzt nicht genau wer von den hohen Tieren), man müsse Russland dazu bringen, zuerst zu mobilisieren, anders wäre der deutschen Öffentlichkeit der Krieg nicht zu vermitteln gewesen.

Interessant das du darüber informiert bist. Bethmann Hollweg war das "hohe Tier". Nur, das weißt du vermutlich wieder nicht, es belastet ja nicht Berlin oder Wien, solche oder sehr ähnliche Aussagen findest du eben nicht nur auf deutscher Seite. Nein, auch Sasonow oder Suchumlinow haben sich genauso geäußert. Auch Poincare war es wichtig, das Odium der Schuld, des Angriffs auf Deutschland abgewälzt zu wissen. Also Bethmann befand sich da in bester Gesellschaft.

Wörtlich sagte Sasnow am 24.Juli gegenüber Paléologue , „Wir müssen das Wiener Kabinett sich ganz ins Unrecht setzen lassen“, und wies so die Marschroute der kommenden Tage.
Kannst du in der umfänglichen, aber immer noch nicht vollständigen Dokumentensammlung von Immanuel Geiss, Julikrise und Kriegsausbruch, Band 1 nachlesen.
 
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Bei uns sagte man (ich weiß jetzt nicht genau wer von den hohen Tieren), man müsse Russland dazu bringen, zuerst zu mobilisieren, anders wäre der deutschen Öffentlichkeit der Krieg nicht zu vermitteln gewesen.

Wie genau unterscheidet sich das von der für GB geltenden Prämisse einen Kriegerklärung an Deutschland erst für vermittelbar zu halten, wenn dieses in Belgien einmarschieren würde?

Letztendlich überhaupt nicht. Sowohl in Berlin, als auch an London erwog man unter welchen Prämissen man die Position der eigenen Verbündeten bis zur Schwelle des Krieges stützen und ihnen nötigenfalls militärisch Beistand leisten könnte um ihre Interessen durchzuboxen.
Dabei besaß aber keiner der beiden Akteure die Gewissheit die Möglichkeit zu haben eine solche Situation tatssächlich zu erzwingen.

Russland basaß das mit Abstand größte Landheer Europas mit der mit Abstand größten Friedenspräsentsstärke aller europäischen Heere.
Russland musste um seine Grenze in Galizien zu decken, Österreich einzuschüchtern oder Serbien Beistand zu leisten überhaupt nicht mobilisieren, so lange Wien und Berlin keine Generalmobilmachung betrieben, der Aufmarsch des größten Teils des Friedensheeres an der galzischen Grenze wäre vollkommen hinreichend gewesen.
Wenn es in Berlin als Bedrohung betrachtet wurde, wenn Russland mobilisierte, zumal möglicherweise auch noch an der deutschen Grenze, obwohl Deutschland sich ruhig verhielt, war das grundsätzlich erstmal legitim.

Umgekehrt war es legitim, wenn London sich und seine Interessen bedroht sah, sollte Deutschland in Belgien einfallen.
Genau so, wie aber Berlin nicht davon ausgehen konnte eine russische Mobilmachung tatsächlich zu erzwingen, konnte London nicht davon ausgehen einen deutschen Überfall auf Belgien zu erzwingen.
Man kannte in London zwar die Intentionen des Schlieffenplans, wusste aber nicht, ob von deutscher Seite noch alternative Planungen vorhanden waren (was bis 1913 mit dem Aufmarsch-Ost durchaus der Fall war) und wie Deutschland, wenn es zum Krieg käme tatsächlich aggieren würde, ob es sich für den Westen entschied und damit tatsächlich in Belgien einfallen würde oder aber ob es nach einem Ostplan aggieren würde, von dem die Briten nicht wussten ob so etwas (noch) existierte oder nicht, im Westen defensiv bleiben würde und Belgien dabei unberührt bliebe.

Beide konnten sich zwar in einer Weise verhalten die diese Kriegsszenarien wahrscheinlicher machten:

Deutschland dadurch, sich zu weigern auf Wien einzuwirken und eine Großmächtekonferenz zu blockieren, was Petersburg zu weiteren Eskalationsschrittenn reizen musste.
Großbritannien dadurch sich zu weigern für den Fall rein defensiven Verhaltens Deutschlands in Westeuropa, sollte es zu Krieg kommen, seine Neutralität zu garantieren und damit einen eventuell vorhandenen deutschen Ostplan zu entwerten und die Präferenz für ein West-Szenario zu erhöhen.

Und beide taten das auch.

Dennoch lag die Entscheidung Russlands zu mobilisieren und Deutschlands nicht auf dem letzten Meter noch einzulenken und sich in einen Konferenz einzulassen, auch wenn das in einer diplomatischen Schlappe enden konnte, einzig in St. Ptersburg (russische Mobilmachung) und Berlin (deutsches Losschlagen).


Frankreich war deswegen nicht erfreut. Aber nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien war die Situation eine andere.
Der französischen Seite war schon Jahre vorher in gemeinsamen militärischen Besprechungen mit dem britischen Entente-Partner zugesichert worden, dass GB im Fall einer Invasion Belgiens Truppen auf den Kontinent schicken würde, die dann mit den Franzosen gegen Deutschland kooperieren könnten.

Auf britischer Seite wurde sogar erörtert, ob man Kriegshandlungen gegen die Niederlande unterehmen sollte, wenn die sich weigern sollten die britischen Kräfte die Schelde-Mündung (die ist beidseitig niederländisches Gebiet) in Richtung Antwepen passieren zu lassen und wie nötigenfalls die niederländische Festung Vlissingen in Zeeland, von der aus sich die Zufahrt zur Schelde sperren lies ausschlten könnte, auch wenn die Niederlande gar nicht den Krieg erklärten, sondern nur auf der unverletzlichkeit ihres Gebiets bestehen und lediglich keiner der Kriegsparteien Zugang zu ihren Gebiet gestatten würden.
Damit erwog man in London mit der Verletzung der Neutralität eines dritten Staates genau das, was man auch in Berlin mit Belgien erwog, sollte es sich als strategisch notwendig erweisen.

Im Forum gibt es einen entsprechenden Faden, in dem die Möglichkeit erörtert wird, dass GB neutral geblieben wäre, ich rege an, ihn aufmerksam zu lesen.

Ich tue alles, was ich kann. Aber ich bin kein Historiker, sondern ein Laie auf diesem Gebiet.
Man muss auch kein Historiker sein um wenigstens die Diskussionen aufmerksam zu verfolgen, sich alle Akteure annzusehen und alle Akteure mit den selben Maßstäben zu messen.
 
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Dennoch lag die Entscheidung Russlands zu mobilisieren und Deutschlands nicht auf dem letzten Meter noch einzulenken und sich in einen Konferenz einzulassen, auch wenn das in einer diplomatischen Schlappe enden konnte, einzig in St. Ptersburg (russische Mobilmachung) und Berlin (deutsches Losschlagen).

Es gab ja mehrere Konferenzvorschläge, aber weshalb wird eigentlich immer nur die deutsche Ablehnung bemüht. Der erste Konferenzvorschlag, ich habe es im Forum schon einige Male erwähnt gehabt, wurde von Deutschland angenommen und Paul Cambon hat diesen sofort abgelehnt.
 
Das sind alles Abwehrmaßnahmen - die Briten ließen ihre Soldaten nirgendwo aufmarschieren. Im Gegenteil, das britische Kabinett hat es am 1. August abgelehnt, die British Expeditionary Force auf dem Kontinent einzusetzen – Frankreich war deswegen nicht erfreut. Aber nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien war die Situation eine andere.

Kurz Nachfrage: Wer bedrohte Großbritannien denn eigentlich?

Das der Beschluss vom 01.August nur eine sehr kurze Gültigkeit hatte, hast du vergessen zu erwähnen.
 
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