Christentum Schuld an den dark ages?

Tatsache ist, dass nicht wenige der christlichen Perspektive unliebsame Literatur im Lauf der Zeit erfolgreich beseitigt wurde - um nur ein Exempel zu nennen: wir kennen Celsus gegen das Christentum gerichtete Argumentation nur fragmentarisch aus ausgewählten Zitaten eines berühmten Celsusgegners
Da stellt sich die Frage, inwieweit diese Literatur wirklich bewusst beseitigt wurde - oder bloß vernachlässigt, man also kein Interesse an ihrer aktiven Erhaltung mehr hatte. Denn immerhin überdauerten auch die christenfeindlichen Werke von Tacitus oder Zosimos. Auch so einiges an erotischer Literatur blieb, obwohl vom Christentum (aber auch Kaiser Iulianus Apostata) abgelehnt, erhalten, ebenso diverse Hymnen an die heidnischen Götter und ganz generell haufenweise Werke, die von der Existenz der heidnischen Götter ausgingen.
Ich will damit nicht abstreiten, dass es zu gezielten Büchervernichtungen kam, wie sie auch Ammianus Marcellinus erwähnt, frage mich aber, ob sie wirklich so gravierend und hauptverantwortlich für die "Bücherverluste" der Spätantike waren.
 
Ob sich nun ein paar fränkische Königshäuser gegenseitig niedermetzelten oder vergifteten hatte doch wenig Einfluss auf die staatstragende Kirchenorganisation und die innere Struktur des Reiches.
Es gab zwar einen Bruch, weil etwa technische Berufe und Ingenieurswesen nicht mehr entsprechend gefördert wurden und weil die neue Adelselite recht bildungsfremd blieb, aber so dunkel scheinen die Zeiten wirklich nicht gewesen zu sein.

Gregor mahnt dringend in einem, im Vergleich zu anderen, sehr ausführlichen Brief an Bischöfe in Gallien, vor Simonie, pocht darauf schnell das Übel zu bekämpfen.

“Schon vor längerer Zeit ist uns die Nachricht zugekommen, dass in Gallien die Weihen mit Simonie erteilt [S. 492] werden. Es bereitet uns bittern Schmerz, wenn in kirchlichen Dingen das Geld eine Rolle spielt und Heiliges verweltlicht wird. Wer immer mit Geld Heiliges erkaufen will, sieht nicht auf das Amt, sondern nur auf den Titel, und verlangt nicht, Priester zu sein, sondern nur so zu heißen.”

BKV

(von den Themen her überschaut, scheint ihm dies viel wichtiger, alsl die Konflikte mit den Arianern in Gallien/Franken zu sein)

Knapp 120 Jahre später kriegt man durch Bonifatius den Eindruck, daß die ungute Situation sich sehr verschlimmerte.
Wenn jene innerkirchlichen Strukturen den Staat zusammenhielten, sah es um diesen sehr dunkel aus.

“Denn die Franken haben nach der Aussage be- jahrter Männer mehr als 80 Jahren weder eine Synode abgehalten noch einen Erzbischof gehabt, noch ir- gendwo kirchliche Rechtssatzungen begründet und erneuert. Augenblicklich sind die Sitze in den Bischofs- städten größtenteils habgierigen Laien und eingedrungenen, der Unzucht oder dem Gelderwerb frönenden Klerikern lediglich zu weltlichem Genuss ausgeliefert.”
(Brief an Papst Zacharias, 743)


(das ist wahrscheinlich mein letzter Post

Viele gute Diskussionen noch.

Tschö )
 
Da stellt sich die Frage, inwieweit diese Literatur wirklich bewusst beseitigt wurde - oder bloß vernachlässigt, man also kein Interesse an ihrer aktiven Erhaltung mehr hatte.
Das sind zwei verschiedene Aspekte.
zum ersten:
zwar ließ Karl der Große Heldenlieder sammeln, doch sein Nachfolger ließ diese heidnischen Sachen vernichten: leider so nachhaltig, dass die Mediävisten heute noch jammern :winke:
Celsus habe ich schon erwähnt, des weiteren ist davon auszugehen, dass "kulturpolitische Befehle" von Kaisern wie Theodosius und Iustinian nicht spurlos im Sand versickerten, will sagen: da wird sicherlich einiges nachhaltig beseitigt worden sein (gibt es nicht seriöse Schätzungen darüber, wie viel antike literatur es gab und dass nur ca. 20% (?? ich weiß die Zahl nicht) überdauert haben?
zum zweiten:
gottlob überdauerte einiges in den Scriptorien und Bibliotheken der Klöster, ob aus quasi subversiven Gründen, aus Sammelleidenschaft oder aus Gleichgültigkeit, vermag ich nicht zu entscheiden - aber auf diese Weise sind ein paar Zaubersprüche und ein Hildebrandsfragment überliefert.

des weiteren ist festzustellen, dass einige antike Literatur erst im späten Mittelalter oder der frühen Neuzeit wiederentdeckt wurde - und da frage ich mich, was wahrscheinlicher ist: sind diese Sachen zufällig vorhanden geblieben, weil sich niemand um die jeweiligen Bibliotheksbestände kümmerte? sind sie absichtlich aufbewahrt worden? Und das erstaunliche daran ist ja: es sind innerhalb des christianisierten Kulturraums wohl überwiegend klerikale Bibliotheken, welche den uns heute bekannten Restbestand an antiker Literatur aufbewahrt hatten (oft genug durch Kopien) und ansonsten wohl auch einige aus im arabischen Kulturraum überlieferte.
wie heißt es so schön: habent sua fata libelli - in jedem Einzelfall eine spannende Überlieferungsgeschichte
 
zwar ließ Karl der Große Heldenlieder sammeln, doch sein Nachfolger ließ diese heidnischen Sachen vernichten
Das ist ein Wissenschaftsmythos, der auf einer überschießenden Interpretation einer Quellenstelle beruht, die besagt, dass Ludwig der Fromme die heidnischen Lieder, die er in seiner Jugend kennenlernte, verachtete und nichts mehr von ihnen wissen wollte. Von Vernichtung ist da keine Rede, bloß von persönlichem Desinteresse.
 
Das ist die Stelle (19. Kap.) aus Thegans Ludwig-Biographie "Vita Hludowici Imperatoris", auf die sich das mit der Büchervernichtung stützt: "Poetica carmina gentilia quae in iuventute didicerat, respuit, nec legere, nec audire, nec docere voluit." Also: "Die heidnischen poetischen Lieder, die er in der Jugend gelernt hatte, wies er zurück und wollte sie weder lesen noch hören noch lehren." Übrigens geht aus dieser Stelle auch nicht hervor, dass es sich, wie oft behauptet, um germanische Heldenlieder handelte, es könnten auch antike Epen gemeint sein. (Das halte ich sogar für etwas wahrscheinlicher, da kurz davor steht, dass er Latein und Griechisch gelernt hat.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Celsus habe ich schon erwähnt, des weiteren ist davon auszugehen, dass "kulturpolitische Befehle" von Kaisern wie Theodosius und Iustinian nicht spurlos im Sand versickerten, will sagen: da wird sicherlich einiges nachhaltig beseitigt worden sein (gibt es nicht seriöse Schätzungen darüber, wie viel antike literatur es gab und dass nur ca. 20% (?? ich weiß die Zahl nicht) überdauert haben?

Die Zahl der erhaltenen antiken Literatur kann ja auch nur geschätzt werden. Die Schätzungen reichen 0,1 % bis zu 10 % des Gesamtbestandes. Man versucht anhand von jährlichen Neuerscheinungen, bekannten Buchanzahlen aus antiken Bibliotheken oder namentlich bekannten, aber nicht überlieferten Autoren auf eine Gesamtmenge zu kommen. Anhand des Schätzungsbereichs kann man sich vorstellen, dass es sich um eine sehr grobe Schätzung handelt. Trotz aller Ungenauigkeiten ist aber zu erkennen, dass der Verlust riesig ist.

Der Inhalt der ersten bekannten ma. Bibliotheken (Isidor von Sevilla u. Cassiodor) beinhaltet zu 90 % Werke, die wir auch noch kennen. Deshalb auch die Aussage, dass der wesentliche Verlust in der Spätantike eingetreten sein muß.
 
Das ist die Stelle (19. Kap.) aus Thegans Ludwig-Biographie "Vita Hludowici Imperatoris", auf die sich das mit der Büchervernichtung stützt: "Poetica carmina gentilia quae in iuventute didicerat, respuit, nec legere, nec audire, nec docere voluit." Also: "Die heidnischen poetischen Lieder, die er in der Jugend gelernt hatte, wies er zurück und wollte sie weder lesen noch hören noch lehren." Übrigens geht aus dieser Stelle auch nicht hervor, dass es sich, wie oft behauptet, um germanische Heldenlieder handelte, es könnten auch antike Epen gemeint sein. (Das halte ich sogar für etwas wahrscheinlicher, da kurz davor steht, dass er Latein und Griechisch gelernt hat.)
carmina gentilia sollen in diesem Kontext womöglich auch antike (griech. und röm.) Heldenlieder sein? Das halte ich für unwahrscheinlich.

Aber das erklärt noch nicht den Wissenschaftsmythos, dem ich - zugegebenermaßen - wohl aufgesessen bin.

nur als Exempel: ich kenne mich leidlich mit der Stoff- und Entstehungsgeschichte des Nibelungelieds aus - etliche Vorstufen dazu werden vermutet (z.B. ein fränkisches Brunhildenlied usw.), aber die Vorgänger oder Vorstufen, die aus dem 6.-10. Jh stammen müssten, sind nicht überliefert. Der Stoff selber aber muss älter sein als seine letztliche Aufzeichnung im Mittelalter.
 
carmina gentilia sollen in diesem Kontext womöglich auch antike (griech. und röm.) Heldenlieder sein? Das halte ich für unwahrscheinlich.
Ich will mich da auch nicht festlegen. Dass germanische Lieder gemeint waren, geht aus der Stelle aber auch nicht wirklich hervor. (Das Wort "gentilis" bedeutete in der Antike zwar eigentlich "stammeszugehörig", erlebte in der Spätantike aber einen Bedeutungswandel über "barbarisch" hin zu "heidnisch" [weil die zivilisierten Römer, vereinfacht gesprochen, Christen waren und die Barbaren Heiden], in welchem Sinne es von den christlichen Autoren des Mittelalters gebraucht wurde.) Immerhin aber deutete Thegan an, dass Ludwig eine an antiken Vorbildern orientierte Schulbildung erhalten hat.
 
(Das Wort "gentilis" bedeutete in der Antike zwar eigentlich "stammeszugehörig", erlebte in der Spätantike aber einen Bedeutungswandel über "barbarisch" hin zu "heidnisch" [weil die zivilisierten Römer, vereinfacht gesprochen, Christen waren und die Barbaren Heiden], in welchem Sinne es von den christlichen Autoren des Mittelalters gebraucht wurde.)
(und genau diese Bedeutungsnuance legt nahe, dass es sich um fränkische/germanische Heldenlieder gehandelt hatte)
Ludwigs "Schulbildung" sagt nichts daüber aus, was er ansonsten gehört/gelernt hatte -- als Vergleich: Amalaswinthas Söhnlein Athalarich erhielt auch parallel eine lateinsche und eine gotische "Schulerziehung". Mit carmina gentilia sind in diesem Kontext "heidnische" fränk. Heldenlieder gemeint.
 
Welcher Kontext? Zuerst heißt es, dass er Latein und Griechisch gelernt hat und sehr gut Latein konnte. Dann steht, dass er exzellent darin war, in allen Schriften den tieferen geistigen und moralischen Sinn zu erkennen. Dann kommt das mit den Liedern. Dann geht es weiter mit seinen körperlichen und charakterlichen Eigenschaften. Woraus also leitest Du ab, dass es sich um germanische Heldenlieder gehandelt haben muss?
 
Woraus also leitest Du ab, dass es sich um germanische Heldenlieder gehandelt haben muss?
die gentilen Traditionen und die gentilen Heldenlieder im Kontext eines carolingischen Königs dürften kaum griechische oder römische sein :winke: - zudem scheint der historiographische Text über Ludwig recht... sagen wir perspektivisch-rhetorisch zu sein
 
die gentilen Traditionen und die gentilen Heldenlieder im Kontext eines carolingischen Königs dürften kaum griechische oder römische sein
Griechisch zu lernen passt auch nicht unbedingt zum Bildungskanon eines karolingischen Königs. Außerdem: In der Antike war zentraler Bestandteil des Lateinunterrichts die "Aeneis"-Lektüre. Wenn also Ludwig Latein und Griechisch lernte, spricht durchaus einiges dafür, dass er auch die "Aeneis" las.
(Übrigens übersetzte Alfred der Große den "Trost der Philosophie" von Boethius und das Geschichtswerk von Orosius selbst ins Angelsächsische. Er beschäftigte sich also auch nicht nur mit germanischen Heldenliedern.)

Natürlich kann es sich auch um germanische Lieder gehandelt haben (wobei ich mich allerdings frage, ob man Stabreimlieder wirklich als "poetica" bezeichnen kann). Aber entscheiden lässt sich das meiner Meinung nach aus dieser Stelle nicht.

zudem scheint der historiographische Text über Ludwig recht... sagen wir perspektivisch-rhetorisch zu sein
Natürlich schrieb Thegan eher wohlwollend. Eine Lobhudelei war seine Schrift aber nicht. Z. B. merkte er auch an, dass Ludwig Griechisch eher verstehen als sprechen konnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich dich richtig verstehe, dann meinst du, dass man nich sicher wissen kann, was mit den carmina gentilia gemeint ist - ok, können wir erst mal so stehen lassen, auch wenn ich da anderer Meinung bin.
Aber ich hab da immer noch die Frage nach dem Wissenschaftsmythos, denn das käuten und käuen ja etliche nicht eben kenntnislose Literaturhistoriker und Historiker wieder: welche wissenschaftliche Quelle gibt es dafür, dass es sich da um einen Mythos oder Irrtum handelte? Ich frage das, weil ich es wirklich nicht weiß - ich kenne nur die Version, dass die heidnischen Heldenlieder verboten/vernichtet wurden.
 
Statt "Untergang" wird ja auch häufiger der Begriff der Transformation verwendet.
Die Ausgangsfrage des Themenstellers gab den Begriff "Untergang" vor. Sollte er wirklich von einem solchen ausgehen, müßte dies, wie Du und Quijote es taten, auch widerlegt werden. Zumindest sollte aber geklärt werden, worauf nun dieser Begriff an Wissen und Verständnis fusst. Sonst schreiben ein dutzend Menschen mehrere Beiträge und tragen womöglich Eulen nach Athen.


"Angeblich" ist hier das entscheidende Wort.
Darum schrieb ich es. Die ersten Chronisten, wie etwa Johannes von Nikiu, berichten auch nicht oder nur Andeutungsweise darüber. Trotzdem ist es nicht komplett von der Hand zu weisen, zumal die Bibliothek durchaus Fragmente hinterlassen haben kann und Alexandrien schon früh der Ausbreitung des Islam anheim fiel. Dazu kommen angeblich (!) Hinweise auf weitere solche Aktionen des gleichen "rechtgeleiteten Kalifen". Ich kann diese aufgrund mangelnder arabischer Sprachkenntnisse und mangelhaften Zugangs zu Übersetzungen leider nicht nachvollziehen.
Wikipedia, welches kontrovers diskutierte Forschungsergebnisse ganzer Jahrzehnte gerne mal auf einen Satz parteinehmend zusammenfasst würde ich allerdings nicht das letzte Wort überlassen.
 
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Aber ich hab da immer noch die Frage nach dem Wissenschaftsmythos, denn das käuten und käuen ja etliche nicht eben kenntnislose Literaturhistoriker und Historiker wieder: welche wissenschaftliche Quelle gibt es dafür, dass es sich da um einen Mythos oder Irrtum handelte? Ich frage das, weil ich es wirklich nicht weiß - ich kenne nur die Version, dass die heidnischen Heldenlieder verboten/vernichtet wurden.
Wo ich erstmals darauf aufmerksam wurde, weiß ich nicht mehr, aber ich zitiere mal aus "Zur Geschichte der Gleichung "germanisch-deutsch"", herausgegeben von Heinrich Beck, 2004, S. 190:
Da sich diese angeblich von Karl erfundenen Namen aber nicht durchgesetzt haben und von seiner Grammatik ebenso wenig überliefert ist wie von seiner viel diskutierten "Heldenliedersammlung", sucht man die Schuld dafür bei seinem Sohn und Nachfolger: [...] Entsprechend hat man aus der Bemerkung Thegans in der Biographie Ludwigs des Frommen, der Sohn und Nachfolger Karls habe die poetica carmina gentilia, die er in seiner Jugend gelernt hatte, später verschmäht und sie weder lesen noch hören wollen, gefolgert, Ludwig habe die Vernichtung einer volkssprachigen "Heldenliedersammlung" seines Vaters angeordnet.
Ich glaube, es wurde aber auch schon einmal im Forum thematisiert, und in Wikipedia steht es auch so: Heldenlied ? Wikipedia Ludwig der Fromme ? Wikipedia
 
Die Zahl der erhaltenen antiken Literatur kann ja auch nur geschätzt werden. Die Schätzungen reichen 0,1 % bis zu 10 % des Gesamtbestandes. Man versucht anhand von jährlichen Neuerscheinungen, bekannten Buchanzahlen aus antiken Bibliotheken oder namentlich bekannten, aber nicht überlieferten Autoren auf eine Gesamtmenge zu kommen. Anhand des Schätzungsbereichs kann man sich vorstellen, dass es sich um eine sehr grobe Schätzung handelt. Trotz aller Ungenauigkeiten ist aber zu erkennen, dass der Verlust riesig ist.

Der Inhalt der ersten bekannten ma. Bibliotheken (Isidor von Sevilla u. Cassiodor) beinhaltet zu 90 % Werke, die wir auch noch kennen. Deshalb auch die Aussage, dass der wesentliche Verlust in der Spätantike eingetreten sein muß.

Naja, wären diese Literatur weit verbreitet gewesen, hätte keine weltliche Macht diese so einfach vernichten können.

Das funktioniert mit wenigen Exemplaren vielleicht aber nicht mit Texten mit tausenden Schriften.
 
Die Ausgangsfrage des Themenstellers gab den Begriff "Untergang" vor. Sollte er wirklich von einem solchen ausgehen, müßte dies, wie Du und Quijote es taten, auch widerlegt werden. Zumindest sollte aber geklärt werden, worauf nun dieser Begriff an Wissen und Verständnis fusst. Sonst schreiben ein dutzend Menschen mehrere Beiträge und tragen womöglich Eulen nach Athen.


Die Ausgangsfrage beinhaltete zum einen "Niedergang der Antike" und die Rolle des Christentums dabei, zum anderen die Rolle der Rettung von Teilen der Antike im MA durch das Christentum.

Ich habe hier auf den Teilaspekt des Niedergangs hingewiesen, der die antike, pagane Kultur betrifft, insbesondere die antiken Literaturverluste.

Du hast ja schon zu Recht darauf hingewiesen, dass die Lage in der östlichen Reichshälfte sich anders darstellte als in der westlichen. Im Westen muß ja auch wieder zwischen einzelnen Provinzen unterschieden werden.

Darum schrieb ich es. Die ersten Chronisten, wie etwa Johannes von Nikiu, berichten auch nicht oder nur Andeutungsweise darüber. Trotzdem ist es nicht komplett von der Hand zu weisen, zumal die Bibliothek durchaus Fragmente hinterlassen haben kann und Alexandrien schon früh der Ausbreitung des Islam anheim fiel. Dazu kommen angeblich (!) Hinweise auf weitere solche Aktionen des gleichen "rechtgeleiteten Kalifen". Ich kann diese aufgrund mangelnder arabischer Sprachkenntnisse und mangelhaften Zugangs zu Übersetzungen leider nicht nachvollziehen.
Wikipedia, welches kontrovers diskutierte Forschungsergebnisse ganzer Jahrzehnte gerne mal auf einen Satz parteinehmend zusammenfasst würde ich allerdings nicht das letzte Wort überlassen.

Die Wiki ist sicherlich nicht der Weisheit allerletzter Schluß, sondern ist für mich ein Einstieg in die Materie. Wann die Bibliothek von Alexandria zerstört wurde, ist umstritten. In der deutschen und englischen Wiki werden ja verschiedene Zeiträume genannt. Möglicherweise gab es auch verschiedene Zerstörungen und wieder Neuaufbauten. Möglicherweise sind auch verschiedene Bibliotheken in Alexandria gemeint.


Im nachfolgenden Artikel sind übrigens interessante Ausführungen zu der angeblichen Zerstörung durch die Araber enthalten:
The Vanished Library by Bernard Lewis | The New York Review of Books

Danach ist diese Legende im 12. Jhdt. entstanden, als Saladin Kairo eroberte, das von den Fatimiden regiert worden war. Da dort eine vom Sunnismus, den Saldin vertrat, abweichende Glaubensrichtung vorherrschte, wurden die aus Sicht der Sunniten ketzerischen Bücher vernichtet. Zur Rechtfertigung dieser Aktion wurde die Legende geschaffen, dass bereits im 7. Jhdt. von der islamischen Gründergeneration so mit häretischen Schriften umgegangen sei.

Das ist eine mögliche Erklärung für das Entstehen der Legende. Andererseits wissen wir aber nicht sicher, ob die Araber noch viel an Literatur zum Verbrennen vorfanden.

Naja, wären diese Literatur weit verbreitet gewesen, hätte keine weltliche Macht diese so einfach vernichten können.

Das funktioniert mit wenigen Exemplaren vielleicht aber nicht mit Texten mit tausenden Schriften.


Deswegen vertritt ja Bergmeier, den ich ja bereits oben zitiert habe, die These, dass es eine von der Kirche initiierte reichsweite Vernichtungswelle im 5. Jhdt. gegeben habe.
 
Was freilich ignoriert, dass es "die" Kirche überhaupt noch nicht gab, sondern rivalisierende Strömungen, wobei die Kaiser teils dieser, teils jener Strömung anhingen und deren Vertreter unterstützten. Obendrein standen im 5. Jhdt. Teile des Westens bereits unter germanischer arianischer Herrschaft. Für eine große reichsweite Vernichtungswelle hätten sich also die verschiedenen religiösen Fraktionen und die römischen und germanischen Machthaber zusammentun müssen.
 
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