Indogermanische Sprachen und die Vielfalt ihrer Völker

Ähnlich argumentiert auch Haarmann in seinem Buch über die Donaukultur, wo er die friedliche Etablierung einer Steppennomadischen Elite unter den alteingesessen Ackerbauern postuliert.

Das hat er vielleicht von dem hier bereits öfter zitierten Anthony ("The Horse, the Wheel and Language"). Leider hängt auch die These von der friedlichen Machtübernahme völlig in der Luft: "Solche Behauptungen werden aufgestellt, ohne auch nur den Versuch zu machen, sie zu belegen." (Elke Kaiser, Besprechung David W. Anthony "The Horse, the Wheel and Language" in Kratylos 55/2010, S. 38).
 
Das hat er vielleicht von dem hier bereits öfter zitierten Anthony ("The Horse, the Wheel and Language"). Leider hängt auch die These von der friedlichen Machtübernahme völlig in der Luft: "Solche Behauptungen werden aufgestellt, ohne auch nur den Versuch zu machen, sie zu belegen." (Elke Kaiser, Besprechung David W. Anthony "The Horse, the Wheel and Language" in Kratylos 55/2010, S. 38).

Naja, wir haben ein Siedlungsnebeneinander beider Kulturen, keine Zerstörungshorizonte der Donauzivilisation, und meines Wissens auch keine Waffenfunde. Da erscheint die Schlussfolgerung nicht so abwegig.
 
Eine Zwischenfrage:
Wie siehts denn mit der Ausbreitung der Sprache durch die Religion aus?
Also Sprache als kulturelles Bindeglied einer "Religionsgemeinschaft"?

Der Göterpantheon der IE ist ja doch sehr "homogen"
 
Beispiel:
Zeus
iupiter
thiu
Bitte, versteht es als Anregung eines "Banausen"
denn "homogen" steht mit Absicht in "".
 
Zuletzt bearbeitet:
Beispiel:
Zeus
iupiter
thiu
ob die drei - aus sehr verschiedenen Zeiten und Kulturen - auf eine "gemeinsame indoeuropäische Religion / Götterpantheon" zurückgehen?

...hat nicht gerade die Ausbreitung oder Annullierung (je nachdem) von Religionen stets einen recht unfriedlichen Eindruck gemacht? jedenfalls in historischen Zeiten, man denke an das Verbot bzgl. Druiden oder die Germanenmission
 
Aus der Tatsache, dass die indogermanischen Sprachen Wörter für verschiedene Tiere gemeinsam haben (Ente, Gans, Schwein, Rind, Pferd, Bär, Wolf, Fuchs), kann man höchstens die Schlussfolgerung ableiten, dass ihnen diese Tiere bekannt war. Man kann nicht daraus schließen, dass sie diese Tiere alle auch gezüchtet haben.
Nachdem ich den Gamkrelidze-Bericht im Spektrum-Link überflogen habe, könnte man deinen Kritikpunkten hinzufügen, dass Ur-IE-Worte für Berg, Gebirge, reißender Fluss und Bergsee nicht unbedingt bedeuten müssen, dass IE in einer gebirgigen Region entstanden ist. Man kann solche Worte auch erfinden, wenn man aus dem Flachland kommt und solche Landschaftscharakteristika sieht und beschreibt. Wobei Anatolien und das Zagrosgebiet schon sehr gut passen würden

Es kam bereits zur Sprache, dass der Wagen um 3500 v. Chr.- nahezu zeitgleich - in einem riesigen Verbreitungsgebiet auftaucht. Das reicht von Mitteleuropa (z. B. Trichterbecherkultur) über den Balkan, Anatolien, den Kaukasus bis nach Mesopotamien und Indien (Harappa-Kultur).
Wenn man die Verbreitung des Wagens mit der Verbreitung der indoeuropäischen Sprache in Verbindung bringt, müsste diese bereits um 3500 v. Chr. abgeschlossen gewesen sein.

Mir ist nicht klar, was da passen würde.
Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Wörter für Achse und Rad (das Wort für den Wagen ist m. W. nicht herleitbar) im Rahmen der Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache zusammen mit den dazugehörigen Begriffen verbreitet haben, dann muss die Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache von Norddeutschland bis Indien bereits 3500 v. Chr. abgeschlossen gewesen sein.
In dem Fall hätte die Bronzezeit nichts Wesentliches mehr zur Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache beitragen können.
Warum muß sie dann schon abgeschlossen gewesen sein. Reicht es nicht, wenn man annimmt, dass der Wagen um 3500 v. Chr auch im Ursprungsgebiet der IE-Sprachen bekannt war? Mal angenommen irgendwo in Anatolien und dort wurde er "Wagen" genannt. In Europa, Iran, Indien und Sumer war er auch bekannt. Er war bestimmt noch kein gewöhnliches Alltagsgerät, sondern etwas auffallendes neues, das viele nur vom Hörensagen kannten, was die von dir verlinkten Behältermodelle mit Rädern ja andeuten. Dann kann er in Europa um 3500 doch "Dingsda" und in Nordindien "Lotte" genannt worden sein, da ja diese Regionen irgendwann später einen Sprachwechsel vollzogen haben, sind diese Wörter mit den Vorsprachen ausgestorben. Zugegeben diese Sprachstammbäume und Entstehungszeiten von Sprachen sind für mich schwer verständlich.

Was die Dimensionen angeht, so werden z.B. für Tallianki schon um 3700 v.Chr. 15000 Einwohner vermutet, weit mehr als auch spätere nahöstliche Siedlungen.
Ich finde die Donaukultur auch ganz spannend, was aber nicht bedeuten kann, dass wir die nahöstlichen Vorläufer von Sumer vergessen dürfen, z.B. Jericho oder Çatalhöyük ? Wikipedia zufällig in Anatolien und auch ein paar tausend Einwohner.

Interessant finde ich dazu die Anmerkung auf der englischen Wiki-Seite zum Ende der Cucuteni-Trypillia-Kultur (Decline and end of the Cucuteni?Trypillian culture - Wikipedia, the free encyclopedia), wo Bezug nehmend auf Mallory dargelegt wird, dass in diesem Gebiet ackerbautreibende Alteuropäer und einwandernde Viehzüchter (Kurganleute?) längere Zeit friedlich nebeneinander lebten, dann aber durch eine Klimaveränderung es im Ackerbau zum Kollaps kam und die Viehzüchter in eine Führungsrolle gerieten. Ähnlich argumentiert auch Haarmann in seinem Buch über die Donaukultur, wo er die friedliche Etablierung einer Steppennomadischen Elite unter den alteingesessen Ackerbauern postuliert.
Naja, wir haben ein Siedlungsnebeneinander beider Kulturen, keine Zerstörungshorizonte der Donauzivilisation, und meines Wissens auch keine Waffenfunde. Da erscheint die Schlussfolgerung nicht so abwegig.

Vielleicht ist aus diesem Nebeneinander von Viehzüchtern und Bauern das spezialisierte Hirtennomadentum erst entstanden, als Viehzüchter Flächen als Weidegebiet nutzten, die wie Gebirgsregionen nicht so gut für den Ackerbau geeignet waren.
Der Ackerbau in den Flußtälern und am Donaudelta unterlag bei wachsender Bevölkerung und Ausweitung der Flächen zunehmenden Ertragsschwankungen. Ohne Nährstoffzufuhr durch angeschwemmte Partikel ließ die Fruchtbarkeit schnell nach, so dass auch die Bauern wieder mobiler werden und Brachflächen erschließen mußten.
Heine hatte diesen Punkt am Anfang des Threads schon mal angesprochen.
 
Vielleicht ist aus diesem Nebeneinander von Viehzüchtern und Bauern das spezialisierte Hirtennomadentum erst entstanden, als Viehzüchter Flächen als Weidegebiet nutzten, die wie Gebirgsregionen nicht so gut für den Ackerbau geeignet waren.
Der Ackerbau in den Flußtälern und am Donaudelta unterlag bei wachsender Bevölkerung und Ausweitung der Flächen zunehmenden Ertragsschwankungen. Ohne Nährstoffzufuhr durch angeschwemmte Partikel ließ die Fruchtbarkeit schnell nach, so dass auch die Bauern wieder mobiler werden und Brachflächen erschließen mußten.

Verstärkt wurde dies wohl durch den Klimawandel - Übergang vom Antlantikum zum Subboreal. Es kühlte ab, in Gebieten wie Ungarn oder der Ukraine entstanden Steppenlandschaften. Und plötzlich erlangte die "Randgruppe" der Hirtennomaden einen völlig anderen Stellenwert, war man auf ihr Know-How angewiesen.
 
Warum muß sie dann schon abgeschlossen gewesen sein. Reicht es nicht, wenn man annimmt, dass der Wagen um 3500 v. Chr auch im Ursprungsgebiet der IE-Sprachen bekannt war? Mal angenommen irgendwo in Anatolien und dort wurde er "Wagen" genannt. In Europa, Iran, Indien und Sumer war er auch bekannt. Er war bestimmt noch kein gewöhnliches Alltagsgerät, sondern etwas auffallendes neues, das viele nur vom Hörensagen kannten, was die von dir verlinkten Behältermodelle mit Rädern ja andeuten. Dann kann er in Europa um 3500 doch "Dingsda" und in Nordindien "Lotte" genannt worden sein, da ja diese Regionen irgendwann später einen Sprachwechsel vollzogen haben, sind diese Wörter mit den Vorsprachen ausgestorben.
Das ist ja gut möglich, keine Frage. In dem Fall gäbe es keinen Zusammenhang zwischen der Verbreitung des Wagens und der Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen. Wenn es keinen Zusammenhang gibt, sind die Wagenwörter für unsere Diskussion irrelevant. Genauso irrelevant wie die indoeuropäischen Schiffswörter (Mast, Ruder) - aus denen schließt ja auch niemand, dass die Indoeuropäer per Schiff in ihre spätere Verbreitungsgebiete gekommen sind.
Es ging mir hier nur um konsequente Argumentation.
 
Naja, wir haben ein Siedlungsnebeneinander beider Kulturen, keine Zerstörungshorizonte der Donauzivilisation, und meines Wissens auch keine Waffenfunde. Da erscheint die Schlussfolgerung nicht so abwegig.

Von "abwegig" habe ich nichts geschrieben. Es ist nur so, dass sich die "Schlussfolgerungen" im luftleeren Raum bewegen, denn aus der benachbarten Steppe gibt es in der fraglichen Zeit laut Elke Kaiser überhaupt keine verwertbaren Funde:
"Die heimatlos gewordenen Bewohner der südosteuropäischen Siedlungshügel seien in das nordwestpontische Gebiet eingewandert und hätten sich dort unter den Schutz der berittenen Hirten gestellt, die hier inzwischen an Kontrollstellen ihre Machtpositionen implementiert hatten, die die indoeuropäische Grundsprache sprachen und die die Neuankömmlinge ihrem Sozial- und Ritualsystem unterwarfen. Tatsächlich beschreibt Rassamakin (1999, 127-129; 2004, 182) einen Hiatus zwischen 4100 bis 3900/3800 v. Chr. für den im Steppenraum zumindest keine absolut datierten Komplexe namhaft gemacht werden können.
...
Der Sprachwechsel und die verstärkte Präsenz des Suvorovo-Novodanilovka-Komplexes hätte somit in einer Zeit stattgefunden, für die bislang nur wenige archäologische Befunde im nordwestpontischen Gebiet bekannt sind. Diese Problematik wird von Anthony nicht diskutiert..."
 
...hat nicht gerade die Ausbreitung oder Annullierung (je nachdem) von Religionen stets einen recht unfriedlichen Eindruck gemacht? jedenfalls in historischen Zeiten, man denke an das Verbot bzgl. Druiden oder die Germanenmission

Nein.
Zumindest nicht "stets", sondern in Einzelfällen. Die Sachsen wurden unter Einwatz von Waffengewalt "missioniert", aber von den Goten, Alemannen, Franken oder Angelsachsen kann man das wohl kaum behaupten.
Die Römer waren gegenüber den meisten Religionen sehr tolerant. Einige hatten sie auf dem Kieker, wie z. B. die Druiden, aber auch die Christen. Die haben aber ihre Religion trotzdem sehr erfolgreich im römischen Reich verbreitet.
Aber das ist wieder ein ganz anderes Fass.
 
pardon, erst mal etwas off-topic:
Nein.
Zumindest nicht "stets", sondern in Einzelfällen.
dass sich Religionen besonders friedlich und nur in Einzelfällen blutig ausgebreitet haben, erscheint mir nicht allzu wahrscheinlich, und das besonders dann nicht, wenn sie sich quasi im Gefolge territorialer Eroberungen ausbreiteten - die Toleranz des röm. Imperiums dürfte eher die Ausnahme als die Regel gewesen sein (und die Grenze der Toleranz war wohl bei den Druiden wie auch bei manchen oriental. Kulten erreicht) -- was die christl. Missionierung von der Spätantike bis ins Mittelalter betrifft, so war diese friedlich, sofern irgendwelche Herrscher das Christentum übernahmen (Franken, Burgunder, Vandalen, Ungarn), ansonsten aber flogen da oft genug die Fetzen (auch bei den Goten, die nicht sofort geschlossen zum Christentum übertraten - zu schweigen von den Pruzzen und den von dir erwähnten Sachsen)

Aber das ist wieder ein ganz anderes Fass.
Das ist richtig, und dieses Fass muss hier - trotz Karneval - nicht angestochen werden.

Mir ging es um den Hinweis, dass möglicherweise Religion(en) zur Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache beigetragen haben könnten (das wäre dann vermutlich eine weitere friedliche Form der sprachl. Überlagerung?), und das hab ich bezweifelt: wir wissen nun mal weder viel über vorgeschichtliche indoeuropäische oder andere Religionen und Mythologien.
 
ansonsten aber flogen da oft genug die Fetzen (auch bei den Goten, die nicht sofort geschlossen zum Christentum übertraten - zu schweigen von den Pruzzen und den von dir erwähnten Sachsen)

Da wirfst du aber zwei Dinge in einen Topf: Die blutige Ausbreitung der Religion durch den Deutschen Orden oder Karl den Großen auf der einen Seite und Christenverfolgungen bei den Goten auf der anderen Seite.


Mir ging es um den Hinweis, dass möglicherweise Religion(en) zur Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache beigetragen haben könnten (das wäre dann vermutlich eine weitere friedliche Form der sprachl. Überlagerung?), und das hab ich bezweifelt: wir wissen nun mal weder viel über vorgeschichtliche indoeuropäische oder andere Religionen und Mythologien.

Das passt doch unheimlich gut zur sonstigen Kaffeesatzleserei in diesem Thread. :fs:
 
pardon, erst mal etwas off-topic:

dass sich Religionen besonders friedlich und nur in Einzelfällen blutig ausgebreitet haben, erscheint mir nicht allzu wahrscheinlich
Im Falle des Buddhismus wird es wahrscheinlich schwierig werden, mehr als nur Einzelfälle zu finden, und sogar der als besonders militant verschrieene Islam hat sich nur teilweise im Lauf von Eroberungen ausgebreitet. In das Land mit der heute kopfstärksten islamischen Bevölkerung (Indonesien) kam der Islam durch Händler, nicht durch Invasionsheere. Aber bitte, einigen wir uns darauf, dass die Wahrheit irgendwo zwischen "immer" und "nur in einzelnen Ausnahmefällen" liegt - und das Fass bleibt zu.

Mir ging es um den Hinweis, dass möglicherweise Religion(en) zur Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache beigetragen haben könnten (das wäre dann vermutlich eine weitere friedliche Form der sprachl. Überlagerung?), und das hab ich bezweifelt: wir wissen nun mal weder viel über vorgeschichtliche indoeuropäische oder andere Religionen und Mythologien.
Da gebe ich dir uneingeschränkt recht.

Dass die frühesten historisch fassbaren Religionen indoeuropäischer Völker (Hethiter, Griechen, Iraner, Inder) jeweils ein recht großes Pantheon aller möglichen, oft auch von Nachbarn entlehnten Göttern aufweisen und man die indoeuropäischen Gemeinsamkeiten mit der Lupe suchen muss, spricht nicht gerade für eine religiös motivierte Ausbreitung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da wirfst du aber zwei Dinge in einen Topf: Die blutige Ausbreitung der Religion durch den Deutschen Orden oder Karl den Großen auf der einen Seite und Christenverfolgungen bei den Goten auf der anderen Seite.
ich dachte da nur ganz allgemein an Ausbreitung und/oder Annullierung ohne zu differenzieren a) hier wissen wirs nicht, b) geschah auf Befehl von xy, c) hat sich unter Jubel und Freudentränen friedlich ausgebreitet :winke: - also so ähnlich wie Landkarten (z.B. erst waren hier die Feueranbeter, dann die Zeusanbeter)


Das passt doch unheimlich gut zur sonstigen Kaffeesatzleserei in diesem Thread. :fs:
:):) wobei ich mich immer noch frage, ob die Sprachwiss. als zur Kaffeesatzleserei zugehörig betrachtet wird oder nicht - das wäre doch eine schöne Rosendienstagsumfrage, die bis Aschermittwoch natürlich abgeschlossen sein muss.


@ Beaker: da sind wir uns einig, auch bzgl. der indoeur. Religion(en)
 
:):) wobei ich mich immer noch frage, ob die Sprachwiss. als zur Kaffeesatzleserei zugehörig betrachtet wird oder nicht -

Unser geschätzer Mitdiskutant DerGeist würde diese Frage lebhaft bejahen. Das eigentliche Problem ist aber, dass manche Leute Kaffeesatzleserei betreiben und dies dann Sprachwissenschaft nennen. Wenn man sich dagegen an die Methoden der Sprachwissenschaft, z.B. der Historiolinguistik oder vergleichenden Sprachwissenschaft hält, dann ist Sprachwissenschaft selbstverständlich keine Kaffeesatzleserei. Und man muss natürlich bereit sein, die Grenzen der Methoden und die Grenzen der möglichen Erkenntnis anzuerkennen.
Dabei ist es - in der Theorie - durchaus möglich, dass man mit den Methoden der historisch vergleichenden Sprachwissenschaft der "Urheimat" näher kommt (natürlich unter der positiv angenommenen Voraussetzung, dass eine solche "Urheimat" auch tatsächlich existierte), wenn man es nur schaffte, die Rekonstruktion der indoeuropäischen Ursprache so weit voranzutreiben, dass man letztlich eine geographische Region mit einer Flurnamenschicht ermitteln könnte, die auf eine urindoeuropäische Namensgebung verweisen würde. Es steht allerdings zu befürchten - und das heißt, die Grenzen der Methoden und des Materials anzuerkennen - dass es niemals gelingen wird, die sogenannte "Urheimat" zu ermitteln.
 
Wenn man sich dagegen an die Methoden der Sprachwissenschaft, z.B. der Historiolinguistik oder vergleichenden Sprachwissenschaft hält, dann ist Sprachwissenschaft selbstverständlich keine Kaffeesatzleserei. Und man muss natürlich bereit sein, die Grenzen der Methoden und die Grenzen der möglichen Erkenntnis anzuerkennen.
da stimme ich komplett zu!

Dabei ist es - in der Theorie - durchaus möglich, dass man mit den Methoden der historisch vergleichenden Sprachwissenschaft der "Urheimat" näher kommt
1.
(natürlich unter der positiv angenommenen Voraussetzung, dass eine solche "Urheimat" auch tatsächlich existierte),
2.
wenn man es nur schaffte, die Rekonstruktion der indoeuropäischen Ursprache so weit voranzutreiben,
3.
dass man letztlich eine geographische Region mit einer Flurnamenschicht ermitteln könnte, die auf eine urindoeuropäische Namensgebung verweisen würde.
(Pardon wegen der Unterteilung, die hab ich mir wegen der Übersichtlichkeit gestattet)

zu 2
das Modell einer gemeinsamen Vorgängersprache zeichnet sich ja auch in einzelnen Zweigen des ie. ab: nichts spricht gegen das erschlossene "gemeingermanisch", auch wenn es in dieser Sprache keine umfangreichen Quellen gibt - wenn also ahd., ae., anord., got. usw. eine erschlossene Vorgängersprache haben (und bis jetzt spricht nichts dagegen), kann man eine analoge Rekonstruktion auch anderswo machen -- wie es scheint, ist aber leider noch kein kompletter "urindoeuropäischer Wortschatz" erschlossen (?)

zu 3
da wird sicher als ein Problem bzgl. der Glaubwürdigkeit auftauchen, dass Orts- und Flurnamen oftmals erst recht spät (und dann in späteren Folgesprachen) aufgezeichnet sind, d.h. die sprachhist. Argumentation vollzieht sich da innerhalb ihrer Regeln (wir haben ja leider keine 5000 Jahre alte Tafel mit der Aufschrift "das hier ist die Donau"). z.B. die ältesten Sprachzeugnisse des albanischen sind recht jung, aber eine ie. Sprache ist es dennoch und es wird wohl albanisch Sprecher auch vor diesen Aufzeichnungen gegeben haben (was ultrastrenge Kritiker eigentlich bezweifeln müssten ;) )
 
Demnach müssten Metallhändler/Bergleute/Schmiede und ihr Anhang die Sprache nach West (Europa) und Ost (Indien) getragen haben?

Hmmm... also ich glaube nicht, dass Metallhändler alleine dazu beigetragen haben, die Sprache weiterzuverbreiten. Wahrscheinlicher sind da Sachen wie Sachen wie Auswanderungswellen oder ein - sagen wir mal - grosses Tummelfeld an Steppenvölkern - die sich ausgebreitet haben / herumgewandert sind. Die Uebereinstimmungen sind zu breit, dass sie bloss vom Metallhandel (und meinetwegen auch sonstigem Handel) hätten entstehen können.
Handel ist zwar ein wichtiger Faktor (und ich glaube sogar, dass der Handel teilweise sogar Glaubenselemente verbreitet hat), aber die indeuropäischen Sprachgemeinsamkeiten sind viel breiter als blosse Handelstermini. Beispiele:

irisch tuath (stamm, volk)
walisisch tud (land, volk)
bretonisch tud (land, volk)
englisch dutch (für Holländer, holländisch)
lateinisch totus (alle)
baltisch tauto (land)
festlandkeltisch Toutatis (auch eingedeutscht Teutates für "Allvater" = eine Gottheit)

Oder man nehme das Wort Maus (bzw. deren Wortwurzel) in den verschiedenen indoeuropäischen Sprachen:
Sprache, Sprachvergleich, Etymologie: Maus

Das das alles Lehnwörter[1] sein sollen, ist unwahrscheinlich.

[1] = Lehnwort = Wort, das aus einer anderen Sprache übernommen ("importiert) wurde. Beispiele für Lehnwörter:
Manager aus dem Englischen
Kiosk aus dem Arabischen
Roboter (= Arbeiter) aus dem Tschechischen

Weitere Beispiele:

Beispiel:
Zeus
iupiter
thiu

dazu kann man noch hinzufügen:

sanskrit: deva
altnordisch: tivar
lateinisch: deus
keltisch: divo bzw. devo

Auch hier erkennt man die gemeinsame Wortwurzel (vermutlich *deiwa). Wohl kaum alles Lehnwörter.

Schlussfolgerung: es hat - in irgend einer Form - eine gemeinsame Basis gegeben. Aber diese Basis war wohl kaum homogen und hat sich - im Rahmen der Zeitachse - laufend weiterentwickelt. Wir werden wohl kaum eines Tages ein Grab finden, wo wir sagen können, das war nun jetzt DER Indoeuropäer. Die Wahrheit ist komplexer und vielschichtiger (Stichwort moving targets[2]).

[2] = ein Ziel, das sich andauernd bewegt
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man betrachten will, ob Wörter durch Übernahme einer ganzen Sprache oder nur als Lehnwörter aus einer anderen Sprache übernommen sind, bietet es sich an, diese Wörter zu kategorisieren.

Als Wörter, die besonders gut als Lehnwörter in Betracht kommen würde ich Bezeichnungen für neue Konzepte nehmen. Das hatten wir oben schon im Zusammenhang mit Nutztieren, Nutzpflanzen und technischen Innovationen.

Dagegen würde ich als Wörter die typischer Weise zum Sprachsubstrat gehören (also zur aufnehmenden Sprache) solche Wörter zählen, die Konzepte bezeichnen, die schon vor dem Kontakt mit Zugezogenen bekannt gewesen sein müssen.

Hierzu würden mir Vater, Mutter, Tochter, Sohn, Onkel, Tante einfallen. Ups: Onkel und Tante sind französische Lehnwörter im Deutschen! Sie sind wohl als Modewörter importiert worden, gemeinsam mit Cousin und Cousine. Sie bezeichnen keine neuen Konzepte, sondern ersetzen Mume und Ohm, Base und Vetter. Das würde wahrscheinlich kaum noch jemand wissen, wenn wir nicht so viel schrieben.

Immerhin haben aber einige der Wörter für Familienmitglieder die französische Spracheinflussnahme überlebt. Der Vater wurde nicht vom Père ersetzt, die Tochter nicht von der Fille.

Hieraus würde ich folgern, dass auch ein Grundvokabular für seit Menschengedenken immer zu bezeichnende Begriffe einem Austauschdruck durch Lehnswörter ausgesetzt ist.

Wir können also nicht einmal ausschließen, dass Wörter, die wir für urindogermanisch halten, viel später allgemeine Verbreitung gefunden haben. Es sei denn, wir hätten archäologische Zeugnisse, die ihr Vorhandensein in Schriftform zu entsprechender Zeit belegen.

Hier könnte man nun die Eigenheiten der Übernahme französischen Vokabulars ins Deutsche betrachten: Oberschicht- und Bildungssprache. Nachahmungseffekte durch die nachgeordneten Bediensteten. Evtl. normierende Effekte durch Aufnahme in Schultexte.

Ein anderer Ansatz kann dann in einer statistischen Auswertung liegen. Dazu müssten wir uns aber davon verabschieden, dass ein jeder seine Liste, ihm genehmer Beispiele zusammenstellt, in der eben nicht die Gegenbeispiele enthalten sind.

Ich will damit keineswegs suggerieren, dass eine rekonstruierende Herangehensweise an proto-Sprachen sinnlos oder unseriös wäre. Ich möchte nur auf einen möglichen Grund und die Vermeidbarkeit beliebiger Ergebnisse, die womöglich auch noch in einigen Fällen Wunschergebnisse sind, hinweisen.
 
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