Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?

Ja, und was folgt nun aus all dem, was du da zitiert hast? :grübel:

Schlussfolgerungen überlasse ich lieber den Fachwissenschaften.

Wenn Du meinen Eindruck zu der Debatte meinst:
Die Hinweise von Mallory waren ein plakatives Beispiel dafür, dass Sprachwissenschaftler drei Thesen zum Ursprungsland des Proto-IE diskutieren, mit daran anschließenden Thesen über Ausbreitungsgebiete und Chronologie. Mallory legt dann über diese sprachwissenschaftlichen Thesen zum Proto-IE, hier am Beispiel der Zentren und Ausbreitungsverläufe regional und chronologisch, das Netz der archäologischen Erkenntnisse über die Zentren und Ausbreitungsverläufe der Landwirtschaft.

Damit haben alle drei sprachwissenschaftlichen "Homeland"-theorien ein mehr oder weniger großes Kongruenzproblem, auch das pontisch-kaspische Ursprungsland (aufgrund des in dieser chronologischen Abfolge vorhandenen Mangels an Landwirtschaft östlich des Dnjepr). Um die sprachwissenschaftlichen Ausbreitungshypothesen zu evaluieren, wird seiner Ansicht nach a) eine allgemein akzeptierte linguistische Aufbereitung der Ausbreitung als Vorbedingung und b) ein Zuwachs an archäologischen und aDNA-Erkenntnissen benötigt.

Das Problem ist ein anderes, nämlich den (archäologischen und humangenetischen) Erkenntnisfortschritt der letzten 20 Jahre auf die von den Linguisten vorgeschlagenen Ursprungs- und Ausbreitungsmodelle zu beziehen.
Es scheint mittlerweile klar zu sein, dass sich das Indogermanenproblem nicht archäologisch lösen lässt. Und so werden flankierend linguistische und gesellschaftliche Überlegungen angestellt, um sich dem Problem zu nähren.
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Was die archäologische Seite betrifft, so handelt es sich um eine Glaubensfrage.
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Im Endeffekt haben alle Hypothesen Pferdefüße und Widersprüche, und oft bedienen sich ihre Protagonisten argumentativer Verrenkunken, um sie wahrscheinlicher zu machen.
 
Vielen Dank für den Link.
Ich verstehe die Zusammenfassung so, dass nur sehr vorsichtig über Fundgegenstände spekuliert wird, die einen gewissen zentraleuropäischen Bezug haben, die Herkunft der Schiffe und anderen Gegenstände ebenso wie die Zusammensetzung der Seevölker aber offen bleibt.
Erstmal Danke, dass du dich bedankt hast.
Hier übrigens das vollständige Bild des Schlachtengemäldes: Empires to Nation-States: Before Islam, Geoff Emberling
Im Prinzip hast du Recht.
Dass die auf der Tempelwand dargestellten Schiffe wie eine Vogelbarke aussehen, einem Motiv der Urnenfelderkultur, und das plötzliche Auftreten der mitteleuropäischen Waffen zusammen mit den beschriebenen Änderungen im Keramikstil, scheinen zumindest eine mitteleuropäische Komponente in der Ägäis Koalition der Seevölker zu beweisen.

Die Urnenfelderkultur selbst hat das bronzezeitliche Griechenland nie erreicht.
Vielleicht sollte man von Urnenfelderkulturen sprechen. Genau genommen war das späte bronzezeitliche Griechenland auch eine Urnenfelderkultur. Nicht umsonst ist die Bestattung des Hügelgrabs von Ockov (westliche Slowakei) fast identisch mit der Bestattung des Patroklos in Homers Ilias.
 
Vielleicht sollte man von Urnenfelderkulturen sprechen. Genau genommen war das späte bronzezeitliche Griechenland auch eine Urnenfelderkultur. Nicht umsonst ist die Bestattung des Hügelgrabs von Ockov (westliche Slowakei) fast identisch mit der Bestattung des Patroklos in Homers Ilias.

Es gibt in Griechenland keine Hinweise auf Einbrüche aus dem Norden. Das sagen zumindest die meisten Archäologen. Sie haben festgestellt, dass gefundene Waffen - Schwerte, Dolche, Rüstungsteile usw. - allesamt ägäischer Herkunft sind.
Einige wollten in Griechenland das so genannte "germanische Griffzungenschwert" entdeckt haben, was sich aber nicht beweisen ließ.
 
Postulieren kann man viel, aber lässt sich das auch einigermaßen verlässlich beweisen?
Zur Zeit gibt es keine Beweise, dass die Laktasepersistenzmutation T* 13910 viel weiter östlich von Zentraleuropa entstanden ist und keine andere Erklärung für die schnellste bekannte Ausbreitung einer menschlichen Mutation.

Indoarier und Indoiraner sind etwa Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. nach Nordindien und in den Iran eingewandert. Statt einen Ausgangspunkt in Europa anzunehmen läge es doch näher, diese halbnomadischen Immigranten etwa nördlich des Kaspischen und Schwarzen Meers zu verorten.
Das ist anzunehmen. Aber dass sie nicht für alle Zeiten dort zu finden waren und in ältererer Zeit aus einem Gebiet weiter nordwestlich kamen aber auch. Ergibt sich nicht sogar aus den Veden ein viel nördlicheres Gebiet?

Es fällt mir sogar außerordentlich schwer, mir vorzustellen, dass Bevölkerungsgruppen vor 4000 Jahren von Mitteleuropa nach Indien zogen - allen Klimakatastrophen zum Trotz.
Was genetische Mutationen mit der Ausbreitung der Indoeuropäer zu tun haben, will mir nicht ganz einleuchten.
Wenn man bedenkt, dass nach heutigem Wissenstand das Wagenrad eine mitteleuropäische Erfindung zu sein scheint, ist eine solche Ausbreitung über hunderte von Jahren doch kein Problem.
Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass die Möglichkeit Laktose zu verdauen das Überleben bei solchen Wanderungen unterstützt.
Mitteleuropa bzw. die Trichterbecherkultur war, zumindest nach derzeitiger Fund- und Sachlage, nicht nur der früheste, sondern wohl auch der einzige Erfindungsort des Wagens. Von dort drang die Erfindung, die Wagenidee, nicht nur über die Wartbergkultur zur Horgener Kultur, sondern auch nach Osteuropa und, wohl über südrussische Steppen und den Kaukasus, nach Mesopotamien.
Der Ursprung des Wagens | Self-Publishing bei GRIN
- 5500–5350 Jahre alte Wagendarstellung auf einem Trichterbecher aus Bronocice (Südpolen).
- Fahrspur aus dem 4. vorchristlichen Jahrtausend in einem Hünenbett bei Flintbek (Kreis Rendsburg-Eckernförde).
- Sicher datierte Rad-Achsen-Kombination von Stare Gmajne bei Ljubljana in Slowenien, dessen Rad in die Jahre 3340-3030 cal BC, die Achse auf 3360-3045 cal BC datiert wurden.
- Ein wenig jüngeres Rad wurde im Federseemoor in Seekirch-Achwiesen gefunden. Es ist rund 5000 Jahre alt und aus zwei hölzernen Teilen konstruiert.
Rad ? Wikipedia
We suggest that the advantage driving those Indo-European expansions was biological--a high frequency of the European lactose-tolerance mutation (the 13910-T allele).
The 10,000 Year Explosion: How Civilization Accelerated Human Evolution von Gregory Cochran und Henry Harpending https://books.google.de/books?id=Ie...gK#v=onepage&q=indo-european, lactace&f=false
 
Es gibt in Griechenland keine Hinweise auf Einbrüche aus dem Norden. Das sagen zumindest die meisten Archäologen. Sie haben festgestellt, dass gefundene Waffen - Schwerte, Dolche, Rüstungsteile usw. - allesamt ägäischer Herkunft sind.
Einige wollten in Griechenland das so genannte "germanische Griffzungenschwert" entdeckt haben, was sich aber nicht beweisen ließ.
Die Stämme, die die Griechische Sprache nach Griechenland brachten und dann die Kriegereliten bildeten, sind aber von nördlich nach Griechenland eingewandert.
 
Das ist anzunehmen. Aber dass sie nicht für alle Zeiten dort zu finden waren und in ältererer Zeit aus einem Gebiet weiter nordwestlich kamen aber auch. Ergibt sich nicht sogar aus den Veden ein viel nördlicheres Gebiet?

Die indoarischen Gruppen, die in Indien und den Iran einwanderten, kamen aus Zentralasien und den Gebieten um den Aralsee. Woher auch sonst? Alle darüber hinausgehenden Verortungen hinsichtlich noch früherer Wohnsitze sind pure Spekulation. Die alte Tante Wiki sagt ganz korrekt:

"Die Existenz eines zentralasiatischen nomadisierenden Hirtenvolkes, das sich Arier (Aryas) nannte, kann ausweislich heiliger Texte wie des Avesta und der Veden als gesichert gelten. Im 2. Jahrtausend v. Chr. wanderte der indische Zweig der Arier (आर्य), deren Sprache Vedisch war, über den Hindukusch nach Nordwestindien ein, wo sie auf die Reste der Harappa-Kultur trafen."
 
Ist in den Veden nicht eine Erinnerung an Polartag und Polarnacht enthalten?

Soweit mir bekannt ist, haben die Veden keine Erinnerung an die ursprüngliche Heimat der Indoarier bewahrt. Es ist allerdings in den frühen Veden wie dem Rigveda die Rede von lebenspenden Flüssen, es werden 18 Flussläufe genannt und man hat daraus den Indus und seine Nebenflüsse identifiziert (Rigveda 10, 25). Die Geschichte davor ist leider in den Veden nicht überliefert.
 
Soweit mir bekannt ist, haben die Veden keine Erinnerung an die ursprüngliche Heimat der Indoarier bewahrt. Es ist allerdings in den frühen Veden wie dem Rigveda die Rede von lebenspenden Flüssen, es werden 18 Flussläufe genannt und man hat daraus den Indus und seine Nebenflüsse identifiziert (Rigveda 10, 25). Die Geschichte davor ist leider in den Veden nicht überliefert.
Ich meinte die beiden Bücher, die ich zwar besitze, aber noch nicht gelesen habe.
 
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Ich meinte die beiden Bücher, die ich zwar besitze, aber noch nicht gelesen habe.

Das kurzzeitig verlinkte Buch stammt von Georg Biedenkapp, der vor 100 Jahren lebte. Von seiner Hypothese, die Indogermanen würden aus der Arktis stammen, hat man seither nie wieder etwas gehört. Und das ist auch angesichts der absurden Spekulation ganz gut so.
 
Ich meinte mehr dieses Buch. "Die arktische Heimat in den Veden - Die Herkunft der Arier aus einem milden Klima im Norden" von Bal Gangadhar Tilak.
Es geht mir auch nicht um die Deutung, sondern um die dort sicherlich zu findenden Textstellen aus den Veden. Dachte du hast da vielleicht schon was gelesen in der Richtung. Muss ich es eben selber lesen.;)

Darf man Verlagsseiten nicht verlinken? Und wie ist es mit amazon?
 
Ich meinte mehr dieses Buch. "Die arktische Heimat in den Veden - Die Herkunft der Arier aus einem milden Klima im Norden" von Bal Gangadhar Tilak.
Es geht mir auch nicht um die Deutung, sondern um die dort sicherlich zu findenden Textstellen aus den Veden. Dachte du hast da vielleicht schon was gelesen in der Richtung. Muss ich es eben selber lesen.;)
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:rofl:
Na mach das mal.
 
Ich meinte mehr dieses Buch. "Die arktische Heimat in den Veden - Die Herkunft der Arier aus einem milden Klima im Norden" von Bal Gangadhar Tilak.

Tilak war ein indischer Politiker und ist vor 90 Jahren (!) gestorben. Für seine Hypothese von einer arktischen Herkunft der Indoeuropäer gibt es keine Belege.
 
Tilak war ein indischer Politiker und ist vor 90 Jahren (!) gestorben. Für seine Hypothese von einer arktischen Herkunft der Indoeuropäer gibt es keine Belege.
Wie kannst du das sagen, ohne das Buch oder die entsprechenden Stellen in den Veden gelesen zu haben? Zumindest kannte sich der Autor in den Veden aus und dumm war er als einer der bedeutendsten Politiker Indiens während des Unabhängigkeitskampfes sicher auch nicht.Bal Gangadhar Tilak ? Wikipedia
 
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Wie kannst du das sagen, ohne das Buch oder die entsprechenden Stellen in den Veden gelesen zu haben? Zumindest kannte sich der Autor in den Veden aus und dumm war er als einer der bedeutendsten Politiker Indiens während des Unabhängigkeitskampfes sicher auch nicht.Bal Gangadhar Tilak ? Wikipedia

Tilak mag ein bedeutender indischer Freiheitskämpfer gewesen sein. Ein Historiker oder Archäologe war er nicht und seine vor etwa 100 Jahren (!) veröffentlichte Behauptung von einer arktischen Herkunft der Indoeuropäer hat weder die Beachtung geschweige denn die Zustimmung der modernen Forschung gefunden. Sein diesbezügliches Buch hat somit nur einen historischen, nicht aber wissenschaftlichen Wert.
 
Carolus: Besten Dank für den link, ...und: spannend, beeindruckende Autorenliste.

Ich habe es bislang auch nur überflogen, aber demnach scheinen:

- Renfrews Hypothesen zurückgewiesen zu werden; die anatolische Hypothese zum PIE wird nur für den unwahrscheinlichen Fall für möglich gehalten, dass sich aus der 1. Welle bereits eine einheitliche Sprache herausgebildet haben könnte

- zwei große Einwanderungswellen (auch die vorherige aus Kleinasien in der Verbreitung der Landwirtschaft) bestätigt zu sein

- die "Erholung" der jeweils überschichteten Populationen konstatiert zu werden

- das Modell von Anthony und anderen ("elite dominance") durch "numbers", also Umfang der Einwanderung nicht erklärungsnotwendig zu sein ("does not require")

- Aussagen zur "homeland-Debatte" werden auf detaillierte genetische Vergleiche der Yamnaya-Population verschoben

- Schnurkeramiker zu 3/4 ihrer Abstammung auf Yamnaja zurückgeführt werden, was wesentlich auf Einwanderung zurückgeführt wird.
 
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- Aussagen zur "homeland-Debatte" werden auf detaillierte genetische Vergleiche der Yamnaya-Population verschoben

- Schnurkeramiker zu 3/4 ihrer Abstammung auf Yamnaja zurückgeführt werden, was wesentlich auf Einwanderung zurückgeführt wird.

Und was sich - nach oberflächlicher Lektüre des Summary meinerseits - wenigstens in Teilen mit den nichtideologisierten Teilen von Gimbutas deckt. Yamnaja/Jamnaja wird bei ihr unter Kurgan als Entwicklungsstufe subsumiert.
 
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