Deutschstämmige im Ausland

Tekker schrieb:
Ich begegne Völkern, abgesehen vom eigenen, bei jeder Reise ins Ausland. Individuen und (Klein-) Gruppen einzelner Völker begegne ich tagtäglich hier in Hannover.

Ich dachte immer, Hannoveraner seien eine Pferderasse ... =)

Sorry, off topic ('Tschuldigung, am Thema vorbei).

Das Problem scheint mir die Verwirrung der Begrifflichkeit zu sein. Klar, wenn von England die Rede ist, ist meistens Großbritannien gemeint. (The problem with the English is: They say England when they mean Britain, and they say British, when they mean English - Das Problem mit den Engländer ist, dass sie England sagen, wenn sie Großbritannien meinen und britisch, wenn sie englisch meinen).

Um es mit den Begriffen der Mengenlehre zu sagen: Es gibt eine Menge Deutschstämmiger, eine Menge Deutschsprachiger und eine Menge deutscher Staatsbürger, dazu eine Menge Menschen, die in Deutschland leben. Diese Mengen überschneiden sich (dann gibt es Schnittmengen), aber nicht deckungsgleich. Und irgendwo dazwischen befindet sich das deutsche "Volk".
 
Albatros schrieb:
Und irgendwo dazwischen befindet sich das deutsche "Volk".

Das hast du sehr schön gesagt. Dieses widerspricht aber doch keineswegs dem von mir am Anfang unserer Diskussion verwendeten Begriff "volksdeutsch".
 
Mir ist bei der Diskussion aufgefallen, dass 1. wie schon erwähnt die Definition von Volk, Volksdeutschen, Deutschstämmigen nicht einheitlich ist und 2. z.B. nach 200 Jahren zeitlichen Abstand zur Auswanderung eine wirklich exakte Einteilung nur durch die Familienforschung bzw. Genealogie möglich ist.

Bei Forschungen ist mir aufgefallen dass in Auswanderer- bzw. Einwandererlisten oder Volkszählungen in den USA oft "unterschiedliche" "Staatsangehörigkeiten" oder Herkunftsländer für Menschen aus dem selben Ort vergeben wurden. So wurden die Elsäßer als Franzosen/Deutsche, Tiroler als Deutsche/Österreich-Ungarn, Rußlanddeutsche als Deutsche/Russen oder ähnliches eingetragen, in damaligen Listen wie heutigen Genealogie-Listen, teilweise aus Unkenntnis oder weil die Grenzverläufe bzw. Staatszugehörigkeiten sich sich ja auch so manches mal änderten (Bsp. Elsaß). In der Praxis wurden ja in den USA in den großen Einwandererzeiten fast alle Mitteleuropäer als Deutsche betrachtet egal ob sie aus deutschen Ländern, Österreich, Schweiz oder sogar den Niederlanden kamen. So wurden die Niederländer in den USA ja auch im offiziellen Sprachgebrauch die "Dutchen".

Heute bezeichnen sich in den USA deshalb fast alle die einen deutsch-klingenden Nachnamen haben als deutschstämmig und sehr wenig als österreichischstämmig oder schweizerischstämmiger Amerikaner (diejenigen die Genealogie betreiben). Es ist auch ohne Genealogie oder mündliche Überlieferung meist schwer nachzuvollzuziehen aus welchem deutschsprachigen Staat oder Gebiet die Vorfahren stammten.

Also wäre es meiner Meinung eigentlich schon falsch die deutschstämmigen als eine homogene Gruppe zu bezeichnen. Wie seht ihr das?
 
Mit Begriffen wie "Volksdeutsche" sollte man umsichtiger sein. Es ist zwar nur ein Wort bestehend aus zwei Nomen, aber dennoch sollte man damit sensibel sein, da gerade während der NS-Schreckenszeit dieses Wort sehr viel abbekam.
Ich bevorzuge daher "Ethnische Deutsche", auch wenn es gleichbedeutend ist.

Was jedoch genau "ethnische Deutsche" sind, ist kaum noch durchschaubar in einem Europa des Zusammenwachsens.
Ich würde stark dazu tendieren, zu meinen, dass ein nicht-deutschstämmiger Stammbaum nach ca. 5-6 Generationen vollassimiliert wird. (a la USA)

In der heutigen Zeit würde ich in Bezug auf "ethnische Deutsche" sagen, dass diese großteils nur mehr in den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz in Mehrzahl vertreten sind, wobei es bei den Schweizern ziemlich ausgeglichen ist, während sich vor allem die Ostgebiete von Deutschland und Österreich eher mit slawischen Wurzeln vermischen und kulturell ergänzen.
Typische Beispiele sind zB die Telefonbücher Berlins und Wiens, die sehr viele slawische Namensformen enthalten, wobei dies auch im Ruhrgebiet nicht untypisch ist.

Die Niederländer würde ich in der heutigen Zeit nicht mehr als "ethnische Deutsche" einstufen, wenngleich dies aber historisch nachvollziehbar wäre. Die Niederländer haben eine eigene Nation entwickelt und sind mit der, wenndoch sehr breitvariierten deutschen Kultur in Deutschland, Österreich und Teilen der Schweiz kaum noch vereinbar.

Damit es in Bezug auf österreichische Bürger nicht zu Meinungsverschiedenenheiten kommt (ich bin ja aus Wien), bevorzuge ich daher eher "mitteleuropäische Kultur" oder "deutsch-österreichische Kultur und -geschichte". (Man bedenke nur die BRD-weite Verbreitung des Wortes Schnitzel)

Eine weitere Debatte wäre natürlich auch, ob es denn überhaupt "ethnische Deutsche" gibt oder nur "Deutschsprachige".

Ich persönlich finde, dass fast jedes deutsche Bundesland oder auch österreichische Bundesland Unterschiede zum Nachbarn aufweist.
Auf höhere Distanz sind die Unterschiede sogar noch größer.
So zB ist ein Oberbayer einem Tiroler näher als einem Hamburger. Ein Freiburger einem Schweizer näher als einem Thüringer. Der Mecklenburger ist dem Bremer näher als dem Sachsen.
Selbst der Wiener ist einem Müncher in vielerlei Hinsicht näher als fast die gesamten restlichen Bundesländer (abgesehen von Niederösterreich).
Warum sich (zB polnisch-stämmiger) Berliner und (zB tschechisch-stämmiger) Wiener ohne viel zu reden in fast 90% der Fälle mögen, ist auch ein Phänomen, das vermutlich auf die Gemeinsamkeiten der beiden Regionen zurückgeht (Multikultur).
Ein Thüringer isst lieber seine Rostbratwurst statt Weißwurst aus München oder Currywurst aus Berlin. Der Wiener hingegen mag seine Käsekrainer. Das einzige, was ALLE gemeinsam haben sind vielleicht Döner. :D
Wenn man einen Salzburger nicht als "ethnisch Deutschen" bezeichnen kann, dann kann man dies noch viel weniger mit einem Brandenburger tun.

Es kann daher auch durchaus sein, dass es sich hierbei nicht um ein gesamtes Volk handelt, sondern eher um eine Sprach- und Kulturgemeinschaft "deutschsprachiger Völker". Dass "Hochdeutsche" als Standardsprache würde ich eher als Grund zur Kommunikation zählen, statt als Gemeinsamkeit.

Vielleicht haben wir alle viel weniger gemeinsam als wir glauben und wenn wir das haben, wird dies unsere stärkste Gemeinsamkeit sein. Vielleicht ist das der Grund, warum Deutschland sich erst einigen konnte, nachdem Preußen bzw. Bismarck wild um sich annektierte und Krieg gegen die anderen Staaten führte.
 
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