Ja, das ist des Rätsels Lösung. Pnischeck regierte ein "kartographisches Missgeschick", einen Streifen zwischen zwei rechtsrheinischen französischen Brückenköpfen.
Staatsrechtlich blieb das groteske politische Gebilde allerdings weiter Teil von Preußen.
Am 3. Januar 1919 genehmigte daher das damalige Oberpräsidium Kassel die Selbstverwaltung der Minirepublik. Das ermutigte wiederum die Bevölkerung der Enklave fortan heftigen Widerstand gegen die Besatzer jenseits der beiden "Grenzen" zu leisten, allen voran der damalige Bürgermeister von Lorch und Mitglied der Zentrumspartei, Edmund Anton Pnischeck.
Dieser fasste sich ein Herz und rief am 10. Januar 1919 per Telegramm an die deutsche Waffenstillstandskommission den sog. "Freistaat Flaschenhals" aus.
Pnischeck wurde nun als Vertreter des damaligen Limburger Landrates Robert Büchting mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet, um das neu entstandene politische Gebilde einigermaßen verwalten zu können. Pro forma war Pnischeck somit das politische Oberhaupt, der "Präsident" des "Freistaates Flaschenhals" und Kopf der Selbstverwaltung, die notgedrungen sogar eine eigene Währung in Zeiten einer immer schneller galoppierenden Inflation hervorbrachte.
Dieses durchaus bizarre politische Unikum rechts des Rheins umfasste die Orte Lorch, Kaub, Lorchhausen, Sauerthal, Ransel, Lippborn, Wollmerschied, Welterod, Zorn, Strüth, Egenroth und weiter Hahnstätten, Laufenselden, hoch bis nach Limburg an der Lahn.
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Die Grundversorgung der Bevölkerung in diesem neuen "Staat" war nicht nur durch das Kriegsende anfangs sehr problematisch. Lorch und Kaub hatten bis zu diesem Zeitpunkt außer dem Weinbau keine nennenswerte Landwirtschaft wie beispielsweise Getreide- oder Kartoffelanbau vorzuweisen.
Außerdem konnten auf der neuen provisorischen Straße keine voll beladenen Lastwagen fahren.
Not macht bekanntlich erfinderisch: So wurden viele Nahrungsmittel und Brennstoffe illegal durch den jetzt aufblühenden Schmuggel in den "Flaschenhals" gebracht.
[...]
Am 25. Februar 1923, wenige Tage nach der Ruhrbesetzung, marschierten marokkanische Hilfstruppen der französischen Besatzungsmacht entgegen Artikel 43 des Versailler Vertrages vom 28. Juni 1919 in den "Flaschenhals" ein. Besagter Artikel sah nämlich vor, eine entmilitarisierte Zone von 50 Kilometer rechts des Rheins zu schaffen.
Pnischek, der sich zu diesem Zeitpunkt gerade auf einer Dienstreise nach Wiesbaden befand, kehrte nach Erhalt dieser Hiobsbotschaft schnurstracks nach Kaub zurück. Dort angekommen, wurde das "Staatsoberhaupt" sofort gefangen genommen und der französischen Militärverwaltung überstellt:
Diverse Aufsässigkeiten, Begünstigung von Schmuggleraktivitäten, der schon erwähnte Kohlenzugdiebstahl in Rüdesheim und überhaupt die Nichteinhaltung der geforderten Reparationsleistungen seitens Deutschlands wurden ihm in einem schnell anberaumten Prozess vorgeworfen.
Edmund Anton Pnischek wurde schließlich zu einer Haftstrafe verurteilt und sein Mitstreiter, der damalige Bürgermeister von Limburg Marcus Krüssmann, sogar zur Festungshaft ins nahe gelegene Koblenz verbracht.
Als Reaktion auf dieses Urteil der französischen Militärjustiz leisteten die Bewohner des "Freistaates Flaschenhals" jetzt erst recht passiven Widerstand gegen die Besatzer und verweigerten permanent jegliche Unterordnung, bis im November 1924 infolge der Londoner Konferenz vom 16. Juli bis 16. August desselben Jahres die rechtsrheinische Besetzung schließlich beendet wurde.
"Freistaat Flaschenhals" - Ein Treppenwitz der Geschichte am Anfang des 20. Jahrhunderts - regionalgeschichte.net
Was ist eigentlich... der Freistaat Flaschenhals?