Die Zeit nach Augustus und der Cäsarenwahnsinn in der julisch-claudischen Dynastie

Guten Morgen liebe Leute,

gegen Eure bestechende Logik ist kein Kraut gewachsen und ich schäme mich auch, dass ich auf diese naheliegenden Dinge nicht selber komme.
Natürlich kann man aus der Neuzeit unmöglich einen möglichen Giftmordverdacht aus der Antike nachweisen, unmöglich. Es sei denn man hat das Skelett des Verstorbenen und findet in dem Spuren von Blei, Arsen oder was weiß ich. Selbst das wäre kein Hinweis auf den möglichen Täter.
Aber es muss ja einen Verdacht gegeben haben, wenn sich die Reihen der Augustus-Günstlinge auf sehr merkwürdige Weise lichten und die Nachfolgeregelung ausschließlich in eine ganz bestimmte Richtung geht.

Nun, dann war die julisch-claudische Familie vielleicht vielleicht gar nicht so schlecht wie ihr Ruf, oder?

Aber warum die Kritik an Livia Drusilla? Neu weil sie eine Frau war, nicht mehr der klassischen Rolle entsprach und zu viel Macht hatte?
Wen sollte das gestört haben? Den Senatoren, den Adelsfamilien?
Aber anscheinend hatte sie diese Neider, denen diese Vergötterung der Kaiserin anscheinend nicht gepasst hat.

Dann starb Livilla (* um 13 v. Chr.; † 31 n. Chr.) auch nicht dadurch, dass sie von ihrer eigenen Mutter Antonia zu Tode gehungert wurde.
Livilla starb kurz darauf entweder durch Tod oder durch Selbstmord.Laut Cassius Dio übergab Tiberius Livilla ihrer Mutter Antonia Minor, die sie in einem Raum einsperrte und verhungerte.
Anscheinend nicht klar.

Viele Grüße
 
Livilla starb kurz darauf entweder durch Tod oder durch Selbstmord.Laut Cassius Dio übergab Tiberius Livilla ihrer Mutter Antonia Minor, die sie in einem Raum einsperrte und verhungerte.
Kam da der Sensenmann, der olle Schnitter, höchstpersönlich vorbei (sie „starb …durch Tod“)?
 
Die Formulierung stammt aus einer unbeholfenen Übersetzung des Artikels über Livilla aus der englischen Wikipedia ( Livilla - Wikipedia ). Im Original heißt es dort: "Livilla died shortly afterwards, either being killed or by suicide. According to Cassius Dio, Tiberius handed Livilla over to her mother, Antonia Minor, who locked her up in a room and starved her to death." Mit "Tod" ist im Original also Ermordung gemeint.
 
Guten Morgen zusammen,

vielen Dank nochmal!
Okay, dann ist die Mär, dass Mutter Antonia ihre Tochter bewusst verhungern ließ, wahrscheinlich auch eine Räuberpistole, oder?
 
@BerndHH

Mit Verlaub, wie oft möchtest du noch mit Fragen in diesem Stil weitermachen?
Welche Antwort erwartest du jetzt?

Und was kommt dann? Das nächste Zitat aus Reader's Digest oder so, und die gleichen Fragen dazu?
 
Guten Morgen zusammen,

vielen Dank nochmal!
Okay, dann ist die Mär, dass Mutter Antonia ihre Tochter bewusst verhungern ließ, wahrscheinlich auch eine Räuberpistole, oder?

Es ist verständlich, dass Du in solchen Fällen eine klare Aussage erhoffst, aber die wird man Dir leider nicht geben können. Wie gesagt, die Ermordung von Gaius und Lucius scheint mir aus den genannten Gründen eher unwahrscheinlich, aber was hat meine Meinung schon für eine Relevanz?

Wenn Du selbst eine Einschätzung treffen möchtest, ist es oft ganz hilfreich, einmal nach den Quellen zu sehen. Woher kommt beispielsweise die Behauptung, eine bestimmte Person habe eine andere vergiftet, verhungern lassen, durch Meuchelmörder zu Tode gebracht etc.? Wo und bei wem ist das bezeugt, und konnte diese Person möglicherweise auf nährere Informationen zugreifen, die heute verloren sind?

Wenn wir einmal Tacitus nehmen: Er wirkte bereits unter den Flaviern in hohen Staatsämtern und erreichte 97 als (Suffekt-)Konsul das Ziel, das viele Römer aus der Oberschicht politisch anstrebten. Um 112 amtierte er als Prokonsul der wichtigen Provin Asia, als Plinius der Jüngere in der benachbarten Provinz Pontus und Bithynien als außerordentlicher Statthalter wirkte.

Falls es also Gerüchte gab, nach denen Livia die beiden Enkel des Augustus vergiften ließ, dürfte er davon erfahren haben. Außerdem hatte er Zugriff auf die Senatsakten und mehrere heute verlorene Geschichtswerke, etwa die des älteren Plinius. Obwohl Tacitus kein Zeitgenosse des Gaius und des Lucius war, kann er also über gute Quellen zu ihrem Leben und ihren Tod verfügt haben. Zugleich spricht aber auch er nur über Gerüchte, behauptet also nicht, Belege für diese Behauptung gefunden zu haben.

Aus solchen Überlegung kannst Du dann selbst Schlüsse ziehen, wenn Du möchtest. Das ist natürlich nur eine Anregung, wie man vielleicht vorgehen könnte.
 
Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen.

Zu absolut hieb- und stichfesten Aussagen über unnatürliche Todesfälle werden wir nur in seltenen Fällen gelangen können.

Wenn eine Person vor glaubwürdigen Zeugen gewaltsam ermordet wurde (wie etwa Caesar im Senat), ist es natürlich recht eindeutig. Offen bleiben allenfalls allfällige Hintermänner oder Mitbeteiligte.

Wenn eine Person plötzlich verstarb und sich ihr Gesicht verfärbte oder sie Schaum vor dem Mund hatte oder sich zuvor übergab, ist das schon weniger eindeutig. Gift? Oder nur eine Lebensmittelvergiftung? Oder doch eine Krankheit?

Wenn eine Person, die weder sonderlich alt noch offenkundig krank oder verletzt ist, plötzlich stirbt, ist das natürlich verdächtig – vor allem, wenn es erkennbare Nutznießer des Todes gibt. Ein Beweis, dass sie tatsächlich ermordet wurde, ist das aber trotzdem noch nicht. Und auch wenn sie ermordet wurde, muss nicht automatisch der offensichtliche Nutznießer dahinter stecken.

Umgekehrt, wenn eine alte Person stirbt und es Gerüchte gibt, dass nachgeholfen wurde (z. B. mit einem Polster auf dem Gesicht), erscheint das zwar weniger naheliegend, kann aber trotzdem nicht ausgeschlossen werden.

Viel mehr, als überlieferte Gerüchte über verdächtige Todesfälle auf ihre Plausibilität abzuklopfen, können wir nicht machen. Gewissheit werden wir nicht erlangen.
 
Wenn eine Person vor glaubwürdigen Zeugen gewaltsam ermordet wurde (wie etwa Caesar im Senat), ist es natürlich recht eindeutig.

Zumal dort die Täter stolz auf ihre Tat waren:

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Guten Morgen,

ja, Ihr habt ja recht. Man muss wohl die Angelegenheit vom Standpunkt der Logik aus betrachten, das relativiert natürlich vieles.
Anscheinend war die julisch-claudische Familie in einigen (altrepublikanischen) Kreisen sehr verhasst oder vielleicht wäre eine andere Patrizierfamilie ja gerne an deren Stelle gewesen. Dann setzt man natürlich gerne solche Gerüchte in die Welt.

War ein Pater familias|Matrona familias überhaupt rechtlich in der Lage, über seine Tochter zu richten?
Ehrenmord in der Antike, um die Familienehre wiederherzustellen.
Anscheinend ja. Durch eigene Hand richten oder wie es Augustus wohl gerne tat: verbannen.
Augustus hatte es ja gesetzlich geregelt.
Die Ehe- und Sittengesetzgebung des Kaisers Augustus (statistik-bw.de)
https://www.statistik-bw.de/Service/Veroeff/Monatshefte/PDF/Beitrag07_08_11.pdf

Wenn ein einfacher römischer Familienvater schon dieses Recht hatte, dann erst recht der Kaiser.

Also ich stelle mir das so vor.
Der Princeps|Kaiser manifestiert seine Macht u.a. auch durch Waffengewalt.
Es ist wohl kein Zufall, dass man sich mit der schwer bewaffneten Prätorianergarde und zusätzlich noch mit der Germanischen Leibwache umgibt.
Zum Schutz seines eigenes Lebens aber auch, um anderes Leben zu nehmen.
Zu Augustus Zeiten war dies wohl noch nicht so ausgeprägt, unter der Herrschaft des Tiberius waren die Prätorianer unter Sejan schon ein Pfund auf der Waage - Schreckensherrschaft des Sejanus in Rom - und unter Caligula wurden auf Befehl des Kaisers schon mal Personen auf der Stelle umgebracht. So zumindest einige Überlieferungen.

D.h. die Prätorianer als mächtiges Exekutivinstrument, um langwierige Hochverratsprozesse zu vermeiden, Schwerter, die auf der Stelle Fakten schaffen.

Ja, ich weiß, vielleicht ist es wieder die Boulevardperspektive aber nicht alle Überlieferungen waren an den Haaren herbeigezogen. Viele Dinge haben sich durch Eure Erläuterungen ja bereits schon relativiert.
 
Ja, ich weiß, vielleicht ist es wieder die Boulevardperspektive aber nicht alle Überlieferungen waren an den Haaren herbeigezogen. Viele Dinge haben sich durch Eure Erläuterungen ja bereits schon relativiert.

Es ist sicher richtig, dass Historiker damals wie heute ihre eigenen Wertvorstellungen in ihr Werk einfließen lassen, das ist psychologisch vermutlich fast unvermeidlich. Dazu kommen dann noch eigene Interessen. Tacitus beispielsweise urteilt oft sehr harsch über Kaiser, die er für Tyrannen hält, musste sich aber wohl auch des Vorwurfs erwehren, selbst lange in Domitians Gunst gestanden zu haben, der unter den Adoptivkaisern der damnatio memoriae verfallen war. Das könnte also auch eine Rolle gespielt haben.

Andererseits haben wir nun einmal nur die literarischen Quellen, die erhalten geblieben sind. Man kann sie im Einzelnen verwerfen, und einige Historiker - etwa Aloys Winterling in seiner Caligula-Biographie - versuchen sie sogar manchmal gegen den Strich zu bürsten. Man muss dann aber aufpassen, dass man Quellenarbeit nicht durch freies Spekulieren ersetzt, denn im Geiste vorstellen kann man sich nun einmal viel.

Also ja, es sind sicher nicht alle literarischen Quellen an den Haaren herbeigezogen, und aus einer bestimmten Perspektive war der Prinzipat natürlich auch eine Gewaltherrschaft. Augustus und seine Nachfolger konnten in aller Regel missliebige Personen verbannen oder sogar töten lassen. Andererseits waren sie auf die Unterstützung oder wenigstens Akzeptanz mehrerer Gruppen angewiesen, etwa der Soldaten, der hauptstädtischen Bevölkerung und vor allem auch der senatorischen und ritterlichen Oberschicht. Bei Nero erodierte die Akzeptanz beispielsweise zuerst in der senatorischen Schicht, so dass Statthalter und Legionslegaten sich nach Alternativen umsahen und diese auch fanden. Domitian hingegen wurde durch eine Art Palastverschwörung getötet, und hier scheinen die Senatoren erst hinterher mit seiner Zeit gebrochen zu haben. Generell musste jedenfalls auch ein Kaiser darauf achten, dass er genügend Rückhalt besaß, um seine Macht zu sichern.
 
Vielleicht noch ein Nachtrag: Man spricht in Bezug auf die römischen Historiker der frühen und hohen Kaiserzeit manchmal von "senatorischer Geschichtsschreibung". Damit ist gemeint, dass wir vorwiegend die Perspektive der Oberschicht kennen. Das ist einerseits etwas ungenau, weil beispielsweise Sueton dem Ritterstand entstammte, dessen Interessen sich durchaus von denen der Senatoren unterschieden. Außerdem hat eine soziale Schicht in aller Regel nicht nur eine gemeinsame, einheitliche Meinung. Andererseits ist natürlich klar, dass eher gebildete und wohlhabende Menschen ein Geschichtswerk schreiben oder in Auftrag geben konnten. Die vielbeschworene Habgier der Soldaten mag also aus deren Perspektive durchaus als berechtigtes Eintreten für eine gerechte Bezahlung erschienen sein.
 
Also ich stelle mir das so vor.
Der Princeps|Kaiser manifestiert seine Macht u.a. auch durch Waffengewalt.
Es ist wohl kein Zufall, dass man sich mit der schwer bewaffneten Prätorianergarde und zusätzlich noch mit der Germanischen Leibwache umgibt.
Zum Schutz seines eigenes Lebens aber auch, um anderes Leben zu nehmen.
Zu Augustus Zeiten war dies wohl noch nicht so ausgeprägt, unter der Herrschaft des Tiberius waren die Prätorianer unter Sejan schon ein Pfund auf der Waage - Schreckensherrschaft des Sejanus in Rom - und unter Caligula wurden auf Befehl des Kaisers schon mal Personen auf der Stelle umgebracht. So zumindest einige Überlieferungen.

D.h. die Prätorianer als mächtiges Exekutivinstrument, um langwierige Hochverratsprozesse zu vermeiden, Schwerter, die auf der Stelle Fakten schaffen.
Die Prätorianer bildeten allerdings oft einen eigenständigen Machtfaktor und waren mitunter selbst die größte Bedrohung für den Kaiser, den sie eigentlich schützen sollten. So mancher Prätorianerpräfekt (beginnend mit Seianus) fungierte als eigentlicher Machthaber oder betätigte sich als Kaisermacher (vor allem, aber nicht nur, in Zeiten, in denen es nur einen statt zweier Präfekten gab). Die Prätorianer konnten auch völlig außer Kontrolle geraten. Der Tiefpunkt war 193 n. Chr. erreicht, als die Prätorianer die Kaiserwürde auf einer regelrechten Auktion versteigerten. (Gewinner war ein gewisser Didius Iulianus.) Zwischendurch gab es zwar auch immer wieder Zeiträume mit untadelig-unauffälligen Prätorianerpräfekten und disziplinierten Prätorianern, aber sie blieben eine latente Bedrohung. Kaiser Septimius Severus versuchte dem entgegenzuwirken, indem er in den Albanerbergen in der Nähe Roms eine reguläre Legion stationierte (bis dahin ein "No-Go", wie man neudeutsch sagen würde). Reguläre Soldaten sollten also die "Beschützer" des Kaisers in Schach halten! Kaiser Konstantin I. löste die Prätorianergarde schließlich auf und schuf neue Garden.

Ein unkritisch-willfähriges Werkzeug in der Hand des Kaisers waren die Prätorianer also nur manchmal, und für manche Exzesse waren eher sie selbst oder ihre Präfekten verantwortlich.
 
Guten Morgen Stradivari und Ravenik,

besten Dank für Eure Erläuterungen! Es ist immer gut, die Angelegenheiten aus einer möglichst nüchternen Perspektive zu betrachten. Vielen Dank für den Hinweis der "senatorischen Geschichtsschreibung" - das war neu für mich!

Es ist absolut nachvollziehbar, permanent die Gunst der Prätorianer auf seiner Seite zu haben. Vielleicht durch Geschenke, Privilegien oder die Aussicht auf ein einkömmliches Ruhegeld.
Was ich nicht verstehe ist, wenn die Prätorianer Palastwachen wurden (und das war ja in einer Periode der Kaiserzeit der Fall), wie sie mit dem dekadenten Hofleben klar kamen.
Also Bodyguards in unmittelbarer und vor allem intimer Nähe, die quasi im Schlafgemach des Göttlichen stehen und mit "panzerbrechenden Blick" und strammgezogenem Kinnriemen aufmerksam die Umgebung beobachteten.

Ich will nicht kontrovers sein aber nehmen wir mal an, dass unter Caligula die Dekadenz und die Sittenlosigkeit der Orgien zunahm, welche Auswirkungen dies wohl auf eine harte Elitetruppe hatte.
Wenn sich die Prätorianer über Männlichkeit, Mannhaftigkeit, Härte und körperlicher Entbehrung - um sich fit und kampffähig zu halten - definieren, welche Wirkung hatte dann wohl eine Person, die sie vergöttern müssen. Die aber in Frauenkleidern und Perücken herumläuft - nehmen wir nur mal an, dass dies der Wahrheit entspricht - sich weibisch benimmt, auf dem Liegesofa Orgien mit Knaben und Mädchen feiert und darüber hinaus auch noch die Prätorianer in ihrer Ehre kränkt.

Okay, das klingt nicht unbedingt realistisch, denn so dumm konnte kein Caligula sein, ausgerechnet die Männer zu verprellen, sie zu demütigen und entehren, die mit ihren Schwertern sein kaiserlich-göttliches Leben schützen.
Aber anscheinend muss da etwas vorgefallen sein, sonst hätte Cassius Chaerea ihn nicht erstochen. Da muss etwas vorgefallen sein.

Punkt 2 ist die Germanische Leibwache.
Deren Funktion ist mir nicht ganz klar. Sollten sich die Prätorianer und die Germanische Leibwache gegenseitig ausspielen? Erwartete der Kaiser ausgerechnet von Batavern, Ubiern und Friesen mehr Loyalität als von Römern?
Man sollte doch davon ausgehen, dass die Treue von Landleuten möglicherweise größer ist, als von gekauften Barbaren. Ist für mich unverständlich.
Die Römer führten harte Kriege gegen Germanien (ja, auch Handel und Wandel) und ausgerechnet eine Kriegerelite aus diesem Volk soll dann Leibwache im Palatinischen Palast werden?!?
Okay, die Bataver lebten an der rheinischen Kontaktzone zum Römischen Imperium und hatten nicht nur Kriege sondern auch Allianzen, gegenseitige Abkommen hinter sich.
Also wählt jemand körperlich topfitte Berufssoldaten aus, lockt sie mit Geld und der Aussicht auf ein abgesichertes Leben in der Fremde. Söldner, Fremdenlegionäre, Glücksritter vielleicht auch ...

Die werden dann wohl nach römischen Exerzierregeln gedrillt, abgehärtet und auf ihren Kaiser eingeschworen.
Dieser Ruf war dann anscheinend stärker als die Bindungen zu den eigenen Stammeshäuptlingen. Vielleicht war ein unterworfener Bataver-Gefolgsherr unattraktiver als sehr, sehr viel Geld in Rom. Oder wie könnte das gewesen sein?

Okay, dann gab es zwei Machtfaktoren: die Prätorianer und die Germanische Leibwache, die man dann gegenseitig ausspielen konnte, indem man mal die eine und mal die andere Gruppe begünstigte.
Gefährliches Spiel, oder? Aber es wird wohl einen bestimmten Hintergrund gehabt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Erwartete der Kaiser ausgerechnet von Batavern, Ubiern und Friesen mehr Loyalität als von Römern?
Man sollte doch davon ausgehen, dass die Treue von Landleuten möglicherweise größer ist, als von gekauften Barbaren. Ist für mich unverständlich.
Das Gegenteil ist der Fall: Leibwächter ausländischer Herkunft waren in der gesamten Weltgeschichte beliebt. Das zieht sich von den Leibwachen griechischer Tyrannen bis in die Neuzeit. Ihr großer Vorteil: Sie sind fremd, haben keine Verwandten vor Ort, stehen den politischen und gesellschaftlichen Konflikten vor Ort (die ihnen oft ohnehin unbekannt oder unverständlich sind) indifferent gegenüber. Sie haben nur ihren Auftraggeber, aber niemanden sonst vor Ort, dem sie sich verbunden fühlen und dem ihre Loyalität eventuell mehr gelten könnte als ihrem Auftraggeber. Da sie keine emotionalen Bindungen zu den Untertanen ihres Auftraggebers haben, haben sie auch weniger Hemmungen gegen sie vorzugehen als wenn es ihre eigenen Landsleute wären. Eine Rolle kann auch spielen, dass ausländische Leibwächter häufig aus Stammeskulturen mit einem hohen Ehr- und Loyalitätsbegriff und einem ausgeprägten Gefolgschaftswesen stammen, in denen man seinen "Herrn" nicht einfach so verlässt.

Die germanische Leibwache hatte somit auch einen klaren Vorteil gegenüber den Prätorianern, die lange Zeit aus Italikern rekrutiert wurden und deren Präfekten der römischen Oberschicht angehörten.

Der Nachteil war (wie bei vielen ausländischen Leibwachen), dass es bei den Bürgern nicht so gut ankam, dass sich ihr Herrscher von ausländischen Barbaren (gar Feinden) schützen ließ, dass er Ausländern offenkundig mehr traute als seinen Mitbürgern, dass er Menschen rekrutierte, die keine Hemmungen haben würden, gegen sie vorzugehen.
 
Guten Morgen Stradivari und Ravenik,



Ich will nicht kontrovers sein aber nehmen wir mal an, dass unter Caligula die Dekadenz und die Sittenlosigkeit der Orgien zunahm, welche Auswirkungen dies wohl auf eine harte Elitetruppe hatte.
Wenn sich die Prätorianer über Männlichkeit, Mannhaftigkeit, Härte und körperlicher Entbehrung - um sich fit und kampffähig zu halten - definieren, welche Wirkung hatte dann wohl eine Person, die sie vergöttern müssen. Die aber in Frauenkleidern und Perücken herumläuft - nehmen wir nur mal an, dass dies der Wahrheit entspricht - sich weibisch benimmt, auf dem Liegesofa Orgien mit Knaben und Mädchen feiert und darüber hinaus auch noch die Prätorianer in ihrer Ehre kränkt.

Okay, das klingt nicht unbedingt realistisch, denn so dumm konnte kein Caligula sein, ausgerechnet die Männer zu verprellen, sie zu demütigen und entehren, die mit ihren Schwertern sein kaiserlich-göttliches Leben schützen.
Aber anscheinend muss da etwas vorgefallen sein, sonst hätte Cassius Chaerea ihn nicht erstochen. Da muss etwas vorgefallen sein.
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Da ist wohl so einiges vorgefallen, und zwar nicht nur einmal.
Sueton berichtet, dass Caligula sich wiederholt über den Prätorianertribun Cassius Chaerea lustig machte, dass er ihn immer wieder gedemütigt und bloßgestellt hat. So machte Caligula sich über Chaerea lustig und machte Witze gegen dessen Männlichkeit, stellte Chaerea, einen erfahrenen Offizier als weibischen Lustmolch hin, äffte ihn nach oder machte sich über seine Stimme lustig. Wenn er ihm die Hand zum Kuss reichte, machte er immer wieder obszöne Gesten. Wenn Cassius sich die Tagesparole holen musste, und gab Caligula als Parole obszöne herabwürdigende Losungsworte wie Venus (Im Slang etwa die Bedeutung von Stricher, Eunuche) oder Priapus (Im Slang Erektion, Ständer).

Sueton, Caligula 56

"....Gaius (Caligula) hatte jenen schon im vorgerückten Alter stehenden Mann fortwährend durch allen möglichen Spott als weibischen Lüstling beschimpft. So wenn Chaerea die Parole holte, gab er ihm als Losung Worte wie Venus oder Priapus oder wenn der Tribun ihm für irgendetwas zu danken hatte, bot er ihm in unzüchtiger Form und Bewegung die Hand zum Kuss."
 
Gelegentlich laufen im Fernsehen Dokus über die ersten römischen Kaiser.

Bis auf Augustus und mit Abstrichen Claudius kommen alle diese Herrscher sehr, sehr schlecht weg.

Meine Frage ist, wie konnte das Römische Reich so massiv expandieren, obwohl deren Herrscher augenscheinlich nicht für das Regieren geeignet waren?
 
Dokus erzählen großteils Quatsch.

In Bezug auf römische Kaiser des Prinzipats plappern sie unkritisch heutige und antike Vorurteile nach.

Aussagefetzen von Historikern werden zurechtgeschnitten.

Das sind in der Mehrheit keine journalistischen Arbeiten oder Bildungssendungen mehr. Das sind eher Fantasyerzählungen.

Das Niveau und die Art, den Zuschauer anzusprechen sind teilweise eine regelrechte Beleidigung für einen mündigen Staatsbürger. Und ja, mir ging es gerade auf die Nerven. Anteile sollten in der Addition 100% ergeben, nicht 150!

Kurz gesagt: Die waren nicht so unfähig, wie behauptet. (Und der Großteil der Eroberungen war mit Augustus bereits gemacht.)
 
Meine Frage ist, wie konnte das Römische Reich so massiv expandieren, obwohl deren Herrscher augenscheinlich nicht für das Regieren geeignet waren?
Das Reich bestand ja nicht nur aus dem Kaiser. Die Provinzen wurden von Statthaltern verwaltet, und Feldzüge wurden meist nicht vom Kaiser selbst kommandiert. (Augustus kommandierte nur zwei Feldzüge selbst. Tiberius war ein sehr aktiver und erfolgreicher Feldherr, aber ehe er Kaiser wurde. Caligulas "Feldzüge" waren ohnehin eine Farce. Claudius reiste während der Eroberung Britanniens nur für ein paar Tage in Person auf die Insel. Nero überließ den Armenien/Parthien-Krieg dem fähigen Feldherrn Corbulo und die Niederschlagung des Jüdischen Aufstandes dem späteren Kaiser Vespasian.)

Im Übrigen muss man auch ein bisschen zwischen den Skandalen/Missetaten mancher Kaiser (für die sie oft in erster Linie bekannt bzw. berüchtigt sind) und ihren eigentlichen politischen Entscheidungen, u. a. in der Außenpolitik, unterscheiden. Ein Kaiser, der skandalös lebte und in seinem Umfeld diverse Personen meucheln ließ, war nicht zwangsläufig auch als Politiker ein Vollpfosten.
Oder aber ein Kaiser widmete sich nur seinen Skandalen und betrieb erst gar keine "große" Politik. Das kann für einen begrenzten Zeitraum, in dem glücklicherweise gerade keine großen Krisen, die einen fähigen und tatkräftigen Entscheider erfordern, auftreten, nach dem Motto "Wer nichts macht, macht auch nichts falsch" auch ganz gut funktionieren.
 
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