Die Aufrechterhaltung einer Bibliothek kostet Geld. Es bedarf Nutzer und eines breiten Interesses. Hier sind wir auch wieder bei der wirtschaftlichen Depression: Bildung ist ein Luxus, der auf der Bedürfnispyramide (Maslow) sehr weit oben steht.
und das in Krisenzeiten umso mehr...
Gehen wir davon aus, dass die Spätantike mit dem Zerfall / der Transformation des weströmischen Reichs eine Krisenepoche war, gebeutelt von Misswirtschaft und Kriegen, so müsste der Luxus Bildung nahezu erloschen gewesen sein - aber offensichtlich hat sich doch so manche Nische für Bildung etabliert: Cassiodors Gründung des Klosters Monte Cassino, die Gelehrten bei den span. Goten, bei Karl dem Großen, bei den Franken Gregor von Tours und später der so genannte Fredegar, in Italien Paulus Diaconus - - - also gänzlich erloschen war die Bildung in den wechselhaften und kleinräumigeren Nachfolgestaaten des weström. Imperiums nicht. Zumal die jeweiligen Herrscher einerseits an die imperialen Traditionen anknüpfen wollten (Purpurmantel, Spiele, Renovierung von Aquaedukten usw.) und andererseits als Chefs einer vornehmlich militärischen, aber demografisch kleinen Oberschicht die noch vorhandenen römischen Verwaltungsstrukturen benötigten (Ausbildung der Notare usw)
In manchen Gebieten des vormaligen weströmischen Reichs war die Herrschaft barbarischer Militärs nur eine Änderung der politischen Spitzenfunktionen: es war den Leuten egal, ob ein von Rom bestellter General oder ein gotischer oder fränkischer Warlord an der Spitze stand - jedenfalls dort, wo regional einigermaßen florierende wirtschaftliche und soziale Verhältnisse herrschten (z.B. die südfranzös. ehemaligen Provinzen)
Interessant hierbei ist, dass die neuen barbarischen Herrscher durchaus versuchten, die Verwaltungsstrukturen der vormaligen röm. Provinzen aufrecht zu erhalten
und sehr bedacht waren auf römische Akzeptanz, d.h. auf entsprechende Titel und Funktionen. So mussten die Merowingerkönige
gegen ihre "Landsleute" das Steuersystem nach röm. Vorbild bzw. nach röm. Praxis durchsetzen (vgl. Scheibelreiter und Geary)
Innerhalb dieser jeweils regional differierend ablaufenden Transformation scheint es doch genügend Refugien für Kultur und Bildung gegeben zu haben: sonst hätten wir ja die mannigfaltigen Schriftzeugnisse des 5.-9. Jhs. nicht.
Zu fragen ist, ob und wie in der Zeit von Constantin bis Iustinian - und da sind wir in der Krisenepoche der Spätantike - Bildung, Cursus honorum etc funktionierten - und daran gemessen wäre zu vergleichen, ob die Autoren des 6.-8. Jhs. weniger als konnten als die des 4.-5. Jhs. --- einige, wie auch Gregor von Tours, verwenden ja die Floskel, dass sie nicht mehr so ganz über das klass. Latein verfügen würden: ich habe aber den Verdacht, dass das ein wenig rhetorisches Understatement ist.
Wie auch immer: die Regulative christlich orientierter Administration (Theodosius, Iustinian) fielen in keinen bildungsfreien Raum, trotz aller Krisen. Mir scheint, dass im Bereich von "Bildung/Kultur" ebenfalls eine Transformation stattfand: der Lebenslauf des römisch-heidnisch gebildeten Augustinus scheint mir da typisch. Mit der Kenntnis der antiken Literatur die Entscheidung
für die christliche Perspektive (contra Celsum und ähnliche Argumentationen) -- oder anders gesagt: es waren keine ungebildeten Barbaren, die sich in Spätantike/Frühmittelalter für eine christliche und gegen eine heidnische bzw. agnostische Perspektive entschieden.
also ganz so dark sind die ages nicht