wie ich gerade sehe, ist der hier #117 zitierte Satz abgewandelt und präzisiert worden:
Die Deutung von historischen Ereignissen als allgemein akzeptierter Narrativ ist hoch konfliktorientiert, da sie teilweise politische Interessen legitimieren oder delegitimieren will oder soll
(wenn jetzt noch zum Ausdruck käme, wessen Deutung das teilweise will oder soll (es kommen einige in Frage), dann bin ich mit dem Satz zufrieden)
 
Das ist wahr, nur könnten die Nazis in den naturwissenschaftlichen Bereichen durch ihre Ideologie kaum Schaden anrichten.

Interessant, wie du auf einmal deinem vorherigen Postulat, dass der akademische Titel allein durch seine Autorität schon entscheidend sei um Einfluss auszuüben, widersprichst.

Auf einmal ist dann aber doch die fachliche Qualifikation wichtig? Wenn das so ist, können wir die Diskussion um Flaig hier einstellen, denn als fachlichen Experten für den Islam an und und dessen Geschichte wird man flaig kaum bezeichnen können.

Auch in diesem Forum gibt es Formulierungen wie: Ja, das Gesetz war da, aber wurde kaum oder gar nicht befolgt. Beweis? Es gebe keine Berichte darüber, dass das Gesetz in die Tat umgesetzt wurde.

Verzeihung, aber Berichte über Prozesse wegen Strafsachen gehören zu den verlässlichsten Quellengattungen, die wir vor dem massenhaften Auftreten von Schriftgut durch die Drucktechniken, die das erlaubten haben.

Und wenn sich aus Auswertung von Gerichtsakten ergibt, dass eine bestimmte Fallkonstellation nie oder kaum verhandelt wurde, während andere Fallkonstellationen sich sichtbar häufen, ist das durchaus ein recht klares Indiz dafür dass bestimmte Verfügungen in der Lebenswirklichkeit kaum eine Rolle spielten.

Oder: Bei einer einzigen Überlieferung über ein bestimmtes Ereignis, wird diese mal so und mal anders interpretiert, oder gar über den Wahrheitsgehalt der Überlieferung spekuliert, so nach dem Muster: Obwohl der Schreiber sonst als zuverlässig gilt, könnte sein, dass er sich hier von seiner Feindschaft/Freundschaft zu dem und dem leiten ließ; oder er gilt als unzuverlässig, aber in diesem einen Fall lässt man seine Aussage gelten. Warum? Weil sie einem in den Kram passt.

Damit machst du es dir etwas sehr einfach.
Ob das Narrativ, dass ein Historiker anbietet plausibel ist (was nicht bedeutet, dass es richtig ist) entscheidet sich nicht daran, ob die Argumentation gefällt, sondern daran ob die Argumentation des Historikers geeignet ist seine Thesen zu untermauern und ob er das vorliegende Quellenmaterial in einer plausiblen und vollständdigen Weise gewürdigt hat.
In diesem Sinne ist es selbstverständlich seine Aufgabe die Plausibilität der Quellen zu prüfen und einzuordnen.

Dabei sind mitunter verschiedene Interpretationen möglich, weswegen mit Referenzquellen und deren Fehlen gearbeitet wird um abzuschätzen, welche Deutung wohl am Plausibelsten ist.
 
Die Kritik von Heinrich August Winkler dazu ist in diesem Bereich vernichtend.
https://www.zeit.de/2011/30/Historikerstreit/komplettansicht
Danke für den Link.

Man kann ja viel gegen Historiker sagen, aber Giftgas von Chlor über Phosgen, Clark, Lost, Yprit bis zu Zyklon B haben Naturwissenschaftler entwickelt.
Ja, und Einstein und andere haben durch ihre Forschung die Atombomben möglich gemacht, die in Hiroschima und Nagasaki hunderttausende töteten – sind sie deswegen zu verdammen?

Entscheidend sind nicht die Waffen oder die Mittel – die hat es zu allen Zeiten gegeben –, sondern die Gründe, weswegen sie benutzt wurden und werden. Und diese Gründe wachsen nicht auf Feldern der Naturwissenschaften, sondern auf denen der Religionen, Ideologien und Historie. So wird der gegenwärtige Krieg Russland gegen Ukraine seitens Russlands mit Historie begründet.

Ich würde der These dass Historiker Geschichte mal so, mal so interpretieren können widersprechen. Ich würde ihr sogar energisch widersprechen.
So? Ein kleines Beispiel für unterschiedliche Interpretation: Als Varus mit seinen 3 Legionen nach Germanien zog, begleitete ihn ein Tross mit Dienern, Frauen und Kindern. Nach dem ersten oder zweiten Angriff des Arminius ließ Varus die Wagen verbrennen, zog mit den Soldaten weiter und überließ die Unbewaffneten ihrem Schicksal. Bekanntlich haben Germanen diese nicht niedergemetzelt, sondern verschont.

Nun sagen die einen Historiker, das haben sie aus Kalkül gemacht, um für sie Lösegeld zu bekommen. Und die anderen sagen, nein, Germanen handelten nur anständig, weil sie schon damals edel waren und keine Barbaren, wie die Römer es zu sagen pflegten. Das hatte Folgen: Man muss sich nur die Schulbücher aus der Nazizeit ansehen, um festzustellen, dass das kulturelle Aufstieg der Menschheit nicht in Mesopotamien began, sondern in Germanien. Wie konnte sie das schreiben? Weil sich Historiker fanden, die diese These ernsthaft vertraten.

Die zweite Aussage kann dazu dienen, die Ethik der Germanen hervorzuheben, was den Nationalstolz und damit auch den Nationalismus stärkt, dessen Merkmal u.a. auch die Erhöhung der eigenen Nation gegenüber den anderen sein kann. Wikipedia sagt dazu:
Die Überhöhung der eigenen Nation mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Einheit von Volk und Raum geht oft einher mit der Ausgrenzung und Diskriminierung, im Extrem bis zu Vertreibung oder Vernichtung ethnischer und anderer Minderheiten, die als dem imaginierten Volkskörper fremd oder schädlich angesehen werden. Beispiele für exklusive Nationalismen sind der italienische Faschismus, der deutsche Nationalsozialismus und die ethnischen Säuberungen nach dem Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren.

An so eine Argumentation kann ich mich nicht erinnern.
Ah? Vielleicht hilft dir das weiter: #189.

Die Deutung von historischen Ereignissen als allgemein akzeptierter Narrativ ist hoch konfliktorientiert, da sie teilweise politische Interessen legitimieren oder delegitimieren will oder soll, vgl. z.B. die Deutung des WW1 nach 1918.
Eben – und das war historische Forschung schon immer. Weil sie nicht im luftleeren Raum existiert, sondern – wie jede Forschung – gesellschaftlichen Prozessen unterworfen ist.
 
Als Varus mit seinen 3 Legionen nach Germanien zog, begleitete ihn ein Tross mit Dienern, Frauen und Kindern. Nach dem ersten oder zweiten Angriff des Arminius ließ Varus die Wagen verbrennen, zog mit den Soldaten weiter und überließ die Unbewaffneten ihrem Schicksal. Bekanntlich haben Germanen diese nicht niedergemetzelt, sondern verschont.
Woher weißt du, dass Diener, Frauen und Kinder in Varus Tross waren? Ich denke nicht, dass ein Tross bei römischen Legionen vergleichbar mit Mutter Courage im 30jährigen Krieg war. Mir ist gar nichts über diesen Tross bekannt - auch keine Verschonung seitens Arminius. Da stellt sich die Frage, wo sind die ganzen scheinbar verschonten Trossmitglieder danach hin?
 
So? Ein kleines Beispiel für unterschiedliche Interpretation: Als Varus mit seinen 3 Legionen nach Germanien zog, begleitete ihn ein Tross mit Dienern, Frauen und Kindern. Nach dem ersten oder zweiten Angriff des Arminius ließ Varus die Wagen verbrennen, zog mit den Soldaten weiter und überließ die Unbewaffneten ihrem Schicksal.
Kannst Du eine Quelle für diese Story angeben?
Nun sagen die einen Historiker, das haben sie aus Kalkül gemacht, um für sie Lösegeld zu bekommen. Und die anderen sagen, nein
Kannst Du für die "einen" und für die "anderen" Historiker jeweils ein Beispiel mit einem Literaturbeleg angeben?

Oder ist das "Beispiel" mal wieder frei erfunden?

Ah? Vielleicht hilft dir das weiter: #189.
Daran kann ich mich sehr gut erinnern, da ging es darum, dass Du behauptet hattest, die These "dass christliche Mönche allein aus Hass auf alles Heidnische praktische Schriften zerstörten" ließe sich belegen, ohne auch nur einen einzigen Beleg für diese These geliefert zu haben.

Ich hatte aber nach etwas ganz anderem gefragt, nämlich nach einer Formulierung, von der Du behauptet hast, sie wäre in diesem Forum zumindest sinngemäß gefallen:
Auch in diesem Forum gibt es Formulierungen wie: Ja, das Gesetz war da, aber wurde kaum oder gar nicht befolgt. Beweis? Es gebe keine Berichte darüber, dass das Gesetz in die Tat umgesetzt wurde.

Eine weitere Frage hast Du ignoriert: Wer negiert, dass es auch unter Historikern Revisionisten gibt?
 
Ja, und Einstein und andere haben durch ihre Forschung die Atombomben möglich gemacht, die in Hiroschima und Nagasaki hunderttausende töteten – sind sie deswegen zu verdammen?

Apropos, nebenbei zu Revisionismus, war der Atombombeneinsatz gerechtfertigt? Ich kannte die Betrachtungsweise, dass Verluste gespart werden sollten, auch bei den Japanern, mitlerweile hört man aber immer wieder, viele Amerikaner in hohen Ämtern hätten schon damals den Abwurf als ungerechtfertigt gesehen.
 
Woher weißt du, dass Diener, Frauen und Kinder in Varus Tross waren? Ich denke nicht, dass ein Tross bei römischen Legionen vergleichbar mit Mutter Courage im 30jährigen Krieg war. Mir ist gar nichts über diesen Tross bekannt - auch keine Verschonung seitens Arminius. Da stellt sich die Frage, wo sind die ganzen scheinbar verschonten Trossmitglieder danach hin?
Es gibt mehrere Schreiber, die über die Varusschlacht berichten: Velleius Paterculus, Tacitus, Florus und Cassius Dio.

Aber zunächst zitiere ich diese Zusammenfassung: "Im Herbst 9 n. Chr. setzte sich der gewaltige Militärzug in Bewegung, vermutlich knapp 15.000-20.000 Soldaten. Er bestand aus den drei Legionen, 17., 18. und 19., mit drei Alen Reiterei und sechs Kohorten. Zusätzlich wurde der Zug von einem Wagentross begleitet, in dem auch die Familien und Sklaven der Soldaten sowie zahlreiche Zivilpersonen mitreisten, schließlich befand man sich nicht im Kriegszustand.
(…)
Den Soldaten, die wohl teilweise durch den sperrigen Wagentross behindert wurden, blieb keine Möglichkeit sich zu sammeln oder zu formieren. Zudem wurde in dem unwegsamen Gelände ihre größte Stärke zur schlimmsten Falle. Die schwere Panzerung und das umfangreiche Marschgepäck jedes Legionärs verhinderten ein schnelles Vorankommen auf dem schlammigen Waldboden. Die Römer sahen sich gezwungen, an Ort und Stelle zu verweilen und ein notdürftiges Lager zu errichten. Am nächsten Tag versuchte Varus mit seinem Heer den Ausfall zu wagen. Alles entbehrliche Gerät wurde zurückgelassen, die Wagen des Trosses verbrannt.
(…)
Die ausführlichste Darstellung des Schlachtverlaufs ist im 56. Buch des Geschichtswerks des Cassius Dio zu finden. Seiner Überlieferung zufolge zog Varus mit seinem Heer durch schluchtenreiches Bergland, das dicht bewaldet war, sodass Heereszug und Tross etliche Male durch umgestürzte Bäume und Wurzelgeflecht auf dem Reiseweg behindert wurden (56,20,1-3). Oft genug musste der schlammige Boden erst zu einem Reiseweg ausgebaut werden."


Cassius Dio schreibt:

"Sie führten auch wie im Frieden viele Wagen und Lasttiere mit; ferner folgten ihnen nicht wenige Kinder [57c] und Frauen und zahlreiche Troßknechte;
(…)
nachdem sie dann zahlreiche Wagen und sonstige Gegenstände, die nicht unbedingt erforderlich waren, verbrannt oder zurückgelassen hatten, zogen sie am anderen Morgen in etwas besserer Ordnung weiter, so daß sie sogar offenes Gelände erreichen konnten;
(…)
Als dies bekannt wurde, verzichteten auch alle anderen auf weiteren Widerstand, selbst wenn sie noch bei Kräften waren; sie folgten teils dem Beispiel ihres Kommandeurs, teils warfen sie die Waffen fort und ließen sich vom ersten Feind niederstoßen. Denn es war unmöglich zu fliehen, selbst wenn sie dies noch so sehr gewollt hätten. (2) So wurde nun jeder Mann und jedes Pferd erbarmungslos niedergemetzelt
(…)
Vor ihm [Arminius] seien drei Legionen und ebenso viele Legaten zu Boden gesunken; denn er führe nicht durch Verrat und auch nicht gegen schwangere Frauen, sondern offen gegen Bewaffnete Krieg: Man könne in den Hainen der Germanen noch die römischen Feldzeichen sehen, die er den heimischen Göttern geweiht habe."


Aus dem hier Gesagten kann man schließen, dass die unbewaffneten Trossknechte, Frauen und Kinder in Gefangenschaft geraten sind.
 
Römische Heere wurden durchaus von Händlern begleitet. Es war aber durchaus üblich, dass sie auch in Gefahrensituationen außerhalb des Lagers bleiben mussten und auf sich gestellt waren.

Was die Frauen und Kinder angeht, mag es durchaus sein, dass einige die Legionen begleiteten, da Varus und sein Stab ja abreisten, wenn dies Bild so stimmt. Der Stab eines Statthalters wurde ja von ihm selbst engagiert und bezahlt. Rom zahlte nur das Heer.

Allerdings hat Dio das wahrscheinlich nach seiner Vorstellung ausgeschrieben. Details bei ihm sind unzuverlässig. Das ist im Forum oft Thema. Wenn er hier trifft, dann zufällig.

Der halblegale Anhang der Männer und in Germanien verbleibenden Offiziere befand sich jedenfalls eher bei oder in den Standlagern. Es sei denn, dass eine Legion an den Rhein zurückverlegt werden sollte. Was angesichts eines weiterhin besetzten Lagers an der Lippe, dessen Besatzung zum Rheindurchbrach und wegen der Frauen und Kinder Probleme bekam, unwahrscheinlich ist. Zwei Legionen an der Lippe, eine am Rhein oder umgekehrt erscheint wahrscheinlich. Da Varus das Lager Anreppen aufgelassen haben soll, mag es vielleicht aber tatsächlich irgendwo ein unbekanntes Standlager zusätzlich zu Haltern gegeben haben. Dennoch hat Varus zum Abschied kaum eine Legion sinnlos von ihrem Standlager hinweggeführt. Das hat dann aber eine Menge Konjunktiv.
 
Ändert nichts daran, dass Cassius Dio schreibt, man habe einen Teil der Wagen verbrannt*, um besser fortzukommen nichts davon, dass man Frauen und Kinder zurückgelassen habe (eine solche Story kennen wir vom Auflassen des Lagers Aliso).

Dass Tacitus Arminius in den Mund legt, er kämpfe nicht gegen schwangere Frauen, ist bezogen darauf, dass die von Arminius schangere Thusnelda 15 in Gefangenschaft genommen und 17 zusammen mit ihrem Sohn Thumelicus in Rom im Triumphzug vorgeführt wird.

*Wenn die Story stimmt, wäre das taktisch unklug gewesen, besser wäre gewesen, den Germanen die Wagen zur Plünderung zurückzulassen.
 
Ändert nichts daran, dass Cassius Dio schreibt, man habe einen Teil der Wagen verbrannt*, um besser fortzukommen nichts davon, dass man Frauen und Kinder zurückgelassen habe (eine solche Story kennen wir vom Auflassen des Lagers Aliso).
Stimmt, explizit schreibt Cassius Dio nichts davon. Aber mit (kleinen) Kindern und (womöglich schwangeren Frauen) kann man nicht schnell marschieren. Und weil nur ein Teil der Wagen verbrannt wurde – wahrscheinlich nur die mit militärischem Gerät –, ist es anzunehmen, dass auch die Trossleute zurückgelassen wurden. Auf jeden Fall nahmen Germanen eine nicht genau bezifferte Anzahl Römer gefangen, von denen manche erst nach 40 Jahren freikamen, was auf gute Behandlung während der Gefangenschafft schließen lässt.

Edit:
Allerdings hat Dio das wahrscheinlich nach seiner Vorstellung ausgeschrieben. Details bei ihm sind unzuverlässig.
Zitat: "Auch dass das Schlachtgeschehen sich über mehrere Tage hinzieht, deckt sich mit Tacitus, der mehrere Schanzanlagen erwähnt, die einen größeren räumlichen Abstand vermuten lassen. In der Zusammenschau mit den anderen Quellen, allen voran Paterculus und Tacitus, kann durch den Bericht des Cassius Dio der Ablauf der Varusschlacht in Teilen rekonstruiert werden. Trotz des großen zeitlichen Abstandes ist das Geschichtswerk des Cassius Dio allgemein als verlässliche Quelle zu werten. Offenbar lagen ihm zeitgenössische Berichte wie etwa die heute verlorenen "Libri belli Germanici" des Aufidius Bassus oder die ?Bella Germaniae? des älteren Plinius vor, aus denen er Details für seinen Werk bezog."
 
Zuletzt bearbeitet:
Stimmt, explizit schreibt Cassius Dio nichts davon. Aber mit (kleinen) Kindern und (womöglich schwangeren Frauen) kann man nicht schnell marschieren.

Was wiederum die Frage aufwürfe, wie viele davon denn überhaupt in dem Zug tatsächlich zu erwarten gewesen wären.

Cassius Dios Schildung der fraglichen Ereignisse ist dermaßen überzogen: die Römer werden behindert durch tiefe Schluchten und Urwälder mit kreuz und quer herumliegenden Bäumen, im Sturm fallen Baumkronen auf sie herab, sie rutschen auf feuchtem Untergrund aus und haben nasse Hosen und obendrein noch Frauen und Kinder - die Germanen hingegen sind wie Legolas der Elf, haben keine Schwerkraft zu fürchten und tänzeln durch den sturmumtosten Wald, dieselben Baumkronen, die der Sturm auf die Römer hinabwirft, können ihnen nichts anhaben und offensichtlich tragen sie wasserabweisende Stoppersocken, denn sie rutschen auch nicht aus. Während die Römer ihnen nichts entgegenzusetzen haben (etwa Torsionsgeschütze) beschießen die Germanen sie zunächst aus der Ferne und kommen dann immer näher.

Und weil nur ein Teil der Wagen verbrannt wurde – wahrscheinlich nur die mit militärischem Gerät –,
Eine seltsame Vermutung. Das militärische Gerät sollen die Römer verbrannt haben, aber die Luxusgüter von Varus' Entourage haben sie weiter mit sich geführt?

Das hier ist nicht der Ort über Quellenkritik zu sprechen, darüber habe ich mich die letzten 15 Jahre hier im Forum gerade in Bezug auf die Varusschlacht in vielen tausend Beiträgen (sic!) schon geäußert. Wie so vieles, ist auch das Eigengut von Cassius Dio, was wir nicht anhand anderer Quellen überprüfen können. Dort wo wir Cassius Dio überprüfen können - Widersprüche zu den Naturgesetzen, Widerspruch zu anderen Quellen [Caesar stellt er teils positiver dar, als der sich selbst] - reichert Cassius Dio oft phantasievoll an.

ist es anzunehmen, dass auch die Trossleute zurückgelassen wurden.
Hatten die keine Beine? Mussten die getragen werden?
 
Das militärische Gerät sollen die Römer verbrannt haben, aber die Luxusgüter von Varus' Entourage haben sie weiter mit sich geführt?
Nein, sie haben die Wägen mit zivilen Sachen zusammen mit Zivilisten zurückgelassen, denn die stören immer bei Kampfhandlungen; und diese waren zu erwarten gewesen.

Aber du hast Recht, dies hier ist nicht der richtige Faden, um über Detailfragen der Varusschlacht zu diskutieren.
 
Aber du hast Recht, dies hier ist nicht der richtige Faden, um über Detailfragen der Varusschlacht zu diskutieren.
Vor allem dann nicht, wenn man sich an Cassius Dio aufhängt, der zwar das meiste zur Varusschlacht geschrieben hat (und es daher verständlicherweise sehr verlockend ist, ihn heranzuziehen), aber auch mit dem größten Abstand und der geringsten Nüchternheit und - ich kann nur immer wieder darauf hinweisen - oft genug im Widerspruch zur Physik/erfahrbaren Wirklichkeit steht.
 
Cassius Dio kannst du nur den groben Ablauf entnehmen, nicht die Details. Das habe ich mehrfach im Forum dargestellt. Nicht so oft, wie El Quijote ihn verissen hat und durchaus milder, aber mit der Zeit fallen immer mehr Details auf, an denen Dio nur ausschreibt. Das findest du auch so oder so ähnlich in den Quellenkunden. Flach, Römische Geschichtsschreibung, wäre nicht unzumutbar zu lesen, zumal er zitierte Stellen selbst übersetzt.

Aus

(…)
nachdem sie dann zahlreiche Wagen und sonstige Gegenstände, die nicht unbedingt erforderlich waren, verbrannt oder zurückgelassen hatten, zogen sie am anderen Morgen in etwas besserer Ordnung weiter, so daß sie sogar offenes Gelände erreichen konnten;
(…)

machst du ganz einfach

Nein, sie haben die Wägen mit zivilen Sachen zusammen mit Zivilisten zurückgelassen, denn die stören immer bei Kampfhandlungen; und diese waren zu erwarten gewesen.

Das ist genau dasselbe Ausschreiben, dass Cassius Dio anwendet. Es findet sich häufig in der Geschichtsschreibung vor Einführung der historisch-kritischen Methode. Es wird im Grunde a priori nach der eigenen Vorstellung geschlossen. Das ist leicht mit einer zulässigen Vermutung zu verwechseln, wie ich sie oben äußerte und hier deutlicher wiederhole:

1- Es ist sehr wahrscheinlich, dass Händler dem Heer folgten und auf sich gestellt waren. Die handelten im Prinzip auf eigene Verantwortung. Das gilt für alle römischen Heere.
2- Es besteht weiterhin eine geringe Möglichkeit, dass Frauen, Kinder und Sklaven von abziehendem Personal den Zug begleiteten. Die wären aber anders als die Händler behandelt worden. Sonst blieben Frauen und Kinder aller Wahrscheinlichkeit nach in der Garnison. Also müsste dazu eine solche östlich von Kalkriese gelegen haben, was aber problematisch ist. Dazu gibt es schon einiges im Kalkriesethread.
3- Trossknechte wurden sicher nicht zurückgelassen. Im Notfall betätigten die sich als Kombattanten und die Ausrüstung auf den Maultieren wie etwa Schanzwerkzeug und-pfähle war militärisch wichtig. Der Einsatz von Trossknechten hat einige Male den Ausschlag für Rom gegeben. Es gab auch Fälle, in denen die Trossknechte flohen oder aber vorgaukelten eine weitere Einheit zu sein. Hast du dich übrigens schon mal gefragt, wie hoch der Germanenanteil unter den Trossknechten war? Das waren nicht nur Sklaven. Es gab auch Trossknechte, die auf freie Stellen im Militär warteten und sich dafür auszeichnen wollten. Der Dienst in der Armee war hart, versprach aber sozialen und ökonomischen Aufstieg.

(Ich habe zum Thema noch etwas im Kopf, das ich aber erst heraussuchen muss.)

Kann das vielleicht in einen eigenen Thread?
 
Aber du hast Recht, dies hier ist nicht der richtige Faden, um über Detailfragen der Varusschlacht zu diskutieren.

Detailfragen der Varusschlacht interessieren mich an dieser Stelle nicht. Es geht um eine Quelle, deren Aussagen und deren Bewertung durch Historiker.

Meine erste Frage bezog sich auf das von Dir behauptete Ereignis "Varus ... überließ die Unbewaffneten ihrem Schicksal. Bekanntlich haben Germanen diese nicht niedergemetzelt, sondern verschont."

Meine erste Frage lautete:

Kannst Du eine Quelle für diese Story angeben?

Die Frage ist nunmehr hinlänglich beantwortet:

Stimmt, explizit schreibt Cassius Dio nichts davon.

Du kannst das "explizit" auch weglassen; Cassius Dio schreibt nichts davon, und auch Tacitus nicht oder sonst eine antike Quelle.

Meine zweite, hier eigentlich wichtigere, Frage hast Du wieder einmal gänzlich ignoriert:

Kannst Du für die "einen" und für die "anderen" Historiker jeweils ein Beispiel mit einem Literaturbeleg angeben?

Falls dazu in Deinem nächsten Beitrag nichts Konkretes kommt, dürfte sich sich meine dritte Frage ebenfalls beantwortet haben:

Oder ist das "Beispiel" mal wieder frei erfunden?
 
Danke für den Link.

Ja, und Einstein und andere haben durch ihre Forschung die Atombomben möglich gemacht, die in Hiroschima und Nagasaki hunderttausende töteten – sind sie deswegen zu verdammen?

Entscheidend sind nicht die Waffen oder die Mittel – die hat es zu allen Zeiten gegeben –, sondern die Gründe, weswegen sie benutzt wurden und werden. Und diese Gründe wachsen nicht auf Feldern der Naturwissenschaften, sondern auf denen der Religionen, Ideologien und Historie. So wird der gegenwärtige Krieg Russland gegen Ukraine seitens Russlands mit Historie begründet.

Nach dieser Logik sind Naturwissenschaftler, die Massenvernichtungs-Waffen konstruieren, dafür gar nicht verantwortlich. Die Waffe tötet nicht, die Verantwortung liegt auch nicht bei dem, der den Finger am Abzug krumm macht, sondern per se bei Religionsvertretern, Ideologen und Historikern ohne die der Schütze nicht abdrückt hätte? Eine steile These!

Konflikte haben vielfältige Gründe, und es sind etliche Konflikte auch keineswegs auf ideologische oder religiöse Ursachen zurückzuführen. Eine wichtige Rolle bei Konflikten spielen: 1.Nahrung, 2.Lebensraum, 3. paarungsbereite Weibchen, 4.materielle Güter/Ressourcen.

Gründe wachsen sozusagen am Wegrand, in noch jedem Konflikt wurde mindestens einer gefunden auch ohne dass man dazu Religion, Ideologie und Historie hätte bemühen müssen.
 
Zu den politischen Auswirkungen des Geschichtsrevisionismus unter Historikern möchte ich auf den alten Thread Frage zur Hohmann-Rede verweisen. Besonders anschaulich ist hier Beitrag #21.
Revisionistische Historiker sind Stichwortgeber für die revisionistische Politiker. Die Thesen von Ernst Nolte und Rogalla von Bieberstein fanden ihren Widerhall in der politische Debatte.

Geschichtsrevisionistische Historiker und Politiker kochen seit Jahren ihr eigenen Süppchen. Wenn anerkannte Professoren wie Alexander Demandt oder Egon Flaig engagieren sich in rechtsextremen Think Tanks. Ihre Beiträge geben den Veranstaltern den Anschein Teil der ernsthaften Wissenschaft zu sein.
 
Wenn anerkannte Professoren wie Alexander Demandt
Saperlot, dass der bei einer Oswald-Spengler-Society mitmacht, wusste ich nicht. Kontaminiert das rückwirkend seine Arbeiten zur römischen Geschichte, zur Spätantike? Ich meine, seine "Geschichte der Spätantike" ist kein rechtskonservatives Pamphlet, sondern nach wie vor informativ und lesenswert.

Dass Demandt in seinem wissenschaftlichen Fachgebiet (Antike, Spätantike) "geschichtsrevisionistisch" im negativen Sinn publiziert habe, ist mir nicht bekannt.
 
Falls dazu in Deinem nächsten Beitrag nichts Konkretes kommt, dürfte sich sich meine dritte Frage ebenfalls beantwortet haben:
Es hat ein bisschen gedauert, @Sepiola, bis ich wiedergefunden habe, was ich glaube*, gesehen zu haben: https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/kampf-um-germanien-2-104.html

Das ist der 2. Teil einer Dokumentation über Arminius und die Varusschlacht. Ab Minute 19 geht es um den Tross, genauer um die Entscheidung, den Tross zurückzulassen, und um die Aussage, dass das Verschonen der Trossleute durch Arminius weniger ethische, denn ökonomische Gründe hatte.

Im ersten Teil dieser Dokumentation geht es vor allem um die Vorgeschichte und den Gründen des Aufstands.

Die Doku ist gut gemacht, auch die Spielszenen sind besser als üblich. Aber sie sind für den Durchschnittszuschauer gemacht, damit er bei der Stange bleibt und nicht wegschaltet: Aus Radio und Fernsehen weiß man, dass reine Wortbeiträge nicht mehr als eineinhalb Minuten dauern dürfen. :rolleyes:

Die Geschehnisse kommentieren:

Siegmar von Schnurbein, Archäologe
Marcus Junkelmann, Militärhistoriker
Alexander Demandt, Historiker
Werner Eck, Historiker
Gabriele Rasbach, Archäologin
Achim Rost, Schlachtfeldarchäologe
Reinhard Wolters, Historiker
Rainer Wiegels, Historiker

* Obwohl die Spielszenen identisch sind - offenbar werden diese öfters recycelt -, ist sie nicht genau die gleiche Dokumentation, aber für diesen Zweck dürfte sie gut genug sein. :)
 
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