Heribert Illig... Was, wenn er doch Recht hat?

Geoman schrieb:
Auch ich halte es für ein gutes Zeichen, dass die These zu Beginn immer wieder verändert wurde, aber in den letzten Jahren ist sie erschreckend stabil. Bezüglich korrigierter Zeittafeln siehe z. B.

Birken, Andreas (2006): Italiens Phantomzeit. In: Zeitensprünge, H. 1, S. 121- 134, (Zeittafel auf S. 133).
Hm, nur eine Zeittafel? :(
Auch wenn Italien interessant ist, deswegen werde ich nicht das Geld für ein Abo ausgeben.

Deinen verlinkten Beitrag habe ich schon gelesen. Für einen Forumsbeitrag ist er ausgesprochen ausführlich. Für eine so umfassende These ist das Material aber eher knapp. Hast Du vielleicht externe Links, die Dir die Mühe des Tippens oder ein juristisch fragwürdiges Copy&Paste (copyright) ersparen würden?

Solwac
 
Geoman schrieb:
Hallo tela,

wenn die römische Chronologie veraltet wird, müssen nicht römische Ereignisse, sondern nachrömische Ereignisse verdoppelt oder erfunden werden, also z. B. Karl der Große etc.

Gruß

Geoman

Karl d. Gr. ist doch aber erfunden, oder? Mich würde mal ein verdoppeltes Ereignis interessieren.
 
tela schrieb:
[...] Mich würde mal ein verdoppeltes Ereignis interessieren.

Mit einem solchen Ereignis im Detail kann ich nicht dienen, aber spontan denke ich an die von mir erwägte Verdopplung von einem vielleicht historischen Karl zu Karl Martell und Karl dem Großen. Jedenfalls sprechen die altfranzösischen Dichtungen doch nur von einem?

Fragen wirft außerdem noch der Kaisertitel an sich auf: das Wort „Kaiser“ leitet sich bekanntlich von Caesar her und gelangte als Lehnwort schon zu den Germanen, schließlich war es Julius Gaius Caesar, der als erster Römer – oder genauer: als erster römischer Politiker mit einem Heer – den Rhein überschritt. Schon als Schüler fand ich es interessant, daß es in Frankreich erst mit Napoléon wieder einen Kaiser seit den Karolingern auf französischem Boden gab. Ich lasse dahingestellt sein, daß es mit Illig betrachtet, seltsam anmutet, daß Einhard, Karls eigener Biograph, von einem Kaisertitel eben nichts wissen wollte; aber interessant ist’s schon, daß es im Französischen nur das Wort César gibt. Aus dem 12. Jahrhundert gibt es eine elsässische Chronik: sog. Chronicon Ebersheimense; darin wird aus „Heidnischer Zeit“ berichtet, daß Caesar die Bewohner des Gebietes zwischen den Vogesen und den Rhein (die „Deutschen“), die ihn bei seinem Sieg über die Gallier („Franzosen“) unterstützt hatten, unterworfen hätte und vor seiner Rückkehr nach Rom einen ersten „Reichstag“ einberufen. Die Sache ist insofern von Belang, als daß das Wort „Kaiser“ schon kurz nach Caesars Zeit ins germanische gelangt sein mußte, das Französische aber kein (altes) Wort dafür kennt.

Um es mal mein Standpunkt aus heimatkundlicher Sicht – den ich in einer anderen Rubrik zum „Thema Illig“ vertrete, ist folgender: Bezüglich der Frühgeschichte Nidersachsens, die erst in ottonischer Zeit ändet, ergibt eine Chronolgieverkürzung im Illigschen Sinne gute Ergebnisse; dabei erwäge ich, daß die Eroberung Sachsens tatsächlich unter einem Merowinger und einem frühen Pippiniden (kein Karolinger!) als Hausmeier begann. Über einen Erlaß Chlothars II las ich, daß er darin neben der Legalisierung des Hausmeieramtes schon die Respektierung regionaler Rechtstraditionen und die Ernennung von Grafen, deren Position gleichzeitig durch Fürstung gestärkt wurde, festgeschrieben hatte. Diesen würde ich anstelle der sog. Grafschaftsverfassung setzen – das wäre übrigens ebenfalls ein „doppeltes Ereignis“. Ich würde aber nicht alle Pippiniden als fiktiv betrachtet. Beorna schrieb beispielsweise, daß wir vielleicht eine falsche Vorstellung von den damaligen Ereignissen der Karolinger haben und Hyokkose widersprach mir nicht deutlich, als ich die Identität Karls des Großen und Karl Martells erwägte. Im übrigen brauch ich wegen der Stiftsurkunde von Wunstorf, wenn ich sie nicht im streng Illigschen Sinne als Fälschung betrachten will, mindestens einen Ludwig. Wie dem auch sei, erzählt Widukind von Corvey daß Otto nicht in Rom zum Kaiser gekrönt, sondern von seinem Heer auf dem Lerchfeld zum Kaiser ausgerufen wurde. Das würde dann mehr den Gepflogenheiten der spätrömischen Zeit entsprechen.
 
Zuletzt bearbeitet:
saxo schrieb:
[...] Wenn wir die Phantomzeit abziehen, haben die Slawen das alles in einer Generation geschafft... :rofl:

Oder man erwägt, daß die Rekonstruktion der geschichtlichen Ereignisse einfach nicht ganz so stimmt, wie es uns gelehrt wird.
 
tela schrieb:
[...] Archäologische Überreste, die man nicht aufgrund von schriftlichen Hinweisen datieren kann, also z.B. Waffen, Schmuck, Alltagsgegenstände usw. werden i.d.R. ja erst einmal relativ datiert, also über z.B. Stilentwicklung in eine möglichst stimmige chronologische Reihe gebracht. Über einigermaßen absolut datierbare Gegenstände, z.B. Münzen wird dann versucht, diese relative Chronologie mit Daten zu versehen. [...]
Wenn es die Phantomzeit gegeben haben sollte, dann düften sich doch in Funden, die man kurz vor die Phantomzeit datiert und solchen, die kurz danach datiert werden keine allzu großen Stilbrüche erkennen lassen, oder?
oder anders: Wenn ein deutlicher Stilbruch erkennbar ist, wäre dies nicht ein Indiz, dass auf das Jahr 614 nicht das Jahr 911 gefolgt haben kann?
[...] Und sollten ähnliche Brüche nicht auch in den gesellschaftlichen Strukturen - Königtum, Verhältnis König-Fürsten, königlicher 'Hof', Kirche u.ä. - nicht vorhanden sein, sollte Illig recht haben?

Genau das ist der Punkt, Illig argumentiert aufgrund von Kontinuität und dem Fehlen eines Bruches trotz karolingischer Renaissance. Obwohl z. B. das Sachsenland in Merowingischer Zeit zu fränkischem Interessengebiet wurde, erfahren wir über sächsische Adlige erst unter Karl. Bis in die ottonische Zeit hat man dann Genealogien geschaffen, die lediglich auf Namensähnlichkeiten beruhen. Wird also mindestens die karolingische Zeit gekürzt, ergibt sich eine klarere Entwicklung des Aufstiegs eines Hochadligen Geschlechts, seit Sachsen mit der gallisch-fränkischen Hochkultur in Verbindung getreten war! Für Süddeutschland muß aber modifiziert werden, weil hier schon die Römer eine Hochkultur mitgebracht hatte, weshalb die Franken am Rhein und Alamannen ja auch schon früher auftreten.
 
Barbarossa schrieb:
Muß ja so sein - er [Dagobert] gehört dazu und alle weiteren Fränkischen Könige bis einschließlich Ludwig "das Kind". Und auch Samo mit seinem Reich hat es dann nie gegeben.
Und wo wir schon dabei sind - das ursprüngliche Thema aufgreifend ( was wäre wenn er Recht hätte ) - stellen sich mir weitere brennende Fragen, wenn man sich die Zeit von 614-911 ab jetzt einfach wegdenken soll:
Warum gehören die Sachsen plötzlich zum Ostfrankenreich? Und warum sind sie nun plötzlich Christen?
Die Frage, wo ist das Langobardenreich geblieben, hat schon mal jemand gestellt. Auch würde die Geschichte Italiens in einem ganz anderen Licht erscheinen, denn es hätte nie zum Frankenreich gehört, da es ja Karl
"den Großen" nie gab, der in der Phantomzeit die Langobarden unterwarf.
Und weiter westlich - ein ähnliches Desaster denn - Wo ist plötzlich das Westgotenreich?
Und - auweia!!!!!!!! :eek: - wo kommen auf einmal die vielen Araber in ganz Nordafrika und auf der Halbinsel her, wo noch ein Jahr davor das Westgotenreich war??? Und wen sehen diese Araber als ihren Propheten an?
Einen gewissen Mohamed - den hat es aber natürlich auch nie gegeben...:nono:

1. Tatsächlich liegt Dagobert nur zum Teil - wenn auch zum größeren - in der Phantomzeit, da ihn Chlothar - auf Druck seiner Haumaier - noch als Unterkönig von Austrien/Ausrasien einsetzte. In der folgenden kritischen Zeit begannen die Sachsenkriege. Ich will eigentlich auf diesen Teil der Geschichte dann nicht ganz verzichten, aber die späteren Sachsenkriege sollten auf jeden Fall reduziert werden. Ein denkbares Szenario ist für mich im übrigen, daß sich die Pippiniden allmählich vom Merowingerreich lossagten; ihre Macht hatten sie ja schließlich im eigentlich Stammland der Merowinger (Austrien) und ihre Herkunft soll irgendwo bei den Ardennen und an der Mosel gelegen haben; die eine oder andere Geschichte aus Dynastieannalen der Karolinger mag denn vielleicht auch zutreffen, aber vieles könnte durchaus auch zuerfunden sein.

2. In die Phantomzeit fällt dann leider auch Arnulf von Kärnten, den man eigentlich für den Übergang der Kaiserwürde auf das Ostfränkische Reich gut gebrauchen könnte. Allerdings läßt Illig einen "blinden" Ludwig (von der Provence) gelten.

3. Es gab bekanntlich schon vor der angelsächsischen Mission eine irische, die allerdings nicht wirklich bis Sachsen vordrang; aber wie man sich sich die Christianisierung der Sachsen vorzustellen, darüber gibt auch die Karolingerzeit nicht wirklich Auskunft. Die zahlreichen Taufen, die während der Sachsenkriege stattgehabt haben sollen, sind ziemlich unglaubwürdig - auch bei Beibehaltung der Karolingerzeit wurden die Sachsen "plötzlich" Christen - und ganz zu schweigen von den angeblichen Einrichtungen der Bistümer.

4. Des weiteren gab es in Sachsen einen Bardengau (Bardenga), den man mit den Langobarden in Verbindung bringt. Die Geschichtsschreibung über der Langobarden fällt sowieso in die Zeit nach der Phantomzeit - wenn ich mich recht erinnere. Hat schon einmal jemand überlegt, ob sie nicht verfaßt wurde, um den Anspruch des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation auf Italien zu rechtfertigen, analog zur Konstantinischen und Pippinschen Schenkungsfälschung an den Papst? Und obzwar das Ostgotenreich Theoroderichs nicht in die Phantomzeit fällt, ist die Geschichte Italiens trotzdem neu zu rekonstruieren.

5. Auf viele Fragen gibt Illig aber noch keine Antwort - allerdings lese ich auch nicht "Zeitensprünge", das ist die Sache mit dem Islam - oder geht er darauf vielleicht in "Wer hat an der Uhr gedreht" ein? Jedenfalls sieht Topper, der nicht unbedingt zu den Illigschen zählt, einen Zusammenhang zwischen Arianern und den Mohammedanern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Geoman schrieb:
Falls Du es noch nicht gemerkt haben solltest, habe ich mir zu Beginn der Diskussion einfach mal erlaubt, mich gegenüber der Standardwissenschaft so zu verhalten, wie sich Standardwissenschaftler gegenüber Abweichlern wie Illig verhalten.
Erm, du hast genau das gleiche bereits im Thema zur Raubgräberei im "Vorgarten" getan. Da ich zu der angesprochenen Riege gehöre und keineswegs mit Beleidigungen um mich werfe muß ich sagen: deine pöbeleien gegen meinen Berufsstand und den Verwandten geht mirgehörig auf den Nerv und ich würde einen freundlicheren Tonfall sehr begrüßen.
Denn du forderst hier Toleranz und Akzeptanz während du mit der verbalen Brechstange hantierst...

Solcher Art von Dir vorgeführtes, eigenständiges Denken fördert natürlich den wissenschaftlichen Fortschritt ungemein. Ein dümmeres Argument ist mir hier im Forum eigentlich noch nicht begegnet. Es trotzdem aufgreifend könnte ich kontern, dass einige Bundesländer die Anzahl der Schuljahre bis zum Abitur verkürzt haben. Dies ist offenbar ein Zeichen dafür, dass Illigs geschichtsverkürzende These erst praktische Auswirkungen hat, weil man die Schulbücher nicht mehr voll kriegt.

Wenn man vom Glaubensstreit (Illig ist ein aufgeblasener radikaler Spinner etc.) auf die sachlicher Ebene der Indizienauseinandersetzung wechselt, dann sind nicht nur Illig und seine Kombatanten in der Pflicht zu zeigen, dass eine Zeitachse, ohne diese dreihundert Jahre die Geschichte widerspruchsfreier und besser verständlich macht, sondern dann sind auch die Vertreter der herrschenden Lehre in der Pflicht, zu zeigen, dass diese drei Jahrhundert mit Inhalten gefüllt werden können und benötigt werden, um z. B. plausible Modelle für den Übergang von der Stätantike zum Hochmittelalter machen zu können.
Quod erat demonstrandum.... (zum Thema der Höflichkeit).
In der Tat ist sein (Hyokkoses) Argument aber richtig. Während Illig noch seine Theorien an der akribischen und langlebigen Quellenarbeit zu beweisen hat (darum sind die historischen Wissenschaften ja durchaus etwas zum studieren und nicht nur zum hobbiieren) gibt es vom populärwissenschaftlichen Bertelsmanclubbuch über Schulbücher bis Dissertationen endlose Buchreihen die "den verkommenen" Standart nachweisen. Ashigaru bot dir ja bereits an dir bibliographien zu schicken, die du, wenn du wirklich so gewissenhaft und wissenschaftlich getreu arbeiten möchtest ohne einfach parteiisch rauszupicken was paßt dann in knapp 4 - 5 Jahren auch alle durch haben könntest, wenn du geschätzte 4 Bücher am Tag konsumierst und ca. 10 Sprachen beherrschst oder Dolmetscher kennst.

Das fiese an Illigs These ist ja gerade, dass sie außergewöhnlich gut belegt ist und schwärende Wunden ín Zeiten schließt, in denen die Schulwissenschaft mit ihren Konzepten nicht so recht vorankommt. Es ist daher eigentlich an der Schulwissenschaft endlich zu zeigen, dass sie für die dunklen Jahrhunderte bessere Konzepte vorlegen kann. Die Illigianer werden auch weiterhin fleißig Indizien für die These erarbeiten, da habe ich wenig Sorge.
Öh, nein, eben nicht. Selbst das heiß diskutierte Feld der physikalischen Chronologie ist eben nicht zweifelsfrei klar, sondern in den "illigzusprechenden" und von dir behandelten Versionen schlicht unklar und dann gibts da noch die "eindeutigen", die hier gerne beiseite gefegt werden.
Und Fortschritte zur Völkerwanderungszeit und dem Frühmittelalter gab es in den letzten Jahren ebenfalls zur genüge. Man lese einfach die dazu erschienen Magisterarbeiten, da wirds aufgewärmt oder die Dissertationen, da gibts die Fortschritt live und direkt.




Geoman schrieb:
Nunja, was radikal ist und was nicht ist immer sehr relativ: Auch die Kontinentalverschiebungstheorie Alfred Wegeners erschien über Jahrzehnte hinweg als so radikal, das sie in peer-reviewten Veröffentlichungen radikal zensiert wurde: Die Kontinente hat aus Sicht der Standardwissenschaften eben da zu bleiben, wo der liebe Gott sie hingesetzt hatte und sich nicht von der Stelle zu bewegen... Heute wissen wir, dass diese fundamentalistische Auffassung weniger durch Indizien als einen Mythos gestützt wurde.
Nur wurde dies eben unwiderlegbar bewiesen, und daran scheitert Illig samt seinen Befürwortern schon im Ansatz. Dazu aber schon 8 Seiten lang mehr, und nachher auch von mir....





Von einigen erfreulichen Auanahmen (etwa ning) abgesehen, befinden wir uns hier noch auf der Ebene eines Glaubenskrieges, wo Illigs These nur mit spitzen Fingern angefasst und eigentlich von vorneherein aus dem Bauch (Lesen Illigs wäre Zeitverschwendung etc.) heraus für abstrus gehalten wird. Wenn in diesem Stadium penetrant nachgehakt wird und z. B. einige nicht unmittelbar vom Tisch zu fegende Indizien für Illigs These vorgelegt werden, dann wird häufig auf die "Naturwissenschaft" rekurriert.
Um ehrlich zu sein wird Illig nicht mit spitzen Fingern und Angst in den Augen angefasst, sondern von ernsthaften Historikern mit nur zwei Sätzen "erledigt", in denen man jede x beliebige Aufzeichnende Kultur oder ethnische Gruppierung heranziehen kann und dann wird aus jener Theorie eine abnorme und unseriöse Verschwörungstheorie, die sie ja nun ist...



Das heißt, man verlässt sich darauf, dass die unbestechliche und messescharfe naturwissenschaftliche Methodik Illig schon richten bzw. in seine Schranken weisen wird. Doch dies ist auch ein Aberglaube: Die naturwissenschaftliche Zeitbestimmungs-Methodik ist vor allem bezüglich der letzten, sagen wir mal 6.000 Jahr aufs engste mit historisch ermittelten Daten verknüpft oder genauer gesagt von ihnen infiziert und belastet. Dies führt zu Widersprüchen, Zirkelschlüssen und vielschichtigen Problemen..
Ich für meinen Teil kehre mich einen feuchten Absatz darum was die Physik umdiskutiert, solange es noch andere, glasklare und schlagende Grundsatzelemente gibt, die Illig einfach widersprechen.



Kurz: Die Historiker sollten sich bei der Auseinandersetzung mit der Illigschen These nicht zu sehr auf das Totschlagvermögen naturwissenschaftlicher Chronolgiemethodik verlassen. Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.
Tun wir auch nicht, aber dazu müßtest du uns mal rezipieren statt zu beleidigen und die Publikationen der "Gegner" zu ignorieren.

1. Phantomzeitthese geht davon aus, dass die Chronologie des römischen Reiches (der wichtigsten Referenz für die Jahreszahlen der Antike) willkürlich um 3 Jahrhunderte veraltet wurde. Verdoppelte und erfundene Ereignisse füllten später die so entstandene Leerzeit des Frühmittelalters.
Und das in Absprache mit mindestens 3 Kulturen weltweit. Respekt, wenn das mal keine gelungene Absprache war...

2. Aufgrund der bestehenden Verknüpfungen zur Historie Roms wurden daraufhin auch in den Ländern des christlichen Anendlandes Manipulationen im Sinne eine Phantomzeit unumgänglich.
Und hier geht man von einer ziemlich homogenen, rein klerikal motivierten Führungs - und Bevölkerungsriege aus. Etwas, das schon ad hoc nicht als Grundlage für eine Theorie herhalten kann und dann eben auch nicht die Frage nach anderen Regionen beantwortet.

3. Zur besseren Anpassung wurde im Gegenzug die Hellenisierung Vorderasiens auf die wenigen Jahre der Züge Alexanders verkürzt. Die historischen Bezüge zwischen Rom und Babylon etc. blieben so weitgehend gewahrt.
Warum auch nicht, wo ja gerade die kaum noch nutzbaren Quellen der vorderasiatischen Völker so leicht zu fälschen waren....
Entschuldigung, um die Umgangsformen zu wahren: Die hier vorliegende Fälschungsarbeit an antiken Quellen lag und liegt nicht im vermögen der Menschheit, da hier mindestens vier Kulturen zum Teil unabhängig voneinander darüber bericht geben und ein großer Teil des Quellenmaterials erst in den letzten Jahrzehnten zum Vorschein kam und selbst den modernen Gelehrten harte Nüsse zur Bearbeitung vorgaben. Auch liegen große Teile der Fundgebiete weit außerhalb des christlichen Einflußbereiches... wir kehren also wieder zur großen, weltumspannenden Verschwörungstheorie zurück.

4. Babylonische Keilschriften mit astronomischen Ereignissen und Bezug auf die Seleukidenära bestätigen deren Datierung mit 1 SE = 312 BC (konv.). Die mit diesen verknüpften Personen und Ereignisse erscheinen damit ebenfalls korrekt datiert.
Das ist mir zwar absolut neu, kann ich also nichts zu sagen, aber Kal. anderer Kulturen bestätigen dies nicht. Weder südamerikanisch noch chinesisch oder islamische. Da kommt keine Diskrepanz auf.

5. Aus der islamischen Jahreszählung folgt für die Hedschra die Jahreszahl 622 n. Chr. Entfallen 297 Jahreszahlen des Frühmittelalters, so entspricht dies dem Jahr 325 des Konzils von Nicäa. Dies deutet auf die mögliche Identität der beiden nahöstlichen, strikt monotheistischen und bilderfeindlichen Religionsstifter Arius (Ari) und Ali (Ali ibn Abi Talib) – Schwiegersohn Mohammeds) – hin.
Wie meinen?
Auf jeden Fall folgte der islamischen Zeitrechnung zufolge eine Phase der Expansion und nicht, wie der Bestandteil deiner Argumentation vorgeben müßte, ein parallel zur Erstverbreitung der mohamedannischen Lehre laufender plötzlicher Gebietsgewinn. Aber dazu rate ich dann mal einen Korangelehrten aufzusuchen, diese Herrschaften erklären gerne und breit was in den angeblich erfundenen Zeiträumen so passierte.

6. Holzfunde lassen sich über das unkalibrierte C14- Alter zuordnen (für die späte Antike liefert dann auch die Dendrochronologie brauchbare Näherungen). Gegenüber der am (in Wahrheit jüngeren) römischen Reich orientierten offiziellen Geschichtsschreibung erscheinen Kulturen wie diejenige der Kelten damit um 3. Jahrhunderte älter.
Zur Physik kann und will ich nichts wesentliches beitragen, also laß ich dies mal stehen.

7. Liefert dagegen die Geschichtsschreibung Roms den Bezug zu einer anderen Kultur, so ist jene um drei Jahrhunderte jünger als bisher zu datieren
Schön das dies so imperativ formuliert wurde, denn der Wunsch ist der Vater des Gedanken. Die parthische und sassanidische Geschichtsschreibung paßt wie Faust auf Auge, am besten nachzuvollziehen an Schapur I. und seinen kaiserlichen Kontrahenten...
Auch die werten Griechen berichten uns lang und breit in absoluter Übereinstimmung in welchem Jahr der olympischen oder poleiischen Zeitrechnung man sich in Relation zu den Fastenlisten oder dem a.u.c. befindet. Auch die Steuerlistenbrechnung spricht Bände (nachzulesen, und das bekommt JEDER Student aufs Auge gedrückt und lacht sich darum eins, im Grotefend. Den muß man nur bedienen können.)

8. Zwischen den Chronologien Chinas und des römischen Reiches verbleibt bei Gleichsetzung von An-tun mit Marc Anton eine Leerzeit von ca. einem jahrhundert zwischen den Perioden Sung und Cheng. Aufgrund späterer Finsternisberichte wären die Angaben der Sung-chu Chronik um 54 Jahre später zu datieren.
Das ist mal ein gutes Beispiel, wie unsachlich es zugeht. Wie Hyokkose so richtig und treffend schrieb, Kaiser"Antun" aus Daquin entspricht Kaiser vermutlich Antoninus Pius (138 bis 161) , wobei der Kontakt auf 166 datiert, also in die Zeit des Marcus Aurelius (161 bis 180) gelegt wird, was sich aber durchaus mit dem langwierigen Nachrichtenwesen bis China erklären läßt oder schlichter Verwechslung in der Lautlehre.
Dementsprechend fehlt hier also nichts an Jahren und zwei unabhängige Kulturen berichten übereinstimmend in ihrer Chronologie von einem gemeinsamen Geschehnis.
Und daran kranken nun mal Theorien. Findet man nur ein unwiderlegbares Argument oder Faktum, so ist sie widerlegt und so haben wir hier, rein fachlich gesehen, eben das aus für Illigs Theorie, da mag man über physikalische Ungenauigkeiten in den Nachweisen streiten können, bis die Beweise zu Staub zerfallen sind...

Aus alledem scheint sich ein recht schlüssiges Bild abzuzeichnen, auch wenn zwischen der Eroberung der Länder Vorderasiens und Ägyptens durch ‚Alexander’ und deren Besetzung durch das römische Reich eine noch zu füllende Lücke verbleibt."
Abgesehen von der Tatsache, dass diese Formulierung an den Lehrmeinungen vorbei geht (besetzt??) dürfte jetzt klar sein, dass dem eben nicht so "glasklar" ist.
 
Muspilli schrieb:
Die Sache ist insofern von Belang, als daß das Wort „Kaiser“ schon kurz nach Caesars Zeit ins germanische gelangt sein mußte, das Französische aber kein (altes) Wort dafür kennt.

Das ist ganz einfach dadurch zu erklären, daß das Französische eine romanische Sprache ist, die sich aus dem Spätlateinischen ableitet. Dort hat sich das "C" zu einem Zischlaut weiterentwickelt, genauso wie im Italienischen und in allen anderen romanischen Sprachen auch.

Im Germanischen fanden andere Entwicklungen statt, vor allem die Zweite Lautverschiebung, wodurch z. B. "p" zu "pf" oder "f" wurde.
Daher ist die französische Aussprache von "porte" näher am Latein als die deutsche Aussprache "Pforte".
Die unterschiedliche Entwicklung sieht man auch beim Wort "campus": französisch "champs", deutsch (mit Bedeutungsverschiebung) "Kampf".

So weit die Erklärung. Welche Schlußfolgerungen soll man daraus ziehen?


Bezüglich der Frühgeschichte Nidersachsens, die erst in ottonischer Zeit ändet, ergibt eine Chronolgieverkürzung im Illigschen Sinne gute Ergebnisse; dabei erwäge ich, daß die Eroberung Sachsens tatsächlich unter einem Merowinger und einem frühen Pippiniden (kein Karolinger!) als Hausmeier begann.

Das ist aber keinesfalls eine Chronologieverkürzung im Illigschen Sinne, denn laut Illig gab es keinen Pippin, keinen Karl Martell und auch sonst keine Pippiniden.


4. Des weiteren gab es in Sachsen einen Bardengau (Bardenga), den man mit den Langobarden in Verbindung bringt. Die Geschichtsschreibung über der Langobarden fällt sowieso in die Zeit nach der Phantomzeit - wenn ich mich recht erinnere. Hat schon einmal jemand überlegt, ob sie nicht verfaßt wurde, um den Anspruch des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation auf Italien zu rechtfertigen, analog zur Konstantinischen und Pippinschen Schenkungsfälschung an den Papst? Und obzwar das Ostgotenreich Theoroderichs nicht in die Phantomzeit fällt, ist die Geschichte Italiens trotzdem neu zu rekonstruieren.

Und was wäre die Konsequenz aus dieser Überlegung? Hat es vielleicht "in Wirklichkeit" gar keine Langobarden in Italien gegeben? Bis eines Tages ein Mönch aus Fulda oder dem sächsichen Bardengau nach Norditalien geritten kam und den Italienern erzählt hat: "Ich weiß nicht, ob Sie's schon wußten, aber ihr seid alle Langobarden, und wer's nicht glaubt: Hier habe ich schon mal eure Geschichte geschrieben, da steht's drin. Und falls demnächst unser König vorbeikommt, rückt bloß sofort eure Langobardenkrone heraus. Äh Mist, die gibt's ja auch nicht, die muß ich erst noch fälschen, also dann bis zum nächsten Mal."
(Man verzeihe meinen kleinen Ausflug in das Reich der kreativen Phantasie.)
 
Muspilli schrieb:
Genau das ist der Punkt, Illig argumentiert aufgrund von Kontinuität und dem Fehlen eines Bruches trotz karolingischer Renaissance. Obwohl z. B. das Sachsenland in Merowingischer Zeit zu fränkischem Interessengebiet wurde, erfahren wir über sächsische Adlige erst unter Karl.

Was aber sehr gut an der Quellenlage liegen kann!

Muspilli schrieb:
Bis in die ottonische Zeit hat man dann Genealogien geschaffen, die lediglich auf Namensähnlichkeiten beruhen.

Woher weiß man das?

Muspilli schrieb:
Wird also mindestens die karolingische Zeit gekürzt, ergibt sich eine klarere Entwicklung des Aufstiegs eines Hochadligen Geschlechts, seit Sachsen mit der gallisch-fränkischen Hochkultur in Verbindung getreten war! Für Süddeutschland muß aber modifiziert werden, weil hier schon die Römer eine Hochkultur mitgebracht hatte, weshalb die Franken am Rhein und Alamannen ja auch schon früher auftreten.

Nur mal eines zu den Herrschaftsgebieten. Es wird immer behauptet, dass sich das Herrschaftsgebiet der Franken 614 und 911 nicht so deutlich unterscheiden, so dass Kontinuität durchaus möglich ist, wenn man die Phantomzeit annimmt.
Nur: 614 vereinigt Chlothar II. das Frankrenreich zu einem einheitlichen Herrschaftsgebilde während wir 911 haben wir ein in 3 Teile (West- und Ostfränkisches Reich plus Italien) geteiltes Reich, also gerade das Gegenteil von Reichseinheit!
Kein Bruch? :grübel:
 
Hallo Geoman,

Geoman schrieb:
Zu Beginn der Diskussion hatte ich bereits erwähnt, dass Blöss/Niemitz eine andere Auffassung als Korth vertreten. Sie halten die Berechnung des C14/C12-Verhältnis aufgrund natürlicher räumlicher (z. B. Amerika-Australien) und zeitlicher Schwankungen der Produktionsrate grundsätzlich für nicht bestimmbar. Zumindest für weiter zurückliegende Zeiträume,[...]

Deswegen konzentrieren wir uns ja auf Korths Kurve und die ersten 2000 Jahre, 10.000 Jahre alte Borstenkiefern haben damit nichts zu tun - schrieb ich auch schon mal zu Anfang...:)

Geoman schrieb:
Meines Erachtens hat der Physiker Korth hier zu wenig beachtet,[...]
...womit wir bei den sogenannten wiggles sind, und warum diese existieren. Wenn also der hochgelobte Physiker Korth die Grundprämissen nicht kennt oder beachtet und seine Kurve für's 17.Jh. schon fehlerhaft ist, warum sollte sie dann für den Phantomzeit-Zeitraum korrekt sein? Ist dann nicht davon auszugehen, dass der Rest auch fehlerhaft ist, weil Herr Korth für andere Zeiten Sonnenaktivität und andere Einflüsse nicht beachtet hat?
Bist Du selbst der Überzeugung, dass eine Kurve, die für's 17.Jh. fehlerhafte Daten liefert, dann genauso so aussehen sollte, wenn Illig recht hätte (ungefähre Aussage von Dir in einem Deiner ersten Postings)?

LG, CrisP
 
Hallo Geoman,

Geoman schrieb:
[...] wird der Phantomzeitthese hier immer wieder ihre Wissenschaftlichkeit abgesprochen, leider aber in der Regel, ohne ihre derzeitige Ausformulierung überhaupt hinreichend zu kennen.

Es hat sich seit zehn Jahren nichts geändert: Es wird immer noch an Baumringen und C14 herumgedoktert, Illig sieht die PhZ immer noch zwischen 614 und 911, und die Thesenbestandteile und Argumente Illigs sind allgemein bekannt, nachzulesen und in der Zahl überschaubar.

Allerdings scheinen bei Illigianern die fachlichen Widerlegungen unbekannt zu sein. Da kann man den Spiess natürlich umdrehen...:)

Zu Korths 1-8: Wenn diese "Chronologien" verändert und Geschichte verfälscht wurde, wie kann Illig bestimmte Daten als Referenz, also als authentisch ansehen, ohne Gefahr zu laufen, einem Zirkelschluss zu erliegen?

Geoman schrieb:
Ich denke, diese Synopsis enthält einigen Diskussions-und Sprengstoff.
Ich nicht. An den grundlegenden Fehlern in Iligs These ändert sich nichts. Du munitionierst mich höchstens weiter auf... :pfeif:

LG CrisP
 
Tib. Gabinius schrieb:
Das ist mal ein gutes Beispiel, wie unsachlich es zugeht. Wie Hyokkose so richtig und treffend schrieb, Kaiser"Antun" aus Daquin entspricht Kaiser vermutlich Antoninus Pius (138 bis 161) , wobei der Kontakt auf 166 datiert, also in die Zeit des Marcus Aurelius (161 bis 180) gelegt wird, was sich aber durchaus mit dem langwierigen Nachrichtenwesen bis China erklären läßt oder schlichter Verwechslung in der Lautlehre.

Marc Aurel, sachlich:

"Als Kaiser nannte er sich Caesar Marcus Aurelius Antoninus Augustus."

...

(PS: zum Thema "Verhalten" gibt's jetzt den thread "Geomans Anliegen" im Schmaltalk :winke:)
 
Du brauchst also erst mal einen neuen Karl, der noch nicht wirklich belegt ist -
Muspilli schrieb:
von einem vielleicht historischen Karl
-, um zwei Personen - Karl Martell und Karl d. Gr. - aus der Geschichte zu beseitigen. Sehr interessant.

Zu Karl Martell dann noch eine spezielle Frage. Da er ja auch erfunden ist: Warum hat man gerade ihm den wichtigen Sieg von Tours/Poitiers angedichtet? Ich kann mir ja noch leidlich vorstellen, das man im christlichen Bereich diese Fälschung akzeptierte, aber wie hat man es fertiggebracht, dass auch der Islam diese große Niederlage als Teil seiner Geschichte aufnahm?
 
Muspilli schrieb:
Fragen wirft außerdem noch der Kaisertitel an sich auf: das Wort „Kaiser“ leitet sich bekanntlich von Caesar her und gelangte als Lehnwort schon zu den Germanen, schließlich war es Julius Gaius Caesar, der als erster Römer – oder genauer: als erster römischer Politiker mit einem Heer – den Rhein überschritt. Schon als Schüler fand ich es interessant, daß es in Frankreich erst mit Napoléon wieder einen Kaiser seit den Karolingern auf französischem Boden gab. Ich lasse dahingestellt sein, daß es mit Illig betrachtet, seltsam anmutet, daß Einhard, Karls eigener Biograph, von einem Kaisertitel eben nichts wissen wollte; aber interessant ist’s schon, daß es im Französischen nur das Wort César gibt. Aus dem 12. Jahrhundert gibt es eine elsässische Chronik: sog. Chronicon Ebersheimense; darin wird aus „Heidnischer Zeit“ berichtet, daß Caesar die Bewohner des Gebietes zwischen den Vogesen und den Rhein (die „Deutschen“), die ihn bei seinem Sieg über die Gallier („Franzosen“) unterstützt hatten, unterworfen hätte und vor seiner Rückkehr nach Rom einen ersten „Reichstag“ einberufen. Die Sache ist insofern von Belang, als daß das Wort „Kaiser“ schon kurz nach Caesars Zeit ins germanische gelangt sein mußte, das Französische aber kein (altes) Wort dafür kennt.
Ich begreife nicht ganz worauf Du mit Deinen Ausführungen hinaus willst, vielleicht aber sollte Illig doch noch mal den Einhard lesen:

Einhardi vita Caroli magni schrieb:
Ultimi adventus sui non solum hae fuere causae, verum etiam quod Romani Leonem pontificem multis affectum iniuriis, erutis scilicet oculis linguaque amputata, fidem regis implorare conpulerunt. Idcirco Romam veniens propter reparandum, qui nimis conturbatus erat, ecclesiae statum ibi totum hiemis tempus extraxit. Quo tempore imperatoris et augusti nomen accepit. Quod primo in tantum aversatus est, ut adfirmaret se eo die, quamvis praecipua festivitas esset, ecclesiam non intraturum, si pontificis consilium praescire potuisset. Invidiam tamen suscepti nominis, Romanis imperatoribus super hoc indignantibus, magna tulit patientia. Vicitque eorum contumaciam magnanimitate, qua eis procul dubio longe praestantior erat, mittendo ad eos crebras legationes et in epistolis fratres eos appellando.

http://www.fh-augsburg.de/~harsch/egiv28.html

Auch das Wort Imperator ist, wie es sich gehört, ins Französische gekommen, und auch dort keine neuere Entlehnung, wie man deutlich an der überkommenen Form des Wortes sehen kann: empereur. Bei einer modernen Neuentlehnung wäre vielleicht eine Form Imperateur zu erwarten.
Eine Quelle aus dem 12. Jahrhundert ist auch erstmal eine Quelle zum 12. Jahrhundert, selbst wenn sie das erste vorchristliche Jahrhundert zu beschreiben versucht (analog dazu: was wäre, wenn ich heute hingehen würde und eine Chronik der Ottonen schreiben würde. Welchen Quellenwert hätte diese Chronik?)
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie sicher alle Mitglieder bemerkt haben werden, bin ich kein Befürworter der Theorie Illigs, aber zwei Sachen machten mich in der Vergangenheit schon immer etwas stutzig:
1.) Die sagenhafte Gründung Roms war im Jahre 753 v.u.Z., die Archäologie stetzt die Gründung Roms jedoch um 600 v.u.Z. an.
Wie kommt diese große Zeitdifferenz zustande?
2.) Alexander "der Große" hat in nur 10 Jahren (?) ein gewaltiges Reich geschaffen und danach ist er gestorben.
Ist das wirklich glaubwürdig - ein so großes Reich in nur 10 Jahren?
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese ganze Diskussion um die C14-Kalibrieung/Phantomzeit gerät immer wieder auf ein Niveau, wo ohne viel (konkreten) Sinn und bestechendem Verstand nur noch verwässernd und phantomzeitfeindlich rumschwadronniert wird. Deshalb zurück zu einem Beispiel:

Korth weist verwundert darauf hin, dass die Suche nach C14-Daten von dem verschütteten Pompeji, dessen Untergang auf Tag und Stunde genau auf den 24. 08.79 dokumentiert ist – für ihn ohne greifbare Resultate – geblieben ist. Er vermutet, dass dies daran liegt, dass die durchgeführten C14-Datierungen offenbar unbrauchbare zu junge Ergebnisse geliefert haben.

Eine plausible C14-Datierung hat er allerdings gefunden, nämlich die der Villa Augustea, ein prächtiges, mehr als 218 Meter messendes Gebäude, bei dem es sich um die Altersresidenz des Kaisers Augustus gehandelt haben soll. Die Villa liegt an der nördlichen Flanke des Vesuvs und wurde bereits 1930 ausgegraben.

Vor einigen Jahren hat ein japanisches Forscherteam die Ausgrabungen wieder aufgenommen. Sie konnten nachweisen, dass das Gebäude nicht durch den Vulkanausbruch 79 AD (wie bislang angenommen) sondern durch die gewaltige „Pollena“-Eruption des Jahres 472 verschüttet wurde. Allerdings war die Villa zu diesem Zeitpunkt bereits eine Ruine.

In den Trümmern des Küchenherdes fanden sich Holzkohlereste, deren kalibrierte C14-Datierung auf das Jahr 425 weist (allerdings mit einer Standabweichung von 185 Jahren). Wird nun die Kalibrierung rückgängig gemacht, so erhält man das Radiokarbonjahr 335 AD.

Die Archäologen folgerten aus dem Messergebnis, dass die Villa Augustea noch Jahrhunderte nach dem Untergang Pompejis bewohnt wurde. Dies erscheint aber schwer vorstellbar: Wird doch das anscheinend nur geringe Ausmaß der Schäden durch die Eruption von 472 damit begründet, dass die Gegend um den Vesuv aufgrund des Ausbruchs von 79 immer noch weitgehend verwüstetes war und daher praktisch unbesiedelt.

Zudem beträgt der Abstand von der Villa zum Gipfel des Vesuv nur etwa 5 km, wohingegen Pompeji dreimal soweit entfernt liegt. Die hohe Gefährlichkeit des Anwesens (die sich 472 dramatisch bestätigte) dürfte jedermann klar gewesen sein. Wer in aller Welt hätte nach der Katastrophe von Pompeji und Herkulaneum ausgerechnet an diesem Ort die Beschaulichkeit eines reichen Landsitzes genießen wollen?

Der gemessene (unkalibrierte) C14-Wert von 335 stimmt jedenfalls ziemlich genau mit dem Ergebnis überein, das zu erwarten ist, wenn die römische Chronologie um drei Jahrhunderte jünger wäre als überliefert und das nach dem Ausbruch von 79 höchstwahrscheinlich beschädigte Gebäude verlassen blieb und verfiel.
 
Gemeint ist die Villa Augusta in Somma Vesuviana.
Mein Italienisch reicht leider nicht aus um den gesamten Artikel zu überprüfen, aber nach einmaligen Überfliegen habe ich von den in Geomans Beitrag aufgestellten Behauptungen nichts gefunden (ich glaubs auch nicht)
.Hier der Artikel Scavi di villa Augustea
 
@ Geoman: langsam frage ich mich zwar, ob sie überhaupt in der Lage sind, auf die hier vorgebrachten Argumente einzugehen, denn sie wiederholen gebetsmühlenhaft immer wieder das Gleiche.

Dazu ist zu bemerken, dass ein erstaunlich hoher Teil der Phantomzeitler einen akademischen Grad hat, was für mich zwar nicht unbedingt ein hinreichendes Qualitätkriterium ist, aber hier mal gesagt werden muss, damit keine falschen Vorstellungen über die Verfechter der These aufkommen.

Das mit dem akademischen Grad stimmt, Heinsohn ist ja sogar Professor und Fomenko auch. Komisch, dass man doch am bitterbösen und korrupten Wissenschaftsbetrieb mitarbeitet? Oder ist man da einfach nur in der eigenen Fakultät blind? Fast alle Chronologiekritiker sind dennoch sachfremd, d. h. keine Archäologen oder Historiker. Als Ausnahme fällt mir nur Christoph Pfister ein, und welchen Gehalt dessen Theorien zur Schweiz haben, kann man sich auf der Seite dillum.ch anschauen.


Was der Phantomzeit-These formal an Wissenschaftlichkeit fehlt, ist, dass sie wohl in jeder halbwegs seriösen peer-reviewten Geschichtspublikation von der Redaktion und den Gutachtern herauszensiert würde.

Und zum xten Mal: die Illig-Theorie wurde bei Erscheinen des "Erfundenen Mittelalters" vereinzelt von Experten rezensiert bzw. es gab sogar ein ganzes Heft (Ethik + Wissenschaft), in dem sich Wissenschaftler der Hypothese widmeten. Man befand sie für falsch und widmete sich wichtigeren Dingen.

Besonders abstrus finde ich die Diskussion oder die Ratschläge bezüglich der Frage, ob es nun den Illigianern zum Vorteil gereicht, dass sie sich auf 297 Jahre und die Schnittstellen 614 und 911 festgelegt haben oder nicht.

Wieso ist das abstrus? Es geht nicht um "Ratschläge", sondern man möchte halt doch mal gern wissen, warum Illig diese Eckdaten gewählt hat und es ist nun mal wichtig. Er versäumte es innerhalb seiner Theoriebildung, diese zentralen Eckpfeiler vernünftig zu definieren, und schwadronierte lieber seitenlang über seine Lieblingsthemen Karl d. Große und Aachen. Da lässt sich nicht so einfach drüber hinweg gehen, auch wenn ihnen das wohl lieber wäre... Wenn ich so etwas lese, denke ich, dass die Chronologiekritiker doch ihren Anspruch etwas runterschrauben sollte: will man wirklich den historischen Fakten nachgehen oder eine Art wichtigtuerischer Konversationszirkel bleiben...



Ich finde es erstaunlich mutig von Illig, sich so konkret festzulegen, weil er sich damit leichter falsifizier- und abqualifizierbar macht.

Er hat es ja auch schon mal wieder insofern zurückgenommen, als dass diese Daten als "Arbeitshypothese" zu sehen seien.

Meines Erachtens spricht diese Festlegung aber für den enormen 'Schwung' und die ungebrochene Erklärungskraft dieser These.

Wenn die These so gut wäre, bräuchte es m.E. nicht hunderte von Zeitensprüngen-Artikeln, die immer neue Chronologien "kürzen", damit die Theorie irgendwie zusammen passt.


1. Phantomzeitthese geht davon aus, dass die Chronologie des römischen Reiches (der wichtigsten Referenz für die Jahreszahlen der Antike) willkürlich um 3 Jahrhunderte veraltet wurde. Verdoppelte und erfundene Ereignisse füllten später die so entstandene Leerzeit des Frühmittelalters.

Finde ich unlogisch: wenn ich Sie richtig verstehe, wäre doch dann der Untergang des römischen Reiches statt 476 = 776. Dabei wäre dies laut PZT doch gar nicht nötig, denn Illig bestreitet die Geschichte bis 614 gar nicht und nach seiner Theorie läge man 776 ungefähr in der Salierzeit.

3. Zur besseren Anpassung wurde im Gegenzug die Hellenisierung Vorderasiens auf die wenigen Jahre der Züge Alexanders verkürzt. Die historischen Bezüge zwischen Rom und Babylon etc. blieben so weitgehend gewahrt.

Tib. Gabinius verwies bereits darauf, wie unmöglich das allein angesichts der zahlreichen historischen Werke verschiedener Staaten und Zivilisation zu "fälschen" gewesen wäre. Haben sie auch nur ansatzweise eine Ahnung allein von der Menge der Inschriften (als untrügliche Zeitzeugnisse), die dafür hätten gefälscht werden müssen? Zumal es bei den Römern durchaus gang und gäbe war, die zu datieren? Aber so sind sie, eben die Chronologiekritiker, da müssen da mal 300 Jahre weggenommen werden, und damit das zarte Theoriegebäude bestehen bleibt, doch noch mal 200 aus der Überlieferung udn vielelicht 400 von den Arabern. Meiner Meinung nach läuft das zwangsläufig darauf hinaus, dass nur noch die Neuzeit akzeptiert wird, weil da Fakten vorliegen, die sich mit der größten chronologiekritischen Hartnäckigkeit nicht wegdiskutieren lassen.

5. Aus der islamischen Jahreszählung folgt für die Hedschra die Jahreszahl 622 n. Chr. Entfallen 297 Jahreszahlen des Frühmittelalters, so entspricht dies dem Jahr 325 des Konzils von Nicäa. Dies deutet auf die mögliche Identität der beiden nahöstlichen, strikt monotheistischen und bilderfeindlichen Religionsstifter Arius (Ari) und Ali (Ali ibn Abi Talib) – Schwiegersohn Mohammeds) – hin.

Ja, mit Namensähnlichkeiten lassen sich die absurdesten Vergleiche herstellen. Abgesehen davon, dass der arianische Streit nun mal typisch für die Theologie des Christentums und nicht des Islams ist, stellt sich doch das Problem, dass viele germanische Heerführer des 5. Jahrhunderts eindeutig arianisch waren. Ich warte gespannt auf die Belege für eine Moslemisierung nördlich der Donau in dieser frühen Zeit. Und noch mal: sind die vielbeschworenen 297 Jahre jetzt auch noch beliebig verschiebbar oder bereits gar auf 594 Jahre verdoppelt worden? Ich verbleibe ratlos.


6. Holzfunde lassen sich über das unkalibrierte C14- Alter zuordnen (für die späte Antike liefert dann auch die Dendrochronologie brauchbare Näherungen). Gegenüber der am (in Wahrheit jüngeren) römischen Reich orientierten offiziellen Geschichtsschreibung erscheinen Kulturen wie diejenige der Kelten damit um 3. Jahrhunderte älter.

Und wiederum zum x-ten Mal: die Dendrochronologie ist in diesem Zeitraum nicht C14 - kalibriert. Warum soll sie nur für die späte Antike "brauchbare Näherungen" liefern? Was ist denn da ihr Kriterium? Wie lässt sich die Eroberung Galliens erklären, wenn die Kelten schon drei Jahrhunderte vor den Römern untergingen? Abgesehen davon, dass die römische Chronologie nun wirklich sehr gut belegt ist und sich Dendrodaten mit Münzen und Inschriftenfunden decken.


7. Liefert dagegen die Geschichtsschreibung Roms den Bezug zu einer anderen Kultur, so ist jene um drei Jahrhunderte jünger als bisher zu datieren.

Und zu den Kelten liefert sie ja nun reichlich Bezüge. Können sie sich eigentlich selbst noch folgen? Abgesehen davon: die römische Datierung steht nun mal felsenfest, dendrochronologische Daten z.B. vom Limes ergänzen sich prima mit den zahlreichen Münzfunden und Inschriften. Das lässt sich nicht so beliebig hin- und herschieben...
 
Zuletzt bearbeitet:
Barbarossa schrieb:

1.) Die sagenhafte Gründung Roms war im Jahre 753 v.u.Z., die Archäologie stetzt die Gründung Roms jedoch um 600 v.u.Z. an.
Wie kommt diese große Zeitdifferenz zustande?

Also ein erster Erklärungsversuch wäre vielleicht, dass es sich eben um eine sagenhafte Gründungsgeschichte handelt, eine Sage, deren Entstehungszeit im 4./3. Jh. v. Chr. liegt.
Eine zweite Möglichkeit: Selbst wenn die Gründung Roms am 21.4.753 v. Chr. war und die ältesten archäologischen Reste aus der Zeit um 600 stammen würden, wäre das kein Widerspruch. Es dürfte in Rom nicht ganz so einfach sein, diese ältesten Schichten zu finden und außerdem dürften die Überreste dieser ersten Zeit von seht bescheidener Qualität gewesen sein.
Nach meinen Informationen geht die Archäologie aber nicht mehr von einer Stadtgründung Roms aus, sondern von einem Prozeß der Stadtwerdung. Und die ältesten Fundschichten in Rom/Palatin stammen schon aus der Zeit um 1000 v. Chr.
 
Geoman schrieb:
Diese ganze Diskussion um die C14-Kalibrieung/Phantomzeit gerät immer wieder auf ein Niveau, wo ohne viel (konkreten) Sinn und bestechendem Verstand nur noch verwässernd und phantomzeitfeindlich rumschwadronniert wird.

Ich werte das einfach mal als Eingeständnis, dass Du argumentativ in der Sackgasse sitzt. Schade, spätestens an diesem Punkt hätte ich an Deiner Stelle gemerkt, dass ich mit Korths Artikel nicht mal einen Blumentopf gewinnen kann. :) Sind meine einfachen Fragen so schwer zu beantworten?


Bezüglich Deines "Beispiels": Korth bezieht sich wohl hierauf, allerdings finde ich da nichts von der spektakulären Datierung. Du könntest hier glänzen, wenn Du entsprechende Quellenangaben und Belege nachreichen könntest - wir wollen ja schliesslich nicht über Science Fiction "diskutieren"...:cool:

LG, CrisP
 
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