Julikrise/Kriegsausbruch

@thanepower: Im wesentlichen Zustimmung, aber bite im Auge behalten, dass es zwei halt-in-Belgrad-vermittlungen gab: 28. und (nacht zum) 30. Ersteres war KW: Diese Vermittlung wurde von Bethmann noch ganz bewusst flau gemacht. Den Österreichern wurde signalisiert "müssen wir jetzt leider tun, weil sonst Odium des ASngreifers". Am 30. aber, aufgrund des Grey-Vorschlags, wurde Bethmanns Ton wirklich dringend. (Interessant: Den eigenen Kaiser beschubst er regelrecht, aber Grey nahm er ernst!) Ob er für ein paar Stunden wirklich vermitteln wollte und dann von den falken umgebogen wurde oder ob er auch am 30. n u r die von Dir genannten Motive hatte (dass er die auch hatte ist unstrittig) bleibt mE ein Stück weit offen.
 
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Natürlich war es ein Brinkmanship allerdings von mehreren Seiten. Es waren alle imperialistische Großmächte und sie spielten alle nach ähnlichen Regeln!

http://www.geschichtsforum.de/712428-post616.html

Bestreite ich nicht, hat aber mit der Frage, wer das Spiel warum eröffnet hat nichts zu tun. Die Mittelmächte haben es eröffnet und hatten aggressive Absichten. Dass die Triple-Entente dann nicht mit den methoden einer postmodernen KiTa antwortet, in der erst einmal der Morgenkreis einberufen wird, kann man ihnen kaum zum Vorwurf machen.
 
[...]Dass die Triple-Entente dann nicht mit den methoden einer postmodernen KiTa antwortet, in der erst einmal der Morgenkreis einberufen wird, kann man ihnen kaum zum Vorwurf machen.

Eine solche Aktion, wie hier benannt:

"Mr. Runciman und Mr. Hurst, Justitiar im Foreign Office, haben Kröller erklärt, daß Deutschland ausgehungert werden müsse und wenn der Krieg drei Jahre dauert.
Carl Gneist, 3.September 1914

kann wohl kaum in der Ausführung eine Ad hoc Handlung entspringen!




 
Die Mittelmächte haben es eröffnet und hatten aggressive Absichten.

Das dürfte wohl der Stand der Erkenntnis sein. Man muss sich dazu nur die zeitlich Abfolge ansehen, um diese Aussage zu verifizieren.

Wobei einzuschränken ist, dass die lokalen Interessen der Serben, auch durchaus durch einen aggressiven Nationalismus gesteuert waren. Und das Attentat auch als politisches Symbol betrachtet werden kann, und bewußt darauf abzielte, den Balkan erneut als Krisenherd eskalieren zu lassen. Und vor allem Russland wieder verstärkt als "Schutzmacht" der "Süd-Slawen" in die politischen Konflikte auf dem Balkan wieder stärker einzubinden.

Dass die Triple-Entente dann nicht mit den methoden einer postmodernen KiTa antwortet, in der erst einmal der Morgenkreis einberufen wird, kann man ihnen kaum zum Vorwurf machen.

Dass Großmächte, die alle samt "Status-quo" orientiert in 1914 dachten und handelten, dann auf das Ultimatum in der Folge reagierten, ist wohl auch unstrittig.

Strittig ist, welche Intentionen Russland verfolgte, laut McMeekin, führte es Krieg wegen Konstantinopel, und welche Rolle Frankreich dabei verfolgte. Ob aggressive Ziele oder nicht.

Und strittig ist, wer zu welchem Zeitpunkt deeskalieren können oder müssen.

Und diese Sicht hat Clark in seiner Darstellung in Bezug auf Russland und Frankreich adaptiert. Und daraus resultieren im Forum primär die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Ursachen für den Ausbruch des WW1.
 
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neben unstrittigen Verdiensten Clarks - ja, Serbien war auch eine lokal aggressiv agierende Macht, und es ist gut, den Blick hierauf zu richten (wobei ich schon denke, dass Apis das Attentat auch innenpolitisch gegen Pasic gemeint hat, aber gut...) - neben all seinen Verdiensten ärgert es mich einfach, wenn ich zB lesen muss, Berlin habe das Ultimatum ja auch erst am 22. kennen gelernt, der Glaube der Triple-E daran, Berlin wisse genau, was gespielt wurde, sei fragwürdig oä... Das ist, verzeihung, fast schon unseriös. Stimmt zwar, den genauen Text kannte Berlin erst am 22. (immerhin dennoch einen Tag früher als der eigentliche Adressat, man hätte noch bremsen können!), aber Berlin wusste natürlich von Beginn an, was gespielt wird...nämlich unanehmnbares U. an Belgrad mit dem Ziel lokaler Krieg. (Belege erspare ich mir)
 
Eine solche Aktion, wie hier benannt:

"Mr. Runciman und Mr. Hurst, Justitiar im Foreign Office, haben Kröller erklärt, daß Deutschland ausgehungert werden müsse und wenn der Krieg drei Jahre dauert.
Carl Gneist, 3.September 1914

kann wohl kaum in der Ausführung eine Ad hoc Handlung entspringen!




Dass England blockieren würde war jedermann klar. M.W. hat die Marineleitung auch seit etwa 1912 erkannt, dass es auf eine Fernblockade hinauslaufen würde. Frage mich jetzt nicht nach dem Beleg.
 
Also ich habe auch ein paar Bücher zur Julikrise im Regal stehen, aber das die Weltbrandtelegramme von Bethmann eine Zirkusnummer zur Täuschung des interessierten Publikums waren, habe ich noch nirgends gelesen. Das wäre ja geradezu der Gipfel...
Zum jenem Zeitpunkt war Bethmann auch klar das Großbritannen nicht neutral bleiben würde. Deswegen wurde ja u.a. auch eiligst zurückgerudert. Die SPD hatte ohnehin eine Abneigung gegen das zaristische Regime und es bedurfte da nicht viel, Stichwort Mobilmachung, um sie dabei zu haben.

Bethmann hat, mit erheblicher Verzögerung, den Befehlen des Kaisers Folge geleistet. Nicht mehr, und nicht weniger.

Das Deutsche Reich hat ohne Frage eine nicht geringe Schuld auf sich geladen, insbesondere die deutsche Botschaft in Wien und das deutsche AA haben da gewaltig gefingert.

Aber Russland und Frankreich waren ganz gewiss nicht sooo unschuldig, wie hier dargestellt. Welchen Anlass gemäß der Militärkonvention gab es denn für Poincare den Russen Unterstützung überdeutlich zu signalisieren. Und die Störung des Funkverkehr. Na und. Man ging in Schweden an Land und hat dort entsprechend mit der Hauptstadt Paris kommunziert und wollt eigentlich auch die Schweden ins Boot holen. Wozu?
 
Also ich habe auch ein paar Bücher zur Julikrise im Regal stehen, aber das die Weltbrandtelegramme von Bethmann eine Zirkusnummer zur Täuschung des interessierten Publikums waren, habe ich noch nirgends gelesen. Das wäre ja geradezu der Gipfel...

Winkler, H.A., Der lage Weg nach Westen Band 1 zB

Und noch weitere. Entscheidend bleibt ja die Frage: Warum die vermittlung nach 22 h, wenn wir das Schlafbedürfnis mal mit 5 h in Rechnung stellen nach 17 h wieder abgebrochen - und zwar aktiv abgebrochen, durch Botschaft nach Wien! . wurde! Und warum Moltke schon vorher signalisiert hat "Deutschlamnd geht unbedingt mit" (Gespräch mit Bienerth war 30.7. früher nachmitag 14 Uhr (Krumeich, Juli 1914, aaO p. 154). Und warum Moltke schon am 26. das Ultimatum an Belgien vorformuliert. Und warum Wenninger allgemeine Freude im Kriegsministerium antrifft (die er selber teilt), alles sei froh, übern Graben zu sein. Und warum Admiral v. Müller formuliert, die Regierung habe glückliche Hand gehabt, uns als die Angegriffenen erscheinen zu lassen. Und warum absurde Tartarenmeldungen ausgestreut werden. Immer passen sie (Frankreich soll belgische Neutralität verletzt haben etcetc) Und warum Theodor Wolff, zu seiner Fassungslosigkeit, schon während des Krieges herausrecherchiert, zum Schluß auch regelrecht mit Geständnissen der Beteiligten konfrontiert wird, letztlich habe man den Krieg ja gewollt. Und warum Jagow einer guten Freundin gegenüber (als gute Beobachterin bekannt, Belastungseifer ist mnicht zu unterstellen) zugibt, er fühle sich elend, weil man den Krieg ja gewollt habe. Und und und...
 
Nichts gegen Winkler, aber eine detaillierte Studie zur Julikrise ist das nun wirklich nicht.

Und fiktive Schlafbedürfnisse etc. sind auch nicht hilfreich.

Und Krumreich sein Werk zum Juli 14 ist fehlerhaft und die Dokumente leider recht einseitig ausgewählt; nämlich nur auf Deutschland fixiert.
 
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Vielleicht sollte ich meine Thesen zur Julikrise (man muss ja step for step orgehen) noch einmal erweitern.

ich sehe zumindest zwei Ansätze (natürlich sind noch sehr viel mehr möglich, aber ich entscheide mich, ohne Begründung, als purer Methodendezisionist, jetzt mal für zwei): Strukturelle Ursachen und ganz konkrete Ursachen.

Strukturell: Da ist ganz Europa, auch Serbien, auch (!!!) Belgien (Belgisch-Kongo!), in die Pflicht zu nehmen. Alle, ausnahmelos alle haben die imperialistische Welt vor 1914 etablieren helfen: Imperialismus/Weltpolitik als Wert an sich, Militarismus/Wertschätzung des Militärischen, Sozialdarwinismus/sog. Bürde des weißen Mannes/Kolonialismus etcetc, wir müssen das nicht alles auflisten (müsste man eigentlich, bis ins Detail, aber ich poste hier bloß ein bißchen, und schreibe keine Diss ;-) )

Und aus genau diesem Grund ist Versailles 231 einerseits natürlich auch verlogen.

Na dann beginne doch einmal deinen Blickwinkel zu weiten. Wenn ich deine Post lese, bekomme ich den Eindruck vermittelt, dass das Deutsche Reich quasi die Alleinschuld am Ersten Weltkrieg, ganz im Sinne von Fritz Fischer, trägt und die Triple Entente und Serbien nur Opfer waren.
 
sagen wir mal so: Derzeit verweigerst Du alle Antworten auf Fragen, die ich gestellt habe. Es ist zum Beispiel unstreitig, dass die von Berlin am 30. angeleierte Vermittlung 22 h später (die 5 Schlafstunden seien Dir und dem damaligen deutschen Reich hiermit geschenkt...obwohl solche Stunden in der Julikrise sehr wohl wichtig waren, zB als Jagow am 27. vorsätzlich verzögert hat...) vorsätzlich per Botschaften an Tschirschky aufgehoben wurde. Da hätte ich gerne mal ne Stellungnahme von Dir. Warum wird der deutschen Botschaft Wien 30.07.14 spätabends signalisiert: Alle Vermittlung einstellen! Warum? Deine Antwort mögest Du freundlicher- oder meinethalben auch feindlicherweise kontrastieren mit dem Wissen darum, dass Moltke am 30. 07. 1914 Bienerth und somit Wien signalisierte, Berlin gehe unbedingt mit..
 
Ebenso, wie du penetrant Frankreich und Russland außerhalb der Betrachtung läßt. Und weshalb die Bemühungen in Wien eingestellt wurden, habe ich oben schon ausgeführt.

Und Moltke war, das habe ich auch schon einmal ausgeführt, war weder Reichskanzler noch Staatssekretär im AA, sondern schlicht Chef des Generalstabes. Dessen Aufgaben und Kompetenzen sind dir doch sicher bekannt oder? Jedenfalls hatte er in dieser Frage überhaupt gar keine entsprechende Entscheidungskompetenz; was er also meinte, war schicht nicht relevant. Natürlich passte Moltke, der genau wie insbesonderen Falkenhayn den Krieg wollte, Bethmanns Agieren nicht, aber wie gesagt....
 
Und dass das Auswärtige Amt eine Menge Schuld auf sich geladen hat, habe ich ebenfalls schon ausgeführt.

Nur, das deutsche AA und der Ballhausplatz waren nicht die einzigen, die am Rad gedreht haben.
 
sagen wir mal so: Derzeit verweigerst Du alle Antworten auf Fragen, die ich gestellt habe......

sagen wir mal so: ein Diskussionsstil der Unterstellungen bemüht, ist selten geeignet den Erkenntnisgewinn zu steigern. Auch ist großer Eifer nicht schon aus sich selbst heraus der Humus der Weisheit.
 
P { margin-bottom: 0.21cm; }A:link { } @ hatl, .. Die Behauptung, die russische Mobilmachung habe etwas Eskalierendes an sich gehabt, ist schlicht absurd (und übrigens auch infam): genau diese Mobilmachung wollte das deutsche Brinkmanship ja abtesten/herauskitzeln! Ich kann doch nicht jemanden provozieren, und wenn der Provozierte Wirkung zeigt, ihm dann den schwarzen Peter zuschustern (d.h. ich kann das machen, geschieht ja auch ständig, habe mich aber nicht zu beschweren, wenn ich dann demaskiert werde)! Genau das war ja auch der Zweck des deutschen Schachzugs – nämlich den Schwarzen Peter loswerden. Die gesamte deutsche Diplomatie spricht sich darüber in ihren internen Vermerken ganz offen aus. Wo dreht Russland an der Schraube, nur, weil es, der damaligen Machtlogik entsprechend, genau das tut, was Bethmann erwarten musste und auch erwartet hat? Und bitte dazu nicht Münkler lesen. Der glaubt ja sogar, Russland habe Deutschland den Krieg erklärt... ;-) (Ja, das ist jetzt Polemik!)

...

Es ist naheliegend anzunehmen, dass eine Mobilisierung der Streitkräfte, was ja bedeutet, dass man selbst unmittelbar Kriegsvorbereitungen trifft, die alle gesellschaftlichen Lebensbereiche betreffen, und damit auch das individuelle Selbstbestimmungsrecht der eigenen Bürger drastisch einschränkt, eskalierend sein kann. (man stelle sich nur vor die Nato würde wegen der Ukrainekrise eine Generalmobilmachung ausrufen. Nur als Vergleich- bitte hier nicht in die Tagespolitik abdriften) Und es ist doch weit weniger die Frage ob ein derartiges Handeln in diesem Sinne zu verstehen wäre, sondern ob ein solches Handeln als Gipfel einer vorausgegangenen Zuspitzung gesehen werden müsste.

"(Ja, das ist jetzt Polemik!)"
Na, das ist ja mal eine ehrliche Ansage.
Ich möchte Dich aber höflich darauf hinweisen, dass in Fachforen, im Gegensatz zum 'Haudrauf' allvorhandener 'Politforen' "Polemik" unangebracht ist.
Ebenso wie die Frage "Lügt Röhl?", die sich auch in dieser Kategorie findet.
Denn hier legst Du ja nahe, dass jene, die andere Schwerpunkte bei der Betrachtung der schwer entwirrbaren Sachverhalte sähen, diesen hochgeschätzten Historiker damit der Lüge bezichtigen müssten. Und offensichtlich ist auch dieser Ansatz polemisch und findet seine Motivation eindeutig nicht in der Absicht ein kompliziertes Thema zu ergründen.
 
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