zaphodB:
Ob Jesus eine Frau hatte oder nicht ist in keiner Quelle eindeutig belegt.
Wir könen also diese Frage nur damit beantworten ,daß wir sagen:
Wir wissen es nicht !
(und im übrigen wäre es auch egal)
Alles ok, nur beim letzteren möchte ich widersprechen. Es ist nicht egal. Dass die Frage überhaupt auftauchen kann, ist ein Signal dafür, dass die christlichen Quellen etwas nur notdürftig verbergen, das sie lieber komplett unter der Decke halten würden. Die Frage ist nur, warum das nicht ganz gelungen ist.
Im apokryphen Philippusevangelium stehen die wichtigsten Stellen zum Thema:
Spruch 32:
Es waren drei, die allezeit mit dem Herrn wandelten: Maria, seine Mutter, und ihre Schwester und Magdalene, die man seine Gefährtin nennt. Denn (eine) Maria ist seine Schwester und seine Mutter und seine Gefährtin.
Spruch 55:
Die Sophia, die man die ,Unfruchtbare` nennt, sie ist die Mutter [der] Engel. Und die Gefährtin von [Christus] ist Maria Magdalena. Der [Herr liebte] sie mehr als [alle] (anderen) Jünger, und er küsste sie [oftmals] auf ihren [Mund]. Die übrigen [Jünger, sie sagten zu ihm: ,,Weshalb liebst du sie mehr als uns alle?`` Es antwortete der Erlöser, er sprach zu ihnen: ,,Weshalb liebe ich euch nicht (so) wie sie?``
(zit. n. Lüdemann: Häretikerbibel)
Für Vertreter der konventionellen Hypothese, dass die Evangelien früh und unabhängig von der gnostischen Religion entstanden seien und auf einem historischen JC gründen, wird die Fragestellung ewig unlösbar sein. Für Vertreter der Mythos-Hypothese (JC ist ein historisierter, ursprünglich gnostischer Mythos) bietet sich aber Möglichkeiten an, die Fragestellung - natürlich nur hypothetisch - zu klären. Legt man also zugrunde, dass Christus ursprünglich eine transzendente Erlösergestalt innerhalb der gnostischen Mythologie ist und dass eine Unterströmung, die Kirche, sich vom Mainstream absonderte, indem sie Christus mit einem fiktiven jüdischen Messiasprätendenten mit erdichteter Biografie identifizierte, dann ist folgende Rekonstruktion denkbar:
In den gnostischen Mythen hat Christus definitiv eine sogenannte
Paargenossin. In der Regel ist das die Göttin Sophia, eine gnostische Adaption der Sophia-Gestalt der jüdischen Weisheitsliteratur, die ihrerseits eine Adaption der ägyptischen Göttinnen Isis und Ma´at war. "Paargenossin" - das heißt Gefährtin und Geliebte. Schließlich galt auch die weisheitliche Sophia nicht nur als Botin, sondern auch als "Geliebte" des jüdischen Gottes Jahwe (in der Nachfolge der ugaritischen Aschera, die bis zum 7. Jh. vuZ mit Jahwe assoziiert wurde).
Die fiktional-mythischen Vorbilder für eine Jesus/Maria M.-Liaison sind also in Reihenbildung gleich mehrfach vorhanden.
Im Zuge der fiktiven Historisierung des gnostischen Christus wurde die Paarbildung zunächst beibehalten und Jesus eine irdische Partnerin zugesellt (eben Maria M.). Leider passte dieses Konzept den klerikalen Entscheidungsträgern nicht in den Kram, da dadurch der Stellenwert der Frau (an sich) auf ein nicht akzeptables Maß angehoben wurde. Denn die Kirche war darauf bedacht, Frauen aus den wichtigen klerikalen Positionen herauszuhalten. Also wurden die Texte entsprechend "korrigiert". Dass an den Ev viel herumgedoktert wurde, ist ohnehin bekannt. Das Resultat des klerikalen Lektorats ist eine zensierte Maria-M.-Figur, die nur noch eine Schatten der ursprünglichen (fiktionalen) Figur ist.
Es überrascht mich in diesem Forum mittlerweile nicht mehr, wie ernst die kanonischen Evangelien genommen werden. Dabei ist doch klar, dass sie ihre Kanonizität allein dem Umstand verdanken, dass sie Kriterien erfüllen, welche der Klerus aus strategischen Gründen an den Inhalt christlicher Basisdokumente gestellt hat. Die Evangelien sind nicht kanonisch, weil sie "wahr" sind, sondern weil sie einen bestimmten propagandistischen Zweck zu erfüllen hatten. Man
muss also bei ihnen
zwischen den Zeilen lesen. Die Textoberfläche ist reine PR für den Klerus.
Zusammengefasst lautet meine Hypothese:
+ Die kanonische Maria M. ist eine fiktionale Ableitung aus der gnostisch-mythischen Sophia-Figur (Paargenossin von Christus, dem Ersten Menschen)
+ In gnostischen Gemeinden hatten Frauen nicht weniger Rechte als die Männer. Weil die katholische Kirche aber den Status der Frau(en) am Boden halten wollte, wurde an Maria M. in den als kanonisch akzeptierten Texten die Eigenschaft der Geliebten des Jesus eliminiert. Parallel entstandene Texte (wie das PhilEv) haben das Verhältnis von Jesus und Maria M. sehr viel näher an der ursprünglichen Paargenossen-Konstellation Christus-Sophia dargestellt und wurden aus diesem Grund nicht in den Kanon aufgenommen.