Hätte man den Untergang Westroms noch abwenden können?

Dieses Thema im Forum "Das Römische Reich" wurde erstellt von Bourbone, 15. Februar 2011.

  1. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Vielen Dank für diesen Tipp.:winke:

    Bei Demandt hat mich der Blick in google.books zum Kapitel Wirtschaft eher abgeschreckt.
     
  2. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    warum das?
    und noch eine naive Frage: ist google.books auf allen Gebieten die Waagschale, die entscheidet, was ok ist und was nicht?
     
  3. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Warum: Ist sicher subjektiv.

    google.books ist natürlich keine Waagschale, sondern der Einblick in den Text.
     
  4. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    :S saperlot - ja kann man da das ganze Buch lesen?? Da hätte ich es ja nicht kaufen müssen.
     
  5. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Nein, einzelne Seiten fehlen.
     
  6. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    viele oder nur einzelne?
    Ich frage aus folgendem Grund: ist da bei google.books genug zu lesen, um beurteilen zu können?
     
  7. megatrend

    megatrend Aktives Mitglied

    Hallo,

    Ich glaube, dass einer der zentralen Punkte der Bevölkerungsdruck von Norden her ist: die klimatische Verschlechterung im Norden Europas war so dramatisch war, dass aufgrund der x-tausenden von Klimaflüchtlingen vermutlich fast jedes noch so stramme Regime zerbrochen wäre.
    Dass die Römische Regierung aufgrund der enormen Verzettelung des Riesenreichs geschwächt war, kam wohl als zusätzlicher Zerfall-fördender Umstand hinzu.
     
  8. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Das meiste ist vorhanden.

    So groß waren die Germanenscharen nicht. (Die überlieferten Zahlen mit Hunderttausenden Waffenfähigen sind maßlos übertrieben.) Theoretisch hätte es möglich sein müssen, dasselbe zu machen wie mit den Kimbern und Teutonen: Die meisten Krieger töten, den Rest versklaven. Aber dazu hätte man die Goten & Co. ebenso vollständig besiegen müssen wie es Marius gelungen war.

    Was meinst Du mit "Verzettelung"? 400 Jahre lang war das Riesenreich gut mit seiner Größe zurecht gekommen.
     
  9. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    Der Druck von außen war ja von der Nordsee bis ans schwarze Meer spürbar und zeitweilig nicht gering - ebenso massierte sich zeitweilig der Druck an der kleinasiatischen Grenze der Osthälfte.

    Über die wahrscheinliche Größe der auffallenden Barbarenheere gibt die "Volkszählung" der Wandalen und Alanen beim Übersetzen nach Nordafrika Auskunft - ca 80000 Leute "all inclusive"
     
  10. megatrend

    megatrend Aktives Mitglied

    Die Germanenscharen waren immerhin so gross, dass
    a) sie die Bevölkerungsmehrheit stellten (es gibt z.B. der Schweiz mehr germanische Ortsnamen als keltische Ortsnamen notabene)
    b) die Ueberzahl/Ueberlegenheit lässt sich auch indirekt daran feststellen, dass sich in Süddeutschland/der Schweiz/Oesterreich die germanische (heute deutsche Sprache) durchgesetzt hat. Da wurde vorher nämlich noch keltisch / Vulgärlatein gesprochen. Wären die eingewanderten Germanen nur ein unbedeutender Bevölkerungsanteil gewesen, hätte sich deren Sprache wohl kaum durchgesetzt.
    Dasselbe gilt übrigens für England: auch dort hat sich die germanische (heute englische) Sprache durchgesetzt.

    Man sieht übrigens auch an der Grösse der von den Germanen neu besiedelten Gebiete, dass man wohl kaum von einer unbedeutenden Masse sprechen kann: Frankreich war ja auch in der Hand der (germanischen) Franken (westfränkisches Reich) und heisst eben deshalb heute Frankreich. Dort hat sich die germanische Sprache letztendlich nicht durchgesetzt, aber diese Umstände genau zu analysieren wäre wohl ein eigenes Thema wert.

    Ja. Aber die Funktionsfähigkeit/Stabilität eines Riesenreiches (und das war Rom ja tatsächlich) wirklich lässt sich daran messen, inwieweit romanisiert dessen Bevölkerung war. Die keltischen und anderen Sprachgebiete waren wohl damals noch zu wenig integriert in den Geist des römischen Reiches. Man erkennt das z.B. an Umständen, wie dass die römischen Bäder vielerorts nach dem Reichszusammenbruch langsam zerfielen. Ebenso ging das Wissen der Bauweise mit Mörtel wieder unter: nachher wurde ein paar hundert Jahre lang wieder mit Holz gebaut, Steinmauern kamen erst später wieder zum Zug. Diese Umstände zeigen auf, dass damals keine 'homogene Masse' vorhanden war und dass in vieler Hinsicht noch Gräben bestanden zwischen römischen Gutsherren (oder deren Verwaltern bzw. sonstiger römischer Bevölkerung) und der alteingesessenen Bevölkerung.
     
    Zuletzt bearbeitet: 17. Februar 2011
  11. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    @ dekumatland:
    Dieser Druck war allerdings auch nichts Neues, den gab es seit dem 2. Jhdt. Trotzdem hielt ihm das Reich trotz gelegentlicher Rückschläge bis zum Rheinübergang von 406 im Wesentlichen stand. Die Bedrohungen waren aber in diesen Jahrhunderten nicht unbedingt geringer: Schon unter Mark Aurel stießen die Germanen nach Italien vor. Mitte des 3. Jhdts. kamen die Alemannen ebenfalls bis Italien, fränkische Horden sogar nach Spanien. Griechenland und Kleinasien wurden von den Goten geplündert. Trotzdem konnten all diese Invasionen letztlich wieder zurückgeschlagen werden. Man sollte diese Germaneninvasionen also nicht per se als Reichsuntergangsursache überbewerten, sondern in Zusammenhang mit anderen Faktoren sehen.
     
  12. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Die romanische Bevölkerung Noricums wurde 488 von Odoaker teilweise nach Italien evakuiert. Nicht vergessen sollte man auch die Menschenverluste in den von Invasionen am meisten heimgesuchten Grenzgebieten. Im Reichsinneren, in Spanien, Afrika und Gallien hingegen blieben die Germanen stets eine kleine Minderheit.

    Dass Gallien und Spanien sehr wohl tiefgehend romanisiert waren, erkennt man schon daran, dass dort bis heute romanische Sprachen gesprochen werden, und nicht keltische.
     
  13. megatrend

    megatrend Aktives Mitglied

    die massive klimatische Verschlechterung trat aber erst später ein und lässt sich von Klimaforschern in Bezug auf Massivität dokumentieren (z.B. Baum-Jahresringe von Bäumen in Gletschern oder andere Indikatoren, die man bei Gletscherbohrungen findet). Siehe dazu z.B. Exklusiv: Das Klima schreibt Kulturgeschichte - News Wissen: Natur - tagesanzeiger.ch
     
  14. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    Das ist ja alles richtig - ich merke lediglich an, dass vor dem 5.Jh. das röm. Kaiserreich mit dem diesem Druck besser zurecht kam. Dann aber verstärkte sich dieser Druck, weil die Hunnen eine Lawine in Gang setzten, und obendrein waren die Anrainer nicht mehr schlechter bewaffnet - es wurde also schwieriger für das Imperium, bis es im Westen eben zu schwierig war.
     
  15. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    in aller Kürze bzgl. der ehemaligen weströmischen Gebiete:
    romanische Sprachen:
    spanisch, okzitanisch, französisch, raetoromanisch, italienisch, sizilianisch, rumänisch (diese Provinz wurde vor der Trennung in ost-west aufgegeben)
    germanische Sprachen:
    (englisch gilt eigentlich nicht: als die Angelsachsen kamen, waren die Römer schon weg von Britannieren) deutsch, letzeburgisch
    slawische Sprachen:
    slowenisch, kroatisch, serbisch
    ferner:
    ungarisch

    selbst wenn dieser Katalog nicht ganz vollständig ist, so zeigt er doch ziemich viele romanische Sprachen

    ein Sonderfall ist das französische: es ist nun mal eine romanische Sprache, das fränkische/althochdeutsche kam nicht sonderlich weit nach Gallien hinein

    vereinzelte evtl. alanische, gotische und sonstige Ortsnamen verweisen nur auf temporäre Angelegenheiten
     
  16. megatrend

    megatrend Aktives Mitglied

    bezüglich dieser Gebiete sind wir uns wohl absolut einig.

    Auch da gebe ich Dir recht: dort war die Romanisierung ein Erfolg. Das Problem ist aber, dass eine "gute" Romanisierung auch Verschiebungen der eigenen Bevölkerung beinhaltet: das mag eine Zeit lang gut gehen, aber mit der Zeit gehen einem die Leute aus, die sich (mehr oder weniger freiwillig) in eine Aussenprovinz "deportieren" lassen, sei dies auch mit massiven materiellen Vorteilen verbunden.
    Mit anderen Worten: so gut die Romanisierung in Gallien / Iberien (und teilweise auch Dacien) war, so schlecht war sie anderswo...
     
  17. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Stimmt, der Hunnensturm erschwerte die Lage für das Reich massiv, weil der Druck der Germanenstämme massiv zunahm. Aber trotzdem denke ich nicht, dass die folgende Entwicklung unabwendbar war. Kaiser Valens hätte die Schlacht von Adrianopel durchaus gewinnen können, z. B. wenn er auf seinen Kollegen Gratianus gewartet hätte, und auch der Rheinübergang von 406 hätte vielleicht zurückgeschlagen werden können, wenn die weströmischen Armeen nicht lieber gerade untereinander Krieg geführt hätten. Aber gut, das ist jetzt pure Spekulation. Worauf ich, wie schon in früheren Beiträgen, hinaus will, ist, dass die Germaneninvasionen erst durch das Zusammenwirken mit innerrömischen Konflikten und römischer Führungsschwäche so bedrohlich wurden.
     
  18. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    Das halte ich auch für die wahrscheinlichste Erklärung; es kommt auf römischer Seite übrigens auch noch Misswirtschaft hinzu (das bekannte Kurialenproblem, Bagaudenaufstände, weite unproduktive Brachflächen usw.)
     
  19. megatrend

    megatrend Aktives Mitglied

    => siehe meinen Beitrag Nr. 56 in diesem Thread.

    => das ist jetzt aber in diesem Thread ein "schlechtes Argument": die magyarische Eroberung, welche die ungarische Sprache mit sich brachte, war erst viel später als der Zerfall des römischen Reiches.
     
  20. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Hmmm ... Einen Zusammenhang mit Umsiedlungen sehe ich bei der Romanisierung nur begrenzt. Römische Kolonien wurden außerhalb Italiens im Wesentlichen nur in Südgallien, Spanien und Afrika angelegt, und da auch nicht im Übermaß. Städte in anderen Gebieten erhielten zwar auch den Status einer "colonia", aber ohne tatsächlich mit Siedlern aus Italien bestückt zu werden. Trotzdem waren in der Spätantike Spanien, Gallien und Teile Britanniens lateinischsprachig, lediglich in Afrika hatte sich teilweise das Punische erhalten. (Die Identifikation mit dem Reich erschwerte das aber auch nicht unbedingt: Immerhin machte der als Muttersprache Punisch sprechende Septimius Severus eine beachtliche Karriere.)
    Normalerweise lief die Romanisierung eher so, dass die heimische Führungsschicht für die römische Kultur gewonnen wurde (z. B. durch die Verleihung des Bürgerrechts), man sich romanisieren musste, um Karriere machen zu können, und diese Entwicklung dann allmählich auch auf den Rest der Bevölkerung ausstrahlte, zuerst in den Städten.
     
    Zuletzt bearbeitet: 17. Februar 2011

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