Den zwei Althistorikern lasse ich gern ihre Meinung. Nur wird sie dadurch noch lange nicht zur unbestrittenen Tatsache.
Niemand zwingt dich, die Meinung dieser Wissenschaftler zu teilen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie sich in dieser Thematik besser auskennen als du und ich und ihre Thesen somit mehr Wahrscheinlichkeit haben, als deine Ansichten.
Genau das ist der Grund, warum die Beispiele mit den Angelsachsen oder den Oghusen nichts bringen für den Vergleich mit den Indoeuropäern. Diese Gruppen kamen in so großer Menge, dass sie einen sehr markanten Beitrag zum Gen-Pool lieferten. Das sind keine Haarspaltereien, sondern Fakten. Bei den Slawen sprichst du selber ja schon von "erheblicher slawischer Migration".
Die alteingesessene Bevölkerung war zahlenmäßig stets in der Überzahl. Und unzweifelhaft haben Völker ihre Sprache zu gunsten von Invasoren aufgegeben. Im Gegensatz zu dir erscheinen mir die genannten Beispiele durchaus tauglich zu sein, seien es nun Oghusen, Angelsachsen, Slawen, Akkader oder Etrusker. Hier bieten sich auch noch weitere Beispiele an, seien es nun die halbnomadischen Hebräer, die das hochkultivierte Land Kanaan eroberten und dort ihre Sprache und Kultur durchsetzten, oder die Araber, die die altägyptische Sprache im Verlauf eines längeren Prozesses verdrängten.
Wir drehen hier allerdings im Kreis, da du aus Gründen einer Fundamentalopposition keines meiner Beispiel akzeptieren willst.
Die Kelten wurden schon von den Römern nach Wales zurückgedrängt.
Ich habe dazu schon an anderer Stelle geschrieben, was ich hier gern wiederhole:
Als im 1. Jh. römische Armeen auf die Insel vordrangen, trafen sie auf eine Anzahl selbstständig verfasster Stämme der Briten. In diesen Teilen Britanniens wurden - analog zu Gallien - städtische Zentren errichtet, die meist einen britischen Namen hatten und von denen aus die die alten Stammesgebiete (civitates) oder Teile von ihnen verwaltet wurden. Die "concilii" und "magistrati" dieser städtischen Territorien wurden von einheimischen britischen Landbesitzern gestellt, in der Regel aber nicht die Oberprovinzialbeamten. Im 2. und 3. Jh. wurden auch immer mehr Briten in das Heer eingegliedert.
Die Angehörigen beider Gruppen - der Beamten wie der Soldaten - sprachen und schrieben hauptsächlich Latein. Vermutlich waren die Stadtbewohner zweisprachig, doch sprach die Landbevölkeung wahrscheinlich nur Britisch. Die alten religiösen Bräuche bestanden sicherlich in der Römerzeit fort und erlebten Mitte des 4. Jh. eine Erneuerung. Das Chrsitentum war, sowohl vor wie auch nach Kaiser Konstantin, nur die Religion der Stadtbewohner und einiger Besitzer von "villae".
Es ergibt sich damit wohl ein Bild, das eher dem römischen Germanien und weniger der Situation in Gallien ähnelt. Die britische Bevölkerung blieb trotz oberflächlicher Romanisierung derart dominant, dass sich keine romanische Sprache wie z.B. in Spanien oder dem späteren Frankreich herausbildete.
Zwischen etwa 450 und 580 wurden die oberflächlich romanisierten Briten gezwungen, den größten Teil des südlichen und östlichen Britannien zu Gunsten der einströmenden Angelsachen aufzugeben, obwohl ein Sieg um 500 (der vielleicht dem sagenhaften Artus oder aber einem anderen lokalen Führer zugeschrieben werden kann) für einige Jahrzehnte eine Ruhepause und vielleicht eine zeitweilige Rückgewinnung einiger Gebiete zur Folge hatte. Damals kam es zu einer starken Abwanderung in die "Armorica" (Bretagne).
Die gesprochene Sprache änderte sich
schnell und durchgreifend, was man auch daran erkennt, dass nur vereinzelt britische Ortsnamen fortbestanden und die britische Sprache aus den Gebieten, die bis zum 7. Jh. erobert wurden, völlig verschwand.
Das eigentliche Erbe der Briten besteht in den nachfolgenden Königreichen und Fürstentümern von Cornwall, Wales und Strathclyde, die sich auch zu verschiedenen Sprachräumen und Rückzugsgebieten des Keltischen entwickelten. Sie bewahrten durch ihre mündlich und schriftlich tradierte keltische Literatur und durch Verbindungen zwischen Klöstern und Bistümern keltischer Gebiete das gemeinsame Erbe.
Um hier mal auf den historischen Teppich zu kommen: Der erste Punische Krieg begann im selben Jahr, in dem die Römer Volsinii eroberten. Zu der Zeit war Etruskisch noch eine sehr lebendige Sprache. Endgültig ausgestorben ist das Etruskische erst in der frühen Kaiserzeit. Kaiser Claudius konnte noch Etruskisch.
Es ging hier darum, dass die kulturell noch recht primitiven Römer seit 396 v. Chr. (Veji) gegen die kulturell hochstehenden etruskischen Stadtstaaten vorgingen und die Eroberung Etruriens 264 v. Chr. mit Volsinii abgeschlossen hatten. Anschließend erfolgte ein Prozess der Akkulturation der etruskischen Bevölkerung, die schon nach wenigen Generationen zu einer römischen Lebensweise überging und dann den Sprachwechsel zum Lateinischen vollzog. Nur in verschiedenen rituellen Funktionen blieb das Etruskische lebendig.
Und wie stellst du dir einen Beitrag zur Lösung des linguistischen Problems vor?
Das ist doch offensichtlich: Indem du eine Erklärung dafür suchst, wie sich indoeuropäische Sprachen von Mitteleuropa bis Indien verbreiten konnten.
Hunderte Publikationen zu Urheimats-Hypothesen? Nenne mir die zehn wichtigsten englischsprachigen Publikationen zu Urheimats-Hypothesen der letzten paar Jahre, sagen wir mal: seit Anthony 2007 - das war die letzte, in die ich reingeschaut habe.
Bei den nachstehenden Veröffentlichungen handelt es sich vielfach um Artikel in wissenschaftlichen Publikationen:
1. Chr. Carpelan, A. Parpola, Emergence, contacts and dispersal of Proto-Indoeuropean, Proto-Uralic and Proto-Aryan in archeological perspectice, 2001
2. J.H. Greenberg, Indo-European and its closest relatives: The Eurasiatic language family, Stanford 2000
3. M.E. Huld, Reinventing the wheel: The technology of transport and Indo-European expansions, 2000
3. K. Kristiansen, Europe before history, Cambridge/New York 1998
4. J.P. Mallory, D. Q. Adams (Hrsg.), Encyclopedia of Indo-European Culture. Fitzroy Dearborn, London 1997
5. J.P. Mallory, The Oxford introduction to Proto-Indo-European and the Proto-Indo-European world, Oxford/New York 2006
6. D. Anthony,
The Kurgan culture. Indo-european origins and the domestication of the horse, a reconsideration. in. Current Anthropology. University of Chicago, Chicago Illinois, 27.1986,
7. J.P. Mallory, In Search of the Indo-Europeans. Language, Archaeology and Myth. Thames und Hudson, London 1989, 1991, 1997.
8. B. Sergent, Les Indo-Européens, Paris, Payot, 2005
9. George Cardona (Hrsg.), Indo-European and Indo-Europeans. University of Pennsylvania Press. Philadelphia 1968, 1970.
10. Vladimir. I. Georgiev, Introduction to the history of the Indo-European languages, Sofia 1998
11. Colin Renfrew,
Die Indoeuropäer – aus archäologischer Sicht. In: Spektrum der Wissenschaft. Dossier. Die Evolution der Sprachen. Heidelberg 2000
12. Colin Renfrew, Archaeology and Language.The Puzzle of Indo-European Origins. Jonathan Cape, London 1987, Cambridge 1990
13. D. Anthony, Horse, the Wheel, and Language: How Bronze-Age Riders from the Eurasian Steppes Shaped the Modern World Princeton University Press, Princeton 2007
Mir geht es um die Begründungen, mit denen man auf eine Urheimat kommt. Auch wenn dich die Begründungen vielleicht nicht interessieren.
Da mich diese "Begründungen" interessieren, führe ich mit dir seit Tagen ein - leider fruchtloses - Gespräch.
Ich weiß, dass du den Link eingestellt hast, und ich habe den Aufsatz auch gelesen. Die Frage war, ob du ihn gelesen hast. Da werden Publikationen aus der Nazi-Zeit zitiert, die es deiner Auffassung nach ("so wurde so etwas auch nicht publiziert") gar nicht gegeben haben kann.
Die Publikationen der Nazi-Zeit zu diesem Thema liegen mir hier vor und befinden sich in dem Sammelband "Die Urheimat der Indoeuropäer". Linientreue NS-Wissenschaftler wiesen die Hypothese einer asiatischen Urheimat weit von sich und verwiesen auf die "nordische Urheimat" der "Indogermanen".
Häusler lehnt es ab, sich auf einen Ausgangspunkt - sei es Griechenland, das Baltikum, Mitteleuropa, Skandinavien oder Südrussland - festzulegen. Das, was du Häusler unterzuschieben versuchst, ein Ausgangspunkt oder gar ein "Druckzentrum" in Mitteleuropa, steht im direkten Widerspruch zu Häuslers Aussagen.
Die indoeuropäischen Sprachen sind nicht vom Himmel gefallen und haben sich selbstverständlich nicht von Anfang an über eine Distanz von Mitteleuropa bis Indien erstreckt. Häusler geht also davon aus, dass sich die indoeuropäische Sprache ungestört von Migrationen entwickelte. Somit gibt es für ihn keine "Urheimat", doch ist völlig klar, dass der Ausgangsraum in Europa gelegen haben muss.
Häusler spricht das in seinem Vorwort ganz deutlich aus, was du vermutlich überlesen hast:
Es wird festgestellt, dass sich in Mittel- und Nordeuropa für die Zeit seit dem Mesolithikum keine Anzeichen von Einwanderungen aus der Ferne nachweisen lassen. Eine Besiedlungs- und Bevölkerungskontinuität, die bis zu den später nachweisbaren Griechen, Kelten, Germanen und Balten führt, dürfte für ein weitläufiges, autochthon entstandenes indogermanisches Sprachkontinuum in weiten Teilen Europas sprechen, aus dem sich – ohne Zuwanderungen von außerhalb – im Laufe der Zeit die indogermanischen Einzelsprachen Europas herauskristallisiert haben.