Indogermanische Sprachen und die Vielfalt ihrer Völker

Verstehe ich nicht, kannst du das mal genauer erklären?
Population genetics - Wikipedia, the free encyclopedia

Lies doch mal Beitrag #110 in diesem Thread. Dort schreibt Quijote "bei den Garifuna dürften die Indios schlicht die aus der Alten Welt eingeschleppten Krankheiten nur in geringer Zahl überlebt haben"

Ich habe diesen Beitrag schematisiert wiedergegeben und gefragt, ob darin Einigkeit besteht oder sich Widerspruch regt. Ich möchte nämlich bei allen wilden Spekulationen zunächst mal herausfinden, welche Typen von Prozessen belegbar irgendwo irgendwann schon einmal stattgefunden haben.
 
Ich habe dir hierzu inzwischen vier gleichlautende Zitate aus wissenschaftlichen Publikationen geliefert, die eindeutig Stellung beziehen. Ich kann dir gern auch noch zwei weitere vorstellen

Ich zweifle nicht daran, dass es auch noch mindestens zehn weitere Leute gibt, die dieser Hypothese anhängen. Es werden trotzdem keine gesicherten Tatsachen daraus. Noch nicht einmal eine unbestrittene Hypothese.

Deine Behauptung war, die Einwanderung der Hethiter sei in der Forschung unbestritten. Um zu beweisen, dass die falsch ist, genügt bereits eine einzige fachwissenschaftliche Publikation. Ich habe dir bereits zwei zitiert.
Von den Autoren, die du genannt hast, ist nur ein einziger als Fachmann auf dem Gebiet der anatolischen Sprachen bekannt, und gerade der spricht von Vermutungen und nicht von gesicherten Tatsachen. Deine letzten Zitate stammen aus allgemeinbildenden bzw. populärwissenschaftlichen Publikationen. Da wird bestenfalls abgeschrieben, was andere erforscht oder gemutmaßt haben.

Der von dir zitierte Autor Genz sagt "... could point to an immigration into Anatolia from beyond the Black Sea."
Der von mir zitierte Autor heißt nicht Genz, und "could point to" heißt "könnte hindeuten auf", nicht mehr.

Und sprachliche Entgleisungen wie die "gekloppte Tonne" solltest du besser unterdrücken - auch wenn's schwer fällt.
Von einer "gekloppten Tonne" habe ich nichts geschrieben. Die umgangssprachliche Wendung "etwas in die Tonne kloppen" bedeutet so viel wie "aufgeben müssen".

Zur Sache: Ausgewiesene Fachleute schreiben in aktuellsten Publikationen, die Frühgeschichte der Hethiter sei ungeklärt, und keine Theorie habe bislang allgemeine Zustimmung gefunden.
Und nun willst du als Laie uns hier allen Ernstes erzählen, es sei "in der Forschung unbestritten, dass die Hethiter nach Kleinasien einwanderten".
Wie soll man das denn noch angemessen kommentieren?:confused: Vielleicht so?
Das ist der Gipfel der Ignoranz.

Einigkeit besteht darin, dass sich Hethitisch, Luwisch und Palaisch erst in Kleinasien endgültig ausgebildet haben, denn die seit etwa 2200 v. Chr. einwandernden indoeuropäischen Sprachträger sprachen noch kein ausgebildetes Hethitisch, sondern eine proto-hethitische Vorform.
Willst du denn auch noch im Ernst behaupten, man sei sich über eine Einwanderung seit 2200 v. Chr. einig? Das wäre ja total abwegig. Im Gegenteil besteht unter den Spezialisten für altanatolische Sprachen weitgehende Einigkeit darüber, dass indoeuropäische Sprachträger schon vor 2200 v. Chr. in Kleinasien ansässig waren.
Hast du den von dir mehrmals erwähnten Ausstellungskatalog überhaupt mal richtig gelesen? Da steht auf Seite 52:
"Also sind die indogermanischen Uranatolier mit großer Wahrscheinlichkeit bereits spätestens um das Jahr 2300 v. Chr. nach Anatolien eingewandert"
Im allgemeinen wird die Zeit der Uranatolischen Spracheinheit sogar deutlich vor 2300 angesetzt. Einen Überblick über den Stand von 2003 bietet H. Craig Melchert ("The Luwians", Leiden 2003). Die meisten Autoren liegen bei plus minus 3000 v. Chr. So z. B. Bill J. Darden ("On the Question of the Anatolian Origin of Indo-Hittite", in: "Greater Anatolia and the Indo-Hittite Language Family" - Ed. Robert Drews, Washington 2001) und Alexander Lehrman ("Reconstructing Proto-Indo-Hittite" - selber Band). James Mellaart ("Anatolia and the Indo-Europeans", in: Journal of Indo-European Studies 9) setzt die Einwanderung um 3500 v. Chr. an. Thomas V. Gamkrelidze und Vyaceslav V. Ivanov ("Indo-european and the Indo-Europeans", Berlin/New York 1995) lehnen die Einwanderung gänzlich ab. Von der These einer Einwanderung um 2200 v. Chr. oder sogar noch später ist erst gar nicht die Rede.

Gibt es unter den Fachleuten überhaupt jemand, der mit Vehemenz für diese Datierung eintritt? Noch nicht einmal der von dir zitierte Jürgen Seeger will sich auf ein spätes Datum festlegen. Waltraud Sperlich ("Die Hethiter / Das vergessene Volk", Sigmaringen 2003, S. 92) zitiert ihn mit den Worten "Die weit frühere Einwanderung liegt für mich im Bereich des Möglichen."

Wir haben das mehrfach lang und breit diskutiert
Sag ich doch. Wir hätten uns das aber sparen können, wenn du gleich gesagt hättest, dass du auf meine Kriterien pfeifst.

Häusler spricht weitläufig von einer Entstehung indoeuropäischer Sprachen in Europa, das sich angesichts zahlreicher nicht-indoeuropäischer Gebiete auf ein großes Mitteleuropa verengt, wenn man Spanien, Italien, Griechenland und weite Teile Frankreichs außen vorlässt.
Häusler lässt Griechenland nicht außen vor und kennt auch den Unterschied zwischen Mitteleuropa und Osteuropa (mehrmals schreibt er: "bis an den Don"). Ich habe dich nun oft genug darum gebeten, nachzulesen, wovon Häusler wirklich spricht. Wenn dich das nicht interessiert und es dir nur ums Rechthaben geht, dann definiere meinetwegen die Geografie so um, dass auch Griechenland und Russland noch im "mitteleuropäischen Druckzentrum" liegen.
Und dann such dir bitte jemand anderes, der versucht, mit dir darüber ernsthaft zu diskutieren.:winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich zweifle nicht daran, dass es auch noch mindestens zehn weitere Leute gibt, die dieser Hypothese anhängen. Es werden trotzdem keine gesicherten Tatsachen daraus. Noch nicht einmal eine unbestrittene Hypothese.

...es ist ein Kreuz mit den belastbaren Tatsachen, Fakten, Beweisen... wenn ich es rchtig überblicke, gibt es weder für die Indoeuropäer sind irgendwo eingewandert noch für sie saßen schon immer wo sie sitzen eindeutige Beweise -

Tatsache aber bleibt die sprachliche Verwandtschaft innerhalb dieser Sprachgruppe sowie das Faktum, dass manche der beteiligten Sprachen sehr alt sind. Weiterhin ziemlich faktisch sind so manche Gesetzmäßigkeiten der Sprachentwicklungen.

Ganz streng genommen weiß man kaum mehr als das, denn eine Zuordnung rein materieller Funde zu einer Sprachgruppe kann nur hypothetisch sein - oder manchmal doch nicht? "keltische" Stabdolche aus Zeiten, da die Kelten nichts aufgeschrieben hatten, müssten auch kritisch hinterfragt werden, von germanischen phallischen Pfahlgötzen ganz zu schweigen...

wie alt ist das älteste germanische Sprachdenkmal? wo hergestellt und wo gefunden? und saßen drei Wochen vor der Herstellung womöglich keine Germanisch-Sprecher dort? ...wir wissen es nicht :weinen:
 
Dieser Thread macht mich ratlos und dabei ist es nicht der erste über die IE-Sprachen, der so abläuft, sehr schade.:weinen:

Daher möchte ich versuchen, die Problematik soweit zu sortieren, wie ich sie bis jetzt übersehe.
1. Sprachwissenschaftlicher Ansatz

Nach meiner Kenntnis Ursprung der Diskussion durch Erkennen und Untersuchen der Sprachverwandtschaften und Rückführung auf eine hypothetische Urform im 19. Jhd. Die Gewässernamensforschung versucht aktuell für diese Urform eine Urheimat zu finden.
Überzeugende Erklärungsansätze für den realen Ablauf bietet die Sprachwissenschaft jedoch nicht an.

2. Archäologischer Ansatz

Da die Verbreitung der IE-Sprachen seit dem 19. Jhd. bekannt ist, wurden verschiedene archäologische Funde als Hinterlassenschaften von IE-sprechenden Menschen interpretiert, u.a. die Kurgane von Gimbutas.
Oder die arch. Funde wurden völlig von den hinterlassenden Menschen und ihrer Sprache abgetrennt, sobald sie keine auswertbaren Sprachzeugnisse hinterließen. Dieses Problem wurde bereits bis zum Exzess in http://www.geschichtsforum.de/f22/indogermanen-konstrukt-oder-wirklichkeit-21353/ diskutiert.

3. Erklärungsansatz anhand von bekannten geschichtlichen Mustern

Renfrew, Gamkrelidse u.a. versuchen beide Ansätze zu verbinden unter Einbeziehung von belegten Mustern aus der Geschichte.

Darüber kann man auch in einem Geschichtsforum diskutieren, was ich eigentlich besonders reizvoll fände, weil hier User mit unterschiedlichen Kenntnissen und Überlegungen Beiträge leisten. Zu Sprachübernahmen allgemein hatten wir bereits http://www.geschichtsforum.de/f34/bernahme-von-sprachen-widerstand-macht-20628/
Ein Forum ist jedoch nicht dazu da, die eigene Position als jeweils letzten Beitrag einzustellen, um damit Recht zu behalten.

Renfrews Anatolienhypothese erscheint mir als Erklärung für die allgemeine Ausbreitung von Sprachen dagegen nachvollziehbar. Eine Gruppe von Menschen migriert in ein relativ dünn besiedeltes Gebiet und zwar mit einer Wirtschaftsform, die nicht nur das Überleben der Gruppe sichert, sondern auch eine höhere Vermehrungsrate zur Folge hat. Da ist es nur eine Frage der Zeit, wann die eingewanderte Sprache von allen gesprochen wurde. Mein Problem mit dieser Anatolienhypothese ist das belegte Überleben der Nicht-IE-Sprachen bis zur Zeitenwende (Rom) und teilweise bis heute (Basken u.a.). Linguistik: Die Frühgeschichte der indoeuropäischen Sprachen - Spektrum der Wissenschaft

Als allgemeine Erklärung: o.k. Für Europa: Zumindest nachvollziehbar. Aber wie stellt sich Renfrew die Ausbreitung in den Iran und nach Indien vor? Das ist ja auch ein riesiges Gebiet.

Wie Renfrew sich Iran und Indien vorstellt, habe ich noch nicht nachgelesen, wahrscheinlich kreisförmige Ausbreitung ausgehend vom fruchtbaren Halbmond. Seine These ist mW allgemeiner Natur.
Wir sprechen von einem riesigen Gebiet, dem ich mich Schritt für Schritt nähern möchte. Renfrews Ansatz operiert ja auch nur mit einer Bevölkerungswachstum verursachenden Kulturtechnik als Begründung für langfristigen Sprachwechsel.
Den umgekehrten Ansatz hatten Hansforscht und ElQ angesprochen, nämlich die Reduzierung der eingesessenen Bevölkerung durch Seuchen. Häusler bringt sogar das Überleben der baskischen Sprache mit mittelalterlichen Seuchenzügen in Verbindung.
Es könnte weitere Gründe geben, warum die Fortpflanzungsrate der alteingesessenen Bevölkerung hinter der, der Migranten zurückbleibt und sich langfristig die Sprache der Migranten durchsetzt. Was aber nur funktionieren kann, wenn beide bei ihren Sprachen blieben, was teilweise durchaus möglich ist, weil Sprachen und Dialekte viel kleinräumiger verbreitet waren, worauf Stilicho bereits hingewiesen hat.

Je mehr ich über die Bronzeheit lese, desto mehr habe ich den Eindruck, dass die Bronzezeit ? Wikipedia auch eine solche Wirtschaftsform war, die eine etwas höhere Vermehrungsrate zur Folge gehabt haben könnte, allerdings mit einer komplizierteren Verknüpfung von Auswirkungen. Stichpunkte dazu: verbesserte Anbaumethoden wie Pflug, Bewässerungstechnik, großräumige Spezialisierung durch Kulturtransfer und Austausch. Die Begrenzung der ersten neolithischen Einwanderung auf die Flussauen mit Schwemmland könnte ein weiteres Argument sein.
Daher habe ich mich von Ockhams Rasiermesser inspirieren lassen und mich gefragt, ob man die Ausbreitung der IE-Sprachen zeitlich und regional mit der Bronzezeit verknüpfen könnte.
Bei der Frage, ob dieser Stammbaum http://frauansku.files.wordpress.com/2008/10/idgstamm.gif richtig ist und weiterhilft, erbitte ich die Einschätzung der Sprachwissenschaftler.
Danach könnte man untersuchen, ob die bronzezeitlichen Abläufe zu diesem Stammbaum passen.
Archäologische Fundstätten könnten dann als Beispiele betrachtet werden, wie Oasenkultur ? Wikipedia oder Russische Föderation: Ergeninskij | Deutsches Archäologisches Institut oder Grabhügel von Leubingen ? Wikipedia

Leider bin ich kein Sprachwissenschaftler. Aber dass sich die anatolischen Sprachen zuerst von der ursprünglichen Sprachgemeinschaft abgetrennt haben sollen, habe ich schon öfters gelesen. Das muss übrigens lange vor 2000 v. Chr. gewesen sein, und zwar unabhängig davon, in welches Jahrtausend man die Einwanderung der Hethiter und Luwier nach Kleinasien hineinorakelt.
Zumindest eine Sache scheint bei deinem Szenario nicht zu passen: Der Pflug war schon lange vor der Bronze in Gebrauch.
Und die Bewässerungstechnik wird wohl in Europa nicht von entscheidender Bedeutung gewesen sein.

Die Metallverarbeitung begann am Rande des Taurus- und Zagrosgebirges und in Mesopotamien bereits um 3500 v. Chr. Da Metalle in Sumer nicht vorhanden waren, könnte sich der Austausch mit den nördlichen Gebirgsregionen ab dem 4. Jtsd. entwickelt haben. Und da ergibt sich für mich die Frage, ob nicht in jener Region irgendwo IE-Sprecher lebten, die vom bronzezeitlichen Austausch profitierten und sich mitsamt ihrer Sprache ausbreiteten.
 
Dieser Thread macht mich ratlos
...mich auch

Ein Forum ist jedoch nicht dazu da, die eigene Position als jeweils letzten Beitrag einzustellen, um damit Recht zu behalten.
würde irgendwo 2+2=7 behauptet, wäre es schon ok, auf 2+2=4 zu beharren - aber solche Fragen werden hier ja nicht behandelt, also da hast du recht :yes:

Überzeugende Erklärungsansätze für den realen Ablauf bietet die Sprachwissenschaft jedoch nicht an.
vielleicht nicht direkt, d.h. nicht mit exakt datierbaren Funden, aber über Zeiträume von Sprachentwicklung und Rekonstruktionsformen von Sprachen wird da schon einiges geboten - nicht zu vergessen, dass wir ohne diese Disziplin nicht wüssten, dass und wie so manche Sprachen miteinander verwandt sind!

Renfrew, Gamkrelidse u.a. versuchen beide Ansätze zu verbinden unter Einbeziehung von belegten Mustern aus der Geschichte.
(...)
Wie Renfrew sich Iran und Indien vorstellt, habe ich noch nicht nachgelesen, wahrscheinlich kreisförmige Ausbreitung ausgehend vom fruchtbaren Halbmond. Seine These ist mW allgemeiner Natur.
Wir sprechen von einem riesigen Gebiet, dem ich mich Schritt für Schritt nähern möchte.
und genau daran kann ich auch methodisch nichts falsches entdecken - wo man salopp gesagt keine 5000jährigen Namensschilder findet ("ich heiße Otto, bin Indogermane und vom Don an die Donau gewandert" :rofl:) ist man auf andere Überlegungen angewiesen: z.B. auf Wahrscheinlichkeit. Als Exempel hierfür hatte ich die ältesten german. Sprachzeugnisse erwähnt: auch wenn man keine noch älteren hat, so ist wahrscheinlich, dass ein paar Generationen zuvor dort, wo sie hergestellt wurden, nicht chinesisch gesprochen wurde. Dafür gibt es zwar keinen direkten Beweis, aber die Wahrscheinlichkeit.
 
Wenn nicht kulturell, so doch militärisch. Alle diesbezüglichen Hypothesen gehen davon aus, dass die vordringenden Indoeuropäer das Pferd bereits seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. als Zug- und ab dem 3. Jahrtausend auch als Reittier domestiziert haten (vgl. entsprechende Untersuchungen bei Gimbutas, Haarmann u.a.).

Interessant ist, dass sich dies mWn auch linguistisch zeigt. Das rekonstruierte UIE beinhaltet zahlreiche Begriffe, die sich auf die Nutzung von Wagen und Zugtiere für selbige bezieht. Auch für verschiedene Tiere finden sich Gemeinsamkeiten.

Auf der anderen Seite sind bspw die Begriffe, die sich auf den Ackerbau beziehen, sehr, sehr rar, gegenüber zahlreichen Übereinstimmungen in anderen Sprachfamilien. Eine Überlegenheit der expandierenden IE bzw ihrer Kultur in ackerbaulichen Fragen ist daher eher unwahrscheinlich.

Gegenüber späteren Invasionen von "Reitervölkern" hatten die IE wohl den Vorteil, dass das Pferd vorher anderen Völkern unbekannt oder zumindest nicht verfügbar war. Allerdings haben es bspw auch die Ungarn geschafft, einen Teil Europas sprachlich zu prägen, nachdem sie in Spätantike/Frühmittelalter nach Euorpa gekommen waren.

Sehr viel später expandierte eine Nachfolgegruppe der IE, die Kelten; wichtige Aspekte dabei: eine überlegene (inzwischen eisenzeitliche) Bewaffnung und die große Rolle, die die Viehaltung in ihrer Gesellschaft spielte, inkl aller Nebeneffekte: Eine recht große Mobilität, ein hohes Ansehen von räuiberischen Überfällen zum Viehdiebstahl und einem damit verbundenen hohen Ansehen kriegerischer Aktivitäten, und die Tatsache, dass Weideraum eher knapp wird bzw schlechter vergrößert werden kann als Ackerfläche, was schneller zu einem "Bevölkerungsexport" führt, als bei Ackerbauern. Ähnliche Effekte könnten auch bei der Expansion der IE eine Rolle gespielt haben, wenn auch die Rahmenbedingungen andere waren.
 
Interessant ist, dass sich dies mWn auch linguistisch zeigt. Das rekonstruierte UIE beinhaltet zahlreiche Begriffe, die sich auf die Nutzung von Wagen und Zugtiere für selbige bezieht. Auch für verschiedene Tiere finden sich Gemeinsamkeiten.

Auf der anderen Seite sind bspw die Begriffe, die sich auf den Ackerbau beziehen, sehr, sehr rar, gegenüber zahlreichen Übereinstimmungen in anderen Sprachfamilien. Eine Überlegenheit der expandierenden IE bzw ihrer Kultur in ackerbaulichen Fragen ist daher eher unwahrscheinlich.
ja, auch die Untersuchungen des jeweiligen Wortschatzes zusammen mit der ungefähren sprachhistorischen zeitlichen Einordnung leisten einen Beitrag zur kulturhistorischen Einschätzung - - und wie schon einmal erwähnt, könnte die Attraktivität einer Sprache auch aus ihrer Versprachlichung von besseren oder wirksameren Techniken resultieren.
 
3. Erklärungsansatz anhand von bekannten geschichtlichen Mustern

Renfrew, Gamkrelidse u.a. versuchen beide Ansätze zu verbinden unter Einbeziehung von belegten Mustern aus der Geschichte.
Renfrew - klar. Aber Gamkrelidze/Ivanov? Das wäre mir neu. So viel ich mitbekommen habe, ist deren Ansatz ein ganz anderer und mit Renfrew absolut nicht kompatibel.

Häusler bringt sogar das Überleben der baskischen Sprache mit mittelalterlichen Seuchenzügen in Verbindung.
Das ist mir auch neu. Wo kann ich das nachlesen?

Die Metallverarbeitung begann am Rande des Taurus- und Zagrosgebirges und in Mesopotamien bereits um 3500 v. Chr. Da Metalle in Sumer nicht vorhanden waren, könnte sich der Austausch mit den nördlichen Gebirgsregionen ab dem 4. Jtsd. entwickelt haben. Und da ergibt sich für mich die Frage, ob nicht in jener Region irgendwo IE-Sprecher lebten, die vom bronzezeitlichen Austausch profitierten und sich mitsamt ihrer Sprache ausbreiteten.
Demnach müssten Metallhändler/Bergleute/Schmiede und ihr Anhang die Sprache nach West (Europa) und Ost (Indien) getragen haben?
 
Als Exempel hierfür hatte ich die ältesten german. Sprachzeugnisse erwähnt: auch wenn man keine noch älteren hat, so ist wahrscheinlich, dass ein paar Generationen zuvor dort, wo sie hergestellt wurden, nicht chinesisch gesprochen wurde. Dafür gibt es zwar keinen direkten Beweis, aber die Wahrscheinlichkeit.

Da hast du natürlich recht.

Nur: Je weiter man in die Vergangenheit zu blicken versucht, desto dünner werden die Wahrscheinlichkeiten.
 
Auch für verschiedene Tiere finden sich Gemeinsamkeiten.
Aus der Tatsache, dass die indogermanischen Sprachen Wörter für verschiedene Tiere gemeinsam haben (Ente, Gans, Schwein, Rind, Pferd, Bär, Wolf, Fuchs), kann man höchstens die Schlussfolgerung ableiten, dass ihnen diese Tiere bekannt war. Man kann nicht daraus schließen, dass sie diese Tiere alle auch gezüchtet haben.

Auf der anderen Seite sind bspw die Begriffe, die sich auf den Ackerbau beziehen, sehr, sehr rar, gegenüber zahlreichen Übereinstimmungen in anderen Sprachfamilien.

Wir haben aus dem Indogermanischen Wörter wie Acker, pflügen, säen, mähen, Handmühle, mahlen, Gerste, Bohne, Flachs. Welche anderen Sprachfamilien hast du zum Vergleich?

Das rekonstruierte UIE beinhaltet zahlreiche Begriffe, die sich auf die Nutzung von Wagen und Zugtiere für selbige bezieht.
Es kam bereits zur Sprache, dass der Wagen um 3500 v. Chr.- nahezu zeitgleich - in einem riesigen Verbreitungsgebiet auftaucht. Das reicht von Mitteleuropa (z. B. Trichterbecherkultur) über den Balkan, Anatolien, den Kaukasus bis nach Mesopotamien und Indien (Harappa-Kultur).
Wenn man die Verbreitung des Wagens mit der Verbreitung der indoeuropäischen Sprache in Verbindung bringt, müsste diese bereits um 3500 v. Chr. abgeschlossen gewesen sein.
 
3. Erklärungsansatz anhand von bekannten geschichtlichen Mustern

Renfrew, Gamkrelidse u.a. versuchen beide Ansätze zu verbinden unter Einbeziehung von belegten Mustern aus der Geschichte.

Renfrew - klar. Aber Gamkrelidze/Ivanov? Das wäre mir neu. So viel ich mitbekommen habe, ist deren Ansatz ein ganz anderer und mit Renfrew absolut nicht kompatibel.

Gamkrelidze ist Sprachwissenschaftler, der eine anatolischen Ursprung vertritt, evtl. gehört er mehr zu 1.
Vielleicht kannst du seinen Ansatz kurz darstellen.
Häusler bringt sogar das Überleben der baskischen Sprache mit mittelalterlichen Seuchenzügen in Verbindung.
Das ist mir auch neu. Wo kann ich das nachlesen?
Das habe ich hier im Forum gelesen. In irgendeinem Indogermanenthread hatte der User Geist einen Aufsatz von Häusler oder Brather verlinkt. Ich fand das überraschend aber durchaus einleuchtend. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hielt er die baskische Sprache für einen Sprachrest, der sich auch durch nicht so lange zurückliegende Zufälle wie Nichtbetroffensein von mittelalterlichen Seuchenzügen erhalten haben könnte.
Die Metallverarbeitung begann am Rande des Taurus- und Zagrosgebirges und in Mesopotamien bereits um 3500 v. Chr. Da Metalle in Sumer nicht vorhanden waren, könnte sich der Austausch mit den nördlichen Gebirgsregionen ab dem 4. Jtsd. entwickelt haben. Und da ergibt sich für mich die Frage, ob nicht in jener Region irgendwo IE-Sprecher lebten, die vom bronzezeitlichen Austausch profitierten und sich mitsamt ihrer Sprache ausbreiteten.

Demnach müssten Metallhändler/Bergleute/Schmiede und ihr Anhang die Sprache nach West (Europa) und Ost (Indien) getragen haben?

Die Bergleute wohl eher nicht, Wanderschmiede und Händler vielleicht, noch eher hätte ich den Anhang in Verdacht. Schutztruppen für Karawanen, deren Hauptleute sich an Handelsorten niederließen und sich durch Orts- und Sprachkenntnisse nützlich machten.
 
Kupferbearbeitung gab es doch bereits im 6.Jahrtausend v.Chr in Südosteuropa (Pernika/Anthony). Auch der Goldschatz von Warna ist älter als die genannte Zahl.

Schon richtig, um aber den Austausch interessant zu machen, brauchte es erst das Reichtumsgefälle Richtung Nahost.
Die Stadtkulturen in Mesopotamien, Indien und evtl. Elam hatten Kornvorräte und andere Nahrungsmittel, Textilien, Schmuck und Prestigegüter zu bieten. Und sie hatten einen hohen Bedarf an Metallen, Edelsteinen und anderen Rohstoffen.
 
Dann wäre aber doch die Frage, wann und wodurch dieses Gefälle entstand.
Zu Zeiten des Warnaschatzes oder auch der großen Städte der Tripoljekultur scheint das kulturelle Zentrum doch eher in Südosteuropa gelegen zu haben. Da hat der nahe Osten noch kaum etwas vergleichbares zu bieten.
 
Dann wäre aber doch die Frage, wann und wodurch dieses Gefälle entstand.
Zu Zeiten des Warnaschatzes oder auch der großen Städte der Tripoljekultur scheint das kulturelle Zentrum doch eher in Südosteuropa gelegen zu haben. Da hat der nahe Osten noch kaum etwas vergleichbares zu bieten.

Ob man die Donauzivilisationen in der Dimension mit den nahöstlichen Stadtstaaten oder Ägypten vergleichen kann, weiß ich nicht.
Ausschließen möchte ich die keinesfalls, kannst du sie kurz darstellen hinsichtlich ihrer Bronzeherstellung.
Mir kam es auf den Zusammenhang mit der Bronzezeit an und da sehe ich den Beginn eher in Asien und Nahost.
 
Ob man die Donauzivilisationen in der Dimension mit den nahöstlichen Stadtstaaten oder Ägypten vergleichen kann, weiß ich nicht.
Ausschließen möchte ich die keinesfalls, kannst du sie kurz darstellen hinsichtlich ihrer Bronzeherstellung.
Mir kam es auf den Zusammenhang mit der Bronzezeit an und da sehe ich den Beginn eher in Asien und Nahost.

Ob Bronze bereits in der Donaukultur bekannt war, ist unklar. Die Quelle für die Anmerkung "Frühbronze I auf dem Balkan" im 36.Jhdt bei Wiki kenne ich nicht. Aber anscheinend gibt es hier neuerdings Erkenntnisse, die den Ursprung Nahost in Frage stellen. In Punkto Kupferverarbeitung war die Donaukultur zu ihrer Zeit wohl führend, einhergehend mit der Entwicklung fortschrittlicher Öfen zur Keramikherstellung. Da liegt schon allein die Vermutung nahe, dass man auch mit Arsen- und anderen Zusätzen zum Kupfer experimentiert hat.

Was die Dimensionen angeht, so werden z.B. für Tallianki schon um 3700 v.Chr. 15000 Einwohner vermutet, weit mehr als auch spätere nahöstliche Siedlungen.
 
Gamkrelidze ist Sprachwissenschaftler, der eine anatolischen Ursprung vertritt, evtl. gehört er mehr zu 1.
Vielleicht kannst du seinen Ansatz kurz darstellen.
Soweit ich weiß, arbeitet er vor allem mit dem Mittel der "linguistischen Paläontologie". Man versucht, indogermanische Wörter, die irgend etwas über die Heimat aussagen könnten (Klima, Flora, Fauna) in Beziehung zu einer geographischen Region zu setzen. Das Verfahren scheint im Ansatz einleuchtend, leider hat es schon die verschiedensten "Urheimaten" produziert.


Das habe ich hier im Forum gelesen. In irgendeinem Indogermanenthread hatte der User Geist einen Aufsatz von Häusler oder Brather verlinkt. Ich fand das überraschend aber durchaus einleuchtend. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hielt er die baskische Sprache für einen Sprachrest, der sich auch durch nicht so lange zurückliegende Zufälle wie Nichtbetroffensein von mittelalterlichen Seuchenzügen erhalten haben könnte.
Habs gefunden - es war Brather:
http://www.geschichtsforum.de/538210-post48.html
Hier geht es aber überhaupt nicht um die Sprache, sondern um die Blutgruppenverteilung bei den Basken:
Träger der Blutgruppe 0 sind anfällig gegenüber der Pest, so daß hohe Anteile wie im Fall der Basken vor allem in abgelegenen Regionen erwartet werden können, die von den großen Pestzügen verschont blieben.


Die Bergleute wohl eher nicht, Wanderschmiede und Händler vielleicht, noch eher hätte ich den Anhang in Verdacht. Schutztruppen für Karawanen, deren Hauptleute sich an Handelsorten niederließen und sich durch Orts- und Sprachkenntnisse nützlich machten.

Wäre dann nicht zu erwarten, dass mit der Sprache zunächst einmal die metallurgischen Begriffe weitergegeben wurden? Der rekonstruierbare Wortschatz gibt da ja leider nicht viel her: Kupfer, Gold und Silber - diese Metalle waren aber schon vor 3500 v. Chr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Den umgekehrten Ansatz hatten Hansforscht und ElQ angesprochen, nämlich die Reduzierung der eingesessenen Bevölkerung durch Seuchen. Häusler bringt sogar das Überleben der baskischen Sprache mit mittelalterlichen Seuchenzügen in Verbindung.
Es könnte weitere Gründe geben, warum die Fortpflanzungsrate der alteingesessenen Bevölkerung hinter der, der Migranten zurückbleibt und sich langfristig die Sprache der Migranten durchsetzt.

Interessant finde ich dazu die Anmerkung auf der englischen Wiki-Seite zum Ende der Cucuteni-Trypillia-Kultur (Decline and end of the Cucuteni?Trypillian culture - Wikipedia, the free encyclopedia), wo Bezug nehmend auf Mallory dargelegt wird, dass in diesem Gebiet ackerbautreibende Alteuropäer und einwandernde Viehzüchter (Kurganleute?) längere Zeit friedlich nebeneinander lebten, dann aber durch eine Klimaveränderung es im Ackerbau zum Kollaps kam und die Viehzüchter in eine Führungsrolle gerieten. Ähnlich argumentiert auch Haarmann in seinem Buch über die Donaukultur, wo er die friedliche Etablierung einer Steppennomadischen Elite unter den alteingesessen Ackerbauern postuliert.
 
Habs gefunden - es war Brather:
http://www.geschichtsforum.de/538210-post48.html
Hier geht es aber überhaupt nicht um die Sprache, sondern um die Blutgruppenverteilung bei den Basken:

Ups, steht da nichts von baskischer Sprache, bei mir zeigt der Link heute nur leere Blätter.

Wäre dann nicht zu erwarten, dass mit der Sprache zunächst einmal die metallurgischen Begriffe weitergegeben wurden? Der rekonstruierbare Wortschatz gibt da ja leider nicht viel her: Kupfer, Gold und Silber - diese Metalle waren aber schon vor 3500 v. Chr.

Schmiede und Metallurgen sind Spezialisten und Edelmetalle waren schon vorher begehrt. Es ging mir um die Zunahme von Austausch im Laufe der Bronzezeit. Die Herleitbarkeit der Worte für Wagen, Achse, Rad würden zu Austausch und Transport im weiteren Sinne doch ganz gut passen.
 
Ups, steht da nichts von baskischer Sprache, bei mir zeigt der Link heute nur leere Blätter.

Über die Entwicklung der baskischen Sprache hat Brather nichts geschrieben, es ging nur um die Biologie. Du hast damals Brather richtig verstanden:

Die Erklärungsansätze von Brather im verlinkten Abschnitt über die Basken finde ich sehr einleuchtend. Er führt die biologischen Besonderheiten bei den Blutgruppen auf eine relative geographische Isolierung in den letzten Jahrhunderten zurück.
Wenn ich ihn richtig verstanden habe, zeitlich ungefähr vor den Pestwellen des Mittelalters. Damit würde sich mein Verständnisproblem bei den isolierten Hochgebirgslagen lösen, obwohl man das so durchgängig nicht für alle europäischen Gebirge behaupten kann.

Es war Dieter, der damals Brather völlig missverstanden hat und seine Ausführungen über die Blutgruppen mit der Sprache in einen Topf geschmissen hat. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Brather meinte, nämlich, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Alter der Sprache und dem Alter der Blutgrupenverteilung gibt.
Die Ausführungen Brathers zu einem jungen Alter der Basken und ihrer isolierten Sprache überzeugen mich nicht.



Schmiede und Metallurgen sind Spezialisten und Edelmetalle waren schon vorher begehrt. Es ging mir um die Zunahme von Austausch im Laufe der Bronzezeit. Die Herleitbarkeit der Worte für Wagen, Achse, Rad würden zu Austausch und Transport im weiteren Sinne doch ganz gut passen.

Mir ist nicht klar, was da passen würde.
Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Wörter für Achse und Rad (das Wort für den Wagen ist m. W. nicht herleitbar) im Rahmen der Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache zusammen mit den dazugehörigen Begriffen verbreitet haben, dann muss die Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache von Norddeutschland bis Indien bereits 3500 v. Chr. abgeschlossen gewesen sein.
In dem Fall hätte die Bronzezeit nichts Wesentliches mehr zur Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache beitragen können.

Auch dass eben nur die Wörter für Metalle, die bereits vor 3500 v. Chr. in Gebrauch waren, herleitbar sind, nicht aber die bronzezeitlichen Metallwörter, passt besser zu einer Datierung vor 3500 v. Chr. als zu einer späteren Datierung.
 
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