Holocaust - Wie schaffte es Hitler?

Ich hatte neulich nachts auf Sat1 eine Buchbesprechung gesehen.
Der Titel des Buches war glaube ich "Finanzen einer Raubgesellschaft".
Da behauptete der Autor das die Juden 1938 gezwungen wurden ihr Vermögen(Aktien etc) gegen Wechel einzutauschen, die in 25 Jahren fällig gewesen wären. Da kam es den Nazis bestimmt sehr gelegen, das in 25 Jahren keiner dieser Menschen mehr gelebt hätte. Aber das kann die Massenvernichtung nicht verursacht haben, sondern war wohl eher eine willkommene Begleiterscheinung.

Edit:
habe jetzt mal in Internet nachgeschaut.
Der Link zur Sendung:
http://www.dctp.de/main.php?obj=report&thread=show&action=detail&id=4336

"Finanzen einer Raubgesellschaft" war der TV-Titel.
Das Buch heisst:
„ Hitlers Volksstaat / Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus“

wurde auch schon erwähnt glaube ich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das die Nazis die Juden nur verfolgten wegen ihres Vermögens ist eine Begleiterscheinung des ganzen Rassenwahns. Das Nationalsozialistische Weltbild war geprägt durch die Vorstellung dass die hochwertige Rasse (Arier) gegen die minderwertige Rasse (Juden) bedroht sei. Sie sahen in den Juden das Unglück für das Deutsche Blut, dieses müsse rein und ohne fremdes Blut sein. 1933 dachten sehr viele Menschen antisemitisch und nationalistisch und das war der Grundstein für den spätern Wahn. Im Parteiprogramm der NSDAP ist die Feindschaft gegen das Judentum schriftlich verankert worden und das seit es die NSDAP gab.

Aus dem Parteiprogramm vom 25.2.1920 schrieb:
4. Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein,
wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.

6. Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates zu bestimmen, darf nur dem
Staatsbürger zustehen. Daher fordern wir, dass jedes öffentliche Amt, gleichgültig welcher
Art, gleich ob im Reich, Land oder Gemeinde nur durch Staatsbürger bekleidet
werden darf.

24 (...)Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich
konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden. Sie bekämpft den jüdischmaterialistischen
Geist in und außer uns und ist überzeugt, dass eine dauernde Genesung
unseres Volkes nur erfolgen kann von innen heraus auf der Grundlage:
Gemeinnutz vor Eigennutz

wer das ganze Lesen möchte hier http://www.rechtsgeschichte.jku.at/...Nationalsozialismus)/parteiprogramm nsdap.pdf

Die antijüdischen Massnahmen seit Beginn der Machtergreifung:

1933 Boykott aller jüdischen Geschäfte, Aktionen gegen Rechtsanwälte und Ärzte usw.

1935 Nürnberger Gesetze

1937 Die Wirtschaft wird Arisiert, d. h. Die jüdischen Besitzer werden gezwungen ihren Besitz unter dem Wert an Deutsche zu verkaufen.

1938 Einweisung der so genannten vorbestraften Juden in Konzentrationslager
Reichskristallnacht am 9./10.11,
Verhaftung von über 26000 männlichen Juden und Einweisung in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen

1939 Hitler kündigt vor dem Reichstag an, dass für den Fall eines Krieges die jüdische Bevölkerung in Europa vernichtet wird.

1941 Einführung des Judensterns

1942 Verbot von öffentlichen Verkehrsmittel und weitere Einschränkungen
20.1. Wannseekonferenz: Beschluss die Deportation und Ausrottung des gesamten europäischen Judentums

1943 Auswanderungsverbot

1942 -1945 Beginn der Massenvernichtung

Rudolf Höss schrieb:
Ich befehligte Auschwitz bis zum 1. 12.1943 und schätze, dass mindestens 2,5 Millionen Opfer durch Vergasung und Verbrennen hingerichtet und ausgerottet wurden; mindestens eine weitere halbe Million starben durch Hunger und Krankheit, was eine Gesamtzahl von ungefähr 3 Millionen Toten ausmacht. Unter den hingerichteten und verbrannten Personen befanden sich ungefähr 20.000 russische Kriegsgefangene. Der Rest umfasste ungefähr 100.000 deutsche Juden und eine große Anzahl von Einwohnern aus Holland, Frankreich, Belgien, Ungarn, Griechenland und anderen Ländern." Zwei Drittel der in Europa lebenden Juden fielen dem Holocaust zum Opfer. An den Folgen dieser Vernichtungsaktion leiden nicht nur die Überlebenden der Vernichtungslager, die die eintätowierte Lager-Nummer zeitlebens mit sich herumtragen. Sehr viele der heute lebenden Juden, deren Familien aus Europa stammen, haben nahe Angehörige unter den Opfern
 
Die Nationalsozialisten gaben seit 1920 dem jüdischen Volk oder Rasse die Schuld am verlorenen Krieg und an der Lage in der sich Deutschland in dieser Zeit befand. Dabei verwendeten sie pseudowissenschaftliche Theorien um das ganze als Rassenkampf darzustellen. Die Judenfrage wurde entsprechend als ein Rassenproblem formuliert, die Juden wurden als Negativtypus dämonisiert und dem Idealtypus des Ariers gegenüber gestellt.

Hitler sah einen Weltkonflikt zwischen den Juden und den Ariern voraus und es gab in dieser antijüdischen Politik nur ein die Entfernung des Juden.

Die Juden wurden für die Niederlage 1918 und die Revolution verantwortlich gemacht, die Deutschen waren Opfer einer plutokratisch-jüdisch-marxistischen Verschwörung. Das ist die Ausgangslage für den spätern Rassenwahn und leider glaubten das sehr viele Menschen in Deutschland oder vielen auf die antijüdische Propagande rein.
 
ursi schrieb:
Die Nationalsozialisten gaben seit 1920 dem jüdischen Volk oder Rasse die Schuld am verlorenen Krieg und an der Lage in der sich Deutschland in dieser Zeit befand. Dabei verwendeten sie pseudowissenschaftliche Theorien um das ganze als Rassenkampf darzustellen. Die Judenfrage wurde entsprechend als ein Rassenproblem formuliert, die Juden wurden als Negativtypus dämonisiert und dem Idealtypus des Ariers gegenüber gestellt.

Hitler sah einen Weltkonflikt zwischen den Juden und den Ariern voraus und es gab in dieser antijüdischen Politik nur ein die Entfernung des Juden.

Die Juden wurden für die Niederlage 1918 und die Revolution verantwortlich gemacht, die Deutschen waren Opfer einer plutokratisch-jüdisch-marxistischen Verschwörung. Das ist die Ausgangslage für den spätern Rassenwahn und leider glaubten das sehr viele Menschen in Deutschland oder vielen auf die antijüdische Propagande rein.

Staatssysteme wie das der Nazis brauchen Feindbilder, sie können sonst nicht existieren. Es wird ein Feind gebraucht, der an allem Schuld ist, dem man alles in die Schuhe schieben kann. Und das Feindbild der Nazis war das "internationale Finanzjudentum".
Damit ging alles los. Ohne jeden Zweifel.

Was mich immer an diesem Erklärungsmuster gestört hat, ist der irrsinige Aufwand der betrieben wurde. Mitten in einem Krieg der ja ganz zweifellos von Anfang an auf Leben oder Tod ging.

Die Führung war verrückt, manisch-depressiv oder sonst was, eben ein Fall für geschlossene Anstalten.

Aber industrielle Massenmorde? 6 millionen Mensch oder mehr? Mit ein paar hundertausend beteiligten Mordhelfern.
Da muss doch mehr dahinterstecken.

Für mich haben Gerlach/Aly das fehlende Teil in der Kette aufgezeigt.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Die Führung war verrückt, manisch-depressiv oder sonst was, eben ein Fall für geschlossene Anstalten.

Das ist noch milde ausgedrückt.


Aber industrielle Massenmorde? 6 millionen Mensch oder mehr? Mit ein paar hundertausend beteiligten Mordhelfern.
Da muss doch mehr dahinterstecken.

Für mich haben Gerlach/Aly das fehlende Teil in der Kette aufgezeigt.

Grüße Repo

Dazu muss ich erst das Buch lesen. Aber ich denke er hat ein weiteres Glied in der Kette ergänzt, geschlossen ist sie noch lange nicht.
 
Repo schrieb:
Die Führung war verrückt, manisch-depressiv oder sonst was, eben ein Fall für geschlossene Anstalten.
Mag sein, dass ich mit Welzer langsam nerve. Trotzdem:

Welzer schrieb:
Die Ratlosigkeit, die einen angesichts dieser Unauffälligkeit der Täter befallen mag, kommt prägnant in dem zum Ausdruck, was ein Gutachter 1961 über Adolf Eichmann gesagt hat: nämlich, dass er normal sei. Und er fügte hinzu: "normaler jedenfalls, als ich es bin, nachdem ich ihn untersucht habe."
Der Gerichtspsychologe Douglas Kelley stellte schon 1946 in Nürnberg fest, dass die Hauptkriegsverbrecher "erschreckend normal" waren. Um seine erstaunlichen Arbeitsergebnisse noch einmal überprüfen zu lassen schickte er die Ergebnisse der Rorschachtests, die er gemacht hatte an zehn Fachkollegen. Das Problem war: sie wußten, um wen es sich jeweils handelte und keiner antwortete: sie hätten dem Erwartungsdruck der Öffentlichkeit nicht standhalten können. Kelley resümierte:
Kelley schrieb:
Aus unseren Befunden müssen wir nicht nur schließen, dass solche Personen weder krank noch einzigartig sind, sondern auch, dass wir sie heute in jedem anderen Land der Erde antreffen würden.
Molly Harrower hat 1974 die Gutachten Kelleys wieder hervorgeholt,und es erneut an verschiedene Experten verschickt, diesmal waren den Experten die Patienten unbekannt, sie konnten also ganz unbedarft an die Sache herangehen: die Sachverständigen, die antworteten, hatten keine Auffälligkeiten entdecken können.
 
Zuletzt bearbeitet:
El Quijote schrieb:
Mag sein, dass ich mit Welzer langsam nerve. Trotzdem:

Der Gerichtspsychologe Douglas Kelley stellte schon 1946 in Nürnberg fest, dass die Hauptkriegsverbrecher "erschreckend normal" waren. Um seine erstaunlichen Arbeitsergebnisse noch einmal überprüfen zu lassen schickte er die Ergebnisse der Rorschachtests, die er gemacht hatte an zehn Fachkollegen. Das Problem war: sie wußten, um wen es sich jeweils handelte und keiner antwortete: sie hätten dem Erwartungsdruck der Öffentlichkeit nicht standhalten können. Kelley resümierte:
Molly Harrower hat 1974 die Gutachten Kelleys wieder hervorgeholt,und es erneut an verschiedene Experten verschickt, diesmal waren den Experten die Patienten unbekannt, sie konnten also ganz unbedarft an die Sache herangehen: die Sachverständigen, die antworteten, hatten keine Auffälligkeiten entdecken können.


Das ist ja das erschreckende an der ganzen Sache, das die Führer ganz normale Menschen waren, zum Teil mit sehr hohem IQ.

Repos Einwand von
Die Führung war verrückt, manisch-depressiv oder sonst was, eben ein Fall für geschlossene Anstalten.
fasse ich eher als das Unbegreifliche auf.
 
Ich kann El Quijote für seine letzten Beiträge gar nicht so viele grüne Punkte geben, wie ich gern wollte. Wir hatten diese Diskussion hier ja schon mehrfach und immer wieder will ich schreiben, daß ich nichts davon halte, Naziverbrecher verbal in Zwangsjacken zu packen. Ich halte kaum jemanden von ihnen für "krank" und auch nicht für viel anders, als meine Mitfahrer in der U-Bahn.
Das ist ja gerade das "Problem", daß es theoretisch vermutlich jeden von uns in diesen Sumpf ziehen kann, wenn man nicht aufmerksam und kritisch ist und sich bemüht die Zusammenhänge und Manipulationswege zu verstehen! Mit Sprüchen wie "Die waren irre, das kann mir nicht passieren" löst man schon die Bremse der abwärtsrollenden Draisine. :eek:
 
Arne schrieb:
Mit Sprüchen wie "Die waren irre, das kann mir nicht passieren" löst man schon die Bremse der abwärtsrollenden Draisine. :eek:

Von der zweite Führungsebene abwärts sehe ich das genauso. Für Hitler und seinen innersten Zirkel würde ich das hingegen nicht ausschließen. Obwohl auch hier Begriffe, wie "irre" oder "durchgeknallt" zu kurz greifen.

Ich muss dabei immer an eine Stelle in Heart of Darkness von 1902 denken ...

Sein Verstand war klar, aber seine Seele war verrückt...

Believe me or not, his intelligence was perfectly clear--concentrated, it is true, upon himself with horrible intensity, yet clear; [...]. But his soul was mad. Being alone in the wilderness, it had looked within itself, and, by heavens! I tell you, it had gone mad.

[...]

He cried in a whisper at some image, at some vision--he cried out twice, a cry that was no more than a breath:

`The horror! The horror!'
 
Ich bin auch der Meinung, dass es falsch wäre, die nationalsozialistische Führungsschicht als pathologisch geisteskrank zu erklären. Dazu sind die Phänomene Totalitarismus und Diktatur leider viel zu verbreitet in der Weltgeschichte...

Aber ich denke schon, dass die Männer in der Führungsschicht des 3. Reiches gewisse Parallelen hatten, was ihre psychosoziale Entwicklung betrifft. Sehr schön wurde das deutlich gemacht in einem Buch über Täter der mittleren/unteren Ebene, dessen Namen mir leider gerade nicht einfällt.

Unter diese Parallelen fallen:

- eine hohe Akzeptanz gegenüber Gewalt und deren Anwendung. Hier spielt natürlich das Fronterlebnis eine Rolle, aber eher noch, dass viele spätere Nationalsozialisten (z.B. Rudolf Höß, Martin Bormann, Ernst Röhm) waren auch in den Freikorps aktiv, die ja zum Teil terroristische Methoden pflegten.

- Scheitern der beruflichen Idealvorstellungen (nicht zuletzt Hitler selbst, aber auch z.B. Goebbels). Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang auch Hitlers Dilettantismus in bestimmten Gebieten, um den er fast einen Kult trieb - indem er etwa seine Generäle abkanzelte und ihnen gegenüber seine "Vorsehung" hervorhob. Erinnert sei auch an das Plakat, dass ihn mit Friedrich dem Großen, Bismarck und Hindenburg zeigt, mit der Beschriftung: [SIZE=-1]"Was der König eroberte, der Fürst formte, der Feldmarschall verteidigte, rettete und einigte der Soldat" [/SIZE]

- eine gewisse gesellschaftliche Entwurzelung, die sich auf viele Arten äußern konnte. Manche Nazis waren vor dem Krieg durchaus Kriminelle (etwa Dirlewanger), einigen gelang es nicht, schlicht ein geregeltes bürgerliches Leben zu führen.

Diese Punkte führten dazu, dass viele von ihnen herkömmliche gesellschaftliche und moralische Vorstellungen ablehnten. Kaum einer der Führungspersonen des Dritten Reiches kann eine völlig bruchlose Biografie aufweisen, nicht mal solche, die wie Heydrich nach außen als völlige "Saubermänner" wirkten (war unehrenhaft aus der Marine entlassen worden).

An solchen Argumenten haftet immer auch der Geschmack der Rechtfertigung. Aber einig ist man sich ja, dass die Pläne und Taten der Nationalsozialisten üblichen moralischen Vorstellungen widersprechen. Und deswegen, so denke ich, ist es wichtig, nach Gründen zu forschen, warum sie so handelten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber was haltet ihr von der Aussage Goldhagens, die Deutschen hätten eine "DISPOSITION" hinsichtlich solcher Handlungen? Wie ernst ist so etwas - selbstkritisch betrachtet - zu nehmen?
 
Dieter schrieb:
Aber was haltet ihr von der Aussage Goldhagens, die Deutschen hätten eine "DISPOSITION" hinsichtlich solcher Handlungen? Wie ernst ist so etwas - selbstkritisch betrachtet - zu nehmen?

Würde ich - ohne seine genaue Definition von "Disposition" zu kennen - zustimmen ...

Ich sehe diese "Disposition" auch bei den japanischen Streitkräften des 2.WK sowie in China während der Kulturrevolution.
 
Dieter schrieb:
Aber was haltet ihr von der Aussage Goldhagens, die Deutschen hätten eine "DISPOSITION" hinsichtlich solcher Handlungen? Wie ernst ist so etwas - selbstkritisch betrachtet - zu nehmen?

Goldhagen überträgt den medizinischen Terminus, als (genetisch bedingte) Empfänglichkeit für Krankheiten auf einen Hang zum Antisemitismus bei Deutschen und hat damit jede Menge Kritik geerntet. Ich empfinde das als reine Effekthascherei oder Provokation, die man wohl schwerlich belegen kann. Seine Argumentationskette ist sehr konstruiert...
Ich gebe aber zu, daß ich sein Buch nicht gelesen habe und verlasse mich die allgemeine Diskussion, die ich mitbekommen habe.
 
Dieter schrieb:
Aber was haltet ihr von der Aussage Goldhagens, die Deutschen hätten eine "DISPOSITION" hinsichtlich solcher Handlungen? Wie ernst ist so etwas - selbstkritisch betrachtet - zu nehmen?

Meine erste Frage wäre, wie diese "Disposition" begründet wird. Woher genau kommt diese "Disposition", und wie wird sie vererbt?

Wenn Goldhagen hier nicht absolut schlüssige Antworten liefert, dann handelt es sich um Pseudoerklärungen auf der Ebene von wohlfeilen Vorurteilen.



Pope schrieb:
Ich sehe diese "Disposition" auch bei den japanischen Streitkräften des 2.WK sowie in China während der Kulturrevolution.


Dann kann es sich wohl nicht um eine "deutsche Disposition" handeln. Dann müßte man sagen, der Mensch ist so "disponiert".
 
Wenn Du sie auch bei anderen Völkern siehst, inwiefern ist es dann noch eine "deutsche" Diposition?
Was ist mit den anderen Massenmorden?
Zugegeben ist es entsetzlich grauenhaft, was die Deutschen getan haben. Man stelle sich die Situation nur vor: Frauen mit ihren Kindern in die Gaskammern zu treiben, Menschen wie Vieh zu transportieren, sie unter unmenschlichsten Bedingungen in der Industrie auszubeuten, bis sie "unbrauchbar" geworden sind.
Das ist für mich einfach unfassbar, daher ist die Qualifizierung der Täter als Verrückte ja auch so einfach.
Aus unserer heutigen Situation heraus verstehen wir das nicht mehr.
Aber dennoch geschehen Kriegsverbrechen und Genozide überall in der Welt.
Ich fürchte, ebenso wie andere hier schon gesagt haben und auch das Milgram-Experiment es zeigt, dass wir alle unter den "richtigen" Umständen zu so etwas fähig wären. Eine besondere deutsche Disposition ist nicht notwendig, wohl aber eine Führung, die aus wirtschaftlichen oder rassischen Erwägungen solche niederen Dispositionen gezielt einsetzt.
 
"Repos Einwand von
Zitat Die Führung war verrückt, manisch-depressiv oder sonst was, eben ein Fall für geschlossene Anstalten.
fasse ich eher als das Unbegreifliche auf.
__________________"

Ursi versteht mich eben.

Das führt auch nicht weiter, es gibt in der Geschichte genug Beispiele für Völkermord, bestialische Grausamkeiten usw.

Das einmalige und beispiellose am Holocaust ist einmal die "industrielle Durchführung" und zum zweiten die involvierung von
Hunderttausenden.

Und dafür, denke ich zumindest, haben Gerlach/Aly erstmals nachvollziehbare Erklärungsansätze geliefert.

Grüße Repo
 
hyokkose schrieb:
Dann kann es sich wohl nicht um eine "deutsche Disposition" handeln. Dann müßte man sagen, der Mensch ist so "disponiert".

Disposition nach Goldhagen ist also eine einzigartige, deutsche "Veranlagung" zum Judenmord? Das klingt etwas deterministisch bis fatalistisch. Und nur weil die Deutschen alle Rekorde (*sorry*) der Menschenverachtung gebrochen haben, heisst das nicht, dass ähnliche Dinge nicht auch wo anders passiert sind und wieder passieren können.

Disposition, wie ich sie verstanden habe, ist der Nährboden, auf dem Gesellschaften entstehen, die eine Vollstreckung uneingeschränkter und massenhafter Tötungen von Zivilisten jeglicher Art hinzunehmen und durchzuführen bereit sind.

Und diese Disposition sehe ich auch anderswo. Während Methode und Sorgfalt bei den Deutschen unbestritten das Abscheulichste war, was die Menscheit bislang gesehen hat, haben manch andere Völkerschaften im Ausmaß durchaus Deutsche Zahlen erreicht. (*nochmal sorry*)
 
Zuletzt bearbeitet:
Goldhagen beleuchtet das Thema dieses Threads in seinem Buch "Hitlers willige Vollstrecker" auf eine Weise, die den Deutschen nicht sonderlich gut im Ohr klingt.

Goldhagens These lautet, Hitlers Helfer seien eben keine seelenlosen Technokraten gewesen, deren Taten auf der "Banalität des Bösen" beruhten, sondern willige, nicht gezwungene Mörder. Entgegen den bestehenden Klischees, dass die Täter einer exklusiven Gruppe besonders fanatischer Nazis angehörten, waren sie "gewöhnliche Deutsche verschiedenster Herkunft".

Neben den expliziten Mördern habe es ein breites Einverständnis der deutschen Gesellschaft mit den antijüdischen Maßnahmen bis hin zum Mord gegeben, das auf einen besonderen "eliminatorischen Antisemitismus" (!) in Deutschland zurückzuführen sei. Die Täter seien überzeugt gewesen, dass der Mord an den Juden rechtmäßig sei. Sie hätten die Befehle verweigern können, ohne Strafe oder persönliches Risiko fürchten zu müssen. "Sie entschieden sich, zu morden. Viele wussten, dass sie es ablehnen konnten." Es gab genug Freiwillige für die Massaker und viele ließen sich bei ihrem Tun stolz fotografieren.

Anders als bei anderen genozidalen Vorkommnissen nehme man im Falle des Holocaust häufig an, so Goldhagen, die Täter hätten zu ihrem Tun erst gezwungen werden müssen; es gebe jedoch genug Beweise dafür, dass die deutschen Täter "genauso waren wie andere, die uns in den Dokumenten über ihre Bereitwilligkeit erzählten, "über ihre Routine und Grausamkeit, ihren Eifer bei der Jagd nach den Juden und ihre Ermordung, über die Anwesenheit ihrer Frauen und Freundinnen auf den Erschießungsplätzen und über ihre Feste, mit denen sie den Tod der Juden feierten."

Damit der Holocaust geschehen konnte, so schließt Goldhagen, bedurfte es einer enormen Zahl einfacher Deutscher, die zu Hitlers willigen Vollstreckern wurden.

Die Thesen Goldhagens erfahren Zustimmung und Kritik. Besonders englische Kommentatoren sind der Meinung, der "eliminatorische Antisemitismus" sei bei den Deutschen eine kulturelle Traditionslinie, die Hitler deshalb so problemlos und wirkungsvoll ausnutzen konnte. Andere sind wiederum der Meinung, die Ereignisse in Bosnien und Ruanda hätten gezeigt, dass gewöhnliche Menschen überall auf der Welt unter bestimmten Bedingungen zu "willigen Tätern" werden könnten.

Am schwersten wiegt Goldhagens Resumee, die Deutschen seien kollektiv für den Mord an den Juden verantwortlich und es gäbe einen SINGULÄREN DEUTSCHEN VERNICHTUNGSANTISEMITISMUS (!) bzw. eine Konditionierung der Deutschen hin auf den Holocaust.

Damit ergibt sich eine deutliche Alternative zu Hannah Arendts These von der "Banalität des Bösen", die bislang als unangefochten galt.
 
Dieter schrieb:
Damit ergibt sich eine deutliche Alternative zu Hannah Arendts These von der "Banalität des Bösen", die bislang als unangefochten galt.

Und für mich immer noch gilt ...

Wenn solche Dinge heute passieren, nur weil Vorgesetzte nicht aufgepasst haben, kann man sich dann vorstellen, was passiert wäre, wenn Vorgesetzte Misshandlungen toleriert oder gar angeordnet hätten?

Die Beispiele sind Legion.
 
Pope schrieb:
Wenn solche Dinge heute passieren, nur weil Vorgesetzte nicht aufgepasst haben, kann man sich dann vorstellen, was passiert wäre, wenn Vorgesetzte Misshandlungen toleriert oder gar angeordnet hätten?

Die Beispiele sind Legion.

Brauchst gar nicht lange suchen. Hast du den Bericht über den russischen Rekruten gesehen, der (wie dort üblich) bei einem der "Willkommes-Riten" der russischen Armee so misshandelt wurde, daß man ihm beide Beine und die Genitalien amputieren mußte? :S
 
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