Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?

Daran schließen sich die nächsten Fragen an. Welcher Anteil der heutigen europäischen Bevölkerung ist untersucht worden und sind die untersuchten Personen überhaupt repräsentativ?

Für die heute lebenden Europäer sollten statistisch ausreichende Ergebnisse vorliegen. Viele Europäer und Amerikaner bezahlen dafür, ihre Haplogruppen bestimmen zu lassen. Zusätzlich gibt es noch das https://genographic.nationalgeographic.com/genographic/lan/de/index.html



Ist die durch Zufälle der günstigen Lage heute noch verwertbare ancient DNA repräsentativ für die historische Bevölkerung?

Da wird es schwierig. Ich habe erst in den letzten Tagen angefangen, im Netz nach aDNA zu suchen und einige, sehr interessante Arbeiten gefunden, die ich teilweise im GF verlinkt habe, weil sie sehr umfangreich sind und ich sie hier leichter wiederfinde.
Etliche Arbeiten haben die Problematik der Auswertbarkeit zum Thema, die DNA liegt je nach Alter und Fundortbedingungen nur in Bruchstücken vor.

OT Wenn es dich auch interessiert, könnten wir ein neues Thema zu alter DNA aufmachen und dort die gefundenen Ergebnisse verlinken und diskutieren. Hier würden nur europäische Frühzeitergebnisse hingehören.
Frühe nordiberische- oder schnurkeramische- oder Glockenbecher-DNA wäre für dieses Thema interessant, da habe ich bisher nichts gefunden.
 
Viele Europäer und Amerikaner bezahlen dafür, ihre Haplogruppen bestimmen zu lassen.

Genau deshalb habe ich Bedenken hinsichtlich der Repräsentativität der Auswahl im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung.


OT Wenn es dich auch interessiert, könnten wir ein neues Thema zu alter DNA aufmachen und dort die gefundenen Ergebnisse verlinken und diskutieren. Hier würden nur europäische Frühzeitergebnisse hingehören.

Ich bin an einer solchen Diskussion interessiert, möchte allerdings darauf hinweisen, dass ich die verlinkten Arbeiten und Webseiten erst nach und nach durcharbeiten kann.
 
Gene, Ethnizität und eine rekonstruierte und hypothetische Sprache zusammen zu bringen, macht mir ein wenig Bauchschmerzen und erinnert mich an so einige Versuche innerhalb der prähistorischen Wissenschaften, die allesamt ein Geschmäckle haben.

Sagen wir mal so: Die Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen in Europa ist einigermaßen sicher datiert.
Darüber herrscht aber nach wie keine Einigkeit, je nach dem welcher Diziplin man angehört, sind die Deutungen äußerst unterschiedlich.

Zitat:
JohnSteed
Es gibt interessante Studien über die Verteilung der Blutgruppe...

Die Untersuchung der Blutgruppen war während den beiden Weltkriegen noch modern, heutzutage ist man sich sicher, dass man aus dem Vergleich der Blutgruppen keine besonderen Kenntnisse für unsere Vorgeschichte erhalten kann. Die Russen und Madagassen haben zum Beispiel die gleiche Verteilung der Blutgruppen, aber trotzdem sind sie deswegen nicht eng miteinander verwandt.

Zitat:
Dieter
Die seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. aus Anatolien zugewanderten Ackerbauern verändern den Gen-Bestand ebenfalls nur geringfügig, was darauf hindeutet, dass die neue Ackerbau-Kultur von der einheimischen Bevölkerung schnell übernommen und nach Zentral- und Westeuropas weitergegeben wurde.

Ja, die Mt-DNA die wahrscheinlich durch die Ackerbauern nach Europa gebracht wurde, macht höchstens 20% der Gruppen der heutigen Bevölkerung aus. Aber trotzdem ist zumindest nachgewiesen, dass die Bandkeramiker Zentraleuropas aus dem Nahen Osten stammten, im Gegensatz zu Nordeuropa.

Die ersten europäischen Bauern waren Migranten | Telepolis
DNA-Analysen belegen Herkunft der frühen Bauern in Mitteleuropa aus dem Nahen Osten
Aus dem zweiten Artikel:

Die vorliegende interdisziplinäre Studie wertete Proben alter DNA (aDNA) einer Bestattungsgemeinschaft der frühneolithischen Fundstelle Derenburg-Meeresstieg II im Mittelelbe-Saale-Gebiet aus. Herausragendes Ergebnis der Studie ist der erstmalige molekulargenetische Nachweis, wonach das genetische Profil der frühen neolithischen Siedler aus Derenburg große Ähnlichkeit mit heute lebenden Populationen im Nahen Osten aufweist. Das bedeutet, dass zumindest in diesem Fall die ersten Bauern nach Mitteleuropa eingewandert sind und nicht die vorher hier ansässigen Jäger- und Sammlerpopulationen lediglich eine bäuerliche Lebensweise übernommen haben
Das ist ein! Beleg für Einwanderung, die es mit Sicherheit gegeben hat, aber nicht ausschließlich, dafür ist mir die Datenbasis einfach zu dürftig.
 
DAS ist kein Beleg für Einwanderung während der neolithischen Revolution, sondern nur für Genaustausch, der zwischen Mitteleuropa und dem nahen Osten stattgefunden hat.
Selbst wenn die gefundenen Gene sich von den damals in der Gegend lebenden Bevölkerung unterscheiden, kann diese Gruppe sowohl nach Mitteleuropa als auch in den Nahen Osten eingewandert sein, hat sich aber hier nicht so durchgesetzt wie im nahen Osten.

Es legt nur die Vermutung nahe, das zwischen dem Nahen Osten und Derenburg eine verwandtschaftliche Beziehung bestand.
 
Ich bin an einer solchen Diskussion interessiert, möchte allerdings darauf hinweisen, dass ich die verlinkten Arbeiten und Webseiten erst nach und nach durcharbeiten kann.

Das geht mir genauso, deshalb habe ich sie ja hier verlinkt, weil ich die leise Hoffnung habe, dass sich andere Mitglieder am Durcharbeiten beteiligen und dann ein kurzes, allgemein verständliches Extrakt posten.
Meine Taktik, Einleitung und Zusammenfassung zu lesen, war bei den angelesenen Dissertationen nicht so zielführend. Meine Suche nach einer übersichtlichen Tabelle zu aDNA mit Fundort, archäologische Einordnung und aDNA-Ergebnis war bisher nicht erfolgreich, vielleicht können die Profis mitteilen, ob und wo es eine solche Datenbank gibt.

Das ist ein! Beleg für Einwanderung, die es mit Sicherheit gegeben hat, aber nicht ausschließlich, dafür ist mir die Datenbasis einfach zu dürftig.

Klar ist es nur einer, so viele gut erhaltene LBK-Skelette wird es nicht geben. Das Ergebnis ist jedoch vielversprechend, denn beim Vergleich mit den heutigen Haplogruppen versickerten die ersten Bauern bisher irgendwo in Ungarn und für den Westen wurde oft mit Ideenübernahme erklärt, die es natürlich auch gegeben hat.

Insgesamt könnte die Auswertung alter DNA ja auch zum Ergebnis haben, dass die heutigen Haplohäufungen längst nicht so uralt sind und sich vielleicht auch aus den Seuchenzügen des Mittelalters und der frühen Neuzeit ergeben.
 
Zuletzt bearbeitet:
DAS ist kein Beleg für Einwanderung während der neolithischen Revolution, sondern nur für Genaustausch, der zwischen Mitteleuropa und dem nahen Osten stattgefunden hat.

Diesen Einwand verstehe ich nicht, man hat doch die DNA aus bandkeramischen Gräbern untersucht. Zusätzlich übrigens auch die Haustiere, bei denen ist eindeutig belegt, dass sie aus dem nahen Osten mitgebracht wurden, weil Schafe, Ziegen, Rinder in Mitteleuropa so nicht natürlich vorkommen, vom Saatgut ganz zu schweigen.
 
ja, und festgestellt, das die Leute von Derenburg mit Leuten von heute aus dem nahen Osten verwandt sind. Das ist die Aussage.
Und das es Haustiere gibt, die es auch im nahen Osten gab/gibt.
Eine Wanderung von Menschen, nicht von Wissen und Kultur muß man zwingend annehmen, wenn erstmals auftretende genetische Besonderheiten eben entlang einer "Zugstraße" immer später auftauchen. Hier sinds aber doch nur Schlaglichter.

Wenn immer mal wieder einer/eine oder ein paar aus dem nahen Osten sich in ME "verheiraten" und deren Nachkommen sich untereinander vermehren, ist das noch keine Wanderung. Und Haustiere werden auch ohne menschliche Wanderung verbreitet. s.Bankivahuhn/Haushuhn in der Antike. Und wenn dann in dieser "Fremde" eine Mode aufkommt, kann die den umgkehrten Weg gehen.

Allerdings bestärken die Funde die Vermutung, die neolithische Revolution wäre mit Einwanderern aus dem nahen Osten gekommen !!!
 
ja, und festgestellt, das die Leute von Derenburg mit Leuten von heute aus dem nahen Osten verwandt sind. Das ist die Aussage.

Die Aussage ist vor allem, dass sie nicht aus den zeitgleich lebenden Jägern/Sammlern hervorgingen und damit die Ideenübernahme für Derenburg ausscheidet. Wobei ich die Ergebnisse zu den verglichenen Jäger/Sammlern gern ein bißchen genauer hätte.
Allerdings bestärken die Funde die Vermutung, die neolithische Revolution wäre mit Einwanderern aus dem nahen Osten gekommen !!!
Dass das neolithische Paket iW übernommen wurde und nicht selbst entwickelt, wie z.B. außer dem Nahen Osten noch in China und Altamerika, ist mehr als eine Vermutung.
 
Die verhandelten Mengen, sind zum Teil sehr beträchtlich, so dass man annehmen kann, dass es sich nicht nur um einen Austausch von Gütern handelte, sondern um einen zielstrebigen Handel mit verschiedenen Rohmaterialien.

Immer wieder taucht in diesem Thread der Gedanke auf, dass sich die Ausbreitung der Indogermanischen Sprache auch mit kultureller Annäherung und Handel erklären lässt. Sicher ein schöner Gedanke, vor allem weil er ohne viel Blut auskommt.
Nun gibt es aber in der Geschichte auch genügend Beispiele in der sich Sprachausbreitung mit gewaltsamer Eroberung verbinden lässt. Konkret auf die Indogermanen bezogen, findet sich Interessantes in der Rigveda ( In dem deutschen Wikipediaeintrag findet sich der Link auf eine deutsche Übersetzung - ich hoffe die entspricht dem aktuellen Stand ).
Die dortigen Hymnen sprechen eine ziemlich gewaltsame Sprache. Tippt man "Dasa" oder "schwarze" als Suchbegriff ein, bekommt man einen ziemlichen deutliche Vorstellung von einer gewaltsamen, kriegerischen Eroberung, die auch vor Mord und Vertreibung nicht zurückschreckt.
Von Handel und friedlichem Kontakt findet sich da nichts.
Dieselben Merkmale finden sich immer wieder in der Geschichte bis hin zu Hitlers wahnwitzigem Eroberungszug Richtung Osten und dem Völkermord in Ruanda.
Kann es sein, dass die heute diskutierten friedlicheren Modelle der Sprachausbreitung genauso vom Zeitgeist beeinflusst sind, wie die Eroberungsmodelle des 19. Jahrhunderts ?
 
Da hast du nicht unrecht. Die Interpretation der vorliegenden Tatsachen unterliegt dem Zeitgeist. Auch der Wissenschaftler ist vom ihn umgebenden Denken beeinflusst. Besonders deutlich wird dies m.E. bei der Interpretation des Aussterbens der Neandertaler. Einmal wurde er vom homo sapiens sapiens ausgerottet oder er war nicht so kommunikativ und sozial wie sein Konkurrent oder ihm kam seine Nahrungsgrundlage, das Großwild abhanden, oder er hatte eine geringere Geburtenrate oder es war die Nahrungskonkurrenz durch den Jetztmenschen. Habe ich etwas vergessen? Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Gleiches gilt für die Ausbreitung der indoeuropäischen Sprachen. Dabei handelt es sich um komplexe und auch unterschiedliche Vorgänge, die in einem Fall kriegerisch, im anderen Fall friedlich gewesen sein mögen. Die eine Erklärung wird der Realität sicherlich nicht gerecht.

Auf jeden Fall bleibt es spannend und mit jedem neuen Fund und weiteren Forschungen kommen wir der Wirklichkeit ein bisschen näher.
 
Immer wieder taucht in diesem Thread der Gedanke auf, dass sich die Ausbreitung der Indogermanischen Sprache auch mit kultureller Annäherung und Handel erklären lässt. Sicher ein schöner Gedanke, vor allem weil er ohne viel Blut auskommt.
Nun gibt es aber in der Geschichte auch genügend Beispiele in der sich Sprachausbreitung mit gewaltsamer Eroberung verbinden lässt. Konkret auf die Indogermanen bezogen, findet sich Interessantes in der Rigveda ( In dem deutschen Wikipediaeintrag findet sich der Link auf eine deutsche Übersetzung - ich hoffe die entspricht dem aktuellen Stand ).
Die dortigen Hymnen sprechen eine ziemlich gewaltsame Sprache. Tippt man "Dasa" oder "schwarze" als Suchbegriff ein, bekommt man einen ziemlichen deutliche Vorstellung von einer gewaltsamen, kriegerischen Eroberung, die auch vor Mord und Vertreibung nicht zurückschreckt.
Von Handel und friedlichem Kontakt findet sich da nichts.
Dieselben Merkmale finden sich immer wieder in der Geschichte bis hin zu Hitlers wahnwitzigem Eroberungszug Richtung Osten und dem Völkermord in Ruanda.
Kann es sein, dass die heute diskutierten friedlicheren Modelle der Sprachausbreitung genauso vom Zeitgeist beeinflusst sind, wie die Eroberungsmodelle des 19. Jahrhunderts ?
Man kann sehr wohl eine kriegerische Ausbreitung der hypothetischen idg. Sprache ausschließen, denn kriegerische Handlungen schlagen sich zumeist in den Siedlungen durch Zerstörungshorizonten nieder, die es für den fraglichen Zeitraum eben nicht in der zu erwartenden Menge und Ausbreitung gibt.

Schöner Hinweis auf den Zeitgeist, den man immer! im Auge behalten sollte.

Vielleicht erstmal ein wenig den Zeitkontext verstehen und beleuchten.
-> Schnurkeramik:
Ursprung und indogermanische Ethnizität [Bearbeiten]

Einige Forscher nehmen eine autochthone Entwicklung und gesellschaftliche Veränderungen an (Ausbildung eines neuen Prestigegütersystems, vgl. Sherratt 1977), während andere eine Einwanderung aus dem Osten favorisieren.[1] Derzeit liegen die frühesten Datierungen schnurkeramischer Gräber mit dem 29. Jh. aus Kleinpolen vor.[1] Zur Festlegung eines Ursprungsgebietes fehlen vor allem noch verlässliche Arbeiten aus Osteuropa.
Die weitaus meisten Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass die Träger der Kultur mit Schnurkeramik die gemeinsamen Vorfahren der späteren Germanen, Balten und Slawen (die Nordgruppe der Indoeuropäer, die so genannte Slawogermanische Gruppe), eventuell auch der Kelten und der Italiker waren. Ein Zusammenhang mit der so genannten Kurgankultur lässt sich beim gegenwärtigen Stand der Forschung archäologisch nicht herstellen. Die früher verbreitete Annahme, dass die Schnurkeramiker das Urvolk der Indoeuropäer gewesen seien, gilt heute als unwahrscheinlich.[6] Diskutiert wird hingegen, ob die Schnurkeramiker die älteste Einwanderergruppe der Indogermanischen Sprachfamilie in Mitteleuropa darstellen.
WIKI.
 
Immer wieder taucht in diesem Thread der Gedanke auf, dass sich die Ausbreitung der Indogermanischen Sprache auch mit kultureller Annäherung und Handel erklären lässt. Sicher ein schöner Gedanke, vor allem weil er ohne viel Blut auskommt.
Nun gibt es aber in der Geschichte auch genügend Beispiele in der sich Sprachausbreitung mit gewaltsamer Eroberung verbinden lässt. Konkret auf die Indogermanen bezogen, findet sich Interessantes in der Rigveda
Kann es sein, dass die heute diskutierten friedlicheren Modelle der Sprachausbreitung genauso vom Zeitgeist beeinflusst sind, wie die Eroberungsmodelle des 19. Jahrhunderts ?

Wenn wandernde Stämme auf Landsuche in das Gebiet anderer Völker eindringen, so geht das mit Sicherheit nicht ohne Krieg und Verdrängung ab. Wer überlässt sein Land schon freiwillig einem Eroberer?

Das von dir zitierte Eindringen der indoeuropäischen Arier nach Indien zeigt das sehr deutlich. Die Indo-Arier sind seit ihrer Immigration in den indischen Subkontinent im 17. Jh. v. Chr. bekannt. Sie bevölkerten vor allem den Norden Indiens und drängten die vorindoeuropäische Bevölkerung, die Draviden und die Adivasi (Ureinwohner), nach Süden und Osten ab. In den Veden ist die Landnahme der Indo-Arier noch fassbar und dort wird auch die Abkapselung der vrmutlich hellhäutigen Immigranten von der dunkelhäutigeren autochthonen Bevölkerung sichtbar, die zusammen mit anderen Faktoren zum Kastensystem führte.

Im Vergleich dazu lief die Einwanderung der Hethiter nach Kleinasien vermutlich weniger kriegerisch ab. Nach heutigem Wissensstand sickerten indoeuropäische Gruppen seit etwa 2200 v. Chr. allmählich ein, übernahmen zahlreiche religiöse und kulturelle Elemente der autochthonen Hattier und setzten sich schließlich mit ihrem Großreich an deren Stelle. Hattische Götter, Rituale und kulturelle Elemente blieben unter den Hethitern jedoch bewahrt, während die altansässigen Hattier allmählich mit den Hethitern verschmolzen.
 
Man kann sehr wohl eine kriegerische Ausbreitung der hypothetischen idg. Sprache ausschließen, denn kriegerische Handlungen schlagen sich zumeist in den Siedlungen durch Zerstörungshorizonten nieder, die es für den fraglichen Zeitraum eben nicht in der zu erwartenden Menge und Ausbreitung gibt.


WIKI.

Ich denke kriegerische Eroberung und Vermischung gingen oft Hand in Hand - alleine so lassen sich auch die Unterschiede der indogermanischen Völker erklären, man denke an Schweden und heutige Nordinder. Interessant wieder die Rigveda: In 1:101:1 findet sich die Beschreibung einer gewaltsamen Abtreibung von Frauen, die mit "Schwarzen" schwanger waren. Offenbar gab es selbst bei einem so kriegerischen Volk sexuelle Kontakte zu den Eingeborenen auch wenn dies, wie der Text bezeugt, den Eliten überhaupt nicht angenehm war. Ich denke mir das es anderswo ähnlich war.
Interessant ist ein Vergleich mit der Völkerwanderungszeit: Von den anfänglichen Eheverboten der (arianischen) Ostgoten bis zu der weitestgehenden Toleranz der Franken war eigentlich alles drin. Beide Beispiele zeigen übrigens, dass es auch, in diesen Fällen, vermutlich aufgrund der Zahlenverhältnisse zwischen Erobereren und Besiegten, nicht unbedingt zu einem Sprachwechsel kommen muss, auch wenn Substrat hier sicherlich fassbar ist.
Schön finde ich die Vorstellung dass solche "Vermischungsprozesse" immer wieder zu neuen "Völkern" geführt haben. Man sollte trotzdem nicht vergessen, dass diese Prozesse, zumindest am Anfang, von den Angehörigen der unterlegenen Seite mit einigem Schmerz verbunden waren.

Gruss,

Christoph
 
Ich denke kriegerische Eroberung und Vermischung gingen oft Hand in Hand - alleine so lassen sich auch die Unterschiede der indogermanischen Völker erklären, man denke an Schweden und heutige Nordinder.

Eroberer rotten die unterworfene Bevölkerung in der Regel nicht aus, da es viel ertragreicher ist, Tribute, Frondienste u.ä. von den Unterworfenen zu verlangen. Im Verlauf eines bestimmten Zeitraums verschmelzen jedoch die Invasoren meist mit der altansässigen Bevölkerung und häufig ergibt sich aus einer solchen Überschichtung und Assimilation auch ein neues Volk.

So verschmolzen in vielen Regionen einwandernde indoeuropäische Sprachträger mit der autochthonen Bevölkerung und wuchsen mit ihnen zu neuen Völkern zusammen. So z.B. in Griechenland, wo die nichtindoeuropäische Vorbevölkerung seit dem 3. Jahrtsd. v. Chr. mit einströmenden indoeuropäischen Gruppen fusionierte, woraus die Griechen hervorgingen. Noch immer findet sich in der indoeuropäischen griechischen Sprache ein nichtindoeuropäisches Substrat der Vorbevölkerung und einige Götter und Kulte des antiken Griechenland weisen auf die vorindoeuropäische Bevölkerung hin. Ähnliche Prozesse muss man sich auch in anderen Regionen vorstellen, wo Völker mit indoeuropäischen Idiomen entstanden.

Interessant wieder die Rigveda: In 1:101:1 findet sich die Beschreibung einer gewaltsamen Abtreibung von Frauen, die mit "Schwarzen" schwanger waren. Offenbar gab es selbst bei einem so kriegerischen Volk sexuelle Kontakte zu den Eingeborenen auch wenn dies, wie der Text bezeugt, den Eliten überhaupt nicht angenehm war.

Nach Aussage der Veden war die Vermischung von Indo-Ariern mit der altansässigen dravidischen Bevölkerung verpönt und der Begriff Varna für die vier Hauptkasten zeigt das noch heute, denn Varna ist Sanskrit und bedeutet wörtlich „Klasse, Stand, Farbe“. Allerdings sind für die Kastenbildung noch weitere soziale, gesellschaftliche und ökonomische Elemente wichtig.

Interessant ist ein Vergleich mit der Völkerwanderungszeit: Von den anfänglichen Eheverboten der (arianischen) Ostgoten bis zu der weitestgehenden Toleranz der Franken war eigentlich alles drin. Beide Beispiele zeigen übrigens, dass es auch, in diesen Fällen, vermutlich aufgrund der Zahlenverhältnisse zwischen Erobereren und Besiegten, nicht unbedingt zu einem Sprachwechsel kommen muss, auch wenn Substrat hier sicherlich fassbar ist.

Gerade bei den Franken des Frankenreichs zeigt sich, dass sich die Sprache der Eroberer nicht in jedem Fall durchsetzt. Sie gaben im Lauf der Zeit ihre germanische Sprache auf und übernahmen das romanische Idiom der weitaus zahlreicheren gallo-romanischen Bevölkerung. Dass es sich dabei um längere Entwicklungen handelt, wird an Karl dem Großen sichtbar, der noch Fränkisch sprach. Der Einfluss des germanischen Fränkisch zeigt sich noch an einem Superstrat im Französischen.
 
Die Eroberung Indiens durch die Indo-Arier ist genauso eine Theorie, wie vieles. Teilweise wird dies angezweifelt. Insbesondere gibt es auch den Streit, war die Harappa-Kultur indo-iranisch oder drawidisch. Auch wie die Veden auszulegen sind, ist nicht sicher. Hier ist noch vieles unklar.
 
Das nicht alle Archäologen solche Extreme gegenüber der Sprachwissenschaft vertreten wie die vielzitierten Häusler und Brather dürfte wohl wahrscheinlich klar sein, hier aber noch ein Zitat des Prähistorikers Bernhard Hänsel aus Archäologenperspektive:

Sprachentwicklung wird in logisch nachvollziehbaren, aber eben nicht ausgrabbaren Schritten ohne Zeitskala beschrieben. Der Archäologe verfolgt bestimmte Bereiche von Kulturentwicklungen, deren vielleicht vorhandene Logik ihm in der Regel verborgen bleibt oder nur in wenigen Aspekten der komplexen Kausalitäten zugänglich ist. Er verfügt dagegen über konkrete Zeitvorstellungen, so vage diese auch sein mögen, und arbeitet mit einem Kultzurbegriff, der dem Indogermanisten fremd bleiben muss. [...] Die Definition unseres archäologischen Kulturbegriffes ist viel zu offen und in den Grenzen zu unscharf, um eine Gleichsetzung von archäologischer mit Volk oder geschlossener Sprachgruppe [...] zu erlauben [...]
Wir Archäologen wissen von der Instabilität und Kurzlebigkeit früherer Gesellschaften, wir wissen von den verschiedensten Faktoren sozialer Kohärenz, unter denen die Sprache nur einer ist [...] Wir Archäologen verfolgen stets nur Teilbereiche kultureller Entwicklungen, innerhalb offener, sich wandelnder Gemeinschaften ohne klare Grenzen. [...]
Welche Grenzen zwischen archäologischen erforschbaren Kulturbereichen sind auch Sprachgrenzen? Mit dem uns zur Verfügung stehenden Methodenapparat werden wir es nie herausbekommen.
Der archäologische Kulturbegriff setzt sich aus so vielen Strängen zusammen, dass er von Natur aus in den Konturen unscharf sein muss. Ganz anders ist es bei den Sprachen. Selbstverständlich gibt es Zusammenhänge, niemand kann sich kulturelle Verbindungen ganz ohgne sprachliche Verständigungsmöglichkeiten vorstellen. Archäologen sind aber nahezu immer überfordert, wenn sie Gleichsetzungen zwischen ihrem offenen, verschiedenen Bezugsebenen zusammenfassenden Kulturbegriff und der einen Ebene der Sprachgemeinschaft wagen. Denk- und Erkenntnisbereich von Sprachforscheren und Archäologen sind so grundsätzlich verschieden, dass allenfalls Berührungspunkte [...] erwartet werden können, nie aber Parallelismen oder Deckungsgleichheit. Der Vorteil der Sprachforschung ist die Trennschärfe zwischen Einzelsprachen und die Gesetzlichkeit von Entwicklungsverläufen. Die Stärke der Archäologie liegt in der Genauigkeit von Zeitansätzen. Was der eine kann, fehlt dem anderen. Sie könnten sich also wunderschön ergänzen, wenn es nur ausreichend Berührungsflächen gäbe.
So der prähistorische Archäologe Professor Bernhard Hänsel. (Die Indogermanen und das Pferd: Akten des internationalen interdisziplinären Kolloquiums FUB 1992, S. 26 f.)
 
Das nicht alle Archäologen solche Extreme gegenüber der Sprachwissenschaft vertreten wie die vielzitierten Häusler und Brather dürfte wohl wahrscheinlich klar sein, hier aber noch ein Zitat des Prähistorikers Bernhard Hänsel aus Archäologenperspektive:

So der prähistorische Archäologe Professor Bernhard Hänsel. (Die Indogermanen und das Pferd: Akten des internationalen interdisziplinären Kolloquiums FUB 1992, S. 26 f.)

Es ist bis heute und von Fall zu Fall umstritten. ob und inwieweit archäologische Sachkultur, Sprachen und Ethnien (oder "Völker") zur Deckung gebracht werden können.

Keltische Keramik z.B. in Südrussland bedeutet nicht zwangsläufig, dass dort keltische Bevölkerungsgruppen siedelten, denn es könnte sich lediglich um eine kulturelle Übertragung handeln. Und wo eine keltische Sprache gesprochen wurde, müssen nicht unbedingt Kelten gesiedelt haben. Es kann sich auch um einen - erzwungenen oder freiwilligen - Sprachwechsel einer völlig anderen Ethnie gehandelt haben.

Diese Vorbehalte muss man sich immer vor Augen führen, wenn man z.B. Siedlungsräume antiker oder vorgeschichtlicher Bevölkerungsgruppen eingrenzen oder ihre ethnische Zugehörigkeit bestimmen will.

Auf diese Problematik hat der auch in diesem Thread vertretene User DerGeist oft und zu Recht hingewiesen.
 
Dass Sprachen und archäologische Kulturen nicht deckungsgleich sind, das ist mir doch völlig klar und das behauptet auch der zitierte Text von Hänsel nicht. Darum ging es auch in meinem Hänsel-Zitat nicht.
Es ist vielmehr so, dass DerGeist, von dem ich hoff(t)e, dass er diesen Thread abonniert hat, dazu neigt, betreffs der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft das Kind mit dem Bade auszuschütten und dies immer wieder mit Aufsätzen verschiedener Archäologen zu unterlegen versuchte. Hier nun der Aufsatz eines Archäologen, der die Grenzen seines Faches kennt und der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft den ihr gebührenden Raum zuweist, wohl bedauernd, dass die Berührungsflächen so wenige sind (wobei er damit ausdrücklich nicht bedauert, dass man nicht etwa einer sachkluturellen Gruppe 1 die Sprachgruppe A zuordnen kann).

Dass ich den einen Halbsatz fett markiert habe, war natürlich reine Provokation, bei denen darunter dient es aber tatsächlich der inhaltlichen Hervorhebung.
 
Die Jamnaja-Kultur ist hier schon genannt worden
.....

...
In den Nordpontischen Steppen erscheinen Rad und Wagen ab dem Ende des 4. Jahrtausends. Sie sind verbunden mit der sogenannten Jamnaja-(Grubengrab)-Kultur. Diese geht auf Srednij Stog und weiter nordöstlich gelegene Einflüsse zurück. Während aber Srednij Stog wie die neolithischen Vorgänger nur in den bewaldeten Flusstälern anzutreffen war, finden sich die Gräber von Jamnaja in der tiefen Steppe. Jetzt wird z.B. auch die Saigaantilope ein Beutetier – auch diese nur in der Steppe zu finden. Weiterhin gibt es Indizien, dass schon die Jamnajaleute die Erzlager in der Steppe ausbeuteten.
...

Jamnaja ist nach Anthony die letzte Kultur in der PIE eine linguistische Einheit bildet. Archäologisch erstreckt sie sich bis zum Uralfluss. Hinter diesem finden sich dann materiell sehr anders geartete Kulturen.
Um ca. 2000 entsteht aus dem späten Jamnaja die Kultur von Sintashta-Petrovka. Sie wird gekennzeichnet durch befestigte Siedlungen, Bronzemetallurgie, ausgedehnte Viehzucht (Schaf, Rind, Pferd), komplexe Bestattungssitten, Streitwagen, Zweigespanne, Speichenräder. Hier sieht Anthony starke Anklänge im späteren Rig-Veda, die Sintashta-Leute als die Vorläufer der Indoiranier. Für ihn ein Beispiel für die Ausbreitung im Osten.
- daher bring ich diese Meldung hier mit rein:
Partnerwahl der Ur-Europäer: Vom jungen Boom der Blonden und Blauäugigen - Wissen - FAZ
Partnerwahl der Ur-Europäer Vom jungen Boom der Blonden und Blauäugigen
11.03.2014 · Unsere europäischen Vorfahren hatten eine dunklere Pigmentierung von Haut, Haaren und Augen. Dann war plötzlich heller gefragt. War es der Sexappeal der blauen Augen?

Vor etwa 5000 Jahren war der typische Europäer noch ein deutlich dunklerer Menschentypus als heute. Erst danach haben offenbar starke evolutionäre Kräfte dafür gesorgt, dass die Menschen zumindest in Europa insgesamt heller wurden. Das zeigen Analysen von Erbsubstanz, die man aus alten Skelettknochen von prähistorischen Populationen in Osteuropa gewonnen hat.
...

Bei ihren Analysen sind den Forschern um Sandra Wilde vom Mainzer Institut für Anthropologie unter den vielen genetischen Markern besonders jene aufgefallen, die mit der Pigmentierung von Haut, Haaren und Augen in Zusammenhang stehen. Das bestätigt frühere Befunde, wonach die prähistorischen Menschen im Durchschnitt dunkler waren als ihre Nachfahren. „Über Jahrhunderttausende war die menschliche Evolution eigentlich von einem dunklen Phänotyp geprägt. Alle unsere frühen Vorfahren waren dunkel“, sagt Wilde. Das änderte sich offenkundig, als die frühen Menschen vor etwa 50.000 Jahren begannen, die nördliche Hemisphäre zu besiedeln. „Gerade in Europa finden wir eine recht hohe Variabilität an Pigmentierung“...

Verräterische Veränderungen

Die Wissenschaftler haben einen neuen Ansatz bei ihren Analysen genutzt. Bisher wurden Anzeichen von evolutionär günstigen Mutationen aus bestimmten Strukturen in den Genomen heutiger Europäern abgeleitet. Wilde und ihre Kollegen haben in Computersimulationen nun die Daten der prähistorischen DNA mit den Genomdaten heutiger Europäer verglichen.
....

Die alte DNA wurde aus Skeletten von Menschen extrahiert, die größtenteils der sogenannten Jamnaja-Kultur angehörten. Diese Population kennen Archäologen aufgrund zahlreicher, meist mit Ocker gefärbter Gräber, die unter Grabhügeln angelegt wurden. Die archäologisch bedeutsamen Bestattungen der Jamnaja-Kultur liegen in der Steppenzone zwischen dem Fluss Ural und den östlichen Karpaten vor und datieren zwischen 5100 und 4400 vor heute.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe hiermit in zweierlei Hinsicht Probleme: Zunächst einmal ist von Ur-Europäern die Rede, im Sinne einer archäologisch nachweisbaren Vorbevölkerung im Rahmen der genannten Jamnaja-Kultur, also nicht explizit von Indoeuropäern, um deren Existenz es in diesem Thread eigentlich geht. DerGeist hatte angezweifelt, dass die indoeuropäischen Einzelsprachen auf eine voreinzelsprachliche gemeinsame Ursprache zurückzuführen seien und kritisierte die Methoden der Historiolinguistik. Andere haben versucht, ihm seinen Denkfehler aufzuzeigen.

Problem Nr. 2 was ich habe: Die in dem Artikel verlautete Hypothese (blond, blauäugig = attraktiv, daher mehr blonde-blauäugige Nachkommen) ist in mehrfacher Hinsicht kaum tragbar. (Sie ist im Übrigen nicht nue und geisterte vor ein paar Jahren schon einmal durch's Geschichtsforum.)
Zunächst einmal handelt es sich bei den Genen für blonde Haare und blaue Augen um rezessive Gene. Das ist das erste Problem.
Das zweite und schwerwiegendere Problem ist, dass ein Personenkreis, der nicht blond und blauäugig ist, ja nicht plötzlich die Repdroduktion einstellt, was offenbar die Urheber dieser Hypothese stillschweigend voraussetzen. Auch Menschen, die für den durchschnittlichen Geschmack nicht "attraktiv" sind, finden i.d.R. Partner. Das ist noch heute so und war so vor vielen Tausend Jahren, als die Attraktivität noch mehr als heute auch von der wirtschaftlichen Ausgangslager des Partners abhing.
 
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