Die Zeit nach Augustus und der Cäsarenwahnsinn in der julisch-claudischen Dynastie

Man muss nur aufmerksam die Nachrichten zu diversen „Missbrauchskomplexen“ zu verfolgen, da sieht man, dass diese Dinge vorkommen. Das heißt nicht, dass Tiberius sich solcher Dinge schuldig gemacht hat, sondern lediglich, dass sie eben nicht vollkommen abwegig sind. Man müsste schon begründen, warum diese Dinge heute hunderttausendfach vorkommen, in der Antike aber nicht.

Das Wort „Vorkommen“ ist an dieser Stelle nicht sehr glücklich gewählt, denn auch in der Antike kamen „diese Dinge“ vor, wurden aber erstens nicht aufgeschrieben – es sei denn, sie betrafen wichtige Persönlichkeiten –, und zweitens lebten in der Antike sehr viel weniger Menschen als heute.

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Im Kontakt mit Menschen aus „Ostdeutschland“ muss ich immer wieder feststellen, wie unterschiedlich die Bewertung der Kriminalität in der Ex-DDR und jetzt Gesamtdeutschland beurteilt wird: Weil die DDR keine Kriminalstatistik veröffentlichte, beschränkte sich das Wissen der Menschen dort nur auf Fälle, die in ihrer unmittelbaren Umgebung passierten, alles andere aber, was außerhalb dessen passierte, „existierte“ für sie nicht, weil nicht publiziert.

Dieses Phänomen konnte man auch noch etliche Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges beobachten, das meistens in der Bemerkung gipfelte: „Das hat es unter Adolf nicht gegeben“. Warum? Weil auch die Nazis die Kriminalstatistik unter Verschluss hielten.

Ich schätze, dass das Niveau der Kriminalität in der Antike ähnlichen Bedingungen unterworfen war wie heute (Erziehung, ökonomische Verhältnisse, etc.).

Zum Eigentlichen: Oktavian hat vom Senat Kompetenzen und Macht übertragen bekommen, die zuvor Julius Cäsar noch vorenthalten wurden. Rom hat damit unter Oktavian/Augustus gute Erfahrungen gemacht, doch seine Nachfolger waren weniger „erhaben“ als er, da sie aber die gleichen Kompetenzen geerbt haben, konnten sie durchregieren wie er – nur schlechter.

Mein Reden ist daher immer: Bei verabschieden von Gesetzen muss man sehr vorsichtig sein und immer daran denken, was eine extreme Links- oder Rechtsregierung* damit machen könnte. Mag ein Gesetz zu einem Zeitpunkt als sinnvoll erscheinen – oft gibt es dazu vom zuständigen Ministerium Begleittexte –, doch im Zweifelsfall gilt nur der Gesetzestext und die ganzen Kommentare, die dazu erscheinen, können später durch andere, willfährige Gutachter widersprochen und ad acta gelegt werden.

* Dazu ein Zitat aus der heutigen Süddeutschen (Seite drei): "Was wäre, wenn in Frankreich Populisten an die Macht kommen? Der linke Jean-Luc Mélenchon sieht in der deutschen Politik immer noch Bismarck am Werk. Deutschland sei eine Gefahr und bedrohe die französische Zivilisation. Mélenchon hat bei den letzten Wahlen gerade bei den jungen Menschen besonders gut abgeschnitten. Die rechte Populistin Marine Le Pen, die bei der Wahl nah an die absolute Mehrheit kam, würde mindestens die Zusammenarbeit in verteidigungspolitischen Fragen mit Deutschland beenden. Sie warf Deutschland vor, für "die absolute Verneinung der französischen strategischen Identität" zu stehen."
 
Drusus war Tiberius' jüngerer Bruder, wurde aber dennoch bevorzugt.
War das so? Oder liegt der Eindruck eher daran, dass zunächst Drusus in Germanien aktiv war und somit in Deutschland eher wahrgenommen wird? (Oder auch daran, dass Tiberius später gegenüber anderen potentiellen Erben zurückgesetzt wurde?)

Tiberius wurde 23 v. Chr. Quaestor, 16 v. Chr. Praetor, 13 v. Chr. Konsul - vor dem Mindestalter.
Drusus wurde 18 v. Chr. Quaestor, 11 v. Chr. Praetor, 9 v. Chr. Konsul - ebenfalls vor dem Mindestalter.
Tiberius durfte bereits nach seiner Quaestur im Osten erste eigenständige militärische und diplomatische Erfahrungen sammeln.
Beide Brüder eroberten zusammen Rätien.
Während Drusus in Germanien aktiv war, drehte Tiberius nicht Däumchen, sondern eroberte Pannonien. (Eine Aufgabe, die man keinesfalls unterschätzen sollte, immerhin plagten sich die Römer seit zwei Jahrhunderten mit Illyrien - zu dem im weiteren Sinne auch Pannonien gerechnet wurde - herum.)
Für die Nachfolge vorgesehen war zu dieser Zeit keiner der beiden Brüder, sondern zunächst Augustus' Neffe Marcellus, dann sein Kumpel Agrippa, der die tribunicia potestas erhielt, dann dessen Söhne Gaius und Lucius Caesar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Drusus war Tiberius' jüngerer Bruder, wurde aber dennoch bevorzugt.
Sorry, bin nicht so der Dynastienforscher.

Bei den Militäraktionen des Tiberius ist zu hinterfragen, in wie weit sie der Phantasie des Velleius entsprangen, also Propagandamaßnahmen waren, um Tiberius aus dem Schatten des Drusus zu holen.
Den "immensum bellum" hat es eventuell nie gegeben.
Ich habe mich zwar auch schon irgendwo hier im Forum dahingehend geäußert, dass aus meiner Sicht die Möglichkeit bestünde, dass der immensum bellum gar nicht so immens gewesen sein mag, ABER wir sollten uns doch immer Folgendes vor Augen halten: Velleius schrieb nicht für uns. Velleius schrieb für seine Zeitgenossen mit Ausblick vielleicht auf ein paar Generationen nach ihm. Diesem Adressatenkreis einen erfundenen Krieg unterzujubeln, der gar nicht stattgefunden habe, scheint mir eine eher zu vernachlässigende Hypothese zu sein. Zudem war Velleius selber Militär. Insofern ist es recht wahrscheinlich, dass der ja auch in Pannonien erfolgreiche Tiberius wahrscheinlich ein fähiger Oberbefehlshaber war, sonst hätte der Militär Velleius wohl kaum so panegyrisch über ihn geschrieben.

Das Wort „Vorkommen“ ist an dieser Stelle nicht sehr glücklich gewählt, denn auch in der Antike kamen „diese Dinge“ vor, wurden aber erstens nicht aufgeschrieben – es sei denn, sie betrafen wichtige Persönlichkeiten –, und zweitens lebten in der Antike sehr viel weniger Menschen als heute.
3 % (willkürlich gewählte Zahl) sind 3 %, egal ob die Welt von 50 Millionen (willkürliche Zahl) oder von 8 Milliarden Menschen bevölkert ist.
 
Guten Morgen,

hier nochmal die Quelle woher dieses Schauerbild kommt, bzw. wie es in die Öffentlichkeit weitertransportiert wurde:
Teure Schlachtplatte
Teure Schlachtplatte »Caligula«. Italien 1979; 160 Minuten; Farbe. DER SPIEGEL 6/1980 03.02.1980

Und genau diese Darstellung hat das Bild eines römischen Kaisers wie Caligula in der Öffentlichkeit geprägt hat, bzw. Kinokonsumenten, denn die Wenigsten beschäftigen sich mit historischen Quellen.
Mir ist aufgefallen, dass eine lange Liste von Exploitations-, Zombie- und Kannibalenfilmen maßgeblich von italienischen oder italienischstämmigen Regisseuren, Produzenten etc. geprägt wurde, was natürlich die Frage aufwirft, welche sonderbare Einstellung man in Italien zur Darstellung von Sexualität und expliziter Gewaltpornographie hat.

Vermutlich ist nichts dran, sondern es geht einfach nur um Sex, Crime and Violence sells ...
Daher auch die Verbindung von Tito Brass und Bob Guccione.
Ich finde es verwundertlich, sollte man doch erwarten, dass man in Italien eher eine Bewunderung auf die Leistungen des Imperium Romanums setzt, Monumentalschlachten auf die Leinwand bringt ... aber ganz bestimmt nicht die Dekdadenz und die (möglichen) Perversionen einiger Kaiser nach Augustus.
Hätte es das gegeben ... würde es eher schamhaft versteckt werden. Verbannen, im hintersten Winkel einer Vatikanischen Bibliothek verstecken aber ganz bestimmt nicht damit trommeln und die Bahnhofskinos fluten, mit der Botschaft "Schau mal wie pervers und krank unsere Vorfahren waren" - dann kam die katholische Kirche, Sexualität und Nacktheit wurde verboten (überspitzt gesagt) und alles wurde anders --- was natürlich auch nicht stimmt, denn einige Päbste konnten auch ihre speziellen Neigungen hinter verschlossenen Mauern ausleben.

Es ist sicherlich völliger Quatsch zu sagen, dass die Grausamkeit in Italien ihren Ursprung aus der Römerzeit hatte aber ihre Darstellung ist schon auffällig. Oder hat es etwas mit der Erfahrung durch Mussolinis Faschismus zu tun? Nein, wahrscheinlich nicht.
Die These ist einfach zu steil und nicht haltbar, aber vielleicht gab es ja doch etwas aus dieser Zeit, was überlebt und seinen Weg in die Neuzeit gefunden hat. Ich weiß auch, dass ihr diese These in der Luft zerreissen werdet, denn Italien ist nicht weniger grausam, perverser oder sadistischer als andere Länder, das ist natürlich Bullshit.

Filmemacher wie Brass werden wohl die alten Quellen über Tiberius und Caligula gelesen haben, sie "künstlerisch", effektheischend extrem überhöht und daraus einen provokativen Skandalfilm zu machen, um mit dem Nebensatz "Den musst Du unbedingt gesehen haben. Da sind schon Leute kotzend aus dem Bahnhofskino gerannt" - ordentlich CASH zu machen. Ganz einfaches Sex (und Ekel) sells.
Die Tatsache, dass es sich um Römer handelte war vielleicht Zufall. Und auf der gleichen Welle schwammen dann die Agripina-, Messalina- und Poppea-Filme, die "Hure Roms", etc. etc.
Komischerweise waren diese Art von sehr abstoßenden Schweinkram-Filmen aber eine italienische Spezialität.
 
Ja, natürlich ging es um's Geschäft:
Im Jahr 1979 produzierte Guccione den Film Caligula, von dessen Schnitt er den Regisseur Tinto Brass ausschloss und pornografische Szenen hinzufügen ließ. Von Filmkritikern bekam der Film keine guten Bewertungen. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs zählte Guccione zu den reichsten Menschen in den Vereinigten Staaten und war im Jahr 1982 in der ersten Ausgabe der Forbes-400-Rangliste – in der die reichsten Amerikaner verzeichnet sind –, mit einem damaligen Vermögen von etwa 400 Millionen US-Dollar vertreten.
Quelle: WP
 
Ich finde es verwundertlich, sollte man doch erwarten, dass man in Italien eher eine Bewunderung auf die Leistungen des Imperium Romanums setzt, Monumentalschlachten auf die Leinwand bringt ... aber ganz bestimmt nicht die Dekdadenz und die (möglichen) Perversionen einiger Kaiser nach Augustus.

Das dürfte sehr vom Weltanschaulichen Standpunkt der entsprechenden Künstlers und Publikums abhängen.

Gerade, wenn man über Darstellungen aus der Zeit von vor 1990 denkt und berücksichtigt, dass Italien eine sehr starke politische Linke hatte, mit dem PCI auch eine der stärksten kommunistischen Parteien Europas, gab es sicherlich auch ein Publikum, dass nicht unbedingt scharf darauf war die römische Sklavenhaltergesellschaft besonders positiv zu sehen und das möglicherweise auch ein Interesse hatte gewisse negative Ausschweifungen in der römischen Antike etwas überzeichnet zu sehen.

Hätte es das gegeben ... würde es eher schamhaft versteckt werden. Verbannen, im hintersten Winkel einer Vatikanischen Bibliothek verstecken aber ganz bestimmt nicht damit trommeln und die Bahnhofskinos fluten, mit der Botschaft "Schau mal wie pervers und krank unsere Vorfahren waren" - dann kam die katholische Kirche, Sexualität und Nacktheit wurde verboten (überspitzt gesagt) und alles wurde anders --- was natürlich auch nicht stimmt, denn einige Päbste konnten auch ihre speziellen Neigungen hinter verschlossenen Mauern ausleben.

Das hätte allerdings eine einheitliche Identifikation der Bevölkerung mit den römischen Kaisern vorausgesetzt, was gerade vor dem Hintergrund der Verhältnisse des klaten Krieges und den politischen Verhältnissen in Italien allerdings etwas den Umständen widersprochen hätte.

Warum genau hätten sich, im besonderen die politisch links stehenden Teile der italienischen Bevölkerung nun ausgerechnet mit Päpsten oder römischen Kaisern identifizieren sollen?

Es ist sicherlich völliger Quatsch zu sagen, dass die Grausamkeit in Italien ihren Ursprung aus der Römerzeit hatte aber ihre Darstellung ist schon auffällig. Oder hat es etwas mit der Erfahrung durch Mussolinis Faschismus zu tun? Nein, wahrscheinlich nicht.
Die These ist einfach zu steil und nicht haltbar, aber vielleicht gab es ja doch etwas aus dieser Zeit, was überlebt und seinen Weg in die Neuzeit gefunden hat. Ich weiß auch, dass ihr diese These in der Luft zerreissen werdet, denn Italien ist nicht weniger grausam, perverser oder sadistischer als andere Länder, das ist natürlich Bullshit.

Erstmal ist es es einfach ganz gut vorstellbar, dass die Überlieferung entsprechender Gerüchte und Erzählungen in Italien wesentlich dichter ist, als anderswo, weil Italien und im Besonderen Rom eben seit über 2.000 Jahren ein urbanes politisches/religiöses Zentrum ist, dass einen entsprechenden Hintergrund bietet und dass über Jahrhunderte die volle Aufmerkasamkeit des übrigen Europas genoss.
Schon in dieser Hinsicht ist es ja durchaus einzigartig und da wundert es auch nicht, wenn es ausgerechnet von dort viele schaurige Darstellungen gibt, die sich künstlerisch adaptieren ließen.
 
Marcello Durante behauptet in seiner Geschichte der italienischen Sprache, dass selbst, als Augustus die Appeninhalbinsel politisch zu einem Ganzen zusammenfasste, sich keine italienische Identintität herausbildete und nach 476 ja sowieso wieder alles zerfiel. Zwar wurde das Florentinische seit dem 15. Jhdt. immer mehr zur Dachsprache, aber das war lange keine ausgemachte Sache und erst unter dem Faschismus kam es zu einer stärkeren sprachlichen Vereinheitlichung Italiens.
Politisch war Italien seit dem Zusammenbruch Roms bis ins 19. Jhdt. immer vielgeteilt. Da waren zunächst Ostgoten und Byzantiner, später Byzantiner und Langobarden, die Araber kamen hinzu, die langobardischen/lombardischen Gebiete gingen in Reichsitalien auf und Stadtstaaten entstanden (Venedig, Genua...), es gab den Kirchenstaat, irgendwann veränderten die Normannen das politische Gleichgewicht in Italien und schließlich kamen die Staufer hinzu, in der Renaissance blühten im Norden die Stadtstaaten, während Frankreich (die Angevinen) und Aragón (bzw. später Spanien) sich in Süditalien und Sizilien gegenseitig die Klinke in die Hand gaben (nicht immer ganz freundlich zueinander). Ein italienischen Nationalgefühl (das in einer vereinheitlichten Nationalsprache Ausdruck finden konnte), konnte sich also erst seit dem 19. Jhdt. (Garibaldi) wirklich entwickeln.
 
Ein italienischen Nationalgefühl (das in einer vereinheitlichten Nationalsprache Ausdruck finden konnte), konnte sich also erst seit dem 19. Jhdt. (Garibaldi) wirklich entwickeln.
Goethe, Seume, sogar Eichendorffs Taugenichts, von zahlreichen Malern und Architekten zu schweigen - die "klassische" Bildungsreise des 18. & 19. Jhs. war doch "Italien". Zumindest hier wird das Italien der Künste, der Kultur, nicht als zerteilt wahrgenommen bzw. dargestellt. Das ist freilich nur eine Außenperspektive.
 
Goethe, Seume, sogar Eichendorffs Taugenichts, von zahlreichen Malern und Architekten zu schweigen - die "klassische" Bildungsreise des 18. & 19. Jhs. war doch "Italien". Zumindest hier wird das Italien der Künste, der Kultur, nicht als zerteilt wahrgenommen bzw. dargestellt. Das ist freilich nur eine Außenperspektive.

War dies nicht "Italien" als Landschaft?
So wie "Balkan" oder "Orient" ?
 
Als politische Einheit gab es „Italien“ im Mittelalter und der frühen Neuzeit lange insofern als sich zunächst diverse Regionalpotentaten, dann etliche ostfränkische/deutsche Könige zu „Königen von Italien“ krönen ließen, wodurch „Italien“ dann auch zu einem der drei Teile des HRR wurde. Allerdings umfasste dieses „Italien“ faktisch nur die nördliche Hälfte der Halbinsel und war nie mehr als ein Sammelsurium von Fürstentümern und Städten, über die der König eine mehr oder minder intensive reale Herrschaft ausüben konnte.
 
„Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh‘n“ ist die Außensicht. Die Innensicht war eben regional fragmentierter.
 
dann dessen Söhne Gaius und Lucius Caesar
Was aber wichtiger war, sie waren die Enkelkinder des Augustus durch deren Mutter Julia.

Es wird auch darüber spekuliert, ob Augustus der leibliche Vater von Drusus war. Schließlich holte er sich dessen Mutter Livia ins Haus, als sie mit Drusus schwanger war. Die Tendenz in der Wissenschaft geht - wenn ich die Diskussion richtig einschätze - eher zu einer Verneinung der Vaterschaft.

Tiberius war "nur" der Sohn der Livia und geschiedener Ehemann der Augustus-Tochter Julia. Aus Sicht von Augustus war er daher in der Rangfolge logischerweise hinter Gaius und Lucius Caesar,
 
Das hätte allerdings eine einheitliche Identifikation der Bevölkerung mit den römischen Kaisern vorausgesetzt, was gerade vor dem Hintergrund der Verhältnisse des klaten Krieges und den politischen Verhältnissen in Italien allerdings etwas den Umständen widersprochen hätte.

Warum genau hätten sich, im besonderen die politisch links stehenden Teile der italienischen Bevölkerung nun ausgerechnet mit Päpsten oder römischen Kaisern identifizieren sollen?
Man muss das eher in den Kontext zu den Faschisten unter Mussolini setzen. Unter den Faschisten wurde das Imperium Romanum als italienisches Erbe glorifiziert. Rom wurde städtebaulich auf links gedreht um die baulichen Hinterlassenschaften des IR ans Tageslicht zu holen. Kriegsschiffe wurden nach römischen Imperatoren benannt. Die faschistische Bewegung schmückte sich mit Insignien des IR. Daher dürften die italienischen Kommunisten nach dem II. Weltkrieg kritisch der antiken Geschichte gegenüber gestanden haben. Was die DDR ihren Thomas Müntzer gewesen ist, dürfte bei den italienischen Kommunisten dann Spartacus und die Gracchen gewesen sein.
 
Erstmal, schön mal wieder von dir zu lesen @flavius-sterius , ich glaube das ist schon etwas länger her. :)

Man muss das eher in den Kontext zu den Faschisten unter Mussolini setzen. Unter den Faschisten wurde das Imperium Romanum als italienisches Erbe glorifiziert.

Naja, unter Mussolini wurde das auf die Spitze getrieben, aber vorhanden waren diese Rückbezüge bereits vorher.
Alleine der Umstand, dass durch die italienische Nationalbewegung und auch die Politiker die Einbeziehung Roms in den neuen italienischen Staats unbedingt gewünscht wurde (wir hatten da kürzlich eine Diskussion im Forum über die "natürliche Hauptstadt") und man die Stadt denn auch nach Übernahme des verbliebenen Rumpf-Kirchenstaates 1870-1871, direkt zur Hauptstadt des Staates machte (zuvor waren das ja zunächst Turin, dann Florenz gewsen), legt den Wunsch an das Römische Reich anzuschließen ja bereits nahe.
Und auch in außenpolitischer Hinsicht, in der Vorstellung der 4. Küste, die die nordafrikanischen Gebiete um Tunis für Italien reklamierte, steckte auch bereits einiges an Anschlusswünschen, an die Vorstellung des Imperium Romanum (die Vorstellkung kommt bereits Mitte des 19. Jahrhunderts auf).


Rom wurde städtebaulich auf links gedreht um die baulichen Hinterlassenschaften des IR ans Tageslicht zu holen. Kriegsschiffe wurden nach römischen Imperatoren benannt.

Bei Kriegsschiffen bin ich mir nicht so sicher, ob es entsprechende Benenungen in der Regia Marina zwischen 1860 und 1922 schon gab.
Städtebaulich wurde schon früher deutlich an die römische Antike angeschlossen, z.B. in Form des "Monumento a Vittorio Emanuele II", dass zwar unter Mussolini fertiggestellt, aber bereits wesentlich früher entworfen wurde.

Monumento a Vittorio Emanuele II – Wikipedia

Auch andere Dinge, wie etwa der Umstand dass sich die ersten beiden Könige des neuen italienischen Staates ab 1860, Vittotio Emanuele II. und Umberto I . (samt Gattin), im Pantheon haben beisetzen lassen (nicht in Turin wo die Savoyer jahrhundertelang ihre Residenz hatten, auch nicht im Petersdom, im Lateran, im Dom von Florenz oder in San Marco (an prächtigen Sakralbauten, die sich als Grablege eigneten gab es in Italien ja wahrlich keinen mangel) spricht schon eine deutliche Sprache, dass man den Anschluss an das Römische Reich suchte und auch das Bedürfnis hatte das zu demonstrieren.
Deutlich vor Mussolini, wobei du natürlich insofern recht hast, dass der das auf die Spitze trieb. Nicht nur im Hinblick auf das Freilegen antiker Hinterlassenschaften, sondern auch mit dem Versuch, dass im Rahmen der "Esposizione Universale di Roma" (EUR) in die Moderne zu übersetzen.

Daher dürften die italienischen Kommunisten nach dem II. Weltkrieg kritisch der antiken Geschichte gegenüber gestanden haben.

Ich denke, dass man das aus den genannten Gründen nicht nur auf Mussolini bezogen haben wird, weil die Rezeption der Rom-Bezüge breiter war als die faschistische Bewegung, zumal die Auseinandersetzung mit der Monarchie und dem Erbe der nicht dezidiert faschistischen Nationalisten, Konservativen und Irredentisti über den 2. Weltkrieg hinaus ging, insofern Italien ja 1946 vor der Frage stand, welche Staatsform es annehmen wollte, die Absetzung der Monarchie und Einführung einer Republik war ja durchaus kein Selbstläufer.

Die Faschisten waren nach 1945 keine ernstzunehmende politische Macht mehr in Italien, die Konservativen und in der ersten Zeit auch Königstreue, die sich mit dem Ende der Monarchie nicht so recht abfinden konnten (immerhin hatten bei dem Referendum 1946 noch 45,7% für die Beibehaltung der Monarchie gestimmt), waren das schon.

Insofern lässt sich dieser Stil durchaus nicht nur als dezidierte Reaktion auf dem Faschismus, sondern sicherlich auch auf das Prinzip der Monarchie, dass in Italien länger eine breite Basis hatte, als der Faschismus, im Rahmen einer insgesamt antimonarchischen Haltung verstehen.

Was die DDR ihren Thomas Müntzer gewesen ist, dürfte bei den italienischen Kommunisten dann Spartacus und die Gracchen gewesen sein.

Das nun sicherlich, aber deswegen, musste der entsprechend dargestellte Nero oder andere Römische Imperatoren mit zweifelhaftem Ruf noch lange nicht unbedingt Mussolini sein, zumal gerade im kommunistischen Lager ja lange die Vorstellung vorherrschte, dass der Faschismus lediglich eine Abart des Kapitalismus und in diesem Sinne eigentlich kein eigenständiges Phänomen sei, zumal gerade der Italo-Faschismus ja deutlich weniger mit den vormaligen großbürgerlichen Eliten brach, als es das der Nationalsozialismus in Deutschland tat.

Auch die reißerischen Darstellungen gewisser Ausschweifungen der Päpste, dürfte entsprechend vor allem auch mit der Vormachtsstellung der eng mit der katholischen Kirche verbandelten Konservativen und Monarchisten korrespondiert haben und in diesem Sinne auch Vorwurf an (damals) aktuellere geselslchaftliche Verhältnisse.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wird auch darüber spekuliert, ob Augustus der leibliche Vater von Drusus war.
Das kann man ausschließen, weil es chronologisch unmöglich ist:
Drusus wurde im Jänner 38 v. Chr. geboren, muss also in der späten ersten Jahreshälfte 39 v. Chr. gezeugt worden sein. Damals weilten Tiberius Claudius Nero und Livia aber gar nicht in Italien, da sie zuerst nach Sizilien und dann nach Griechenland geflohen waren. Erst nachdem sich im Sommer 39 v. Chr. die Triumvirn und Sextus Pompeius vertraglich arrangiert hatten, somit irgendwann in der zweiten Jahreshälfte 39 v. Chr., kehrten sie nach Italien zurück.
 
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