Die arabische Expansion - Tours und Poiters

Hm, welche der obigen Bücher hat wohl die Heereszahlen bei Poitier zum Inhalt?
Wie dem auch sei, sie müssen sich ja auf irgendetwas stützen. Und das, worauf sie sich stützen, würde ich gerne einmal sehen. Sollte ja in jedem seriösen Fachbuch kein Problem darstellen, da es mittels Fußnote belegt werden sollte. Auch eine Schätzung.
Z.B. kann ich mir vorstellen, dass z.B. bekannt ist, dann in einer Stadt so und so viele Soldaten stationiert waren, und wenn die Araber diese Stadt ohne Probleme einnahmen, dann kann man davon ausgehen, dass sie z.B. mehr als 1000 Mann haben müssten. Die genauen Umstände sind zwar immer noch unklar, z.B. Verräter, die die Stadttore öffneten, und die Soldaten dann überrumpelt wurden, aber immerhin einen ersten kleinen Hinweis hätte man denn.
Ich kenne auch einige militärhistorische Bücher, deren Autoren alle möglichen Daten zusammentragen, und die in einigen Epochen seriös sind, in anderen Epochen sehr dubiose Zahlen bringen, verglichen mit Spezialbüchern, die wirkliche und neuere Quellenkunde betrieben haben.

Also, obige Frage bleibt, vielleicht kriegen wir sie ja gelöst?
 
Also, ich habe nochmals hier im Forum gesucht, und habe gefunden, dass Barbarossa u.a. die arabische Armee mit 20.000 angibt, und ich eine Seite aufgeführt habe (von einem Bibliothekar), der die Armee auf 4000 schätzt, aber immerhin mit einer Begründung, z.B. die anfängliche Größe der Armeen, die über Gibralta kamen, und das Steueraufkommen Ägyptens, um Zahlen zu relativieren.

Siehe hier mit Link zur Seite in Post 18:
http://www.geschichtsforum.de/f36/s...it-muslimischer-beteiligung-18227/#post282702

Weiterhin wird in den Büchern, die auch arab. Quellen zu lesen imstande sind, durchgängig von sehr mobilen Razzien, Beutezügen geredet, nicht dazu da, nun große Eroberungen zu tätigen, Städte lange zu belagern, oder große Schlachten zu schlagen. Und je mehr Soldaten bei solchen Beutezügen mitkommen würden, desto mehr ist die Mobilität in Feindesland gefährdet.

Siehe hier die Zitate:

http://www.geschichtsforum.de/f37/karl-martell-retter-des-abendlandes-4365/index3.html#post228356

http://www.geschichtsforum.de/227515-post10.html

und hier im Anhang:
http://www.geschichtsforum.de/f36/expansion-des-islam-18704/#post297399

Eine genauere Herleitung von Schätzungen zu den Soldatenzahlen habe ich aber hier im Forum nicht gefunden.
 
wenn man sich die Englische Wikipedia ansieht, so wird von "bis zu 80.000 Arabern gesprochen. Grundlage dabei ist ein arabischer Chronist aus dem frühen 9.Jhdt., also auch schon mind 2 Generationen später (Futūh Miṣr of Ibn ʻAbd al-Ḥakam). Das fränkisch - burgundische Heer wird mit 30.000-75.000 Mann angegeben.
Wahrscheinlich sind jedoch maximal 20.000 bis 30.000 Mann auf jeder Seite, da nicht mehr aus den Regionen versorgt werden konnten.
 
R. Palmer (Die Sarazenen -ECON Verlag 1978, S. 257 ff) hält den Vorstoß schlichtweg für eine missglückte "Razzia". Poitiers bleib unbehelligt, ein Kloster vor den Stadtmauern wurde geplündert und die Mönche verschleppt. Es muss also ein Überraschungsangriff einer relativ kleinen Reitertruppe gewesen sein, sonst hätten sich die Kleriker mit ihren Kirchenschätzen leicht in Sicherheit bringen können. Ein großes Heer wäre nicht unbemerkt geblieben.

Eine Möglichkeit wäre vielleicht, dass die arabische Hauptmacht an dieser Aktion gar nicht beteiligt war und noch weit zurücklag.
 
So schön für Age of Empires Spieler, wie ich, auch solche Zahlen sind, so sind doch die meisten der Wiki-Zahlen mit äußerster Vorsicht zu genießen, weil kaum einer mal sich die Mühe macht, die Autoren der Zahlen zu überprüfen, wie er überhaupt dazu gekommen ist.
Fragezeichen sind oftmals besser/wissenschaftlicher, aber in der Wiki kaum zu sehen und irgendeiner kommt dann immer, der diese dann durch irgnedetwas ersetzt, und sei es eine Legende....
Was sagt ihr zur obigen 4000er Schätzung und die Begründung?
 
Halte die Zahl genauso unglaubwürdig wie die Zahlen über 30.000 Mann.

Zumal auch für die Eroberung der Iberischen Halbinsel keine genauen Zahlen angegeben sind, wenn mich mein schnelles Überfliegen von den wenigen Büchern und den einschlägigen Inetseiten nicht ganz im Stich lassen. Selbst wenn man die ca 25.000 Mann als Heeresgröße annimmt, so wäre das nach seiner Rechnung ja schon mehr als die Hälfte des Ägyptischen Steueraufkommens. Aufgrund der Geschichte in Spanien selbst, halte ich es für äusserst unwahrscheinlich, dass große Heeresteile abgezogen wurden. Immerhin gab es ja erst vor kurzen einen Abgefallenen Berberfürsten, der besiegt worden war. Versorgungsengpässe sehe ich auch keine, da Nordafrika noch immer eine ordentliche Produktion an Nahrungsmitteln gestellt haben dürfte. Ebenso unwahrscheinlich halte ich es, dass mit 4000 Mann erst Eudo eine vernichtende Niederlage zufügt wird und man dann gegen ein fränkisch/burgundisches Heer antritt. Zumal das für eine Ranghohe Persönlichkeit wie Abd ar-Rhaman ein kleines Heer gewesen wäre (und somit unter seinem Rang).

Aber letztendlich kann ich nur die Aussage wiederholen das die Maximale Obergrenzen bei 30.000 je Seite gelegen haben dürfte. Wobei ja für die geschichtliche Bedeutung diese Zahlen nur einen minimalen Wert haben.
 
wenn man sich die Englische Wikipedia ansieht, so wird von "bis zu 80.000 Arabern gesprochen. Grundlage dabei ist ein arabischer Chronist aus dem frühen 9.Jhdt., also auch schon mind 2 Generationen später (Futūh Miṣr of Ibn ʻAbd al-Ḥakam). Das fränkisch - burgundische Heer wird mit 30.000-75.000 Mann angegeben.

Wer war dieser Ibn 'Abd al-Ḥakam? Hatte der wirklich wenn er eine Geschichte über die Eroberung (Futūh) Ägyptens (Miṣr, eigentlich wäre noch ein al- zu erwarten, weil Genitivverbindung) schrieb, Einblicke in das, was nahezu 2000 km entfernt geschah? Was hat die Schlacht von Tours und Poitiers mit der Eroberung Ägyptens überhaupt zu tun?
 
...Ebenso unwahrscheinlich halte ich es, dass mit 4000 Mann erst Eudo eine vernichtende Niederlage zufügt wird und man dann gegen ein fränkisch/burgundisches Heer antritt...
Es war übrigens ein fränkisch-langobardisches Heer.
Über die Truppenstärken gehen die Meinungen leider sehr auseinander, was ich sehr schade finde. Ich habe beim googeln gerade noch andere Angaben gefunden, wobei ich nicht weiß, was von Pierre Guichard als Primärquelle zu halten ist.
...In Martells Heer fanden sich nebst Franken auch Langobarden, Sachsen und Friesen. Es zählte rund 15000 Mann – darunter grosse Kontingente gepanzerter Infanterie und Kavallerie. Ein Umstand, der sich im Verlauf der Schlacht noch als verheerend für die Araber herausstellen würde. Die islamischen Eindringlinge kämpften in der ihnen vertrauten Art und Weise, mit der sie zuvor meist erfolgreich gewesen waren: Leichte Kavallerie und Berittene Bogenschützen, ergänzt durch verhältnismässig schwache Infanterieverbände. Das Heer von Abd al-Rahman zählte rund 20000 Mann, war also etwas grösser als das fränkische. Über den exakten Verlauf der Schlacht ist wenig bekannt...
http://www.historik-forum.org/forum/mittelalter/schlacht-poitiers-732-a-t2483.html
:grübel:
 
Pierre Guichard als Primärquelle

Pierre Guichard ist ein sehr fähiger frz. Historiker, der insbesondere die hispanoarabische Geschichte erforscht hat, Schwerpunkt Šarq al-Andalus, also das östliche al-Andalus. Aber er ist keine "Primärquelle". Eine Primärquelle ist ein historisches Zeugnis ersten Ranges!
 
Das Ganze basiert wohl auf einer Übersetzung von C. Torrey, Anfang des 20. Jhdt. erschienen ( genauer gesagt 1922) unter dem Titel:
Ibn-'Abd-al-Ḥakam, Abu-'l-Qāsim 'Abd-ar-Raḥmān Ibn-'Abdallāh
The history of the conquest of Egypt, North Africa and Spain


Wie ich oben geschrieben habe, wollte ich nur einen Überblick über die Zahlen gegen, sofern sie denn genannt wurden. Gelesen haben ich natürlich nichts davon ehe hier weiter fragen kommen. Die Anzahl der Kämpfenden ist soweit es mich angeht eh Hypothetisch, weder kann man eine geringe Anzahl wie 4000 beweisen (wobei da noch nicht einmal irgendwelche Quellenangaben vorhandenwaren) noch die großen Zahlen. Falls jedoch wirklich eine genauere Zahlenangabe in dieser Übersetzung steht, wäre es immerhin eine relativ zeitnahe Arabische Quelle. Wirklich mehr als die maximale Obergrenze wird jedoch wohl nie dabei möglich sein.
 
Ich glaube mit zeitgenössischen Quellen kommt man nicht weiter, zudem es keine arab. zeitnahen Zeugen gibt.
Besser sind Argumente, die aufgrund der Steuerschätzung, Nahrungsangebot, vorherige sicherere Heereszahlen, usw. eine Schätzung machen, vor allem diejenigen Autoren, die ihre Schätzung auch begründen, wieso sie gerade so eine Zahl nennen.
 
Pierre Guichard ist ein sehr fähiger frz. Historiker, der insbesondere die hispanoarabische Geschichte erforscht hat, Schwerpunkt Šarq al-Andalus, also das östliche al-Andalus. Aber er ist keine "Primärquelle". Eine Primärquelle ist ein historisches Zeugnis ersten Ranges!
Stimmt, nur haben wir ja schon des Öfteren gesehen, daß in diesen historischen Zeugnissen die Zahlen häufig verfälscht wurden. So muß die neuere Forschung eben versuchen, Beweise zu finden, wie viele Soldaten sich tatsächlich auf jeder Seite befunden haben. Die Archäologie könnte das schaffen.
 
@Barbarossa: Die Archäologie könnte das schaffen.

Da bin ich mehr als skeptisch. Man kennt nicht einmal das exakte Schlachtfeld. Und selbst wenn: Wie will man anhand von ein paar Knochen, Scheidenbeschlägen und Gürtelschnallen auf beteiligte Truppenstärken schließen?
 
Die Schlachtfeldarchäologie ist nicht immer und überall anwendbar. Meist handelt es sich um recht junge Schlachtfelder, die untersucht werden (bekannt ist z.B. die Doku, in der anhand von Gewehrpatronenhülsen der Weg den einzelne Gewehre bei der Schlacht am Little Big Horn nahmen versucht wird nachzuvollziehen). Kalkriese als ein antikes Schlachtfeld ist eine echte Ausnahme. Nicht übersehen solltest Du auch den Einwand von balticbirdy: Eventuelle Schlachtfeldfunde auf einem der Schlacht von 'Abd ar-Raḥmān al-Ġāfiqī und Karl Martell zuordenbaren Schlachtfeld lassen bei weitem keinen Rückschluss über die Truppenstärken zu.
 
Hm, welche der obigen Bücher hat wohl die Heereszahlen bei Poitier zum Inhalt?
Wie dem auch sei, sie müssen sich ja auf irgendetwas stützen. Und das, worauf sie sich stützen, würde ich gerne einmal sehen. Sollte ja in jedem seriösen Fachbuch kein Problem darstellen, da es mittels Fußnote belegt werden sollte. Auch eine Schätzung.
Z.B. kann ich mir vorstellen, dass z.B. bekannt ist, dann in einer Stadt so und so viele Soldaten stationiert waren, und wenn die Araber diese Stadt ohne Probleme einnahmen, dann kann man davon ausgehen, dass sie z.B. mehr als 1000 Mann haben müssten. Die genauen Umstände sind zwar immer noch unklar, z.B. Verräter, die die Stadttore öffneten, und die Soldaten dann überrumpelt wurden, aber immerhin einen ersten kleinen Hinweis hätte man denn.
Ich kenne auch einige militärhistorische Bücher, deren Autoren alle möglichen Daten zusammentragen, und die in einigen Epochen seriös sind, in anderen Epochen sehr dubiose Zahlen bringen, verglichen mit Spezialbüchern, die wirkliche und neuere Quellenkunde betrieben haben.

Also, obige Frage bleibt, vielleicht kriegen wir sie ja gelöst?

Ich habe eine Dissertation zu diesem Thema ausfindig machen können. Der Verfasser spricht vom Feldzug von 732 als politischer und strategischer Maßnahme, es war weder ein Raubzug noch ein Versuch das Frankenreich unter Kontrolle zu bekommen, die Muslime versuchten die Gefahr, die ihnen aus Aquitanien drohte, zu eliminieren. Daher überquerten sie die Pyrenäen um Eudo zu besiegen, sie schlugen zwar seine Truppen, er selbst konnte aber fliehen. Karl Martel hört in der Zwischenzeit vom Eindringen der Araber und beschließt sie in der Schlacht zu stellen. Während der Verfolgungsjagd nach Eudo werden die arabischen Truppen von den Fränkischen abgefangen und geschlagen [Paraphrasiert].

Zahlen nennt der Autor wahrscheinlich bewusst nicht. Er gibt aber einen schönen Überblick über die Quellen. Er sagt aber auch, dass die muslimischen Quellen keine Details zur Schlacht an sich nennen, im gegensatz zu den Christlichen. Er sagt die "Chronica Mozarabe" (Spanisch?) sei die detaillierteste Darstellung der Schlacht. Jetzt komm mein Spekulatius hinzu: Diese Chronik spricht davon das die fränkische Aufstellung quadratförmig war, und für die Muslime "eine unbewegliche Wand" und einen "Gletscher" darstellte, die sie nicht überwinden konnten. Die Muslime seien "gegen die Franken gestürmt und einer nach dem anderen von ihren Schwertern niedergemacht worden". Am Abend erschöpfte sich dann ihr Angriff und sie zogen sich ohne ihre bisher gemachte Beute zurück. Sehr überhastet also. Mehr wird in der Diss. nvon dieser Chronik nicht preisgegeben, aber ich schätze mal das aufgrund der Beschreibungen des Kampverlaufs die Kämpferzahl zumindest für die Araber geschätzt wurde, bzw. aufgrund des Verlaufs und der Plündereien des gesamtem Zuges. In der diss. werden nämlich außerdem noch die Menge an Raubgut das die Muslime haben mitgehen lassen anhand der christl. Quellen aufgezählt, wo sie überall waren, wie lange sie gebraucht haben (nicht erschöpfend natürlich). Vergleicht man die Angaben aller Quellen könnte man eine ganz grobe Schätzung abgeben wie viele es mindestens haben sein müssen um die Menge an Schätzen in jenem Zeitraum zu rauben, zu transportieren und dann später mit den Franken auf beschriebene Art und Weise zu kämpfen.

Aber wie gesagt, alles Spekulation.

Ich hab mal die MGH nach Tours und Poitier durchsucht.
SS I, S. 291 und SS Rer.Mer. II, S. 175 geben eine kleine Zusammenfassung der Ereignisse.
 
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