@Turgot
Ich lasse jetzt die Überlegung zu alternativen Entscheidungen, die man im Frühjar 1918 hätte treffen können, einmal bei seite, bleibe jetzt bei der Lage im November 1918 und bei der Thematik, ob die Annahme der Waffenstillstandsbedingungen und der Abschluss des Waffenstillstands möglicherweise ein Fehler war.
Und das läuft für mich mehr oder weniger auf die Frage hinaus ob es möglich gewesen wäre genügend Zeit zu schinden um noch einmal diplomatisch die Initiative übernehmen und die politischenn Anführer der Entente damit ggf. an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Militärisch hatte den Krieg verloren und wäre bei Fortsetzung wahrscheinlich längstets Mitte 1919 besiegt gewesen, darum handelt es sich nicht.
Die Frage ist, hätte man vorher selbst einen Friedensplan vorlegen und die Entente zwingen können das wenigstens zur Kennntnis zu nehmen und in Verhandlungen einzutreten, in solchen auch als gleichberechtigt akzeptiert zu werden, wenn man die Bedingungen vom November 1918 abgelehnt und weitergekämpft hätte.
Ich meine die Chance zu einer solchen Initiative wäre möglicherweise durchaus gegeben gewesen.
Denken wir uns in die Witterungs und Umweltbedingungen der Front hinein.
Es ist fast Mitte November, d.h. dass durch die Herbstregenfälle die Flüsse und Kanäle in den Ebenen-Landschaften in Flandern Hochwasser führen und es durch Sprengung der Uferbefestigungen sicherlich auch möglich ist größere Gebiete einfach dadurch zu sperren, dass man sie unter Wasser setzt.
Der ganze Untergrund ist vollkommen durchnässt, so dass tonnenschwere Tanks, schwere Artillerie und Millionen Tonnen von Munition überhaupt nicht bewegt werden können, ohne sich andauernd im Schlamm festzufahren und stecken zu bleiben.
Außerdem laufen die die ganzenn Granattrichter voll Wasser, so, dass sie als potentielle Deckung für vorrückende Infanterie ausfallen und für vorrückende Truppen überhaupt nicht auszumachen ist, ob sie nun einfach eine etwas ausgedehnte, aber flachte Pfütze vor sich haben, oder möglicherweise einen mehrere Meter tiefen Trichter, in dem man einen Panzer, wennn man versuchte hindurch zu fahren, möglicherweise einfach nur sauber versenkte.
Unter solchen Bedingungen wären im Prinzip keine größeren Angriffe mehr zu machen gewesen, weil es kaum möglich gewesen wäre das schwere Gerät zügig durch das Gelände zu bekommen und damit die Infanterie vernünftig zu unterstützen.
Und an den anderen Frontabschnitten hätte das nicht besser ausgesehen, durch die Vogesen und die Ardennen hätte die Entente ihr schweres Material ebenfalls nicht zügig durchbekommen, es hätte da nur wegen des Geländes massiv an Kampfwert eingebüßt.
Schnee und Eis im Winter hätten die Situation genau so wenig besser gemacht, wie Regenfälle und Hochwasser nach der Schneeschmelze im Frühjahr.
Im Prinzip hatte man das Jahr 1918 eigentlich militärisch überstanden, mit neuenn Großoffensiven erst im Frühjahr wieder zu rechnen.
Bis auf kleinere Gefechte in lokalen Abschnitten hätte man damit wahrscheinlich witterungsbedingt auf eine Kampfpause vom mehreren Monaten und erhebliches Nachlassen des Drucks auf die Westfront rechnen können, weil Aufrechterhaltung ohne die Möglichkeit in sich auftuende Lücken schnell vorzustoßen für die Entente keinen Sinn ergeben hätte und das ohne irgendwas substanziell nachteiliges unterschreiben und ausführen zu müssen.
Diese vielleicht drei Monate relativer Ruhe hätte man für eine dieplomatische Initiative nutzen können und insofern wegen des Wetters größere Offensiven dann ohnehin keine Optionen gewesen wären, hätte das, wenn die einigermaßen konkret und annehmbar gewesen wären möglicherweise zu erheblichem Druck auf die politischen Anführer der Entente ausgeübt, weil es in der Öffentlichkeit ihrer Heimat möglicherweise nicht so gut angekommen wäre, wenn sie Verhandlungen über einigermaßen vernünftig erscheinende Friedensbedingungen, die der Gegner vorlegt einfach rundheraus abgelehnt hätten um in ein paar Monaten das große Sterben von neuem beginne zu lassen.
Wie gesagt, hätte man sich sicherlich auf einen Verlustfrieden einlassen müssen.
Man hätte alle besetzten Territorien räumen, auf alle Vorteile aus dem Brest-Litowsker Frieden verzichten, die Abltretung Elsass-Lothingens, wahrscheinlich auch die Posens an das wiedererstandene Polen, nebst freier Schiffahrt auf der Weichsel und Danzig als Freihafen anbieten müssen, man hätte auf die kolonien verzichten, eine deutliche Reduzierung von Flotte und Heer, so wie großzügige Kriegesntschädigungen für die Entente anbieten müssen, nebst Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Völker der Donaumonarchie und sich auf Autonomierechte für die verbleibenden nationalen Minderheiten innerhalb Deutschlands verpflichten müssen, ebenso wie daran sich künftig an Institutionen zur Regelung künftiger Streitfragen zu beteiligen und diese anzuerkennen (Völkerbund).
Hätten die Witterungsbedingungen ohe formalen Waffenstillstand, mit allen daran hängenden Bedingungen, die Offensiven der Entente-Mächt zum stehen gebracht, mit der Perspektive im frühjahr neu anrennen zu müssen und hätte man ein Angebot dieser oder ähnlicher Art in Eigeninitiative lanciert, würde ich die Chancen so schlecht nicht sehen, dass man die Entente auf dieser Basis zu Verhandlungenn hätte zwingen können, weil die Bevölkerung in Großbritannnien, Frankreich und den USA, auch die Soldaten an der Front es wahrscheinlich nicht verstanden hätten, wenn ein solches Friedensprogramm, dass im Wesentlichen die wichtigsten Kernforderungen der Entente erfüllt hätte, einfach abgelehnt worden wäre, mit der Konsequenz, dass man noch monatelang weiter hätte kämpfen und sterben müssen.
Darauf, dass man dort besonders versessen darauf gewesen wäre, wegen des Saargebiets oder der frage ob Westpreußen bei Deutschland bleibt oder zu Polen kommt, die "Blutmühle" wieder anzuwerfen und eigene Soldatenn in denn Tod zu schicken, würde ich nämlich nicht unbedingt wetten wollen.
Man hätte den Krieg sicher nicht mehr gewinnen, sich auf den Status Quo ante einigen oder einen Verlustfrieden generell verhindern können, vielleicht hätte man mit anderem Handeln und dem Versuch die Initiative zu übernehmen, im Osten aber Westpreußen mit Danzig, das Memelgebiet, Oberschlesien, Nordschleswig und Eupen-Malmedy retten und bei der Reduzierung des Heeres und in anderen Fragen etwas bessere Bedingungen erreichen könnnen.
Das ist natürlich kontrafaktisch und letztendlich kann man es nicht wissen, ich halte es aber durchaus für denkbar und daher auch für grundsätzlich kritisierbar, dass es nicht versucht wurde.
Sicherlich kein Anlass den damals handelnden Verantwortlichen irgendwelche bösen Absichten zu unterstellen, zumal das, im falle dass die Front tatsächlich noch zusammengebrochen wäre auch nach hinten hätte losgehen können und Erfolg nicht garantiert gewesen wäre, das hätte dann von der Stimmung in den USA, Großbritannien und Frankreich abgehangen und nicht zuletzt auch von der Frage, ob man es in Deutschland rechtzeitig fertig gebracht hätte die Realitäten anzuerkennen und ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten, statt von einem Milden Frieden, wenn möglich ohne Annexionen und Kontributionen, wenn schon nicht einem "Hindenburgfrieden" zu phantasieren.
Denn so weit würde ich dir entgegenkommen, dass die Zivilbevölkerung und auch ein Großteil der politischen Vertreter nicht auf die Niederlage vorbereitet war, war sicherlich katastrophal und hätte in diesem Zusammenhang möglicherweise ein nicht zu unterschätzendes mentales Hindernis dargestellt.