Marschall Blücher: Genialer Feldherr oder seniler Sturkopf?

Der Haken liegt nicht direkt daran, die strategischen Entscheidungen des Fehldherren zu überprüfen (diese müssen subjektiv sein), sondern deren Ausführung im Detail. Genau die kontrolliert und koordiniert(!) der Generalstab. Außerdem bietet er einen zuverlässigen Kriegsrat aus Berufsoffizieren.

Den ursprünglichen Grund hat es darin, dass Heere ab einer bestimmten Größe von einem Einzelnen unführbar werden. Napoleon hat dies oft schmerzlich zu spüren bekommen.
 
Was genau ist unter einer "Überprüfung" einer Feldherrenentscheidung zu verstehen? Normalerweise wird ein Oberkommandierender doch erwarten, daß seine Befehle direkt umgesetzt werden.
Es werden Befehle ausgearbeitet, die an die Befehlshaber der jeweiligen Einheiten ausgegeben werden. Hier können Fehler unterlaufen. Wenn der Generalstab keine Ein-Mann-Show ist, wo der Rest in Bewunderung den Mund zu halten hat, können Fehler, schlechte Ideen usw. hier abgefangen und abgeändert werden. Oder Versäumnisse kompensiert. Z.B. hat nach Ligny, weder Napoleon, noch Grouchy in Richtung Wavre aufklären lassen, sondern sich auf den Weg nach Lüttich beschränkt. Das ist z.B. ein Versäumnis, dass ein kompetenter und funktionierender Generalstab abfängt. Gibt auch andere Beispiele des Feldzugs von 1813, müsste sie aber heraussuchen. Das hier fällt mir sofort ein.
Wer hat denn z. B. Wellingtons Befehle überprüft?
Weiss ich nicht. Kenne die britische Armee zu wenig.
Und verstehe ich Dich richtig, daß es eine Entwicklung gab, so daß vor und bis Napoleon Feldherrenentscheidungen nicht überprüft wurden, und mit den Alliierten 1813 beginnend wurde das üblich und "modern"?
Das könnte ich in der Form so nicht behaupten, sintemal Napoleons Befehlsgewalt in der Revolutionszeit von Berthiers Stab eingeschränkt war. Allerdings hat das allerspätestens nach der Kaiserkrönung aufgehört.
Das System, das man in Preussen implementiert hat, war im Grunde ähnlich, hat sich aber in einigen Punkten vom französichen unterschieden, vor allem jedoch in der tatsächlichen Anwendung, weil es eben keine Ein- oder Zwei-Mann-Show war.
 
Oder Versäumnisse kompensiert. Z.B. hat nach Ligny, weder Napoleon, noch Grouchy in Richtung Wavre aufklären lassen, sondern sich auf den Weg nach Lüttich beschränkt. Das ist z.B. ein Versäumnis, dass ein kompetenter und funktionierender Generalstab abfängt.

Das Beispiel ist in sofern schlecht gewæhlt, weil Berthier im Waterloo-Feldzug (leider) nicht mehr Generalstabschef war. Soult hatte keinerlei Generalstabserfahrung.

Ohne N entschuldigen zu wollen (in der Tat hat er es gar nicht in Betracht gezogen, dass die Preussen noch halbwegs fit Richtung Wavre marschieren, er hielt es einfach fuer unmøglich), aber diese Aufklærung hætte durch den Korpskommandanten durchaus (auch) erfolgen muessen, jedenfalls kønnen.
Hier sind wir bei einer Schwæche des "System Napoleon", die (teilweise anerzogene) Unselbstændigkeit der Marschælle. Das lief in der Tat frueher besser, war aber hauptsæchlich von deren Charakter abhængig.

Gruss, muheijo
 
Das Beispiel ist in sofern schlecht gewæhlt, weil Berthier im Waterloo-Feldzug (leider) nicht mehr Generalstabschef war. Soult hatte keinerlei Generalstabserfahrung.
ist allerdings kein Beispiel für Berthier gewesen, sondern für das Nichtvorhandensein eines richtigen Generalstabs und der Fehler, die durch eine one man show entstehen (können).

Das sich die Preussen in Richtung Lüttich zurückziehen war eben Wunschdenken, was wohl auch nicht unlogisch gewesen ist.

Der Sinn und Zweck des Generalstabs war ja, das System nicht von dem Talent von Einzelpersonen, das sich möglicherweise zu Kriegszeiten entfaltet (oder auch nicht) abhängig werden zu lassen, sondern eine gewisse Konstanz in den Leistungen relevanter Einheiten zu gewährleisten, sogar wenn da Flaschen als Generäle agieren.
 
ist allerdings kein Beispiel für Berthier gewesen, sondern für das Nichtvorhandensein eines richtigen Generalstabs und der Fehler, die durch eine one man show entstehen (können).

Auf Berthier lasse ich ungern was kommen, ich wuerde doch gerne bei Gelegenheit Beispiele høren, wo er als Generalstabschef versagt hat.
Soweit ich mich erinnere, war er sogar einer der ganz wenigen, die N ihre Meinung sagen konnten und dies auch machte, trotz der Gefahr, einen der gefuerchteten Wutausbrueche des Kaisers auf sich zu ziehen.
Der wird schon den einen oder anderen Schnitzer des Kaisers behoben haben.
Grundsætzlich glaube ich, dass es besser ist, wenn 1-2 Mann entscheiden, als der "Debattierclub" auf der alliierten Seite.

Gruss, muheijo
 
In der Tat, die Entscheidungen sollen von so Wenigen wie möglich getroffen werden, allerdings braucht man aber Möglichkeiten, Fehler beizeiten zu korrigieren.

Man kann Berthier persönlich wenig vorwerfen, vor allem bei seinem Arbeitspensum. Die Armeen waren 1813 schlicht zu groß um von wenigen Personen geführt zu werden. Napoleon hätte wohl 5 Berthiers gebraucht und das ist auch nur ein Teil des Problems.
Dadurch das alles auf seine Person konzentriert war, hat sich Napoleon nicht unbedingt mit Individuen umgeben, die Ihre Ansichten darlegen, wenn sie dem Kaiser widersprechen, damit der Glanz und die Gloria auf ihn konzentriert sind, in der Hoffnung, das es Dynastiesichernd wirken wird. Die gesamte Herrschaft Napoleons war auf seine Person zentriert, Rivalen im Ruhm konnte er nicht gebrauchen (Digby Smith).
Daher wird man in seinem Umfeld selbstlose Männer und/oder (eher weniger kompetente) Jasager finden.
 
Napoleon selbst sagte zur Rolle Bernadottes:
"Es war Bernadotte, der dem Feind den Schlüssel zu unserer Taktik gab und ihm den Weg nach Frankreich zeigte." (Ebenda, Seite 76)

Strategisch hat Bernadotte als künftiger König von Schweden und ehemaliger Marschall des Empire also alles richtig gemacht.

Wieder hat jemand nicht verstanden, über sich an anderer Stelle selbst widersprechenden Bewertungen in Memoiren hinwegzulesen, die der verletzten Eitelkeit und dem Fatalismus am Ende einer Karriere geschuldet sind und gelangt daher nicht zu einer objektiven Sicht der Dinge. Das passiert, wenn man in geschichtlichen Feindbildern denkt.
 
Wieder hat jemand nicht verstanden, über sich an anderer Stelle selbst widersprechenden Bewertungen in Memoiren hinwegzulesen, die der verletzten Eitelkeit und dem Fatalismus am Ende einer Karriere geschuldet sind und gelangt daher nicht zu einer objektiven Sicht der Dinge. Das passiert, wenn man in geschichtlichen Feindbildern denkt.


Es stimmt, Napoleons Memoiren sind in weiten Teilen -wenn auch nicht nur- Mærchenbuecher mit umfangreichen Rechtfertigungen.
Hier denke ich aber schon, dass er Recht hatte:
Es war Bernadotte, der empfahl, die Franzosen immer dort anzugreifen, wo N nicht zugegen war.

Gruss, muheijo
 
Was die Schlacht zum Ausgangspunkt eines Desasters machte waren die Reaktionen. Erst die chaotische Flucht von König und Oberbefehlshabern, und dann davon inspiriert die kampflose Übergabe vieler wichtiger Festungen (vor allem Magdeburg). Keiner glaubte mehr an die Möglichkeit eines Siegs, Preußen bröselte in kürzester Zeit zusammen. Im Prinzip ist es ihnen halt plötzlich bewußt geworden was für eine Schnapsidee es gewesen war, ohne politisches Konzept fast im Alleingang einen weit überlegenen Gegner anzugreifen.

Die preußische Armee von 1813 war so viel besser nicht (die meisten Reformen hatten ja noch gar nicht wirklich gegriffen), und mußte auch Niederlagen wegstecken.
Aber da war halt klar, daß man weiterkämpfen konnte und wollte, das war der entscheidende Unterschied.

Was die Schlacht von Jena - Auerstedt zum Desaster machte, war die Selbstgefangenheit der Preußen in Ihrem Dünkel, die beste Armee der Welt zu haben und unschlagbar zu sein.
Aus diesem Grund ignorierte man, dass sich in Austerlitz 1805 die drei größten Kontinentalmächte und Armeen schlugen und stellte dem Sieger in vollkommener Abgehobenheit ein Ultimatum und erklärte ihm schließlich den Krieg.
Und dies mit einem Generalstab, der auch nach heutigen Maßstäben überaltert war und einer Armee, die sich die Schlossteile an den Musketen lockerte, weil dass so schön knallte beim Exerzieren. Deren Artillerie in keiner Weise modernsten Maßstäben der Bewegung folgen konnte und einem Alimentierungs - Beförderungs - und Beurlaubungswesen, dass jeder Leistungsorientierung entgegen stand. Der Mängel gibt es noch mehr aufzuführen.

In traumtänzerischer Selbstüberhöhung marschierte man dann auch noch in Sachsen ein und anstatt sich im Vorfelde auf diplomatischem Wege Verbündete zu suchen, nahm man die kleine Armee Sachsens, dass immer recht gute Verbindung nach Frankreich hatte, für sein wahnwitziges Unternehmen auch noch in Beugehaft zum Mitkämpfen.

Kein Wunder, dass die sächsische Armee nach kurzem Geplänkel, die Preußen in den Hohlwegen bei Vierzehnheiligen sterben ließ und sich "bedrängt, aber in vollkommener Ordnung" zurückzog.

Um es mal mit @exideuils Logik zu sagen:

Meines Erachtens ist es da völlig in Ordnung, wenn er vorsichtig agierte, um nicht durch einen strategischen Fehler sein kommendes Königtum in Frage zu stellen.

Resp. der Churfürst Friedrich August der III., der als König der I. werden sollte.
Den Sachsen war ja schließlich die Verwüstung Dresdens durch die Preußen im Siebenjährigen Krieg noch etwas gegenwärtig. Mit den Preußen hätte es ja eh nie Frieden gegeben. Sie hatten noch nie ein Maß für ihre Machtbestrebungen im Schnittpunkt von Frankreich, Russland und Österreich, was sich ja auch wiederum beim Wiener Kongress 1815 herausstellte.
(Wie war doch gleich der Spruch des Französischen Intrigenministers Talleyrand mit dem Verrat......?)

Das war die preußische Armee von 1806.

Noch im Frühjahr 1813 in Großgörschen machten alle Verbündeten einschließlich Freidrich Wilhelm der III. die gleichen Fehler, die er auch 1806 mit dem Herzog von Braunschweig in Jena gemacht hatte: man schob sich die Verantwortung gegenseitig zu und stimmte sich nicht ab.
So blieb die österreichische Armee hinter dem Erzgebirgskamm und die Russen zogen sich bereits aus dem Kampf zurück, während die Preußen noch in vollem Gefecht standen und stürmten.

Und hier stürmte nicht die Armee von 1806, sondern eine nach damaligen Maßstäben im Russlandfeldzug von 1812 erfahrene Armee, die nach neuesten Maßstäben der Korpstaktik und der Bewegung agierte.
Das tat sie an der Seite von wenigstens drei weiteren Armeen und es dürfte niemanden geben, der das nicht als Vorteil erkennen würde.

Wahrscheinlich bedurfte es in Leipzig, jenseits aller militärischer Fehler, tatsächlich eines alten Mannes vom einfachen Schlage wie Blücher, der die Fürsten bei der Ehre packte und zum Handeln zwang.
Aber auch ein Schwarzenberg hat seine Fehler korrigiert. Wenn auch mit weniger Trara und Horrido.

Letztendlich hat sich frühestens bei Hanau gezeigt, dass die französische Armee nicht "vernichtend" geschlagen war, wie dies in Propagandaschriften von 1813 bis 1945 gern kolportiert wird.
Der Feldzug von 1814 unterstreicht, dass man ohne die Österreicher im Verbund, nur unter aller größten Verlusten Pyrrhussiege gegen Frankreich erreichte.
Letztendlich wird unter der ganzen Heldenschwiemelei gern vergessen, dass selbst nach der Erfahrung von Russland 1812, der zermürbende Krieg in Spanien weiterhin auf der französischen Armee lastete und meines Erachtens hier die Entscheidung über Frankreich erfochten wurde.
Denn kein Krieg war in Frankreich unbeliebter und militärisch kräftebindender als dieser!
Letztendlich war Wellingtons Übergang über die Pyrenäen ab dem 01. November 1813 ein Umstand, der nicht nur weiterhin erhebliche Kräfte band, sondern noch vor Blücher & Co. den Krieg ins französische Kernland trug.
Auch wenn der Kaiser vor dem Fall von Toulouse seinem Thron entsagte.
Einen erheblichen Ausschlag hatte diese Front an der Entscheidung jener Marschälle, die Napoleon in seiner Idee vom Weiterkämpfen entgegentraten.

Hier denke ich aber schon, dass er Recht hatte:
Es war Bernadotte, der empfahl, die Franzosen immer dort anzugreifen, wo N nicht zugegen war.

Das mag schon sein, dass der "reisende Beobachter in Uniform" Bernadotte dies empfahl. Aber so richtig motiviert zum Angreifen hat ihn selbst dieser Rat auch nicht.:))
 
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Wobei ich mir die Überheblichkeit eher innerhalb des Offizierskorps vorstellen kann.
Die preußischen Staatsmänner und vor allem der König scheinen mir 1806 ja anfangs eher vorsichtig laviert zu haben. Daraus erklärt sich auch der Gebietstausch am Rhein, welchen damals schon Militärs für einen Unsinn gehalten haben - z.B. dass man die starke Festung Wesel mit dem unbedeutenden Hamm vertauschte. Von daher sammelten sich gewiss Agressionen innerhalb des Offizierskorps gegenüber den Franzosen an, welchen man scheinbar immerfort nachgab bis dann die Kriegspartei am Hof überwog.

In den Revolutionskriegen hatten sich die Preußen unter Friedrich Wilhelm II., teilweise bei Anwesenheit des Kron- und Kurprinzen bei den Truppen ja garnicht so schlecht geschlagen. Wenngleich man sich nach Anfangserfolgen und dann der Kanonade von Valmy zurückziehen musste, nahm man doch auch das wichtige Mainz wieder ein. Wesel wurde verteidigt. Mit dem Frieden von Basel kam Preußen, da es kaum linksrheinische Besitzungen hatte, noch recht glimpflich davon. Das alles konnte wohl kaum die Selbsteinschätzung eine hervorragende Militärmacht zu sein trüben.

Aber wir können auch gern Auerstedt und Jena weiter ausbreiten.

Bei Jena wurde die sächsisch-preußische Armee von den weit überlegenen Kräften Napoleons angegriffen, welche dann über den Tag noch an Übermacht zunehmen sollten. Fast 100.000 Franzosen und Verbündete standen dort über 50.000 verbündeten Sachsen und Preußen gegenüber. Wobei man dazu sagen sollte, dass Rüchels bedeutende Truppen erst noch im Anmarsch begriffen waren.

Während bei Jena wohl auch die Überlegenheit der Franzosen eine wichtige Rolle spielte, glaube ich mich zu entsinnen, dass die Schlacht bei Auerstedt sehr von den Sichtverhältnissen etc. beeinflusst war. Dem Oberkommando der preußischen Hauptkräfte unter dem Herzog von Braunschweig konnte seine Lage, seine Position der nummerischen Übermacht gegenüber dem allein gegen sie vorgehenden Korps von Davout nicht klar gewesen sein. Eigentlich hätte man auf französischer Seite aber auch mit einem Eingreifen Bernadottes rechnen müssen. Durch den Nebel erkannten die Preußen wohl nicht, dass sie jeweils bloß mit ein paar Divisionen des französischen Korps zu tun hatten, welche die Preußen erfolgreich vertrieben.
(Ich war auch schon mal bei nebeligem Wetter in der Gegend. Überhaupt hat sowohl das Schlachtfeld von Auerstedt als auch das von Jena große Einschnitte in der Landschaft, welche eine Übersichtlichkeit selbst bei gutem Wetter erschweren. Die alte Karte vermittelt vielleicht ganz gut den seltsamen Kampfverlauf: Datei:Schlacht bei auerstädt (14.10.1806).jpg ? Wikipedia ) Normalerweise hätte man bei einer solchen Überlegenheit wie bei der Schlacht auf preußischer Seite von erfolgreichen Überflügelungen ausgehen können.
 
Eigentlich hätte man auf französischer Seite aber auch mit einem Eingreifen Bernadottes rechnen müssen.

:D hatten wir's nicht grad davon.... ein paar Jahre spæter allerdings, als er auf der anderen Seite focht...:D

In einem anderen Forum ist darueber mal sehr intensiv diskutiert worden, welche Rolle Bernadotte bei Jena und danach (bei der Verfolgung der Preussen ueber die Elbe) spielte, inwieweit er falsch/zøgerlich gehandelt hat, ohne zu einem abschliessenden Ergebnis zu kommen.
Es steht jedenfalls im Raum, dass N Bernadotte absichtlich schlecht gemacht hat. Motivlage ist mir allerdings auch unklar geblieben.

Gruss, muheijo
 
Ja es war Nebel bis ca. 09 Uhr. Das stimmt. Verschieden Quellen geben den Nebel bis 11 Uhr an.
Aber den gab es für beide Seiten!

2005 war ich ja bei der Generalprobe für das Reenactement zur 200 - Jahrfeier bei Vierzehnheiligen mit dabei. Wir hatten an dem Tag ebenfalls Nebel bis zum frühen Mittag und die Linien der Soldaten sah man nur auf den Hügeln. Vom Gefecht nur das aufblitzende Mündungsfeuer im Nebel.
Sehr authentisch!
Und ich kann Dir versichern verehrter @Brissotin, der Nebel ist für keine Seite ein Vorteil.

Statt dessen halte ich es für einen sträflichen Fehler, wenn man das tut, was mancher hier immer nur den Franzosen vorwirft: keine ausreichende Aufklärung.
Denn ansonsten hätte man bemerken müssen und wenn Du das Terrain kennst (ist ja praktisch bei uns um die Ecke), dann liegt nur ein Hügel zwischen Jena und dem Hochplateau am Landgrafenberg. Namlich dieser selbst.
Und wie es die Preußen nicht geschafft haben, nicht zu bemerken, dass die Franzosen auf der anderen Seite des Berges die Wege verbreitern und Kanonen demontiert den Hügel hinauf schleppen, ist selbst mir ein Rätsel.
Ausreichend Kavallerie für Piketts zur Aufklärung hatten sie ja.

Napoleon hatte bei Jena morgens 55000 Mann und ab Mittag weitere 40000. Diese Kräfte waren hier nicht versammelt, weil dort der Kaiser war, sondern weil man bei Jena die Hauptarmee der Preußen und Sachsen vermutete.
Aus diesem Grunde verlor Napoleon ja die Fassung, als Davout mit seinem III.Korps (26000 Mann und 44 Geschütze) im berichtet, dass er bei Auerstedt gegen 64000 Mann mit 230 Geschützen gekämpft hatte.

Bernadotte derweil verlor sich in der Landschaft und wurde lediglich dafür gerügt.

Eine wichtige Rolle bei dem Verlauf des Gefechtes spielt sicher auch, dass die Preußen auf dem Hochplateau, deren Erhebung sie in der Nacht verloren hatten, im durchschnittenen Gelände auf dem Rückzug erst bergab, dann durch Hohlwege und wieder bergan laufen musste, was die französische Artillerie in stets erhöhter Position, immer in eine hervorragende Schussposition brachte.
Eine solche Gefechtsvorbereitung nenne nicht nur ich katastrophal. Letztendlich lehnte man sich zwar an die Dörfer Vierzehnheiligen und Capellendorf an. Hatte aber auch versäumt, diese zur Verteidigung zu befestigen.
 
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Was die Schlacht von Jena - Auerstedt zum Desaster machte, war die Selbstgefangenheit der Preußen in Ihrem Dünkel, die beste Armee der Welt zu haben und unschlagbar zu sein.
Völlig richtig.

Der Mängel gibt es noch mehr aufzuführen.
Das hat Gneisenau ja schon gemacht (zitiert nach Wikipedia):
„...
unsere des Krieges entwohnte Armee, der beinahe in allen Zweigen sichtbare Mangel an Vorbereitung zu demselben, die in den bisherigen Friedensjahren zur Tagesordnung gewordene Beschäftigung mit nichtswürdigen Kleinigkeiten der Elementartaktik, unser Rekrutierungswesen mit allen seinen Exemtionen, das nur einen Teil der Nation zu den Waffen verpflichtete, dessen Dienstzeit über die Gebühr verlängerte, der folglich mit Widerwillen diente und nur noch durch Disziplin zusammengehalten wurde; unser Populationssystem, das dem Soldaten erlaubte, sich mit einer Familie zu belasten, deren Ernährung, wenn ihn der Krieg von seinem Herd abrief, meist der Wohltätigkeit des Publikums überlassen blieb und deren Schicksal oft dem bekümmerten Vater das Ende des Krieges wünschenswert machte; das Beurlaubungswesen, das den darauf mit seinen Einkünften angewiesenen Kompaniechef verleitete, den noch wenig disziplinierten Rekruten in die Heimat zu entlassen; die schlechte Verfassung unserer Regimentsartillerie, die niemals der zahlreichen reitenden Artillerie der Franzosen sich entgegenstellen konnte; die schlechte Beschaffenheit unserer Waffen; die Untauglichkeit der meisten unserer Generale; ...“

Und hier stürmte nicht die Armee von 1806, sondern eine nach damaligen Maßstäben im Russlandfeldzug von 1812 erfahrene Armee, die nach neuesten Maßstäben der Korpstaktik und der Bewegung agierte.
Na ja, es war im Kern schon noch dieselbe Armee wie 1806. Vom Großteil der Mannschaften her (die allgemeine Wehrpflicht war de facto noch nicht eingeführt), auch die Offiziere waren überwiegend dieselben, bei der Ausrüstung dürfte sich angesichts der katastrophalen Finanzlage auch nichts gebessert haben und so viel verwertbare Erfahrung hat das preußische Korps im Rußlandfeldzug auch nicht sammeln können.

Die Heeresreformen konnten ja auch in den wenigen Jahren nicht so weitgehend umgesetzt werden, daß die Armee wirklich ganz anders hätte dastehen können. Wie übrigens umgekehrt die Armee von 1806 auch nicht mehr die friderizianische war, einiges an Reformen hatte es ja auch vor Jena-Auerstädt schon gegeben (Rüchel).

Der Feldzug von 1814 unterstreicht, dass man ohne die Österreicher im Verbund, nur unter aller größten Verlusten Pyrrhussiege gegen Frankreich erreichte.
Die preußische Armee nach den Reformen war zwar gut, aber nicht viel besser als die vorher.

Letztendlich wird unter der ganzen Heldenschwiemelei gern vergessen, dass selbst nach der Erfahrung von Russland 1812, der zermürbende Krieg in Spanien weiterhin auf der französischen Armee lastete ...
Das ist für die Gesamtbetrachtung völlig richtig.
Trotzdem war Napoleon in der Lage (weil er eben auch die Ressourcen vieler abhängiger Gebiete einsetzen konnte), seine Feldzüge gegen die Alliierten in Deutschland zu führen.

... und meines Erachtens hier die Entscheidung über Frankreich erfochten wurde.
Das kann man wohl so nicht sagen. Beide Schauplätze haben ihren Teil getan. Wenn Napoleon mit der französischen Hauptmacht nicht in Deutschland hätte kämpfen müssen, hätte Wellington es wohl nicht über die Pyrenäen geschafft.
 
@ muheijo
Vielleicht war es im Napoleon-Online-Forum. Da schreibe ich allerdings seit dem Umzug nicht mehr, passte auch nicht wirklich da hin.
Ansonsten war es ja keine Kritik meinerseits an Bernadotte. Warum er nicht eingriff, habe ich nie recherchiert. Hat mich einfach nicht interessiert, zumal das Ergebnis des Sieges wohl kaum davon tangiert worden wäre.:winke:
 
@R.A.

Ich sehe schon einen gewichtigen Unterschied zwischen der preußischen Armee 1806 und der von 1813.
Gneisenau und Scharnhorst sagen es ja selbst.
Zum einen kämpfte Preußen 1813 schon lange nicht mehr in der starren Lineartaktik wie 1806, sondern kannte auch die Kolonnentaktik oder die aufgelöste Schlachtordnung der Jäger.
Bei Uniformierung und der Artillerie hatte es auch Reformierungen gegeben, welche die übergroßen Stücke abschaffte und kleine beweglichere Kaliber einsetzte.

Was den Unterschied ausmacht, zwischen einer Armee (und dem dahinter verwaltenden Beamten) die gewöhnt ist im Krieg zu funktionieren und einer Armee die lange nicht im Gefecht stand, erleben wir u.a. derzeit wieder in Afghanistan.

Insofern dürfte die Kriegserfahrung der Preußen bis 1807 und dann wiederum 1812 nicht zu gering eingeschätzt werden.
Auch wenn manche Reformen sich noch nicht durchgesetzt hatten.

Wenn Napoleon mit der französischen Hauptmacht nicht in Deutschland hätte kämpfen müssen, hätte Wellington es wohl nicht über die Pyrenäen geschafft.

Das ist auch im umgekehrten Falle für die Marschälle in Spanien nicht unrichtig.

Trotzdem war Napoleon in der Lage (weil er eben auch die Ressourcen vieler abhängiger Gebiete einsetzen konnte), seine Feldzüge gegen die Alliierten in Deutschland zu führen.

Ach Russland und Österreich nicht?
 
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Ja es war Nebel bis ca. 09 Uhr. Das stimmt. Verschieden Quellen geben den Nebel bis 11 Uhr an.
Aber den gab es für beide Seiten!
Ist mir alles klar. Ich war auch schon einmal vor Jahren auf einem Reenactment in der Gegend bei Nebel. Ich habe mir eingebildet seither, dass man die Sachsen im Nebel sogar noch schlechter als die Franzosen sieht. Ich glaube das war auch bei Auerstedt in der Gegend.

Das mit dem Nebel für beide Seiten bestreite ich auch nicht. Dennoch glaube ich, spielt er auch bei Aufklärung durch Kavallerie noch eine wichtige Rolle. Ist die Sichtweite eingeschränkt, kann man genausogut auf eine Kompanie wie auf eine ganze Armee gestoßen sein, wenn man auf den Feind trifft. Wer weiß, vielleicht "nutzte" der Nebel sogar den Preußen bei Jena, eben weil sie nicht den Feind in seiner ganzen Stärke auf Anhieb sahen(?). Vielleicht wäre man sonst eher auf dem Rückzug gewesen. (Oder aber das wäre für den Erhalt der Armee besser gewesen. Schwer zu sagen.)
Davout hätte wohl auch bei genauer Kenntnis der Lage und des nummerischen Übergewichts der Preußen sich gegenüber angegriffen.

So genau wie La Galopine, ganz ehrlich, kenne ich die Materie aber auch nicht.
Geländekenntnis ist aber immer gut. Ich habe darüber eher eine verschwommene Erinnerung.

Mir ging es aber auch eher darum den seltsamen Verlauf der Schlacht zu erklären. Ob die Aufsplitterung der Kräfte der preußisch-sächsischen Truppen und die Aufstellungsräume nicht grundsätzlich unsinnig waren, kann ich nicht sagen. Auffällig scheint mir die gewisse Konfusion in der preußischen Führung, wenngleich ja der König anwesend war. (Nur war der eben kein Feldherr-König, welcher einfach ganz klar gesagt hätte, dass man die Kräfte bündeln müsse und den Feind nur in starker Stellung erwarten.)
War die grundsätzlich nummerische Übermacht der Franzosen den Preußen vollständig bekannt?
 
Noch im Frühjahr 1813 in Großgörschen machten alle Verbündeten einschließlich Freidrich Wilhelm der III. die gleichen Fehler, die er auch 1806 mit dem Herzog von Braunschweig in Jena gemacht hatte: man schob sich die Verantwortung gegenseitig zu und stimmte sich nicht ab.
So blieb die österreichische Armee hinter dem Erzgebirgskamm und die Russen zogen sich bereits aus dem Kampf zurück, während die Preußen noch in vollem Gefecht standen und stürmten.
Generell stimme ich auch dem gesamten Posting zu, aber obiges hab' ich net ganz verstanden. Aus dem Zitat lese ich heraus, dass die Österreicher bei Grossgörschen dabei gewesen sein sollen. Oder verstehe ich das falsch?
 
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@Brissotin
Ich habe mir eingebildet seither, dass man die Sachsen im Nebel sogar noch schlechter als die Franzosen sieht.
:rofl:
Der war echt gut!

Hinsichtlich der Aufstellung der Preußen bei Jena, stellen sich noch weitere Fragen.
Wenn man aus Richtung Westen auf Jena marschiert, muss man an Weimar vorbei. Und zwar auch Davout.
Warum hat das Korps Rüchel nicht schon bei Weimar bemerkt, dass hier erhebliche Formationen der Franzosen im Anmarsch waren. Schließlich hatte ja auch der Herzog von Sachsen - Weimar seine gesamte Streitkraft in Alarmbereitschaft versetzt, weshalb er nur durch seine Frau vor der Ungnade Napoleons gerettet werden konnte.

@Loudon
Nein. Die Österreicher waren eben in Großgörschen nicht dabei.
Deshalb schrieb ich ja, dass sie hinter dem Erzgebirgskamm standen (das war damals nun mal die Grenze Sachsen / Österreich.)
Sie verhandelten nämlich noch mit Napoleon.
 
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