Historizität Jesu von Nazareth

Dieses Thema im Forum "Das Christentum" wurde erstellt von Vineta, 30. Mai 2007.

  1. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    OT:
    Hm...das scheint mir, nachdem wir den entsprechenden WP-Artikel (''Marcion') anhand aktueller wissenschaftlicher Lit. im 1. Halbjahr 2019 überarbeitet haben, so allgemein nicht ganz haltbar zu sein.
     
  2. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Und du meinst wirklich, die Synodenteilnehmer waren zu doof, das zu streichen, als sie den Kanon endgültig festgelegt haben?
     
  3. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    In der Kürze ist vermutlich etwas missverständlich, was Scorpio da wichtig war. Ihm ging es vorwiegend nach meinem Eindruck um Hypothesen der Spätdatierung ihrer Entstehung, nicht um den Forschungs-Disput über die Herausgabe und um Marcions Funktion dabei.

    Wenn man das als Kontext nimmt, wird die Richtung der Aussage klarer.

    Die Wiki-Formulierungen setzen den Hinweis auf die Diskussion mE zutreffend.
     
  4. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Könnt Ihr bitte noch verraten, in welchen Texten Passagen über die Geschwister getilgt wurden und welche Synode endgültige Festlegungen getroffen hat?
     
    silesia gefällt das.
  5. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Dann halt nicht Synode, für die andere Aussage bin ich nicht verantwortlich.
     
  6. Tom

    Tom Mitglied

    Ja. Synoden, Konzile, Parteitage, wissenschaftliche Konferenzen, die irgendwelche Lehren vereinheitlichen oder praktikabel machen sollen, blamieren sich meistens. Das liegt in der Natur solcher Versammlungen.
     
  7. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Ah so...
     
  8. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Und von welcher Synode sprichst Du nun konkret? Welche Texte wurden da bearbeitet?
     
  9. Tom

    Tom Mitglied

    Unsere Bemerkungen über Synoden etc. waren doch nur Frotzeleien am Rande. Die Entstehung des Neuen Testaments war natürlich ein längerer Prozess. Widersprüche findet man bei solchen mit der Zeit zusammengestellten kanonischen Schriften immer. Die Reduzierung der Maria-und-Joseph-Familie auf die drei Personen der Krippe war seit dem Konzil in Ephesus 431 theologisch notwendig geworden (Jungfräulichkeit Marias).

    Obwohl alt und aus der DDR stammend, erscheint mir heute noch als großartige Zusammenfassung Walter Beltz: Gott und die Götter. Biblische Mythologie, Berlin und Weimar 1975.
     
  10. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Ich möchte sogar meinen, dass die frühe Kirche ausgesprochen widerspruchstolerant war, denn die vier Evangelien, auch die drei Synoptiker untereinander, widersprechen sich z.T. in den Abläufen, besonders augenfällig der Passionsgeschichte. Die Kirche hat diese Widersprüche nicht geglättet, sondern nebeneinandergestellt.

    Ging es denn 431 wirklich um die Jungfräulichkeit Mariens?
     
  11. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Also, dann noch einmal speziell an Dich die Frage ohne Synode: In welchen Texten wurden Tilgungen vorgenommen?
     
  12. Tom

    Tom Mitglied

    Im Prinzip schon. Siehe auch das dann 433 verfasste Glaubensbekenntnis:

    Konzil von Ephesos – Wikipedia

    Arbeitskreis Origenes

    Okay, okay, der Ablauf der Textentstehung ist nicht mehr rekonstruierbar. Unten verlinkte Seite spricht zum Beispiel von dem von jüdischen Spuren „gereinigten“ Lukasevangelium. Die Evangelien waren wohl von Anfang an eine Mischung aus mündlichen Überlieferungen und Phantastik und sind dann noch überarbeitet, „gereinigt“ worden.

    Bibelkunde :: bibelwissenschaft.de
     
  13. Tom

    Tom Mitglied

    MariaundJoseph, eigentlich hatte ich gestern doch nur auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Existenz eines historischen Jesus hinweisen wollen! :mad: Jedenfalls soweit man sie aus den Evangelien erahnen kann.
     
  14. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Im Prinzip nicht.
    Die Anschauung der Jungfräulichkeit war lang und breit vorher vertreten.
    Strittig 431 war der Status Theotokos.
    Der Disput um fortgesetzte Jungfräulichkeit vor und nach Geburt Jesus ging lange weiter.

    Z.B. Miri Rubin, Mother of God.A History of the Virgin Mary, New Haven/London Yale University 2010.
     
    Sepiola gefällt das.
  15. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das bezieht sich ganz konkret auf Markion, dessen "Reinigungs"-Versuche sich bekanntlich nicht durchgesetzt haben.
     
    Carolus gefällt das.
  16. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    So 'bekanntlich', also unbestritten, wird das inzwischen nicht mehr vertreten. ;) Beispielsweise Jason BeDun, Markus Vincent oder Matthias Klinghardt und Judith Lieu bieten in der neuesten Wissenschaftslit. differenzierte Positionen, siehe jener ' Marcion'-Artikel bei Tante Wiki, u.a. Abschnitt 'Jüngere Rezeption und Wirkungsgeschichte'.
     
    thanepower gefällt das.
  17. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Daraus mache ich mal einen eigenen Thread.
     
  18. Eumolp

    Eumolp Aktives Mitglied

    Uff, nun habe ich tatsächlich den 80-Seiten-Megathread mit gefühlten 70 Seiten heiße Luft durchgeackert, dazu noch zu einem Thema, das mich eigentlich gar nicht so wirklich interessiert. Lehrreich ist er allemal. Doch ich möchte aus einer ganz anderen Perspektive auf einen schon bejahrten Beitrag eingehen:

    Zugegebenermaßen klingt es absurd, kann aber dennoch geschehen, zumal es damals keine Massenmedien gab, sondern Informationen von Mund zu Ohr flossen.

    1. Man hat in mehreren Experimenten zeigen können, dass man Versuchspersonen Informationen über ihre Kindheit einimpfen kann, die nachweislich nicht stimmen. ("False Memory Syndrom") Berühmt sind die Versuche von Loftus (Creating False Memories ), dass die VPn als Kinder einmal in einem Einkaufszentrum verloren gegangen waren. Noch krasser sind die Einflüsterungen von Shaw und Porter, die immerhin 70% ihrer VPn suggerieren konnten, sie hätten einmal ein Verbrechen begangen (!). (Constructing rich false memories of committing crime - PubMed )

    2. Auch Massensuggestionen hat es immer wieder gegeben, z.B. das Sonnenwunder in Fatima oder die UFO-Sichtungen in Roswell.

    3. In systematischer Weise haben in den 90er Jahren Psychiater versucht, Kindern zu suggerieren, sie seien Opfer sexuellen Missbrauchs schlimmster Art gewesen, daraus sind dann die berühmt-berüchtigten satanischen Ritualfälle in Kindergärten wie im Fall McMartin oder im Kern County entstanden, aber auch der "Kinderschänderprozess" in Worms (SPIEGEL 13/1998, ohne Satan, aber mit Mord und Totschlag) bzw. in Frankreich der Familie Outreau (Outreau trial - Wikipedia ), um nur einige wenige zu nennen. Solche angeblichen Missbrauchserinnerungen konnte man aber auch Erwachsenen, nicht nur Kindern einpflanzen. (Infos hierzu List of satanic ritual abuse allegations - Wikipedia )

    Man merkt also: Es muss nicht immer etwas vorliegen, damit man daraus etwas machen kann.

    Back to Jesus. In seinem Fall fehlt IMO die Motivation, eine Person zu erfinden, um sie zu einem Messias zu machen, wie auch mehrfach schon beschrieben. Das ist doch wesentlich aufwändiger als eine existierende Person soweit mit Eigenschaften anzureichern, bis sie zu einem Messias bzw. Gottessohn wird, an den man am Ende selbst glaubt und das bis zum Fanatismus (für sie in den Tod gehen). Zu diesem Zweck lassen sich auch Suggestionen einsetzen oder, wenn es um Propheizungen geht, Cold Reading – Wikipedia .

    Wenn wir's gerade von Prophezeiungen haben: ist nicht das Alter der Evangelien von Interesse, wenn es um Jesus' Prophezeiung der Tempelzerstörung geht (Mt 24.1-2, Mk 13.1-2, Lk 21.5)? Hierzu braucht man kein Hokuspokus, es reicht, dies nach 70 n.Chr. aufgeschrieben zu haben.
     
  19. Ravenik

    Ravenik Aktives Mitglied

    Ich halte diese Tempelzerstörungsprophezeiung als Datierungsansatz allerdings für eher überbewertet. Jesus bleibt darin recht vage und abstrakt.
    Erstens war das gespannte Verhältnis vieler Juden zur römischen Herrschaft kein Geheimnis, ein möglicher gewaltsamer Konflikt erschien somit vermutlich nicht gerade unwahrscheinlich, und dass dieser wohl nicht unbedingt mit einem jüdischen Sieg enden würde, konnte sich ein vernünftiger, unverblendeter Mensch ausmalen.
    Zweitens: Was währt schon ewig? Der salomonische Tempel war zerstört worden, und somit war es auch nicht unwahrscheinlich, dass auch der herodianische Tempel irgendwann zerstört würde.
    Drittens: Für eine abstrakte Mahnung und ultimative Schreckensprophezeiung taugte die Ankündigung einer Zerstörung des Tempels allemal.
    Ich glaube also nicht, dass man unbedingt davon ausgehen muss, dass der Verfasser die reale Zerstörung des Jerusalemer Tempels bereits kannte.
     
    Pardela_cenicienta, Carolus und Traklson gefällt das.
  20. Eumolp

    Eumolp Aktives Mitglied

    Ja, das klingt plausibel, wenn man die Zerstörung des Tempels als ein mehr oder weniger zwangsläufiges Ereignis ansieht. Doch war die Zerstörung ein Zufall, genauer gesagt, ein Unfall: Ein römischer Soldat hatte eine brennende Fackel in den Tempel geworfen, erzeugte einen Brand, Titus hat versucht, den Brand zu löschen, vergeblich. Die Zerstörung des Tempels war beileibe nicht von den Römern beabsichtigt und verdankt sich nur der Wut eines Soldaten. (Fl. Josephus, De bello Iudaico VI.4.252-266)
     

Diese Seite empfehlen