Illig "untermauert" seine Thesen mit verschiedenen Behauptungen: a) Weil viele Urkunden Karls des Großen als Fälschungen entlarvt wurden, warten die anderen nur darauf, noch als Fälschung entlarvt zu werden.
b) die dendrochronologischen Daten sind nicht ordentlich kalibriert, c) archäologische Fundleere im Frühmittelalter d) C14-Methode zu ungenau.
Nun, mit der Dendrochonologie und der C14-Methode ist es so, dass die Archäometren(?), also die Chemiker und Biochemiker, die sich mit der naturwissenschaftlichen Auswertung archäologischer Hinterlassenschaften beschäftigen, dieser Behauptung widersprechen (Dendro), bzw. die Argumentation als irrelevant (C14) ansehen.
Was die angebliche Fundarmut anbelangt, ist die Behauptung schlicht falsch. Was die Fälschungen angeht, so basiert die Behauptung auf mangelnder Tiefe der Argumentation. Denn man muss schon die Fälschungen untereinander unterscheiden. So gibt es Fälschungen die solche sind, weil sie nachträglich umdatiert wurden, weil der Vollziehungsstrich nicht korrekt ausgeführt wurde, die aber durchaus zeitgenössisch sind. Oder Interpolationen, also nachträgliche Hinzufügungen und Rasuren, welche den Text im Sinn entstellen. Auch solche Dokumente werden als Fälschungen bezeichnet.
Wie hat man nun Fälschungen ermittelt? Zunächst hat man die Urkunden geordnet (Regesta Imperii). Dabei hat man festgestellt, dass Urkunden von Karl ausgestellt wurden, bevor er in die Regierung kam, oder nachdem er schon tot war. Und bei genauerem Hinsehen hat man festgestellt, dass Karl (und spätere König im Übrigen auch - auch außerhalb der "Phantomzeit") Urkunden in Norddeutschland ausgestellt hat, als er gerade in Italien war oder umgekehrt. Dank der Regesten konnte man ja nun ein Kaiser- und Königsitinerar erstellen. Solche Urkunden sind natürlich Fälschungen. Das zu untersuchen haben sich zwei Hilfswissenschaften herausgebildet, die Diplomatik (nicht zu verwechseln mit Diplomatie) und die Paläographie, also die Urkundenlehre und die Lehre alter Schriften. Und diese wiederum haben Formalia der merowingischen, der karolingischen und der ottonischen Zeit (etc.) voneinander zu unterscheiden gelernt. Bei den Karolingern gibt es z.B. ein ganz charakteristisches Kennzeichen für Urkunden, den sogenannten Bienenkorb. Dieser ist aus dem in tironischen Noten (Tiro war der Sekretär Ciceros) geschriebenen Wort subscripsi gebildet. Die ottonische Kanzlei kannten die tironischen Noten nicht, der Bienenkorb taucht in frühen ottonischen Noten noch als nicht verstandene Formalie auf - der Historiker nennt so etwas ein retardierendes Element - verschwindet dann aber, weil er keine Funktion mehr hat.
Die Paläographie hat natürlich auch einiges zu bieten, ich werde mich auf einige Beispiele beschränken:
Aus der æ-Ligatur, die in den lateinischen Schriften verwendet wird, wird in der karolingischen Reform die e caudata (also 'e mit Schwanz', ę). Die Ottonen kennen die e caudata nicht mehr und schreiben nur noch <e>, wo eigentlich die Ligatur hingehört.
æ > ę > e
cc-a. Um dass cc-a in der Folge vom karolingischen <a> – bei welchem der hintere Schaft nach links umgebogen wird - zu unterschieden, verwende ich das Alpha: α. Es wird vom Bccd/Bαd zum Bad
Um beide Schriftbeispiele mal orthographisch vorzuexerzieren, hier zwei Sätze:
Vorkarolingisch: ccecclesicc/αecclesiα /æcclesiα
Karolingisch: aecclesia/æcclesia oder häufiger ęcclesia
Ottonisch: ecclesia
Vorkaroligische Minuskel: Domine, iαctα cerebrum ex cælo
Karolingische Minuskel: Domine, iacta cerebrum ex cęlo
Ottonische Minuskel: Domine, iacta cerebrum ex celo
Anhand solcher Kriterien kann man dann auch entscheiden, ob ein Schriftstück in karolingischer Zeit oder später entstanden ist. Wobei später nicht heißt, dass es sich gleich um eine Fälschung handelt, es kann genauso gut eine Abschrift sein.
Und zuletzt darf man natürlich die äußere Geschichte nicht vergessen. Alleine sie stellt schon Illigs These als völlig absurd heraus.