Scorpio
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Ja, und wie haben die Juden und die Judenchristen das selber differenziert, ab wann haben sich die Judenchristen nicht mehr als jüdische Sekte sondern als "richtige" Religion empfunden bzw sind sie von den Juden so empfunden worden?
Die Judenchristen betrachteten Jesus als den Messias, die Juden erkannten ihn als solchen nicht an. Die Kreuzigung war nun auch wirklich nicht gerade eine Empfehlung. Solange diese Exekutionsmethode existierte, vermieden die Christen Anspielungen darauf, Symbole waren das Christusmonogramm oder der Fisch. Die Vorstellung, dass Jesus, der Messias, stellvertretend für die Sünden der Menschheit gestorben war, ließ sich mit der religiösen Vorstellung der meisten Juden schwer vereinen. Wenn man die ApG liest, hört man, dass zwar die Synagogen die bevorzugten Orte waren, das Evangelium zu predigen, dass es aber immer wieder an verschiedenen Orten Ärger gab. Paulus und Barnabas bekamen bei der 1. Missionsreise in Kleinasien Schläge, Blessuren und einmal so viele Steine ab, dass sie wie stoned liegenblieben, wurden dafür aber in Ikonion oder Lystra als Inkarnation von Zeus und Hermes geehrt. Mehr Missionserfolge hatten die Apostel und frühen Christen bei den "gottesfürchtigen" Heiden. Das waren Menschen, die sich für das Judentum interessierten, an Gottesdiensten teilnahmen, die aber nicht beschnitten waren und auch nicht alle, oft komplizierten koscheren, Speisevorschriften des mosaischen Glaubens einhielten. Im 1. Jahrhundert war das Judentum auch noch eine missionierende Religion. Trotz aller antijüdischen Vorurteile gab es auch innerhalb der Reichsaristokratie Sympathisanten des Judentums, siehe der schon mehrfach erwähnte L. Sergius Paulus, der sich bevor er Paulus kennenlernte mit einem jüdischen "Magier" umgab und die "vornehmen Damen" (ApG 13), von denen eine in Akoneia eine Synagoge bauen ließ oder auch Poppaea Sabina, Neros 2. Frau. Man könnte salopp sagen, dass das Judentum im 1. Jahrhundert religiös "in" war, ähnlich wie heute viele Europäer und Amerikaner sich für den Buddhismus interessieren.