Hunnen und die kimbrische Halbinsel

"Echte Hunnen" hat es vermutlich gar nicht gegeben. Eine Invasion aus der Steppe, -zigfach schon vorher passiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Woraus schließt Du das?
Wer soll denn Deiner Meinung nach 375 vom Osten her ins Ostgotenreich Ermanarichs eingefallen sein?
 
Wer soll denn Deiner Meinung nach 375 vom Osten her ins Ostgotenreich Ermanarichs eingefallen sein?

Eine Konföderation aus Steppenvölkern. Wir können die Hunnen kaum zuordnen. Heather scheint sie am ehesten als Finno-Ugrier, sprich Magyaren zu sehen, aber ebenso sind deutliche Spuren mongolischer, persischer und türkischer Elemente auszumachen. Über den begriff "OST-goten" ließe sich hier aber diskutieren.


Da bin ich skeptisch. Die "echten" Hunnen unterschieden sich von den Germanen schließlich auch optisch und in der Kampfweise. Ich denke schon, dass man die echten Hunnen von ihren germanischen Vasallen unterscheiden konnte.

Das mag zu Beginn, um 375 so gewesen sein. Die späteren Hunnen tragen durchweg germanische Namen, wie auch Attila selbst, ihre Grabkultur verliert ebenso die Eigenständigkeit. Und warum sollte ein Hunne keinen gepidischen Schneider aufsuchen?

Die ursprüngliche Elite war vielleicht noch an der Kampfesweise zu erkennen, die Germanen dürften mit Pfeil und Bogen nicht so geschickt gewesen sein. Andererseits entwickelten sich viele Goten zu Reiterkriegern in dieser Zeit.
Mir ging es aber um die Fremdbezeichnungen. Und die dürfte für alle "Hunnen" gewesen sein, allein aus Prestigegründen. Man wurde eben von den Hunnen heimgesucht, egal, wen Attila tatsächlich schickte.
 
Die Fremdbezeichnungen der Hunnen variierten. Procopius z. B. bezeichnete die Hunnen zwar fälschlich als "Massageten", unterschied die Hunnen im oströmischen Heer aber eindeutig von den germanischen Söldnern.

Die Goten entwickelten schon während ihres Zuges durch Osteuropa und ihrer Reichsbildung am Schwarzen Meer unter dem Einfluss der hiesigen Steppenvölker eine starke Kavallerie. In der Schlacht von Adrianopel setzten sie sie ja schon ein.

Was die germanischen Namen betrifft: Attila hieß vermutlich nicht wirklich so, und ob er wirklich gotisch "Väterchen" bedeutet, ist auch unsicher.
 
"Echte Hunnen" hat es vermutlich gar nicht gegeben. Eine Invasion aus der Steppe, -zigfach schon vorher passiert.
-zigfach?
Aber nie mit dieser Wucht, daß selbst das Römische Reich dem nichts entgegenzusetzen hatte. Und auch das untergegangene Reich von Ermanerich war nicht zu verachten. Es erstreckte sich immerhin vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee.
Nein, die Kerntruppe der Hunnen bestand schon aus Ost- oder Zentralasiaten, aufgefrischt aus Mitzüglern.
 
Und auch das untergegangene Reich von Ermanerich war nicht zu verachten. Es erstreckte sich immerhin vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee.
Das darf man sich aber nicht als echtes Reich vorstellen, sondern mehr als eine Art Einflussbereich, und auch da ist umstritten, ob er wirklich so groß war.
 
Das darf man sich aber nicht als echtes Reich vorstellen, sondern mehr als eine Art Einflussbereich, und auch da ist umstritten, ob er wirklich so groß war.

Ja das ist richtig. Das war ein ähnlich eher loser Machtbereich wie es auch das "Reich" von Attila war. Nur daß Attila dazu noch ein brutaler Tyrann war. Gerade lief auf n-tv History etwas über Attila und die bezeichneten ihn als unkreativen Psychopaten und setzten ihn mit Pablo Escobar gleich - dem Drogenboss in Kolumbien.
 
Stilicho
die lingua franca war ohnehin gotisch.

Woran machst du das fest? Am "Namen" Attila, der in der Tat wohl ein gotisches 'Väterchen' ist? Ein einzige Wort, selbst an so prominenter Stelle, wäre mir zu wenig. Oder findet sich bei Priskos da etwas?

Ich beziehe mich hier auf Heathers "Empire and Barbarians", der sich wiederum auf Maenchen-Helfen stützt - Primärquellen sind das natürlich alles nicht.
Nicht nur Attila selbst, auch die Namen aus seiner Umgebung - Bleda, Edekon, Onegesius - waren samt und sonders germanisch. Auch betont Heather, dass es im ungarischen Tiefland fast keine typisch "hunnischen" Grabfunde gibt - auch hier eine starke Germanisierung.
Wichtig ist hierbei, dass von Attilas Hunnen die Rede ist, der Kriegerkonföderation mit ihrem Machtzentrum an der Theiss. Das heißt nicht, dass nun alle Hunnen, die über die römische Grenzen kamen, germanisiert gewesen wären. Es gab eben nicht "die Hunnen", es gab eine ganze Reihe kleinerer Gruppen - vorher z.B. Uldins Trupp oder die Akatziren in der Ukraine - mit wohl teils unterschiedlichen Identitäten. Wir können nicht von der Beschreibung hunnischer Söldner in der oströmischen Armee auf Attilas Machtbereich schließen.
Nach dem Attilas Reich zerfallen war bildeten sich wieder neue Gruppen und offensichtlicht auch wieder neue Identitäten im deutlich nach Osten verschobenen Machtbereich. Bei den späten Hunnen finden sich wieder östliche Namen (Dengezich -> Cengiz/Dschingis) - die Reste verlieren sich im Gemenge aus Kut(r)iguren, Utiguren, Bulgaren, Awaren und Magyaren.
 
Über den begriff "OST-goten" ließe sich hier aber diskutieren.

Wie ist das gemeint?

Das mag zu Beginn, um 375 so gewesen sein. Die späteren Hunnen tragen durchweg germanische Namen, wie auch Attila selbst, ihre Grabkultur verliert ebenso die Eigenständigkeit. Und warum sollte ein Hunne keinen gepidischen Schneider aufsuchen?

Durchweg? Hast du Beispiele? (Ich sehe gerade, dass die Frage weiter unten beantwortet wird.)
Und ob Attila wirklich ein Name ist? Nicht vielleicht doch ein Titel?

die Germanen dürften mit Pfeil und Bogen nicht so geschickt gewesen sein.

Das finde ich genauso grenzwertig, wie die in diesem Thread gemachte Behauptung, die Hunnen seien kein Seefahrervolk gewesen.

Andererseits entwickelten sich viele Goten zu Reiterkriegern in dieser Zeit.

Ich glaube, dass die Goten schon vor den Hunnen Reiterkrieger waren.

Man wurde eben von den Hunnen heimgesucht, egal, wen Attila tatsächlich schickte.
Hierin ist dir wohl uneingeschränkt zuzustimmen.

-zigfach?
Aber nie mit dieser Wucht, daß selbst das Römische Reich dem nichts entgegenzusetzen hatte.
Vielleicht lag's aber auch einfach an der internen Situation des Reiches, dass es dieser Wucht nicht mehr standhalten konnte?

Nein, die Kerntruppe der Hunnen bestand schon aus Ost- oder Zentralasiaten, aufgefrischt aus Mitzüglern.

Herzlichen Glückwunsch! Du hast das Problem der hunnischen Herkunft gelöst.


Und auch das untergegangene Reich von Ermanerich war nicht zu verachten. Es erstreckte sich immerhin vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee.

Naja, was man so als Reich bezeichnet. Gab es wirklich eine Infrastruktur des Herrschens, so dass man von Herrschaft sprechen konnte? Oder konnten die Reiterhorden nur relativ ungebremst von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reiten?

Ja das ist richtig. Das war ein ähnlich eher loser Machtbereich wie es auch das "Reich" von Attila war. Nur daß Attila dazu noch ein brutaler Tyrann war. Gerade lief auf n-tv History etwas über Attila und die bezeichneten ihn als unkreativen Psychopaten und setzten ihn mit Pablo Escobar gleich - dem Drogenboss in Kolumbien.
Solche Ferndiagnosen sind einigermaßen steil.

Stilicho
die lingua franca war ohnehin gotisch.
Woran machst du das fest? Am "Namen" Attila, der in der Tat wohl ein gotisches 'Väterchen' ist? Ein einzige Wort, selbst an so prominenter Stelle, wäre mir zu wenig. Oder findet sich bei Priskos da etwas?

Ich beziehe mich hier auf Heathers "Empire and Barbarians", der sich wiederum auf Maenchen-Helfen stützt - Primärquellen sind das natürlich alles nicht.
Nicht nur Attila selbst, auch die Namen aus seiner Umgebung - Bleda, Edekon, Onegesius - waren samt und sonders germanisch. Auch betont Heather, dass es im ungarischen Tiefland fast keine typisch "hunnischen" Grabfunde gibt - auch hier eine starke Germanisierung.

Nun, wenn du so willst, findest du im vandalischen Nordafrika keine vandalischen Zeugnisse, sondern nur römische: Eine kulturelle Anpassung bedeutet also noch lange nicht, dass die ethnische Zusammensetzung sich verschoben hätte.

István Bona z.B. meint, Onegesios sei Grieche gewesen. Er habe gut Latein und Griechisch gekonnt. Und er war natürlich der Baumeister Attilas. Sein Selbstzeugnis besagt, dass er in seiner Jugend von Hunnen verschleppt worden sei.
Edekon war kein Hunne, sondern Skire und als solcher zwar im hunnischen Verband involviert, aber bezeichnenderweise kennen wir seine ethnische Herkunft, er wird nicht einfach unter die Hunnen subsumiert.
Warum ist Bledas Name "germanisch"?


Bei den späten Hunnen finden sich wieder östliche Namen (Dengezich -> Cengiz/Dschingis)

Es sei mal dahingestellt, ob der Name Dengezich wirklich dasselbe sei, wie Dschingis. Es ist aber doch interessant, dass ausgerechnet der Name des Sohns des Attila, der hier schon fast zum Goten gemacht wird, plötzlich wieder ein "östlicher" Name sein soll.
 
Stilicho
Über den begriff "OST-goten" ließe sich hier aber diskutieren.


Wie ist das gemeint?

Meines Wissens sind die Osthrogoten erst nach dem Zusammenbruch des Hunnenreiches belegt. Greutungen & Terwingen von mir aus. Aber keine Ostgoten am schwarzen Meer. Die amalische Dynastie taucht erst mit Theoderichs Sippe (Vater, Onkel) auf. Seine Goten waren ein neuer Verband, die Zusammensetzung - äh, tja, gotisch.

Stilicho
die Germanen dürften mit Pfeil und Bogen nicht so geschickt gewesen sein.

Das finde ich genauso grenzwertig, wie die in diesem Thread gemachte Behauptung, die Hunnen seien kein Seefahrervolk gewesen.

Da hab ich mich blöd ausgedrückt. Nicht so geschickt wie die Hunnen. Die Hunnen waren sicherlich auch keine Phönizier.


Edekon war kein Hunne, sondern Skire und als solcher zwar im hunnischen Verband involviert, aber bezeichnenderweise kennen wir seine ethnische Herkunft, er wird nicht einfach unter die Hunnen subsumiert.

Edekon ist schwierig. Er wird als Hunne, als Skire, als Thüringer geführt. Alles dabei. Die ethnische Herkunft kennen wir nicht. Bei seinem Sohn Odoaker ist es daher ebenso undurchsichtig, auch dort finden wir diverse Benennungen.

Warum ist Bledas Name "germanisch"?

Bin kein Sprachwissenschaftler, Heather führt in auf.

Es sei mal dahingestellt, ob der Name Dengezich wirklich dasselbe sei, wie Dschingis. Es ist aber doch interessant, dass ausgerechnet der Name des Sohns des Attila, der hier schon fast zum Goten gemacht wird, plötzlich wieder ein "östlicher" Name sein soll.

Ist ja richtig, der Kern der Hunnen wird auch seine Identität bewahrt haben, auch Attila dürfte einen "hunnischen" Namen gehabt haben. Es ging aber um das Gotische als lingua franca. Zur Zeit Attilas dominierten die germanischen Bezeichnungen. Man kannte ihn und seine Gefolgsleute unter den germanischen Namen, nicht unter anderen.
 
Meines Wissens sind die Osthrogoten erst nach dem Zusammenbruch des Hunnenreiches belegt. Greutungen & Terwingen von mir aus. Aber keine Ostgoten am schwarzen Meer. Die amalische Dynastie taucht erst mit Theoderichs Sippe (Vater, Onkel) auf. Seine Goten waren ein neuer Verband, die Zusammensetzung - äh, tja, gotisch.
Üblicherweise werden die Ostrogoten mit den Greutungen gleichgesetzt, siehe z. B. bei Herwig Wolfram: "Die Goten", S. 95.
Dagegen spricht meiner Meinung nach allenfalls, dass in der Historia Augusta in der Biographie des Claudius Gothicus (6,2) nebeneinander die "Greuthungi" und die "Austrogothi" genannt werden. Allerdings werden dort den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend beide zu den Skythen gerechnet, also darf man auf das ethnographische Wissen des Autors ohnehin nicht viel geben.

Außerdem gehörte Ermanarich bereits zu den Amalern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Außerdem gehörte Ermanarich bereits zu den
Amalern.

Laut Jordanes, ja. Er führte die Dynastie ja bis nach "Schweden" zurück.
Die Glaubwürdigkeit wird doch sehr in Frage gestellt.

Pohl und Heather gehen in ihren Schriften davon aus, dass sich Theoderichs Verband erst in Pannonien bildete, auf dem Balkan noch die Goten von Theoderich Strabo "aufsaugte" und dann als starker Verband nach Italien zog.

Eine Kontinuität zu den Gruppen um 376 ist sehr problematisch.
 
...Und ob Attila wirklich ein Name ist? Nicht vielleicht doch ein Titel?
Ich hab mich mal "schlau" gemacht. Attila ist eine Zusammensetzung aus dem alttürkischen atta (Vater) und il (Land Gebiet) - also zusammengesetzt Landesvater.
Die Hunnen waren ein Turkvolk.

Herzlichen Glückwunsch! Du hast das Problem der hunnischen Herkunft gelöst.

Tja - ich bin eben gut!
:rolleyes:

Aber Spaß bei Seite - hier sind die entsprechenden Links zum nachlesen:
Hunnen: Hunnen
Onoguren (=Schwarze Hunnen): Onoguren
Attila: Attila Khan
 
Ich hab mich mal "schlau" gemacht. Attila ist eine Zusammensetzung aus dem alttürkischen atta (Vater) und il (Land Gebiet) - also zusammengesetzt Landesvater.
Die Hunnen waren ein Turkvolk.
Diese Namensinterpretation ist doch rein spekulativ. Genau werden wir es nie wissen. Aber dass die Hunnen ein Turkvolk waren, ist wohl eher unwahrscheinlich, somit ist auch unwahrscheinlich, dass "Attila" turksprachiger Herkunft ist. Diese Interpretation ist bei türkischen Wissenschaftlern beliebt, aber manche Türken wollen, wie wir in diesem Forum schon beobachten konnten, auch Dschingis Khan und generell alles in Asien von Bedeutung zu einem Türken machen.
 
Aber du weißt schon, was du da verlinkt hast? Kannst du in die Tonne treten.

Ach - ganz unten stehts - da hätte ich auch gleich Wikipedia nehmen können - na ok...
=)

Diese Namensinterpretation ist doch rein spekulativ. Genau werden wir es nie wissen. Aber dass die Hunnen ein Turkvolk waren, ist wohl eher unwahrscheinlich, somit ist auch unwahrscheinlich, dass "Attila" turksprachiger Herkunft ist. Diese Interpretation ist bei türkischen Wissenschaftlern beliebt, aber manche Türken wollen, wie wir in diesem Forum schon beobachten konnten, auch Dschingis Khan und generell alles in Asien von Bedeutung zu einem Türken machen.
Dschingis Khan ein Türke? Hm - das ist natürlich großer Quatsch!
Aber eine Herleitung aus seiner eigenen Spache erscheint mir durchaus am plausibelsten.
Auf keinen Fall jedoch würde ich für die gotische Herleitung plädieren. Das würde bedeuten, daß die Goten ihn zuerst so genannt hätten. Aber: Man nennt seinen Unterjocher niemals "Väterchen". :nono:
 
Der gotischen Interpretation stehe ich auch etwas skeptisch gegenüber, wenngleich sie herrschend ist. Allerdings ist nicht gesagt, dass die Goten unter hunnischer Herrschaft diese wirklich so schlimm gefunden haben. Immerhin bedeuteten Attilas Feldzüge auch reichlich Beute.

Über die Sprache der Hunnen wissen wir so gut wie nichts. Man kann sie nicht einmal zuverlässig einer Sprachfamilie zuordnen.
 
Aber: Man nennt seinen Unterjocher niemals "Väterchen".
Väterchen Zar, Väterchen Stalin...
Dschingis Khan ein Türke? Hm - das ist natürlich großer Quatsch!
Aber eine Herleitung aus seiner eigenen Spache erscheint mir durchaus am plausibelsten.
Kein Türke, ok. Aber im Kern turksprachig, was bekanntlich etwas anderes ist. Das schreibt jedenfalls die Mehrheit der Autoren. Du kannst den Hunnenbegriff ja selbst bei einem verbreiteten Onlinebuchversand ergoogeln.
 
Zurück
Oben