Der Militärapparat der Römer hat sich im Mittelmeerraum entwickelt, demzufolge müsste ihr militärisches Transportsystem also an die dortige Geographie und an ein mediterranes Klima angepasst gewesen sein, also auch an im Sommer ausgetrocknete Flüsse bzw. an garnicht erst vorhandene Flüsse. Der Haupttransportweg müsste also die Straße gewesen sein, im Allgemeinen wie auch im Speziellen für militärische Belange. Es heißt ja auch VIA EST VITA.
Ein Fluss war natürlich sehr effizient als Transportweg, die Frage ist aber ob er tatsächlich notwendig war für die Erschließung einer Pronvinz. Des Weiteren ist denke ich auch nicht davon auszugehen ist, dass die Flüsse in Germanien beim Eintreffen der Römer schon vollständig schiffbar waren, im Speziellen nicht die Lippe als ausgesprochener Flachlandfluss, mit der daraus resultierenden Neigung zur Mäanderbildung und Versumpfung.
Legionslager konnten schon aufgrund der Menge der zu transportierenden Güter sinnvoll nur mittels der Flussschiffahrt versorgt werden. Das ist auch
archäologisch nachgewiesen. Des Weiteren finden sich große Landgüter, die nicht subsistenzwirtschaftlich agierten, in direktem Umkreis der Städte, entsprechend auch der Vorgaben der antiken Agrarschriftsteller, die 20 Meilen als maximale Entfernung zum Markt als noch wirtschaftlich beschrieben. Jegliche darüber hinausgehende Entfernung war unwirtschaftlich.
In Germanien haben wir bisher archäologisch nachgewiesene Lager und Siedlungen fast nur in direkter Flussnähe (eben Rhein, Mosel, Donau und ihre Zuflüsse, für uns interessant Lippe, Lahn und Main; außerdem Ems und Weser mit Bentumer Siel, Hedemünden, Minden-Barkhausen und neuerdings Löhne) lediglich Wachposten auch in größerer Entfernung (Sparrenberger Egge in Bielefeld). Eine Ausnahme ist Kneblinghausen, das vermutlich die Route zu den sauerländischen Bleiminen sichern sollte. Man mag hier annehmen, dass der Bleibabbau die hohen Kosten der Versorgung eines solchen abseitig der Flüsse gelegenen Lagers deckte.
Aus den Grund ist es meiner Meinung nach sehr wahrscheinlich, dass die Römer zuerst auf dem Landweg in Magna Germania vordrangen, da sie vom Rhein kamen und zur Elbe wollten demnach auf Wegen, die in West-Ost-Richtung verliefen.
Und genau das taten sie entlang der Flüsse Lippe, Lahn und Main!
In dem Zusammenhang interessant ist auch die Häufigkeit von mit den Römern in Verbindung stehenden Orts- und Flurnamen wie Romberg (Rombergholz, Rumberg), Kaisberg (Kassberg, = Caesarberg?), Römerweg (Römerstraße), evt. auch Herdecke (Herdicke, Herricke, = Heer Ecke/Ort?) entlang der aus der Altstraße von Neuss nach Herdecke und des Haarwegs bestehenden Strecke.
Wir müssen nicht immer so tun, als seien die 30 Jahre, die das Gebiet zwischen Rhein und Elbe im Fokus der Römer stand der Kristallisationspunkt der Geschichte gewesen. Rom war jahrhundertelang der zweitwichtigste Pilgerort der katholischen Christenheit, es gab im ausgehenden Mittelalter z.B. Etzlaubs
Romwegkarte. Römerstraßen - wenn nicht rezent so benannt, weil man etwa einem archäologisch nachgewiesenen Römerlager eine entsprechende Straße zuordnen wollte - können z.B. darauf verweisen.
Auch wenn Volks- und Pseudoetymologie manchmal bestechend ist, ihr tatsächlicher Wert ist eher fragwürdig. Z.B. ist der Ortsname von Herdecke wohl erst seit dem 14. Jhdt. belegt. Warum hier eine hypothetische Ortsnamenkontinuität konstruieren, die durch nichts gedeckt ist und über beinahe anderthalb Jahrtausende reichen soll?