Die eigentliche Frage ist doch: Ist es relevant, ob Hitler einem sowjetischen Angriff zuvorkam.
Eigentlich doch nicht:
1. Das Motiv von Unternehmen Barbarossa war, die Rote Armee zu vernichten.
2. Der Aufmarsch der Roten Armee in den westlichen Militärbezirken im Frühjahr 1941 wurde in Berlin nicht als Bedrohung, sondern als Chance aufgefasst.
3. Bereits seit Sommer 1940 wurden konkrete Pläne für den Angriff entwickelt.
4. Der Auftrag für Unternehmen Barbarossa erfolgte am 21. Dezember 1940.
Selbst wenn die Sowjetunion 1941 einen Angriff geplant hätte, ändert dies nichts an der Tatsache, dass Unternehmen Barbarossa als aggressiver Eroberungsfeldzug geplant wurde.
Da wir davon ausgehen müssen, dass die sowjetische Führung über die deutschen Planungen frühzeitig im Bilde war (Whaley: Codeword Barbarossa), kann der sowjetische Aufmarsch nur als Reaktion auf die Massierung deutscher Truppen an der sowjetischen Westgrenze verstanden werden. Inwiefern ein präventiver Angriff auf die deutschen Truppenkonzentrationen geplant war, läßt sich gegenwärtig nicht mit Bestimmtheit sagen. Es gibt jedoch nicht von der Hand zu weisende Indizien dafür, dass die Rote Armee nicht zu einer großangelegten Offensive weit nach Deutschland hinein in der Lage war (Glantz: Stumbling Colussus, When Titans Clashed).
Fazit:
Da bewiesenermaßen die Präventivkriegthese von den Nazis als Deckmantel für die Vorbereitungen für den Angriff auf die Sowjetunion benutzt wurden, scheidet diese als wahres Motiv für Unternehmen Barbarossa aus. Da die Rote Armee strukturell nicht angriffsfähig war, steht fest, dass ein sowjetischer Angriff nicht bevorstand. Ergo kann für 1941 die These, Hitler sei einem sowjetischen Angriff zuvorgekommen, widerlegt werden.