Geoman schrieb:
Falls Du es noch nicht gemerkt haben solltest, habe ich mir zu Beginn der Diskussion einfach mal erlaubt, mich gegenüber der Standardwissenschaft so zu verhalten, wie sich Standardwissenschaftler gegenüber Abweichlern wie Illig verhalten.
Erm, du hast genau das gleiche bereits im Thema zur Raubgräberei im "Vorgarten" getan. Da ich zu der angesprochenen Riege gehöre und keineswegs mit Beleidigungen um mich werfe muß ich sagen: deine pöbeleien gegen meinen Berufsstand und den Verwandten geht mirgehörig auf den Nerv und ich würde einen freundlicheren Tonfall sehr begrüßen.
Denn du forderst hier Toleranz und Akzeptanz während du mit der verbalen Brechstange hantierst...
Solcher Art von Dir vorgeführtes, eigenständiges Denken fördert natürlich den wissenschaftlichen Fortschritt ungemein. Ein dümmeres Argument ist mir hier im Forum eigentlich noch nicht begegnet. Es trotzdem aufgreifend könnte ich kontern, dass einige Bundesländer die Anzahl der Schuljahre bis zum Abitur verkürzt haben. Dies ist offenbar ein Zeichen dafür, dass Illigs geschichtsverkürzende These erst praktische Auswirkungen hat, weil man die Schulbücher nicht mehr voll kriegt.
Wenn man vom Glaubensstreit (Illig ist ein aufgeblasener radikaler Spinner etc.) auf die sachlicher Ebene der Indizienauseinandersetzung wechselt, dann sind nicht nur Illig und seine Kombatanten in der Pflicht zu zeigen, dass eine Zeitachse, ohne diese dreihundert Jahre die Geschichte widerspruchsfreier und besser verständlich macht, sondern dann sind auch die Vertreter der herrschenden Lehre in der Pflicht, zu zeigen, dass diese drei Jahrhundert mit Inhalten gefüllt werden können und benötigt werden, um z. B. plausible Modelle für den Übergang von der Stätantike zum Hochmittelalter machen zu können.
Quod erat demonstrandum.... (zum Thema der Höflichkeit).
In der Tat ist sein (Hyokkoses) Argument aber richtig. Während Illig noch seine Theorien an der akribischen und langlebigen Quellenarbeit zu beweisen hat (darum sind die historischen Wissenschaften ja durchaus etwas zum studieren und nicht nur zum hobbiieren) gibt es vom populärwissenschaftlichen Bertelsmanclubbuch über Schulbücher bis Dissertationen endlose Buchreihen die "den verkommenen" Standart nachweisen. Ashigaru bot dir ja bereits an dir bibliographien zu schicken, die du, wenn du wirklich so gewissenhaft und wissenschaftlich getreu arbeiten möchtest ohne einfach parteiisch rauszupicken was paßt dann in knapp 4 - 5 Jahren auch alle durch haben könntest, wenn du geschätzte 4 Bücher am Tag konsumierst und ca. 10 Sprachen beherrschst oder Dolmetscher kennst.
Das fiese an Illigs These ist ja gerade, dass sie außergewöhnlich gut belegt ist und schwärende Wunden ín Zeiten schließt, in denen die Schulwissenschaft mit ihren Konzepten nicht so recht vorankommt. Es ist daher eigentlich an der Schulwissenschaft endlich zu zeigen, dass sie für die dunklen Jahrhunderte bessere Konzepte vorlegen kann. Die Illigianer werden auch weiterhin fleißig Indizien für die These erarbeiten, da habe ich wenig Sorge.
Öh, nein, eben nicht. Selbst das heiß diskutierte Feld der physikalischen Chronologie ist eben nicht zweifelsfrei klar, sondern in den "illigzusprechenden" und von dir behandelten Versionen schlicht unklar und dann gibts da noch die "eindeutigen", die hier gerne beiseite gefegt werden.
Und Fortschritte zur Völkerwanderungszeit und dem Frühmittelalter gab es in den letzten Jahren ebenfalls zur genüge. Man lese einfach die dazu erschienen Magisterarbeiten, da wirds aufgewärmt oder die Dissertationen, da gibts die Fortschritt live und direkt.
Geoman schrieb:
Nunja, was radikal ist und was nicht ist immer sehr relativ: Auch die Kontinentalverschiebungstheorie Alfred Wegeners erschien über Jahrzehnte hinweg als so radikal, das sie in peer-reviewten Veröffentlichungen radikal zensiert wurde: Die Kontinente hat aus Sicht der Standardwissenschaften eben da zu bleiben, wo der liebe Gott sie hingesetzt hatte und sich nicht von der Stelle zu bewegen... Heute wissen wir, dass diese fundamentalistische Auffassung weniger durch Indizien als einen Mythos gestützt wurde.
Nur wurde dies eben unwiderlegbar bewiesen, und daran scheitert Illig samt seinen Befürwortern schon im Ansatz. Dazu aber schon 8 Seiten lang mehr, und nachher auch von mir....
Von einigen erfreulichen Auanahmen (etwa ning) abgesehen, befinden wir uns hier noch auf der Ebene eines Glaubenskrieges, wo Illigs These nur mit spitzen Fingern angefasst und eigentlich von vorneherein aus dem Bauch (Lesen Illigs wäre Zeitverschwendung etc.) heraus für abstrus gehalten wird. Wenn in diesem Stadium penetrant nachgehakt wird und z. B. einige nicht unmittelbar vom Tisch zu fegende Indizien für Illigs These vorgelegt werden, dann wird häufig auf die "Naturwissenschaft" rekurriert.
Um ehrlich zu sein wird Illig nicht mit spitzen Fingern und Angst in den Augen angefasst, sondern von ernsthaften Historikern mit nur zwei Sätzen "erledigt", in denen man jede x beliebige Aufzeichnende Kultur oder ethnische Gruppierung heranziehen kann und dann wird aus jener Theorie eine abnorme und unseriöse Verschwörungstheorie, die sie ja nun ist...
Das heißt, man verlässt sich darauf, dass die unbestechliche und messescharfe naturwissenschaftliche Methodik Illig schon richten bzw. in seine Schranken weisen wird. Doch dies ist auch ein Aberglaube: Die naturwissenschaftliche Zeitbestimmungs-Methodik ist vor allem bezüglich der letzten, sagen wir mal 6.000 Jahr aufs engste mit historisch ermittelten Daten verknüpft oder genauer gesagt von ihnen infiziert und belastet. Dies führt zu Widersprüchen, Zirkelschlüssen und vielschichtigen Problemen..
Ich für meinen Teil kehre mich einen feuchten Absatz darum was die Physik umdiskutiert, solange es noch andere, glasklare und schlagende Grundsatzelemente gibt, die Illig einfach widersprechen.
Kurz: Die Historiker sollten sich bei der Auseinandersetzung mit der Illigschen These nicht zu sehr auf das Totschlagvermögen naturwissenschaftlicher Chronolgiemethodik verlassen. Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.
Tun wir auch nicht, aber dazu müßtest du uns mal rezipieren statt zu beleidigen und die Publikationen der "Gegner" zu ignorieren.
1. Phantomzeitthese geht davon aus, dass die Chronologie des römischen Reiches (der wichtigsten Referenz für die Jahreszahlen der Antike) willkürlich um 3 Jahrhunderte veraltet wurde. Verdoppelte und erfundene Ereignisse füllten später die so entstandene Leerzeit des Frühmittelalters.
Und das in Absprache mit mindestens 3 Kulturen weltweit. Respekt, wenn das mal keine gelungene Absprache war...
2. Aufgrund der bestehenden Verknüpfungen zur Historie Roms wurden daraufhin auch in den Ländern des christlichen Anendlandes Manipulationen im Sinne eine Phantomzeit unumgänglich.
Und hier geht man von einer ziemlich homogenen, rein klerikal motivierten Führungs - und Bevölkerungsriege aus. Etwas, das schon ad hoc nicht als Grundlage für eine Theorie herhalten kann und dann eben auch nicht die Frage nach anderen Regionen beantwortet.
3. Zur besseren Anpassung wurde im Gegenzug die Hellenisierung Vorderasiens auf die wenigen Jahre der Züge Alexanders verkürzt. Die historischen Bezüge zwischen Rom und Babylon etc. blieben so weitgehend gewahrt.
Warum auch nicht, wo ja gerade die kaum noch nutzbaren Quellen der vorderasiatischen Völker so leicht zu fälschen waren....
Entschuldigung, um die Umgangsformen zu wahren: Die hier vorliegende Fälschungsarbeit an antiken Quellen lag und liegt nicht im vermögen der Menschheit, da hier mindestens vier Kulturen zum Teil unabhängig voneinander darüber bericht geben und ein großer Teil des Quellenmaterials erst in den letzten Jahrzehnten zum Vorschein kam und selbst den modernen Gelehrten harte Nüsse zur Bearbeitung vorgaben. Auch liegen große Teile der Fundgebiete weit außerhalb des christlichen Einflußbereiches... wir kehren also wieder zur großen, weltumspannenden Verschwörungstheorie zurück.
4. Babylonische Keilschriften mit astronomischen Ereignissen und Bezug auf die Seleukidenära bestätigen deren Datierung mit 1 SE = 312 BC (konv.). Die mit diesen verknüpften Personen und Ereignisse erscheinen damit ebenfalls korrekt datiert.
Das ist mir zwar absolut neu, kann ich also nichts zu sagen, aber Kal. anderer Kulturen bestätigen dies nicht. Weder südamerikanisch noch chinesisch oder islamische. Da kommt keine Diskrepanz auf.
5. Aus der islamischen Jahreszählung folgt für die Hedschra die Jahreszahl 622 n. Chr. Entfallen 297 Jahreszahlen des Frühmittelalters, so entspricht dies dem Jahr 325 des Konzils von Nicäa. Dies deutet auf die mögliche Identität der beiden nahöstlichen, strikt monotheistischen und bilderfeindlichen Religionsstifter Arius (Ari) und Ali (Ali ibn Abi Talib) – Schwiegersohn Mohammeds) – hin.
Wie meinen?
Auf jeden Fall folgte der islamischen Zeitrechnung zufolge eine Phase der Expansion und nicht, wie der Bestandteil deiner Argumentation vorgeben müßte, ein parallel zur Erstverbreitung der mohamedannischen Lehre laufender plötzlicher Gebietsgewinn. Aber dazu rate ich dann mal einen Korangelehrten aufzusuchen, diese Herrschaften erklären gerne und breit was in den angeblich erfundenen Zeiträumen so passierte.
6. Holzfunde lassen sich über das unkalibrierte C14- Alter zuordnen (für die späte Antike liefert dann auch die Dendrochronologie brauchbare Näherungen). Gegenüber der am (in Wahrheit jüngeren) römischen Reich orientierten offiziellen Geschichtsschreibung erscheinen Kulturen wie diejenige der Kelten damit um 3. Jahrhunderte älter.
Zur Physik kann und will ich nichts wesentliches beitragen, also laß ich dies mal stehen.
7. Liefert dagegen die Geschichtsschreibung Roms den Bezug zu einer anderen Kultur, so ist jene um drei Jahrhunderte jünger als bisher zu datieren
Schön das dies so imperativ formuliert wurde, denn der Wunsch ist der Vater des Gedanken. Die parthische und sassanidische Geschichtsschreibung paßt wie Faust auf Auge, am besten nachzuvollziehen an Schapur I. und seinen kaiserlichen Kontrahenten...
Auch die werten Griechen berichten uns lang und breit in absoluter Übereinstimmung in welchem Jahr der olympischen oder poleiischen Zeitrechnung man sich in Relation zu den Fastenlisten oder dem a.u.c. befindet. Auch die Steuerlistenbrechnung spricht Bände (nachzulesen, und das bekommt JEDER Student aufs Auge gedrückt und lacht sich darum eins, im Grotefend. Den muß man nur bedienen können.)
8. Zwischen den Chronologien Chinas und des römischen Reiches verbleibt bei Gleichsetzung von An-tun mit Marc Anton eine Leerzeit von ca. einem jahrhundert zwischen den Perioden Sung und Cheng. Aufgrund späterer Finsternisberichte wären die Angaben der Sung-chu Chronik um 54 Jahre später zu datieren.
Das ist mal ein gutes Beispiel, wie unsachlich es zugeht. Wie Hyokkose so richtig und treffend schrieb,
Kaiser"Antun" aus Daquin entspricht
Kaiser vermutlich Antoninus Pius (138 bis 161) , wobei der Kontakt auf 166 datiert, also in die Zeit des Marcus Aurelius (161 bis 180) gelegt wird, was sich aber durchaus mit dem langwierigen Nachrichtenwesen bis China erklären läßt oder schlichter Verwechslung in der Lautlehre.
Dementsprechend fehlt hier also nichts an Jahren und zwei unabhängige Kulturen berichten übereinstimmend in ihrer Chronologie von einem gemeinsamen Geschehnis.
Und daran kranken nun mal Theorien. Findet man nur ein unwiderlegbares Argument oder Faktum, so ist sie widerlegt und so haben wir hier, rein fachlich gesehen, eben das aus für Illigs Theorie, da mag man über physikalische Ungenauigkeiten in den Nachweisen streiten können, bis die Beweise zu Staub zerfallen sind...
Aus alledem scheint sich ein recht schlüssiges Bild abzuzeichnen, auch wenn zwischen der Eroberung der Länder Vorderasiens und Ägyptens durch ‚Alexander’ und deren Besetzung durch das römische Reich eine noch zu füllende Lücke verbleibt."
Abgesehen von der Tatsache, dass diese Formulierung an den Lehrmeinungen vorbei geht (besetzt??) dürfte jetzt klar sein, dass dem eben nicht so "glasklar" ist.