Der Slawenaufstand 983

Es ist halt nicht überliefert, aber irgendjemand muss die an sich verfeindeten Stämme geeinnt haben.
Muß nicht sein - so weit man das überhaupt beurteilen kann, sieht es eher danach aus, als hätten mehrere verbündete Stämme mit verschiedenen Anführern den Aufstand gemacht.

Und 200 Jahre Aufschub ist schon was - durchaus vergleichbar.
Das ist durchaus beachtlich - aber eigentlich nicht vergleichbar. Weil es nach dem Aufschub eben völlig unterschiedlich weiterging.

Mich kotzt es an, wenn man im Mittelaltermarkt "beim Slawen" nur den überteuerten Honig kaufen kann.
Verstehe ich, aber ich sehe wenig Zusammenhang mit dem Aufstand oder mit der Hermannsschlacht.
Bei unseren südwestdeutschen Mittelaltermärkten kommen gar keine Slawen vor :-(.
 
Eigentlich schade, ein slawischer "Hermann" wäre mir sympathisch.

Ja, der wäre mir auch sympathisch.

Aber dann befändest du dich jetzt bereits im slawischen Ausland, nämlich in Abodritien! Fänd ich aber nicht so schlimm. Doch wo wären dann die vielen Bauern aus Sachsen, Franken, Friesland, Flandern oder vom Niederrhein geblieben, die gen Osten zogen? Die hätten sich weiter mit ihren einheimischen Grundherren und der strengen Hörigkeit abfinden müssen und damit, dass sie keinen Hof zu Eigen erwerben konnten.

Denn was im 19. Jh. für viele Auswanderer Amerika war, wo man vom Schuhputzer zum Millionär aufsteigen konnte, das waren für die hörigen oder leibeigenen Bauern aus dem Reich die verheißungsvollen Ostgebiete. Denn die slawischen Fürsten in Mecklenburg, Pommern oder Schlesien unterbreiteten verlockende Angebote, da sie rasch erkannt hatten, dass sie ihre Einkünfte durch Urbarmachung des Bodens beträchtlich steigern konnten: persönliche Freiheit für die Siedler, Vererbbarkeit von Land als persönlicher Besitz (!), geringere und weniger drückende Abgaben als in der Heimat.
 
Tja , wir müssen mit dem erschlagenen Niklot vorlieb nehmen, sein Reiterstandbild ziert das Schweriner Schlossportal. Einer seiner Söhne wurde von Heinrich dem Löwen gehängt, der Andere mit altdeutschem Namen Pribislaw mit Mecklenburg belehnt.
 
Tja , wir müssen mit dem erschlagenen Niklot vorlieb nehmen, sein Reiterstandbild ziert das Schweriner Schlossportal. Einer seiner Söhne wurde von Heinrich dem Löwen gehängt, der Andere mit altdeutschem Namen Pribislaw mit Mecklenburg belehnt.

Immerhin ist dort eine slawische Dynastie am Ruder geblieben. Ich würde zu gern wissen, was sie beim Verschwinden der slawischen Sprache und beim Vergehen der slawischen Identität gedacht und gefühlt hat - falls es ihr überhaupt wichtig war und sie nicht nur den Eintritt in den deutschen Reichsfürstenstand angestrebt hat.

Aber wenn ich in der Doberaner Klosterkirche akk die Grabmäler der Mecklenburger bis hin zu Niklot anschaue, dann glaube ich, dass die Herzöge ihren slawischen Ursprung doch gewürdigt und geachtet haben.
 
Das Verschwinden der slawischen Sprache in Ostdeutschland ging irre schnell, obwohl die alte Bevölkerung noch da war.
 
Das Verschwinden der slawischen Sprache in Ostdeutschland ging irre schnell, obwohl die alte Bevölkerung noch da war.

Aber nicht überall! Denke an die Sorben, die bis heute ihre Sprache bewahrt haben, auch wenn es inzwischen wohl nur noch etwa 30 000 aktive Sprecher gibt. Und im Hannoverschen Wendland um Lüchow und Dannenberg wurde noch im 18. Jh. wendisch gesprochen, obwohl es da bereits am Aussterben war und ein Pastor zum Glück die damals gesprochene wendische Sprache aufgezeichnet hat.

Im übrigen hast du natürlich Recht. Slawische Idiome zwischen Elbe und Oder verschwanden sehr rasch, wie das meist der Fall ist, wenn eine wirtschaftlich und politisch dominierende Bevölkerung eine andere überschichtet. Die Slawen wurden assimiliert, wobei unter Historikern noch immer strittig ist, inwieweit das eine eher friedliche Transformation war, oder Repression in nennswertem Umfang im Spiel war.
 
Eigentlich schade, ein slawischer "Hermann" wäre mir sympathisch.
Ich weiß gar nicht, ob mir der germanische Hermann sympathisch wäre. Er war wohl ziemlich durchtrieben (und hat die Vertrauensstellung bei Varus fies ausgenutzt) und sehr machtorientiert (und die Wertung "gierig" zu vermeiden).
Bei allen Verdiensten - das wird nicht unbedingt ein netter Mensch gewesen sein.
Insofern vermisse ich auch ein slawisches Pendant nicht unbedingt ;-)
 
Ich würde zu gern wissen, was sie beim Verschwinden der slawischen Sprache und beim Vergehen der slawischen Identität gedacht und gefühlt hat - ...
Wird wohl gewesen sein wie immer: Die ältere Generation hat rumgemeckert und davon erzählt, wie toll und ruhmreich das früher alles gewesen ist und daß jetzt alles den Bach runtergeht.
Und der Nachwuchs hat sich begierig auf die neuen Möglichkeiten gestürzt ...
 
Zumindest in den Städten gab es oft einen Wendenparagraphen, der es Slawen verbot, ein Handwerk auszuüben.

Wobei ich las, der hätte in der Praxis wenig Beachtung gefunden. Wie dem auch sei: Ich glaube schon, dass die Wenden bzw. Slawen in den Städten jenseits der Elbe ein gewisses Maß an Diskriminierung erfuhren. Schon wegen der fremden Sprache und der anderen Sitten, zumal die Wenden vermutlich in eigenen Quartieren lebten. Es ist also kein Wunder, dass sie sich rasch an die Deutschen assimilierten, um der sozialen Deklassierung rasch zu entkommen.

Umso ersteunlicher, dass die Sorben über Jahrhunderte hinweg bis heute ihre Identität gewahrt haben, was wohl vor allem mit der isolierten Abseitslage zusammenhängt, die nie durchgreifend von der Industrialisierung erfasst wurde.
 
Die Sorben wurden endgültig niedergemacht, als man ihre Dörfer in der Lausitz für die Braunkohle abbaggerte. Stradow, Welzow, Werlin...
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist also kein Wunder, dass sie sich rasch an die Deutschen assimilierten, um der sozialen Deklassierung rasch zu entkommen.
Ist bestimmt ein Faktor gewesen, aber m. E. ein nebensächlicher.
Denn es gibt ja genug Beispiele, daß Minderheiten selbst bei heftiger Diskriminierung (die hier wohl nicht gegeben war) sehr lange und hartnäckig an ihrer angestammten Kultur festhalten - wenn sie von dieser überzeugt sind.
Der Hauptfaktor für Assimilierung ist m. E., daß die Betroffenen die neue Kultur als interessanter/spannender/moderner/attraktiver empfinden.

Und das wird wohl auch bei unserem Fall so gewesen sein. Mir scheint das angesichts zweier anderer Beispiele aus der Epoche naheliegend.

Da wären z. B. die Normannen in Frankreich, d.h. der Normandie. Die haben sich als siegreiche Eroberer angesiedelt. Wenn in ihrem Herrschaftsbereich jemand diskriminiert wurde, dann waren es die verbliebenen einheimischen Franken. Es gab keinerlei faktischen Druck auf die Normannen, auf ihre Sprache und Kultur zu verzichten - und dennoch haben sie es innerhalb recht kurzer Zeit getan und haben die französische Sprache und Kultur angenommen. Weil die einfach attraktiver erschien und mehr Chancen bot.

Das zweite Beispiel wäre Schlesien. Wie in Mecklenburg haben sich die einheimischen Polen an die deutschen Siedler assimiliert. Und zwar ohne Druck - denn der Adel und der Landesherr waren ja Polen, die Neusiedler waren ihnen untergeordnet. Aber obwohl sie ja das eigentliche Polen als christliches Königreich benachbart hatten (ein solcher Rückhalt fehlte den Normannen und Obodriten), waren die deutsche Sprache und Kultur für die schlesischen Eliten attraktiver.

Ich halte diese Beispiele für vergleichbar genug um zu vermuten, daß die Assimilation der Mecklenburger Slawen im wesentlichen freiwillig erfolte.
 
Habe in den 80ern in der Lausitz gewohnt. Mein Chef hiess Nowotnik, Familienamen wie Schimma, Kulla oder Metag waren ortsüblich.
 
Ich halte diese Beispiele für vergleichbar genug um zu vermuten, daß die Assimilation der Mecklenburger Slawen im wesentlichen freiwillig erfolte.

Mit solchen pauschalisierenden Urteilen sollte man vorsichtig sein:

Was das Neben- und Miteinander der slawischen und deutschen Bevölkerung im Mittelalter anbetrifft, war und ist vor einem harmonisierenden Bild eines ausschließlich friedlichen Zusammenlebens zu warnen. Derart weitgreifende wirtschaftliche und rechtliche Umbildungen können nicht ohne erhebliche Härten für größere Bevölkerungsgruppen vor sich gegangen sein; in einigen Fällen ist eine Diskriminierung von Slawen auch wahrscheinlich zu machen. Oft zitierte Beispiele sind die „Vertreibung“ der Bewohner aus dem slawischen Dorf Ragösen durch die Zisterzienser in Chorin und die Zunftbeschränkungen durch den „Wendenparagraphen“. Bei genauerer Untersuchung zeigt sich jedoch, dass es sich eher um Einzelfälle handelt und auch das Ethnikum nicht der vorrangige Grund der Diskriminierung war; auch im Westen Europas haben die Zisterzienser bei Eigentumsübernahme Dorfbevölkerungen umgesiedelt]
 
Sagte mir ein westdeutscher Kollege kurz nach dem Mauerfall: Wann schafft ihr endlich die russischen Ortsnamen wieder ab?
Alles was auf -ow oder -in endet.
Sorry, Berlin ist auch dabei.
Da mein Nachname auf -ow endet, habe ich mich auch schon hin und wieder der Frage ausgesetzt gesehen, ob ich Russe sei.
Seit jeher verteilt sich meine Familie an der Ostseeküste, der Name ist hugenottischen Ursprungs, wurde in Mecklenburg jedoch mit der Zeit eingeslawt.
 
Mit solchen pauschalisierenden Urteilen sollte man vorsichtig sein:
Zur Präzisierung: Wenn ich von "im wesentlichen freiwillig" spreche, dann meine ich nicht, daß es keine Diskriminierungen oder Auseinandersetzungen gegeben hätte! Nur sind diese wohl nicht wirklich ursächlich für die Assimilation gewesen.
 
Mal einige Eckdaten zum Verschwinden der slawischen Identität:
In den Kietzen und Wieksiedlungen (Slawen waren oft Fischer oder Zeidler)verschwand sie im 14. und 15. Jahrhundert, in einigen abgelegenen Gegenden mit schlechten Böden (Griese Gegend und Jabelsche Heide) in Mecklenburg im 16. Jahrhundert.
Im Hannoverschen Wendland im 18. Jahrhundert, danach gab es nur noch die Sorben in der Lausitz. Deren Verbreitung, die zuvor bis an den Südrand Berlins und in die Leipziger Gegend reichte, schrumpfte beständig. Sorbisch als "echte Muttersprache" gibt es wohl jetzt nur noch in einigen Dörfern bei Bautzen - was man im Spreewald macht, ist Touristen-Nepp. Daran ändern auch zweisprachige Schilder, Schulunterricht und sorbische Medien (Zeitungen, Radio- und Fernsehprogrammsendungen) nix mehr.
Der Drops ist gelutscht, wie bei den Friesen auch.
 
Der Drops ist gelutscht, wie bei den Friesen auch.

Ergänzende Frage:

Wo sind im Südwesten die Kelten hingekommen?
Wo sind die Elbsueben hingekommen?
Die ganzen Ostgermanen?
Assimiliert vom jeweils attraktiveren Kulturmodell.

Das sind doch normale Vorgänge.


Edit: Das "attraktive Kulturmodell" ist oft vom heutigen Standpunkt her kaum zu fassen. In AiD las ich mal vom "überaus erfolgreichen slawischen Kulturmodell", das normalerweise unterstellte ost-westliche Kulturgefälle ist also auch sehr relativ.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sind doch normale Vorgänge.
Richtig. Und eigentlich auch ganz gut so.
So schön es ist, daß wir auf der Erde eine kulturelle Vielfalt mit allen möglichen Völkern haben. Und so schön gerade wir Historiker es finden mögen, daß einige kleine Ethnien auch bei uns noch existieren und alte Gebräuche pflegen.
Es wäre doch ziemlich nachteilig, wenn es nicht ansonsten so viel Assimilation in Richtung der Bildung größerer Völker gegeben hätte.

Sonst hätten wir nämlich heute einige zehntausend Völker auf der Erde, mit jeweils nur wenigen hunderttausend Angehörigen und unterschiedlichen Sprachen und Traditionen. In so einem Flickenteppich (selbst wenn es friedlich zuginge, was schon schwierig zu organisieren wäre) wäre kultureller Austausch enorm schwierig (weil die jeweiligen Gruppen so klein sind), man würde wohl nur etwas von einigen Völkern der direkten Umgebung mitbekommen.

In AiD las ich mal vom "überaus erfolgreichen slawischen Kulturmodell", das normalerweise unterstellte ost-westliche Kulturgefälle ist also auch sehr relativ.
Was ist AiD?

Sicher kann auch das "slawische Kulturmodell" für andere Stämme in Osteuropa/dem nahen Asien attraktiv gewesen sein.

Wobei es wohl nicht die spezielle slawische Ausprägung war, die das Modell attraktiv machte - es ging wohl allgemein um das europäische Kulturmodell. Für die Elbslawen war bestimmt auch nicht das speziell deutsche/germanische Modell interessant - die wären auch Franzosen oder Spanier geworden, wenn das die Nachbarvölker gewesen wären.
Sondern die deutsche Kultur stand eben für die Mischung aus Christentum, überlieferter antiker Bildung, Stadtrechten, Technologien und Feudalstaat, der auch die französische, spanische, englische Kultur attraktiv machte und für die Assimilation von kleinen Nachbarvölkern sorgte.

Und man sieht ja auch, daß die Assimilation genau dort nicht klappte, wo diese Mischung nicht attraktiv war. Die Iren und Schotten waren schon Christen, hatten entsprechende Bildung und Gesellschaftsstrukturen - für die war es immer uninteressant, sich zu Engländern zu assimilieren.
Da gelang es maximal, in sehr vielen Jahrhunderten permanenten Drucks die englische Sprache aufzuzwingen.
 
Zurück
Oben