Man könne nicht (katholischer) Christ sein und gleichzeitig Dinge wie den Teufel, das Jüngste Gericht und die Hölle einfach ausblenden oder weglassen...
Das würde ich auch sagen. Warum soll man jemanden, der nicht an Gott, die Auferstehung etc. glaubt, als Christ bezeichnen? Und welchen Grund hat eine solche Person, sich selbst weiterhin einen Christen zu nennen? Doch nur ein (menschlich verzeihliches, aber sachlich nicht gerechtfertigtes) emotionales Bedürfnis, nicht vom Christentum "abzufallen" (was man geistig in Wirklichkeit bereits getan hat).
Welche Stellung nimmt, rein theoretisch betrachtet, die in den Evangelien geschilderte Persönlichkeit Jesu in der christlichen oder einer mehr oder weniger christlich gearteten [sic] Religion ein? Inwiefern ist sie deren Fundament oder Element? Welche Folgen müßte ihr eventueller Verlust nach sich ziehen, sei es, daß die moderne Religiosität sie als unbefriedigend und fremdartig empfindet, sei es, daß ihre Existenz überhaupt zweifelhaft wird?
Die einzige intellektuell redliche Konsequenz wäre es, sich nicht mehr als Christ zu bezeichnen. Beschränkt man sich etwa auf die "christliche" Ethik und darauf, Jesus als guten und vorbildlichen Menschen (im Prinzip aber ein "Mensch wie du und ich") zu verehren, dann kann man genau so gut auch Buddha oder Gandhi mit Jesus auf eine Stufe stellen (was in der Praxis ja auch geschieht) oder sich für die Kantische Ethik erwärmen. Für das vermeintliche "Christentum" solcher Personen hat das fatale Folgen: Die verehrte "christliche" Ethik ist dann ja nichts spezifisch christliches mehr, sondern etwas, was man auch bei anderen "Weisen" antrifft und die Unterschiede zwischen Christentum und Buddhismus oder Kantianismus verschwimmen vollständig. Man wäre dann also z.B. Christ und Buddhist in einem (sowie Kantianer und Gandhist). Vielleicht hält man dann auch noch (das ist kein rein hypothetischer Fall, sondern ein tatsächlich auftretender!) andere große "Lehrer" für gut, vorbildlich und genauso verehrenswert wie Jesus, z.B. Mani, Mohammed, Konfuzius und Laotse - dann wäre man konsequenterweise zur selben Zeit Christ, Buddhist, Manichäer, Muslim, Konfuzianer und Taoist. Was bleibt da noch vom Christentum? Die Reduzierung desselben auf die Ethik führt sich selbst ad absurdum, wenn man es folgerichtig durchdenkt. Mag man es jedem Individuum selbst überlassen, zu glauben, was es glauben will - den allgemeinen Sprachgebrauch zu ändern, sehe ich keinen Grund.
Zumindest werden solche Leute oft in Schwierigkeiten mit religiösen Dogmen und Institutionen bekommen
Und vor allem auch mit den Textgrundlagen der eigenen Religion, nämlich den Evangelien: Man streicht alles Metaphysische (Gott, Gottsohnschaft etc.) mehr oder weniger stillschweigend (d.h. man erklärt es implizit für Humbug) und pickt sich heraus, was einem gefällt: in dem Fall eben die Ethik. Ein redlicher Weg ist das nicht: Die Evangelien sind dann nichts anderes als ein Selbstbedienungsladen, wo sich jeder das heraussuchen kann, was ihm gefällt. Wie gesagt: Jeder darf so vorgehen und glauben, ein Christ zu sein, wenn es ihm gefällt - aber es handelt sich dann um nicht mehr als einen subjektiven Standpunkt, den Außenstehende nicht zu teilen brauchen.
wer getauft ist und sich zu Jesus oder seiner Lehre bekennt, wird durchaus als Christ anzusehen sein, selbst dann, wenn er von einer Institution exkommuniziert wurde oder wird.
Kommt darauf an, aus welchem Grund er exkommuniziert worden ist. Ist er es z.B. deshalb, weil er der katholischen Lehrmeinung widerspricht, indem er eine andere Meinung vertritt hinsichtlich der Art, wie in Christus göttliche und menschliche Natur verbunden sind, dann kann er ohne weiteres dennoch als Christ angesehen werden. Leugnet er aber nicht die Dogmen der Kirche, sondern die biblischen Grundlagen der christlichen Religion (der er angeblich noch angehört) - und dazu gehören ohne Zweifel der Glaube an Gott und der Glaube, dass Jesus nicht einfach "ein Mensch wie du und ich" ist -, leugnet er also fundamentale "Dogmen", die bereits im Neuen Testament und in den Worten Jesu zum Ausdruck kommen, dann ist es doch sehr irreführend, ihn als Christ zu bezeichnen.
Und es gibt zumindest Religionen, in denen keine "personifizierte" Gottheit vorkommt. Wenn man Religion auf Ritus, Wertesystem etc "reduziert", wird ein "Göttliches" sogar völlig überflüssig.
Mag sein. Wir reden jedoch vom Neuen Testament, das die Grundlage des Christentums ist und auf das sich auch "christliche" Atheisten in irgendeiner Form berufen müssen (nicht nur im Prinzip, sie tun es ja de facto auch wirklich, wenn sie z.B. auf die Ethik der Bergpredigt rekurrieren!), und in diesem Neuen Testament kommt sehr wohl ein persönlicher Gott vor, was "christliche" Atheisten großzügig ignorieren (Stichwort "Selbstbedienungsladen"). Nochmal: Natürlich ist es legitim, die christliche Ethik für vorbildlich zu halten, ohne selbst an Gott zu glauben. Nur ein Christ kann man dann nicht mit guten Gründen genannt werden.