Die Sperre von Gibraltar durch die Punier - reale Geopolitik oder Mythos?

Da sein Reisebericht nicht erhalten ist, wissen wir nicht einmal so genau, ob er wirklich an Gibraltar vorbeigesegelt ist, und wenn ja, ob es irgendwelche Probleme mit Karthagern gab.

Bei Euktemon/Ausonius jedenfalls scheint es solche nicht gegeben zu haben:
Zwischen (inter von interiacere) den Weiden des libyschen Grundes
und der Küste Europas, bringt er in Erinnerung, dass dort zwei Inseln
liegen; diese sagt er, werden feierlich die Säulen des Herkules genannt.
Er informiert, dass diese 30 Stadien auseinander liegen; struppige und unwirtliche Wälder sind sie den Schiffsleuten [semper esse nauticis?].
Auf ihnen nämlich sind die Töpfe des Herkules
und Tempel und Altäre. Die dahinkommenden Seeleute fahren sie an
um dem Gott zu opfern, sie verlassen sie eiligen Fußes,
da es für einen Frevel gehalten wird, auf den Inseln zu verweilen.
caespitem Libyci soli
Europae et oram memorat insulas duas
interiacere; nuncupari has Herculis
ait columnas; stadia triginta refert
has distinere; horrere silvis undique
inhospitasque semper esse nauticis.
inesse quippe dicit ollis Herculis
et templa et aras. invehi advenas rate,
deo litare, abire festino pede,
nefas putatum demorari in insulis.
 
Habe ich da etwas überlesen?

Welchen Grund sollen die Punier denn gehabt haben, die Meerenge zu sperren?

Das Zinn soll zu der Zeit nicht mehr DIE Rolle gespielt haben, da Bronze zunehmend vom Eisen ersetzt wurde.
Die Purpurschnecken auf den Kanaren, wie ich anderen Orts las, auch nicht.
BB nannte Westafrika. Aber was von derart hohem Wert soll von dort gekommen sein?
 
Habe ich da etwas überlesen?

Welchen Grund sollen die Punier denn gehabt haben, die Meerenge zu sperren?

Du hast völlig recht. Wir sprachen zu Beginn dieses Threads um den Zinnhandel in der Bronzezeit, um die Beteiligung der Phönizier dabei, die im Westen später in den Machtbereich Karthagos gelangten.

Ich denke aber, dass mit dem Beginn der Eisenzeit, die im Nahen Osten etwa um 1200 v. Chr und in Mitteleuropa um 800 v. Chr. einsetzte (alles Annäherungswerte), die Zeit der Bronzeverarbeitund längst nicht abgelaufen war. Noch Jahrhunderte später wurden Geräte, Statuen und andere Gegenstände aus Bronze gefertigt, sodass immer noch das seltene Zinn aus den bekannten Minen gefördert werden musste - u.a. auch von unseren "Zinninseln".
 
BB nannte Westafrika. Aber was von derart hohem Wert soll von dort gekommen sein?

Westafrika ist Goldland.

Du hast völlig recht. Wir sprachen zu Beginn dieses Threads um den Zinnhandel in der Bronzezeit, um die Beteiligung der Phönizier dabei, die im Westen später in den Machtbereich Karthagos gelangten.

Ich denke aber, dass mit dem Beginn der Eisenzeit, die im Nahen Osten etwa um 1200 v. Chr und in Mitteleuropa um 800 v. Chr. einsetzte (alles Annäherungswerte), die Zeit der Bronzeverarbeitund längst nicht abgelaufen war. Noch Jahrhunderte später wurden Geräte, Statuen und andere Gegenstände aus Bronze gefertigt, sodass immer noch das seltene Zinn aus den bekannten Minen gefördert werden musste - u.a. auch von unseren "Zinninseln".

Wie gesagt: Zinn gab es auch im Mittelmeerraum: Zypern, Sardinien, italienischer Stiefel, äygptische Rotmeerküste, Illyricum.

Richtig ist natürlich, dass Bronze in der Bildhauerei und auch bei der öffentlichen Ausstellung von Gesetzestafeln in den Städten eine bedeutende Rolle spielte.
 
Wie gesagt: Zinn gab es auch im Mittelmeerraum: Zypern, Sardinien, italienischer Stiefel, äygptische Rotmeerküste, Illyricum.

Die ergiebigen Zinnminen im englischen Cornwall waren bereits während der frühen Bronzezeit in Betrieb und wurden seit etwa 1500 v. Chr. zur Hauptversorgungsquelle des Mittelmeerraums ("Zinninseln") und Mitteleuropas. Vermutlich wickelten die Phönizier, die mit ihren Schiffen die Straße von Gibraltar durchqueten und den Atlantik befuhren, den größten Teil des lukrativen Zinnhandels ab. Bedeutende Zinnvorkommen gab es ferner in Kleinasien, daneben kleine Vorkommen in SW-Frankreich und im Westen der Iberischen Halbinsel.

Es gibt hierzu eine schöne Karte, die Rohstoffquellen und Handelswege im Europa der Bronzezeit zeigt: Großer Atlas zur Weltgeschichte, Seite 4, Karte (5): Rohstoffquellen und Handelsverbindungen in der Bronzezeit. Westermann Verlag.

In Europa lag ein frühes Zentrum der Bronzezeit zu Beginn des 2. Jt. v. Chr. in Böhmen und Mitteldeutschland (Aunjetitzer Kultur). Auch die Zinnvorkommen in SW-England sind wahrscheinlich schon vor der 1. Hälfte des 2. Jt. v. Chr. ausgebeutet worden. Jedenfalls müssen sehr weiträumige Handelsverbindungen vorausgesetzt werden, die zur Herausbildung bronzezeitlicher Kulturformen führten.

(Lexikon Alte Kulturen, Bd. 1, Mannheim 1990, S. 372)
 
Du hast völlig recht. Wir sprachen zu Beginn dieses Threads um den Zinnhandel in der Bronzezeit, um die Beteiligung der Phönizier dabei, die im Westen später in den Machtbereich Karthagos gelangten.

Ich denke aber, dass mit dem Beginn der Eisenzeit, die im Nahen Osten etwa um 1200 v. Chr und in Mitteleuropa um 800 v. Chr. einsetzte (alles Annäherungswerte), die Zeit der Bronzeverarbeitund längst nicht abgelaufen war. Noch Jahrhunderte später wurden Geräte, Statuen und andere Gegenstände aus Bronze gefertigt, sodass immer noch das seltene Zinn aus den bekannten Minen gefördert werden musste - u.a. auch von unseren "Zinninseln".

Schon klar. Die Bedeutung hat aber doch deutlich abgenommen.

OT: Kürzlich war ich mal wieder auf der Heuneburg. (80 Tonnen Loch anschauen) Bei einem längeren Gespräch hat man meine Meinung, dass die Heuneburg im Zusammenhang mit den Bohnerzvorkommen der Alb stehen, als eine von mehreren Thesen bezeichnet.


Zitat ElQ
Gold

Das könnte natürlich sein.
Mal schauen
 
Zwischenstand, Korrekturen und Ergänzungen werden gerne entgegen genommen:


Nicht zurückzuweisen als Zeuge ist Dionysius,
der lehrt, Tartessius sei das Ende Libyens/Afrikas.

Europae in agro, quod vocari ab incolis
Sacrum indicavi, prominens subducitur.
Zwischen beiden Orten fließt ein schmaler Kanal
welcher Herma oder Straße des Herkules genannt wird,
Euktemon, der Einwohner von Amphipolis, sagt

non plus habere longitudinis modo
quam porriguntur centum et octo milia
et distineri terras milibus tribus.
Hier stehen die Säulen des Herkules, welche nach dieser Art
beide Kontinente haben, so lesen wir.

Abyla und Calpe sind ferner gleich stark herausragende Felsen.
Calpe liegt auf spanischem Grund,
Abyla ist maur(us)isch.
namque Abilam vocant
gens Punicorum, mons quod altus barbaro est,
id est Latino, dici ut auctor Plautus est.
Calpeque rursum in Graecia species cavi
teretisque vis nuncupatur urcei.
Atheniensis dicit Euctemon item
non esse saxa aut vertices adsurgere
parte ex utraque.
Zwischen (inter von interiacere) den Weiden des libyschen/afrikanischen Grundes
und der Küste Europas, bringt er in Erinnerung, dass dort zwei Inseln
liegen; diese sagt er, werden feierlich die Säulen des Herkules genannt.
Er informiert, dass diese 30 Stadien auseinander liegen; struppige und unwirtliche Wälder sind sie den Schiffsleuten [semper esse nauticis?].
Auf ihnen nämlich sind die Töpfe des Herkules
und Tempel und Altäre. Die dahinkommenden Seeleute fahren sie an
um dem Gott zu opfern, sie verlassen sie eiligen Fußes,
da es für einen Frevel gehalten wird, auf den Inseln zu verweilen.
 
Die ergiebigen Zinnminen im englischen Cornwall waren bereits während der frühen Bronzezeit in Betrieb und wurden seit etwa 1500 v. Chr. zur Hauptversorgungsquelle des Mittelmeerraums ("Zinninseln") und Mitteleuropas.

Hast Du dazu einen Hinweis auf eine neuere Literaturstelle bzw. eine entsprechende Gesamtbetrachtung über die Zinnzufuhr und den Zinnverbrauch im Mittelmeerraum?
 
Hast Du dazu einen Hinweis auf eine neuere Literaturstelle bzw. eine entsprechende Gesamtbetrachtung über die Zinnzufuhr und den Zinnverbrauch im Mittelmeerraum?

Die Kelten in Deutschland, Theiss Verlag, 2001

fast wörtlich wie von Dieter genannt


Im selben Buch wird das allmähliche Ende der Oppida-Kultur mit der zunehmenden Verwendung von Eisen erklärt.
Die Beherrschung der Handelswege durch die bisherigen Eliten nicht mehr die große Bedeutung gehabt hätte.
womit wir wieder bei der sagenhaften Gibraltar-Sperre wären-
 
Zuletzt bearbeitet:
So, dann einmal mein (teilweise unsicherer) Übersetzungsversuch dieser Stelle von Avienus:

Man darf nicht Dionysius als Zeuge verwerfen,
der lehrt, dass die Grenze Libyens das Tartessische sei.
Im Gebiet Europas, das von den Einwohnern "Sacrum" (=Heiligtum) genannt wird,
wie ich gezeigt habe, zieht sich ein Vorgebirge in die Höhe.
Zwischen beiden Orten fließt die enge Meeresflut,
die sodann Herma oder Straße des Hercules genannt wird,
Euctemon, ein Einwohner der Stadt Amphipolis, sagte,
nicht mehr habe sie an Maß der Länge als
hundertachttausend (Schritte?) ausgedehnt werden,
und getrennt würden die Länder von dreitausend (Schritten?).
Hier stehen die Säulen des Hercules, von denen wir lesen,
dass sie als Grenze jeder der beiden Kontinente hat.
Abila und Calpe sind gleich weit herausragende Felsen.
Calpe ist auf spanischem Boden,
Abila auf dem der Mauren. Denn Abila nennt ihn
das Volk der Punier, was "hoher Berg" im Barbarischen heißt,
das heißt es im Lateinischen, wie versichert zu werden Plautus der Urheber ist.
Und Calpe wiederum wird in Griechenland
eine Art eines Kruges hohlen und runden Wesens genannt. (Anmerkung: "Kalpe" ist das griechische Wort für Urne.)
Der Athener Euktemon sagt, dass nicht in gleicher Weise
die Felsen sind oder sich die Gipfel erheben
aus jedem der beiden Teile. Er erinnert, dass zwischen
dem Rasen des libyschen Bodens und der Küste Europas zwei Inseln
liegen; er sagt, dass diese die Säulen des Hercules
genannt werden; er wiederholt, dass diese dreißig Stadien
trennen; sie starren überall von Wäldern
und sind für die Seeleute immer unwirtlich.
Er sagt, dass sich allerdings auf den Töpfen (?) des Hercules
sowohl Tempel als auch Altäre befinden. Die mit dem Schiff Reisenden fahren sie an,
opfern dem Gott und reisen eilenden Fußes ab,
da es für Frevel gehalten wurde, auf den Inseln zu verweilen.


@ El Quijote:
Ich weiß, dass "Er sagt, dass sich allerdings auf den Töpfen des Hercules sowohl Tempel als auch Altäre befinden." irgendwie nicht sehr sinnvoll klingt, aber "Auf ihnen nämlich sind die Töpfe des Herkules und Tempel und Altäre." ist grammatikalisch meiner Meinung nach nicht möglich, da "ollis" nur Dativ oder Ablativ sein kann; "inesse" bezieht sich aber meiner Meinung nach eindeutig auf "ollis", also muss etwas auf oder in den Töpfen sein. Jedenfalls aber kann man die "ollis" nicht in eine Aufzählungsreihenfolge mit den "templa" und "aras" bringen, da Letztere im Akkusativ sind. Ich kann mir das ganze nur so erklären, dass "Töpfe" eine Metapher für "Erhebungen" sein soll.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke!

Auf welche Literatur wird denn da verwiesen, auf die sich die Autoren für diese Aussage beziehen?

Du kannst das auch nachlesen in einem älteren, aber in weiten Teilen immer noch aktuellen Werk: Stuart Piggott, Vorgeschichte Europas. Vom Nomadentum zur Hochkultur, München 1965/1972, S. 167 f.
 
Überlegung zu ollis

Wir sind uns ja einig, dass das mit den Töpfen auf denen die Tempel und Altäre stehen sollen, seltsam ist und wohl kaum die intendierte Aussage des Ausonius sein kann. Was soll ollis also bedeuten?

Kann es sein, dass es sich um einen Gallizismus handelt?

Ausonius Geburtsstadt ist Bourdeaux, Burdigala, eine ursprünglich keltische Siedlung im keltisch-baskischen (wenn das altaquitanische denn baskisch ist) Grenzgebiet. Er hätte also mit einer Wahrscheinlichkeit ein regionales keltisches Substrat in seinem Wortschatz haben können.

Der Grund meiner Annahme: Im Portugiesischen und Spanischen gibt es das Wort ola, Welle. Beide Sprachen haben ein regionales keltisches Substrat, welches sie mit der Restromania nicht teilen. Wenn ollis also 'die Wellen' wären, dann hätten wir es mit von Wellen umspülten Inseln zu tun, die Tempel stünden also - aus der Ferne betrachtet - auf Wellen.
Allerdings verwendet Ausonius in dem Gedicht auch den eigentlichen lateinischen Begriff für Welle, unda, was ein erster Schwachpunkt meiner These ist.
Ein zweiter Schwachpunkt meiner Überlegung: Die Real Academia Española schreibt in ihrem Diccionario unter ola zwar etwas von einem unsicheren Ursprung des Wortes, aber im Vgl. zum katalanischen ona, welches schon näher am italienischen onda und am lateinischen Etymon unda ist, könnte das portugiesisch-spanische ola auf dasselbe zurückgehen. Der Konsonantenwechsel n > l ist in den romanischen Sprachen nicht ganz selten, was daran liegt, dass beide Laute alveolar (also am Zahnfächer, Alveolen, gebildet) sind.
Siehe z.B. Panhormos > Palermo, Onuba > Huelva, Barkino > Barcelona.

Insofern ist eine Ableitung der ola von onda doch fast wahrscheinlicher und das Rätsel um die ollis bleibt bestehen.

(Und in den modernen keltischen Sprachen ist die Welle Tonn, Donn oder Sùmaid)
 
Ähm ... Das Gedicht ist nicht von Ausonius, sondern von Avienus, und der stammte aus Volsinii in Etrurien.
 
Man kann olla als Topf, aber auch als Kessel verstehen. Nun ist Herakles verschiedenen Versionen zufolge in einem Sonnenkessel zur Insel des Geronyeus gefahren, um von dort die Rinder zu stehlen. Ich habe auf die Schnelle nichts gefunden, wo gesagt wird, wo er mit diesem Kessel wieder anlandet, denn er fährt ja damit nicht zurück nach Griechenland, sondern treibt die Rinder über Land. Insofern kann sich "Töpfe oder Kessel des Herakles" als Metapher lesen lassen.
 
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