Hui, so viel?! Ich versuch mal nachzukommen.
Allgemein: hier versteifen wir uns schon arg sehr auf die Rüstungsfrage, dabei ist die Schildfrage die viel wesentlichere. Für Leute die das nicht praktisch betreiben ist es vielleicht ganz interessant zu wissen, dass der Schild auch eine primäre Offensivwaffe war, gerade im Frühmittelalter. Er wurde schlagend und stoßend abwechselnd mit der Angriffswaffe eingesetzt. Ein Stoß mit einem Schild mit 6 kg oder mehr hat eine immense Wucht und kann erhebliche Verletzungen verursachen, oder den Weg für einen Hieb oder Stich mit der Angriffswaffe öffnen und umgekehrt, kann auch diese einen Weg für einen Schildstoß bahnen.
huski:
Itzo laß mich lachen. Bist du schon bei der indirekten Rede angelangt?
Ein Speer eignet sich deshalb besser für einen Stich, weil er dabei mit beiden Händen geführt werden kann (je nach Griffmontage auch mit getragenem Schild).
Sprichst du nun von einem Speer, oder von eine Lanze? Darüber hinaus hatten die Schilde der Skandinavier im Frühmittelalter gerade eben keinen Griff, der eine zweihändige Benutzung eines Speeres oder einer Lanze erlauben würde. Eine zweihändige Benutzung von Speeren war außerhalb eines Schildwalles aus der zweiten Reihe heraus gänzlich unüblich. Und selbst da konnte kein Schild zugleich mit einem Speer zweihändig genutzt werden, weil der Griff der Schilde damals dies nicht ermöglchte.
Er bietet zudem den Vorteil, dass er eine gewisse Distanz aufbietet
Ab welcher Länge? Und noch mal: von was sprechen wir jetzt hier? Von einer Lanze oder einem Speer? Selbst bei einer Länge von 2 m, muss eine solche Waffe relativ mittig gegriffen werden, wenn man sie den damaligen Schilden zugleich einsetzen will. Dadurch verkürzt sich die Reichweite auf ungefähr 1 m, eine Reichweite die man mit einem damaligen Schwert auch hat. Anbei: die meisten Speere waren damals deutlich kürzer.
jemand der so oder so ähnlich mit Schwertern trainiert hätte keine Ahnung, da dies ja nicht der Realsituation eines Kampfes entspräche
Setzt ihr Stiche beim Kampf ein? Sehr wahrscheinlich nicht. Und warum setzt man in Deutschland bei fast allen Vollkontakt Gruppen keine Stiche ein? Weil das Verletzungsrisiko zu hoch ist. Das Verletzungsrisiko ist höher als bei Hieben. Item sind Stiche auch einem realen Kampf eine sinnvolle Sache, den da ist es das primäre Ziel, den anderen zu verletzen.
Augenscheinlich, bei dem was Guiskard hier so schreibt, macht er selbst einen auf Hobbyritter, pöbelt aber dann andere an, wenn diese langjährige Erfahrung verbuchen
Waren wir bisher nicht eher Marktdengler?! Sind wir in euren Augen schon zu Hobbyrittern aufgestiegen?! Zu viel der Ehre !
Ich bin Vollkontaktkämpfer und mache das auch schon seit ein paar Jahren. Im übrigen auch in schon in Polen und Russland, da die Gesetze hier in Deutschland so ein starker Hemmschuh sind und alle sich in die Hose machen sobald es härter wird.
er könne oder habe sogar schon Kettenhemden durchstochen, dann gehe ich doch mal stark davon aus, dass diese nicht von sich bewegenden Gegnern getragen wurden,
So ist es. Sonst hätte ich den anderen ja getötet, was überall höchst illegal wäre. Nun aber mal zum wesentlichen:
Es ist sehr schwer, einen mit einer Brünne und Gambeson geschützten Kämpfer durch diese Rüstung hindurch zu verletzen. Schnitte fallen völlig aus. Hiebe sind weitgehend wirkungslos, und verursachen auch keine stumpfen Verletzungen durch die Rüstung hindurch. Und bei einem guten Kettenhemd kommen auch Stiche meistens nicht durch. Stiche verursachen aber wahrscheinlicher als Hiebe stumpfe Verletzungen. Und sie haben im Gegensatz zu Hieben immerhin eine gewisse Chance, dass Kettenhemd zu durchstoßen.
Abgesehen davon, trugen damals die meisten eben keine Kettenhemden, sondern Vorläufer des Gambeson. Eine solche Stepprüstung schützt ebenfalls recht gut vor Hieben, aber gar nicht vor Stichen.
Fassen wir noch mal zusammen: Die Gegenseite, geführt von dir sagte hier in diesem Strang aus:
Schwerter waren im Frühmittelalter reine Hiebwaffen. Einer sagte sogar: Mit Schwertern wurde in Skandinavien NIE gestochen.
Jetzt mal ernsthaft: Eine Brünne kostete damals im Frankenreich ungefähr mindestens 30 Kühe, in Skandinavien sogar deutlich mehr (Quelle: Gesetze der Ripuarischen Franken, in denen die Kosten von Waffen und Rüstung aufgeführt sind). Ein Schwert kostete nur 3 bis 4 Kühe, je nach Qualität.
Für Skandinavien kann man nun von höheren Preisen und von ungefähr 40 Kühen aufwärts für eine Brünne und von ungefähr 5 Kühen für ein Schwert ausgehen. Angesichts der Größe der damaligen Bauernhöfe, der Stellplätze für Kühe und bei der Annahme einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Herden heißt dass, dass sehr viel mehr Kämpfer damals ein Schwert hatten als man gemeinhin annimmt, und dass fast niemand sich eine Brünne leisten konnte.
Die Mehrheit aller Kämpfer hatte also damals kein Kettenhemd.
Du hast geschrieben:
Die unterschiedlichen Formen sind ja gerade der Beleg dafür, dass auch unterschiedliche Anforderungen zu unterschiedlichen Zeiten an die Schwerter gestellt wurden.
Die Anforderung war also primär der Kampf gegen Gegner, die KEIN Kettenhemd trugen.
Ein Gambeson nun schützt erstaunlich gut vor Hieben, da er federt. Er schützt aber rein gar nicht vor Stichen. Gegen die meisten Gegner damals waren also Stiche sehr viel Sinnvoller als Hiebe.
Zum tausendsten Mal; ich habe nie gesagt, dass damals nicht auch gestochen wurde, aber mit Sicherheit nicht als primärer Technik.
Zum dritten Mal: ich habe nie behauptet, dass Stiche die primäre Technik waren. Genau genommen habe ich behauptet, dass wir heute gar nicht wissen, was die primäre Technik war. Und dass man Stiche als Technik vom Anteil her heute unterschätzt. Die damaligen Schwerter waren sowohl auf Hieb wie auch auf Stich hin ausgerichtet.
Das wird dadurch unterstrichen, dass die Konstruktion der Schwerter darauf nicht ausgerichtet war (wer das leugnet, sollte noch mal die ein oder andere Physikstunde besuchen)
Das ist falsch. Die Konstruktion der Schwerter damals war sowohl auf Hiebe, wie auch auf Stiche hin ausgerichtet.
Verabschiedet euch mal von der "ein Schlag-ein- toter- Gegner- Theorie".
Solche Gefechte waren deshalb so zermürbend, grausam und zeitintensiv, weil man sich mit einer Vielzahl von Schlägen langsam zermürbte und im wahrsten Sinne des Wortes zerhackte.
Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Selbst wenn man ins Fleisch eindringt, selbst wenn die Verletzung dann tödlich ist, kann der Gegner auf Adrenalin noch eine Minute oder mehrere Minuten weiter kämpfen. Noch ganz zu schweigen davon, wenn die verursachte Verletzung nicht tödlich ist.
Noch einmal; dass dabei auch gestochen wurde ist vorstellbar, aber eben nicht so effektiv wie Guiskard es meint
Stiche verursachen genau so stumpfe Verletzungen wie Hiebe. Weil die Kraft hier auf eine kleinere Fläche, die Spitze hin konzentriert wird. Die meisten damals trugen keine Kettenhemden, sondern Stepprüstungen. Durch Stepprüstungen kommen Stiche immer durch, während Hiebe oft abgewehrt werden. Deshalb waren Stiche sehr wohl effektiv.
Wir sollten die ganze Beschreibung aber dringend noch um die Schildfrage erweitern.
Dekumatland:
auf das Jägerlatein heutiger Schwertsportler kann ich verzichten …."ich hab mehr Kettehemden zerstochen als du"
Das ändert nichts daran, dass man die Frage, ob Kettenhemden mit einem Stich durchdrungen werden können ganz einfach durch praktische Experimente lösen kann. Und da wird jeder der es ausprobiert feststellen: das Hiebe fast völlig wirkungslos sind, und Stiche hin und wieder durchdringen.
beim Kampf von Gruppen auf der Walstatt, wo alle mehr oder weniger vollständig gerüstet und gewappnet sind (Schilde, Lanzen, Schwerter, Äxte, gepolsterte Schutzkleidung,
Gepolstere Schutzkleidung bietet eben keinerlei Schutz gegen Stiche, aber erstaunlich viel Schutz gegen Hiebe.Jeder Stich geht durch gepolstere Schutzkleidung durch. Viele Hiebe werden von ihr abgewehrt.
Und mit Stichen komme ich, wenn sie Bogenförmig geführt werden eventuell am Schild vorbei, mit Hieben demgegenüber viel schwerer.
El Quijote:
Was können wir dieser Quelle entnehmen? [...] Nur knapp die Hälfte der Kämpfer trug Kettenhemden. Oder muss man statt "nur" vielleicht "immerhin" sagen?
Laut dem Gesetz der ripuarischen Franken kostete eine Brünne 12 Solidi. Das war im Frankenreich ein Wert von mindestens 30 guten Kühen. In Skandinavien kann man von mindestens 40 Kühen ausgehen.
Wenn ich mir nun vor Augen halte, wieviele Kühe in einer Herde damals ich brauche, um 40 Stück davon übrig zu haben und die Herde trotzdem nicht dadurch zu zerstören, also nachhaltig zu bewirtschaften, dann muß die Herde ganz schön groß sein. Viel größer als die meisten Herden die selbst niedrige Adelige damals hatten.
Dazu passt gut, dass man in Skandinavien bisher aus dem Frühmittelalter so gut wie keine Reste von Kettenhemden gefunden hat. Vom archäologischen Bestand her trug damals so gut wie keiner eine Brünne. Selbst wenn die Funde nicht repräsentativ sind, und 10 mal mehr Kämpfer ein Kettenhemd trugen, trugen immer noch nur sehr wenige eines.
Huski:
Nehmen wir mal Holz, am besten einen Baumstamm.
Jetzt bräuchtest du einen spitzen Gegenstand um ihn, einhändig, so tief es geht hinein zu treiben. Ja, auch das schwierige Herausziehen, falls es überhaupt dazu kommt, gehört noch zur gesamten Bewegung dazu.
Jetzt, Voraussetzung ist dass du etwas hast was schneidet bei gleicher Länge wie zum vorigen Gegenstand, also am besten ein Schwert :yes:, schlag auf den Stamm ein, am besten von schräg oben nach schräg unten. Ich wette die "Wunde" ist deutlich tiefer was wiederum rückschließen lässt, dass der Impuls auch höher war.
Hast du mir nicht gerade eben vorgeworfen, nur gegen Bäume zu üben?!
Also wenn ich in den Baumstamm (der eine ganz andere Zusammensetzung und einen ganz anderen Widerstand hat als ein menschlicher Körper) mit Wucht hinein steche, dann geht der Stich immer tiefer hinein als wenn ich schneide.
Anbei: Schnitte sind gegen ein Kettenhemd völlig wirkungslos.
Die „Wunde“ ist bei einem Schnitt mit einem scharfen Schwert gegen einen Baumstamm eben nicht tiefer als wenn ich in diesen hinein steche, im Gegenteil. Noch darüber hinaus kann ein Schnitt ein Kettenhemd nicht durchdringen.
Sascha:
Gerade wuchtige Stiche brauchen mehr Zeit, weil sie weitausholend aufgebaut werden müssen. Man muß sich eben von der Vorstellung verabschieden, dass Stiche immer fechterartig nur aus dem Arm heraus geführt werden.
Stelle dich in einen engen Flur und verusch mit einer Stange um einen Meter lang oder einem Lineal um die 30 cm zu hantieren.
Das geht durchaus. Indem man sticht.
Ganz so vielleicht nicht, die Wikingerschwerter halte ich aber eher für Hieb als für Stichwaffen, beides ist aber möglich.
Ich halte sie für beides, für Stich- wie Hiebwaffen. Dazu möchte ich noch zu bedenken geben, dass die Spatha in der römischen Zeit ebenfalls stechend eingesetzt wurde, obwohl sie eine längere Klinge hatte. Die Idee, dass nur Kurze Klingen zum Stechen geeignet sind, würde darüber hinaus Rapiere usw ad absurdum führen.
Spätere Rapiere waren beispielsweise oft länger als die frühmittelalterlichen Schwerter und wurden von Truppen wie den Rondartschieren ebenfalls in Schlachten im dichten Getümmel stechend ! eingesetzt.
Huski:
die Ausgangsfrage war, ob man damit durch eine Kettenbrünne durchkommt. Ich sage nein und zwar aus dem Grund, dass die dafür notwendige Kraft nicht zu leisten ist ohne ein gewisses Maß an Zeit (was das Ausholen aber auch den Ausfallschritt mit einschließt) sowie die Notwendigkeit, dass die Schwertspitze freie Bahn hat, was wohl nie der Fall gewesen sein dürfte.
Man könnte auch die Ausgangsfrage stellen, ob man mit einem Hieb durch eine Brünne kommt. Und die Antwort ist: fast nie. Man kommt mit einem Hieb schlechter durch eine Brünne als mit einem Stich.
Aber die wenigsten damals trugen Brünnen. Und gegen einen Gegner ohne Brünne ist ein Stich effektiver als ein Hieb.
Aber das ist doch auch gar nicht nötig gewesen! Die stumpfen Verletzungen reichen alle mal aus um jemanden kampfunfähig zu machen und entblößen dann dessen wahrhaft tödliche Punkte am Körper.
Stiche verursachen, wenn sie nicht durchdringen auch stumpfe Verletzungen.
Schwertkampf ist wie vieles andere auch eine "learning- by- doing- Geschichte"; man kann noch so viel darüber theoretisieren aber das ist alles Mist, bis man es selbst am eigenen Leib erfahren hat.
Mein Angebot steht weiterhin. Aber kein Huskarl oder Codex Belli Quatsch, wenn schon denn schon. Der Umstand das du nicht im geringsten darauf eingegangen bist, zeigt mal wieder das typische Muster, auf dass wir Vollkontaktkämpfer ja jetzt schon seit Jahren stoßen.