Vor einigen Jahren lief auf ARD oder ZDF Doku zu den Nibelungen. Als einziger Fachmann zu den Nibelungen kam der Germanist Joachim Heinzle zu Wort. Der hat sich in seinen Publikationen sehr explizit gegen die in fachwissenschaftlichen Kreisen allenfalls marginal in der öffentlichen Perzeption aber stark vertretene Interpretation des Nibelungenliedes als Erinnerung an die Varusschlacht ausgesprochen, wie es von Höfler und Dem Grafen von Schaumburg Lippe populär gemacht wurde.
Obwohl Heinzle der einzige interviewte Experte zum Thema war (und sich im Rahmen der Doku nicht zum Varusschlachtkomplex äußerte) war die Hauptthese der Doku, dass das Nibelungenlied eine Reminiszenz an die Varusschlacht sei.
So viel zu Dokus und den in sie integrierten Experteninterviews.
 
Im Fernsehen gibt es so gut wie keine reinen Wortbeiträge. Das hieße nämlich ohne Bild. Das wird oft nur vorgeschoben, um billig erstellte Dokus zu rechtfertigen. deren Text jeder Abiturient schreiben könnte. Dazu Landschaftsaufnahmen, Museumsaufnahmen, Spielszenen und Interviews aus der Konserve. Klar,einmal gründlich und vorausplanend einige Wissenschaftler zu interviewen will ich nicht kritisieren. Die Aufmerksamkeitsspanne am Sonntagabend um 19:30 ist kürzer als sonst. Aber 1,5 min, bevor es zu anstrengend wird, nehme ich Niemandem ab.
 
Im Fernsehen gibt es so gut wie keine reinen Wortbeiträge. Das hieße nämlich ohne Bild. Das wird oft nur vorgeschoben, um billig erstellte Dokus zu rechtfertigen. deren Text jeder Abiturient schreiben könnte. Dazu Landschaftsaufnahmen, Museumsaufnahmen, Spielszenen und Interviews aus der Konserve. Klar,einmal gründlich und vorausplanend einige Wissenschaftler zu interviewen will ich nicht kritisieren. Die Aufmerksamkeitsspanne am Sonntagabend um 19:30 ist kürzer als sonst. Aber 1,5 min, bevor es zu anstrengend wird, nehme ich Niemandem ab.
Im Examenskolloquium erzählte der Prof. der für die Doku-Reihe Die Deutschen als Experte interviewt worden war, dass er tatsächlich kaum mehr als drei Minuten interviewt worden, davon sind dann 90 Sekunden in die 45 Minuten eingeflossen.
Ich habe zwischen Zivildienst und Studium ein Praktikum für eine kleine Radioproduktionsforma gemacht, die Beiträge fürs lokale Privatradio lieferte, das war 1998. Schon damals sagte mir mein Chef, das Wortbeiträge von mehr als 1,5 Minuten von den Radioredaktionen sehr ungern genommen würden und alles was länger als 2 Minuten dauerte im Privatradio keine Chance hätte.
 
Es gibt auch längere Interviews. Im Radio ist es anders, insbesondere im Privatradio. Im Fernsehen kann ja leichter ein Zusammenhang von Ton und Bild hergestellt werden.

Nun, auf Youtube sind ja einige erfolgreiche und niveauvolle Vorbilder zu finden.
 
Ja, und? Sind das keine gültigen Aussagen?
Meinst Du die Frage ernst?

Die Aussagen beziehen sich, wie ich vermutet hatte, auf eine fiktive Story. Du wolltest doch eigentlich ein Gegenbeispiel für Scorpios Ansage liefern:

Historiker sind abhängig von Quellen. Sie arbeiten mit Quellen, und Quellen kann man versuchen zu fälschen, kann man versuchen zu vernichten, kann man versuchen ideologisch umzudeuten, aber Quellen bleiben Quellen, und wenn Historiker die gleichen Quellen nutzen, werden sie völlig unabhängig von ihrer politischen Couleur zu recht ähnlichen Forschungsergebnissen kommen, vorausgesetzt, dass sie methodisch korrekt arbeiten.
 
Ändert nichts daran, dass Cassius Dio schreibt, man habe einen Teil der Wagen verbrannt*
@El Quijote womöglich in jenem legendären Sturmregen, welcher die Baumkronen auf die ausrutschenden Legionäre warf, während die cheruskischen "Legolasse" durchs urwaldige Unwetter tänzelten? Also saperlot, bei solcher Witterung ein Feuer zu entzünden, das ist doch eine anerkennenswerte Leistung! ;):D
 
Entscheidend sind nicht die Waffen oder die Mittel – die hat es zu allen Zeiten gegeben –, sondern die Gründe, weswegen sie benutzt wurden und werden. Und diese Gründe wachsen nicht auf Feldern der Naturwissenschaften, sondern auf denen der Religionen, Ideologien und Historie.

Nun hat es doch aber Ideologien gegeben, die sich auf die Naturwissenschaften oder Versatzstücke davon explizit bezogen haben, gerade auf dem Feld des Rassismus und deren Begründer sich mitunter selbst als "Naturwissenschaftler" verstanden und in Teilen von ihren Zeitgenossen auch als solche betrachtet wurden.

Insofern scheinst du mir hier eine künstliche Unterscheidung aufzumachen, die so klar in der Realität nicht vorgekommen ist.
Auch abseits der politischen Ideologien der Moderne, wenn man die Rolle der Kirche und ihrer Institutionen bedenkt, wie willst du das auseinander bekommen.

Kannst du etwa den katholischen Kleriker Gregor Mendel sauber von dem, wenn du so willst, Biologen/Botaniker Gregor Mendel trennen?

So? Ein kleines Beispiel für unterschiedliche Interpretation: Als Varus mit seinen 3 Legionen nach Germanien zog [...] .

Du wirfst vollkommen willkürlich Sach- und Werturteil durcheinander.
Das Werturteil, dass ein bestimmter Historiker zu einem Thema abgiebt oder auch nicht, markiert seinen persönlichen Standpunkt und kann sich in einem recht weiten Spektum bewegen.

Das Sachurteil ist demgegenüber aber konkret auf den Gegenstand bezogen und bei weitem nicht beliebig.

Das hatte Folgen: Man muss sich nur die Schulbücher aus der Nazizeit ansehen, um festzustellen, dass das kulturelle Aufstieg der Menschheit nicht in Mesopotamien began, sondern in Germanien.

Das solcher Unfug in Schulbüchern aus der NS-Zeit stand hatte seine Ursache nicht darin, dass irgendein Historiker fragwürdige Werturteile über die Varusschlacht formuliert hat, sondern darin, dass es sich mit der NS-Ideologie nicht vertrug bei der Tatsache zu bleiben, dass man diverse zivilisatorische Errungenschaften von Gruppen übernommen hatte, die man im Nazi-Reich neuerdings (oder wenn man den ganzen kolonialen Komplex bedenkt, war das so neu auch nicht mehr) als "minderwertig" betrachtete.


Wie konnte sie das schreiben? Weil sich Historiker fanden, die diese These ernsthaft vertraten.

Mal davon ab, dass mich jetzt mal interessieren würde, welche Historiker das gewesen sein sollten, die mesopotamische Zivilisation expressis verbis abgeleugnet hätten, schau dir doch einfach mal an, wo die NS-Bewegung ursprünglich herkommt und mit welchem esoterischen Unfug sie von Anfang an eng verbandelt war.

Dazu würde ich dir das Buch "Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus" empfehlen.
Sicherlich nicht mehr auf dem neuesten Stand, vermittelt allerdings einen sehr prägnanten Eindruck aus was für einem phantasievoll verspinnerten Millieu ein guter Teil dieser Bewegung Vorprägungen mitbrachte.

Da dürfte in dieser Hinsicht wesentlich eher der Hase im Pfeffer liegen, als bei fragwürdigen Werturteilen ernsthafter Historiker.
 
Machen wir uns nicht vor, @dekumatland, eine Gesellschaft wie die unsere, die ihre erklärte Gegner von rechts an die Hochschulstühle ließe, wäre dem Selbstmord nahe. Deswegen wurde und wird politisch ausgesiebt – siehe die 1930er, aber auch die 1960er und -1970er Jahre, als in der Folge der Studentenbewegung (Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren) die nazinahen Professoren abtreten mussten, um mit unbelasteten "rechten und linken“ ersetzt zu werden.

Dass ist, salopp gesagt Quatsch. In den Fakultäten machte sich einerseits ein Generationenwechsel durch jüngere Dozenten bemerkbar, andererseits hat im Laufe der Jahre auch ein Großteil der "alten Nazis" die Vorzüge der Demokratie und der Bundesrepublik zu schätzen gelernt.

Das NS-belastete Wissenschaftler die Lehrstühle räumten, war ein natürlicher Generationswechsel. In den allermeisten Fällen wurden diese Leute ganz normal emeritiert und gingen in den Ruhestand. War einer arg belastet, kam es vor, dass ein Ausscheiden nahegelegt wurde. Aber wegen politischen Druck musste keiner abtreten, und schon gar nicht auf Druck der Studentenbewegung. Diese galt einem Großteil des Bürgertums und des Politikbetriebs allenfalls als unreife Revoluzzer und Leute mit schlechten Manieren. Anzunehmen, im Zuge der Proteste hätten die belasteten Professoren ihre Lehrstühle räumen müssen, entspricht kaum den Tatsachen.
 
Geschichtsrevisionistische Historiker und Politiker kochen seit Jahren ihr eigenen Süppchen. Wenn anerkannte Professoren wie Alexander Demandt oder Egon Flaig engagieren sich in rechtsextremen Think Tanks. Ihre Beiträge geben den Veranstaltern den Anschein Teil der ernsthaften Wissenschaft zu sein.
Saperlot, dass der bei einer Oswald-Spengler-Society mitmacht, wusste ich nicht. Kontaminiert das rückwirkend seine Arbeiten zur römischen Geschichte, zur Spätantike? Ich meine, seine "Geschichte der Spätantike" ist kein rechtskonservatives Pamphlet, sondern nach wie vor informativ und lesenswert.
Dass Demandt in seinem wissenschaftlichen Fachgebiet (Antike, Spätantike) "geschichtsrevisionistisch" im negativen Sinn publiziert habe, ist mir nicht bekannt.
Alexander Demandt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Demandt
Die Geschichte der Spätantike (Beck 2008) und die Aufsätze Magister militum und the osmosis of late Roman and Germanic aristocracies habe ich gelesen und darin nichts beanstandenswertes gefunden. Bzgl der Ursachen des weströmischen "Untergangs", worüber Demandt sehr viel und akribisch geschrieben hat, vertritt er die Meinung, dass die "germanischen" Aktivitäten (Franken, Goten, Vandalen etc) maßgeblich beteiligt waren (Geschichte der Spätantike) an der Transformation (Umgestaltung) des weströmischen Reichs.

Wie der Wikipedia Artikel mitteilt, ist Demandt Mitglied im Präsidium der Oswald-Spengler-Society. Diese stiftete einen Preis, der erste Preisträger war https://de.wikipedia.org/wiki/Michel_Houellebecq der beliebte Starautor der "Elementarteilchen". Wird der deswegen als als rechtsextrem verachtet, werfen ihn die Verlage raus? Bislang nicht.

Wie der Wikipedia Artikel mitteilt, sollte Demandt für die Zeitschrift der https://de.wikipedia.org/wiki/Konrad-Adenauer-Stiftung (zu deren Mitgliedern https://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Merkel zählt) einen Artikel schreiben, was Unmut erzeugte:
Aus Anlass der Flüchtlingskrise in Europa ab 2015 bestellte die von der Konrad-Adenauer-Stiftung getragene Zeitschrift Die Politische Meinung bei Demandt einen Artikel über den Untergang des Römischen Reiches, den er auf die gescheiterte Integration von barbarischen Flüchtlingen zurückführte. Die Redaktion lehnte daraufhin den Abdruck des eingereichten Manuskripts ab, weil sie befürchtete, Demandts Darstellung könne „in der aktuellen politischen Situation missinterpretiert werden“. Der Artikel erschien daraufhin ungekürzt unter anderem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.[5]

Bemerkenswert daran ist, dass das Thema "Untergang des römischen Reichs" wegen der darin enthaltenen Vokabeln "Integration / gescheiterte Integration / Barbaren / barbarische Flüchtlinge" als gar zu missverständlich im aktuellen Kontext 2015 aufgefasst wurde. Tatsächlich ändert kein Ereignis des Jahres 2015 die historischen Vorgänge der Spätantike und auch nicht das überlieferte Vokabular. Tatsächlich flohen scharenweise "barbarische Flüchtlinge" über die Grenze ins römische Reich, z.B. vor den Hunnen fliehende Goten, und die waren aus der Sicht der Römer "barbarische Flüchtende" und wie sich das gestaltete, beschreibt Herwig Wolfram sehr ausführlich. Auf Demandts Arbeiten zur Spätantike verweisen Historiker wie Pohl, Wolfram, Geary, Scheibelreiter und bei keinem von denen habe ich gelesen, dass diese Verweise mit antiseptischen Handschuhen wegen rechts-thinktank-Gefahr zu behandeln seien.

Aber das wird auch anders betrachtet:
Demandt beschreibt, wie in der Spätantike zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert n. Chr. bewaffnete Volksgruppen aus dem Norden Europas – Goten, Germanen, Langobarden – ins Römische Reich eindrangen. Das „staatliche Waffenmonopol“ Roms sei daraufhin zusammengebrochen, „das Machtgefüge“ habe sich verschoben und „die alte Ordnung“ des Kaiserreiches aufgelöst.
Vordergründig behandelt Demandt die Völkerwanderung. Wenn man aber einzelne Begriffe wie „Goten“ oder „Germanen“ mit „Muslime“ oder „Flüchtlinge“ austauscht und statt des „Römischen Reichs“ das Wort „Deutschland“ einsetzt, hat man ein Plädoyer für einen starken Staat, der Flüchtlinge von den Grenzen fernhalten muss, sofern er seine Macht und kulturelle Identität behalten will. Der Text entpuppt sich als ein rechtes politisches Statement, in dem die historische Völkerwanderung als Folie für die heutige Flüchtlingskrise dient.
zitiert aus https://www.wsws.org/de/articles/2016/02/18/dema-f18.html
...wenn man Begriffe austauscht, dann - - ein sehr merkwürdiges Argument, denn mit dieser Methode könnte man auch die Bergpredigt zum rechtsextremen Pamphlet verbiegen.
 
...wenn man Begriffe austauscht, dann - - ein sehr merkwürdiges Argument, denn mit dieser Methode könnte man auch die Bergpredigt zum rechtsextremen Pamphlet verbiegen.
Die Debatte darüber ist schon reichlich merkwürdig. Das Verhalten der Redaktion von "Die politische Meinung" ist für mich nicht nachvollziehbar.
Ursprünglich sollte der Artikel in der Monatszeitschrift "Die politische Meinung" erscheinen. Der Name ist Programm. Es handelte sich um ein Sonderheft zum Thema Integration. Warum die Redaktion dafür ausgerechnet einen Aufsatz zu Völkerwanderung von Alexander Demandt anfordert, obwohl dessen Vorliebe füs Sinnieren über den "Untergang des Abendlandes" bereits bekannt war, bleibt ein Rätsel.

Zur Veröffentlichung in der FAZ fügte Demandt noch einen eindeutigen Kommentar zur Tagespolitik hinzu.
Es ist daher eine Fehlinterpretation Demandts Aufsatz als unpolitisch zu betrachten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Veröffentlichung in der FAZ fügte Demandt noch einen eindeutigen Kommentar zur Tagespolitik hinzu.
Es ist daher eine Fehlinterpretation Demandts Aufsatz als unpolitisch zu betrachten.
bleibt weiterhin die Frage:
Kontaminiert das rückwirkend seine Arbeiten zur römischen Geschichte, zur Spätantike?
Und daran schließt sich natürlich eine relevantere Frage an: finden sich in Demandts wissenschaftlichen Arbeiten/Publikationen (zu Antike, Spätantike, verschiedenen kulturhistorischen Themen) geschichtsrevisionistische*) Passagen?
______
*) ist hier im negativen Sinn gemeint.
 
Zuletzt bearbeitet:
Natürlich ist etwa seine 2007 veröffentlichte kleine Kulturgeschichte "Über die Deutschen" in einem Geist geschrieben, den Dion als revisionistisch bezeichnen würde. "Der Steilabfall der Kinderzahl seit dem 'Pillenknick' nach 1965 ... ist eine Folge des Fortschritts der Pharmazie, der Emanzipation der Partner und eine Auswirkung des Wohlstands. Das Phänomen war in anderen Spätkulturen ähnlich, jedenfalls bei den Griechen im Hellenismus und bei den Römern in der Kaiserzeit. Es fehlte an Nachwuchs, Slawen und Germanen auf Landsuche drangen ein."
Diese Analogie kommt dem zeitgemäßen Leser skandalös vor, ich würde sagen sie ist ein bisschen töricht. Deshalb wird mir der Autor aber nicht zum Ungeheuer, zumal ich auf jeder zweiten Seite etwas lese, was ich nicht wusste und was mir interessant scheint. Etwa dass der Name Amerika auf die italienische Abwandlung des gotischen Ermanerich zurückgeht, dass die 0 vom ersten Buchstaben des griechischen ouden (also nichts) kommt, oder dass die deutsche Post auf einen Auftrag Kaiser Maximilians an die Herren von Thurn und Taxis zurückgeht, zwischen Innsbruck und dem niederländischen Mecheln eine Transportverbindung aufzubauen.
Man lernt auch nebenbei eine gesunde Skepsis gegenüber Hegel, dessen Definition der Elektrik nach Demandt die folgende ist: "Die Elektrizität ist der reine Zweck der Gestalt, die sich von ihr befreit; die ihre Gleichgültigkeit aufzuheben anfängt, denn die Elektrizität ist das unmittelbare Hervortreten oder das noch nicht von der Gestalt herkommende, noch durch sie bedingte Dasein, oder noch nicht die Auflösung der Gestalt selbst, sondern der oberflächliche Prozeß, worin die Differenzen ihre Gestalt verlassen, aber sie zu ihrer Bedingung haben und noch nicht an ihr selbständig sind."
Solche Sachen.
 
Demandt ist Experte für die Spätantike und den Untergang des weströmischen Reichs.

Sein 'Der Fall Roms' ist ein Standardwerk. Darin trägt er die Positionen zu dieser Frage zusammen. Die letzte große Aktualisierung des Werks ist keine 10 Jahre her.

Wenn er sich dazu äußert, ist das historisch und nicht politisch fundiert. Es ist auch nicht mit Verschwörungstheorien über seine Beeinflussung durch "Gruppen" abzuwiegeln, sondern eine zu berücksichtigende Aussage. Es kann ja sein, dass ich am Ende zu dem Schluss komme, dass z.B. Rom die Unterstützung seiner Bürger verlor, weil es als sicherer ökonomischer Untergang für seine Bürger erschien und es bei Migranten mit neuen und anderen Vorstellungen als Gelobtes Land galt, es also Profit und eine gewisse Sicherheit versprechende Alternativen gab*. (Als Beispiel dafür, dass es eine Summe mehrerer Aspekte war.) Aber es geht doch nicht an, die Ansicht eines Manns, der zu den führenden Experten auf dem Gebiet zählt, wegen seiner (vermeintlichen) politischen Ansichten einfach abzuwiegeln.

Am Rande bemerkt: Das das Abendland untergeht ist eine nachprüfbare Tatsache: Der Meeresspiegel steigt. Wäre Werbung nicht verboten, würde ich hier jetzt Schwimmrucksäcke und Aluhüte anpreisen.

*Und so sehr sich Sidonius Apollinaris über den Knoblauch mokiert und heute Blödsinn über kulturellen Austausch gefaselt wird, beeinflussen sich Küchen gegenseitig und nicht einseitig. Will sagen: Genau gelesen sagen Historiker doch meist anderes als kolportiert wird. ;)
 
Diese Analogie kommt dem zeitgemäßen Leser skandalös vor, ich würde sagen sie ist ein bisschen töricht.

Sie ist weder das eine noch das andere, sie ist politisch motiviert.

Jemand wie Demandt zieht solche abenteuerlichen Analogien nicht ausversehen, das würde man einem Bachelor-Studenten vielleicht durchgehen lassen, aber er müsste das besser wissen.

Skandalös ist das auch nicht, so lange er das nicht als einzig potentiell mögliche Sichtweise darstellt, sondern es wirft eben einfach ein Licht darauf, wie der Mann politisch tickt.
Nun ist es durchaus kein Skandal, wenn ein Historiker den Erklärungsansatz für sich selbst favorisiert, der seinem Weltbild am nächsten kommt.

Natürlich ist etwa seine 2007 veröffentlichte kleine Kulturgeschichte "Über die Deutschen" in einem Geist geschrieben, den Dion als revisionistisch bezeichnen würde.

Womit wir mal wieder bei der Begrifflichkeit "revisionistisch/Revisionsimus" angekommen wären, über die wir jetzt meiner Meinung nach wirklich mal reden sollten:


Ich hatte ja schon weiter vorne im Faden eines meiner Probleme mit dieser Begrifflichkeit augeführt, nämlich den Umstand, dass sich aus einem negativ konnotierten Umgang des Begriffs der Revision völlig falsche Vorstellungen über die Aufgabe der Wissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten ableiten lassen.

Was wäre denn einfach mal plakativ gefragt das Gegenteil von Revisionismus? Konformismus?

Und was bedeutet dann eine negative Konnotation von "Revisionismus"? Das "Konformismus" an und für sich positiv und das zu erstrebende Ziel wissenschaftlichen Arbeitens wäre?
Wenn Prämissen für Wissenschaft ist, dass sie nicht mehr revidiert, sondern konform ist, gleich ob die Konformität zu früheren Ergebnissen oder gesellschaftlichen Strömungen eingefordert wird, kann sie einpacken.

Das zweite Problem mit dem Begriff "Revisionismus", dass ich sehe, ist dass es davon, so weit ich es überblicke auch keine saubere Definition gibt.

Was genau soll das sein?

Handelt es sich um:

- Das Anzweifeln bisheriger Erkenntnisse auf Grund neuer/zu wenig berücksichtigter Indizien
- Das Anzweifeln bisheriger Erkenntnisse auf Grund von Zweifeln an der bisherigen Methode
- Das Anzweifeln von Erkenntnissen auf politischer/weltanschaulicher Basis ohne wissenschaftliche Evidenz
- Das Anzweifeln von Erkenntnissen überhaupt

Wir sind jetzt mittlerweile auf der 8. Seite des Fadens angekommen, in dem sich darüber gestritten wird, ob dieser oder jener oder diese und jene These nun revisionistisch seien, ohne dass @Dion , der die Frage gestellt hat, sich inzwischen dazu eingelassen hätte uns einfach mal zu erklären, was er denn genau für "revisionistisch" bzw. Revisionismus hält und uns in diesem Sinne eine Arbeitsdefinition anzubieten.

Ich würde auch meinen, so lange, bis das nicht passiert ist, machen weitere Auseinandersetzungen darum auch herzlich wenig Sinn.
 
Eigentlich ist es einfach: Orthodoxiegelüste sind verfassungsfeindlich.

Die Freiheit der Wissenschaft ist garantiert.

Daher gehe ich davon aus, das nur gemeint sein kann, was den Boden der Wissenschaft verlässt.
 
Ich würde auch meinen, so lange, bis das nicht passiert ist, machen weitere Auseinandersetzungen darum auch herzlich wenig Sinn.
Das ist unbestreitbar plausibel.

Weder Gogols "Revisor" noch der Begriff Revision sind verdächtig. Mir scheint, es müsste um Geschichtsrevisionismus, wie schon vor einigen Seiten mehrere Teilnehmer angemerkt hatten, gehen. Das würde allerdings weder Spätantike/ Frühmittelalter noch Kreuzzüge (Mittelalter) betreffen, sondern Relativierungen a la Nolte.

Die Frage war ursprünglich, ob in heutigen wissenschaftlichen Publikationen die Kreuzzüge positiv gewertet würden - die Behauptung, dem sei so, wurde nicht bewiesen.

Stattdessen driftete die Diskussion mit empörtem Unterton zu anerkannten (emeritierten) Historikern, die sich in rechtskonservativen (und als rechtsextrem verdächtigten) "thinktanks" beteiligen. Genannt wurden Demandt und Flaig.

Die gestellte Frage ist damit aber noch immer nicht beantwortet.
 
Bzgl der Ursachen des weströmischen "Untergangs", worüber Demandt sehr viel und akribisch geschrieben hat, vertritt er die Meinung, dass die "germanischen" Aktivitäten (Franken, Goten, Vandalen etc) maßgeblich beteiligt waren (Geschichte der Spätantike) an der Transformation (Umgestaltung) des weströmischen Reichs.
Ja, und wenn er das in der FAZ veröffentlicht hatte und selber dazu noch eine Parallele zu den Flüchtlingsströmen im Jahre 2015 zog, dann ist das eine mit Historie begründete politische Aussage von Gewicht.

Es handelte sich um ein Sonderheft zum Thema Integration. Warum die Redaktion dafür ausgerechnet einen Aufsatz zu Völkerwanderung von Alexander Demandt anfordert, obwohl dessen Vorliebe füs Sinnieren über den "Untergang des Abendlandes" bereits bekannt war, bleibt ein Rätsel.
Das war wahrscheinlich Absicht, d.h. man wollte die Ereignisse des Jahres 2015 im Zusammenhang mit der Völkerwanderung und dem Untergang des RR bringen. Aber dann hat jemand die kalte Füße bekommen und den Artikel an die CDU-nahe FAZ weitergeleitet, damit die etwas gebildetere Leserschaft (fast nur solche lesen FAZ, nicht wahr?) begreift, dass die CDU/CSU Recht hat mit der Warnung vor der Destabilisierung Deutschlands durch Migranten.

Deswegen hat Maglor völlig Recht, wenn er sagt:
Zur Veröffentlichung in der FAZ fügte Demandt noch einen eindeutigen Kommentar zur Tagespolitik hinzu.

Es ist daher eine Fehlinterpretation Demandts Aufsatz als unpolitisch zu betrachten.
Damit fällt weg, was auch in diesem Forum schon gesagt worden ist: Dass man sich vor Missbrauch der Aussagen von Historikern durch Rechte nicht schützen könne.

Was Demandt da getan, war/ist politisch relevant, dennoch völlig legitim, denn niemand verlangt von Historikern, sich politisch nicht zu äußern. Aber ebenso legitim ist es, darauf aufmerksam zu machen.
 
Was Demandt da getan, war/ist politisch relevant, dennoch völlig legitim, denn niemand verlangt von Historikern, sich politisch nicht zu äußern.
aber was daran ist geschichtsrevisionistisch?

Seit über zwei Jahrzehnten wird die Völkerwanderungszeit (in Frankreich "Barbarenepoche" genannt) von Historikern im Kontext von Migration betrachtet, z.B. Geary, Pohl, Schwarcz, Wolfram und andere. Und dabei werden unterschiedliche Perspektiven diskutiert.
 
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