Muss die römisch-germanische Geschichte umgeschrieben werden?

Ich bin gespannt auf Morgen. Vorallem der Umstand, dass die Römer die Schlacht gewannen, ihr Hab und Gut aber am Schlachtfeld ließen, verwirrt mich. War das Usus? Oder befürchtete man einen feindlichen Gegenschlag und zog sich zurück? Fragen über Fragen.
 

Naja, nun ist sowohl, was Tom Buhrow in der Anmoderation behauptet, als auch das, was der Sprecher des Beitrags sagt, nämlich dass nach der Varusschlacht die Römer sich hinter Rhein und Limes zurückgezogen hätten, alles andere als Forschungsstand und wird auch in den römischen Quellen nicht so behauptet. Und ich meine hiermit nicht die Quellen, die Germanien noch für ein Jahrhundert weiter als Provinz behandeln. Es ist lediglich so, dass das effektive Herrschaftsgebiet der Römer danach linksrheinisch bzw. -limisch war.
Die Funde, die man im Beitrag sieht, sind ja nun leider nicht sehr zahlreich.
 
Also ich sehe diesen Bericht eher in einer Werbefunktion tätig werden. Es soll das Interesse angeheitzt werden oder eventuell auch Sponsoren aufgescheucht werden.
Die historischen Aussagen sind entweder schlichtweg veraltet wie EQ schon an der Erklärung zum Limes gezeigt hat oder einfach nur reisserische Parolen. Ich wüsste nicht woran man festmachen will, wer den Sieg davon getragen hat und wenn ich von Aussagen höre, nachdem das Gebiet von "Geschoßbolzen durchsiebt" ist, frage ich mich, wie ich mir das vorstellen soll. Bleibt also nur auf Morgen zu warten und zu hoffen, dass es mehr Informationen gibt.
 
Naja, nun ist sowohl, was Tom Buhrow in der Anmoderation behauptet, als auch das, was der Sprecher des Beitrags sagt, nämlich dass nach der Varusschlacht die Römer sich hinter Rhein und Limes zurückgezogen hätten, alles andere als Forschungsstand und wird auch in den römischen Quellen nicht so behauptet. Und ich meine hiermit nicht die Quellen, die Germanien noch für ein Jahrhundert weiter als Provinz behandeln. Es ist lediglich so, dass das effektive Herrschaftsgebiet der Römer danach linksrheinisch bzw. -limisch war.
Die Funde, die man im Beitrag sieht, sind ja nun leider nicht sehr zahlreich.

Nicht zahlreich, aber dennoch aussagekräftig, oder?
 
sicher dass Pila-Spitzen dabei waren? ich kann mir nur an die Geschoßspitzen erinnern...
 
Dann listen wir die gezeigten und auch nur genannten Funde doch mal auf:
- Hipposandale
- Geschossbolzen
- Münze des Commodus (nach Nicole H.)
- Schaufel
- Spitzen von pila
Jetzt bist Du dran!

Unter der Prämisse, dass die Germanen nicht im Besitz von Torsionsgeschützen waren, ein eindeutiger Hinweis auf die Anwesenheit von Römern, möchte ich meinen.

Die Münze des Commodus halte ich (solange keine Quellenangabe nachgeliefert wird) für einen "Fake".
 
So sieht eine gut erhaltene Pilum-Spitze aus:
 

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Hallo und guten Abend!

Leider fehlt mir das Hintergrundwissen um zu verstehen, warum Tom Buhrow die Geschichte umschreiben will.

Dennoch: Die Römer haben doch nach Varus aus den Germanen keine „übermenschlichen“ Gegner gemacht.
Gab es denn nicht immer wieder Übergriffe (Limes) auf beiden Seiten, die mal mehr, mal weniger groß angelegt waren?
Selbst wenn der Eroberung Germaniens nicht mehr der Hauptgedanke war, warum sollen die Römer sich nicht mit z.T. heftigen Vorstößen Respekt verschafft haben?

Noch was anderes. Weiß man denn überhaupt wie die Fundstücke dahin gekommen sind?
 
Zuletzt bearbeitet:
Leider fehlt mir das Hintergrundwissen um zu verstehen, warum Tom Buhrow die Geschichte umschreiben will.

Da braucht es kein Hintergrundwissen. Eine Nachricht ist nur dann eine Nachricht, wenn sie etwas Ungewöhnliches bringen kann. Eigentlich sollte man meinen, dass ein antikes Schlachtfeld schon ungewöhnlich genug ist. Möglicherweise liegt die Antwort einfach mal wieder darin, dass die Finanzierung der Grabung gesichert werden muss, also das öffentliche Interesse entsprechend gepusht werden soll. Was dem allerdings widerspricht ist, dass die Grabung, sofern man das nach den wenigen Presseberichten beurteilen kann, nicht aus akuter Notwendigkeit (Bauvorhaben, Raubgräber) durchgeführt wurde. Bei notwendigen Grabungen (nicht zu verwechseln mit Notgrabungen) ist es häufig so, dass nur Geld für die Befundsicherung zur Verfügung steht, nicht aber für die spätere Auswertung. Aber da das hier ja nicht der Fall ist, wird man erwarten dürfen, dass auch die Auswertung finanziert ist.
Andererseits ist nicht vorstellbar, dass die Grabung schon beendet ist, in Kalkriese als Vergleich gräbt man seit bald 20 Jahren.
 
Was konkret wird sich jetzt am Geschichtsbild ändern, außer, dass wir eine Beweis dafür haben, dass es auch nach der Varusschlacht Konflikte zwischen Römern und Germanen gab, was man ja schon längst angenommen hat?
 
Bruchstücke aus dem Artikel

Zur Datierung:
Die bislang sichersten Datierungshinweise sind ein sehr abgegriffene Münze des Kaiser Commodus, der von 180 bis 192 n. Chr. regierte und ein Messerfutteral, das nicht vor dem ausgehenden 2. Jahrhundert nach Christus entstanden sein kann.

Damit ist das Gefecht nach bisherigem Kenntnisstand in ein Zeitfenster vom ausgehenden 2. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts einzuordnen.

Zum Problem der Zuordnung:
Allerdings befand sich die klassische Struktur der römischen Armee im 3. Jh. schon in weitgehender Auflösung und in ihr dienten vorwiegend Söldner aus den Provinzen und den Randbereichen des Imperiums. So setzte Kaiser Maximinus Thrax 235 n. Chr. bei seinem Feldzug gegen die Germanen unter anderem persische Bogenschützen und maurische Speerschleuderer ein. Andererseits verwendeten auch die Germanen in dieser Zeit Waffen aus römischer Produktion. Es ist daher anhand der Waffen kaum möglich zu entscheiden, ob sie von einem "Römer" oder einem Germanen geführt wurden.

Bestätigung von shanes Interpretation:
Vom Harzhorn liegen allerdings eindeutige Spuren römischer Militärtaktik vor: So wurden die dort gefundenen Pfeile nach bisherigem Kenntnisstand kaum, die indirekt durch die massiven Katapultprojektile fassbaren Torsionsgeschütze (mit mechanischen Spannvorrichtungen versehene große Pfeilgeschütze) überhaupt nicht von Germanen eingesetzt.

Arbeitshypothese
Die bisherigen Beobachtungen machen folgende Arbeitshypothese wahrscheinlich: Römische Truppen auf dem Rückmarsch aus dem Norden fanden den nach Süden führenden Pass versperrt und erkämpften sich dann ihren Weg unter massivem Waffeneinsatz über den Höhenzug. Offenbar blieben die römischen Truppen bei diesem Gefecht aufgrund ihrer überlegenden Militärtechnik erfolgreich, mussten aber wegen anhaltender Bedrohung Richtung Leinetal abrücken.

Mögliche Rechtfertigung der Behauptung, die Geschichte müsse umgeschrieben werden:
Maximinus Thrax führte deshalb im Jahr 235 n. Chr. sein zum Teil aus orientalischen Einheiten bestehendes Heer weit nach Germanien hinein, um - wie bei Herodian und in der Historia Augusta überliefert - im Zuge der "Schlacht im Moor" einen großen Sieg zu erringen. In der historischen Forschung wurde dieses Ereignis gerne in die Nähe der römischen Außengrenzen verlagert, da ein Vordringen viele hundert Kilometer weit ins Barbaricum unwahrscheinlich erschien. Mit dem Neufund vom Harzrand ist dieses Bild zu revidieren. Hier ist ein größerer römischer Kampfverband, ähnlich wie für den des Maximinus Thrax beschrieben, zum ersten Mal überhaupt für das 3. Jahrhundert n. Chr. mitten im Barbaricum nachgewiesen.
 
Gibt es auch Knochenfunde? Bzw. ist es möglich, dass eventuell noch welche in der näheren Umgebung auftauchen könnten? Das Problem ist ja, dass sie von Metalldetektoren nicht erfasst werden.
 
Was konkret wird sich jetzt am Geschichtsbild ändern...?
Gerade haben sie in den ZDF-Nachrichten etwas darüber gebracht und da meinte eine Forscherin, die Geschichte müßte eventuell dahin gehend umgeschrieben werden, daß man bisher dachte, die römische Präsenz in Germanien dauerte nur bis kurz nach der Varusschlacht und dieser Fund könnte nun beweisen, daß die römische Präsenz "im Barbaricum" länger anduerte, nämlich bis ca. 250 n. Chr.

Ehrlich gesagt, ich bezweifle das.
:grübel:
 
Es kann sich um eine Strafexpedition gehandelt haben und die wäre nicht ungewöhnlich. Für die dauerhafte Anwesenheit der Römer jenseits des Rheins (grob) nach 9 spricht m.E. kein einziger Befund, wohl aber viele dagegen (Waldgirmes).

Next, Commodus transferred him to Gaul;http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Historia_Augusta/Clodius_Albinus*.html#note23 and here he routed the tribes from over the Rhine and made his name illustrious among both Romans and barbarians. This aroused Commodus' interest, and he offered Albinus the name of Caesarhttp://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Historia_Augusta/Clodius_Albinus*.html#note24 and the privilege, too, of giving the soldiers a present and wearing the scarlet cloak.

Quelle: Historia Augusta
 
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Das stellt Kalkriese weit in den Schatten!

Fund mit außerordentlicher wissenschaftlicher Bedeutung
Archäologen haben im Landkreis Northeim ein römisch-germanisches Schlachtfeld entdeckt

Kalefeld/Northeim. Archäologen haben im Landkreis Northeim ein römisch-germanisches Schlachtfeld entdeckt. Nach Angaben von Fachleuten handelt es sich um eine spektakuläre Ent­deckung mit außerordent­licher wissenschaftlicher Bedeutung.

Der Niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann, Landrat Michael Wickmann und Kreisarchäologin Dr. Petra Lönne informierten heute während einer Pressekonferenz in Kalefeld-Oldenrode über Einzelheiten.

Funde römischen Ursprungs

Anfang Juni 2008 legte ein geschichtlich interessierter Bürger der Northeimer Kreisarchäologin Dr. Petra Lönne ungewöhnliche Funde vor: eiserne Speerspitzen, Spitzen von Katapultgeschossen, eine Pionierschaufel und eine „Hipposandale“ - ein spezieller Hufschutz für Pferde und Maultiere, wie er nur in der römischen Armee verwendet wurde.

Auch die übrigen Funde waren römischen Ursprungs. Die Objekte stammten von einem markanten Geländesporn am westlichen Harzrand in der Nähe von Kalefeld im Landkreis Northeim.

Eine Überprüfung im Gelände bestätigte die Angaben des Finders und zeigte, dass noch weitaus mehr Fundstücke im Waldboden oft nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche lagen.

Gelände systematisch erkundet

Damit begann ein dramatischer Wettlauf: Besonders seit der Entdeckung des Schlachtfeldes der Varusschlacht in Kalkriese und dem Römerlager in Hedemünden bei Göttingen ist das südliche Niedersachsen ein bevorzugter Tummelplatz für Raubgräber, die mit Metallsonden derartige Fundstellen im großen Maßstab ausplündern.

Gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege leitete die Kreisarchäologie noch Ende August ein ungewöhnliches Projekt ein: Abgeschirmt von der Öffentlichkeit wurde das Gelände mehrfach systematisch mit Metallsonden erkundet, Hunderte georteter Funde wurden freigelegt, detailliert dokumentiert und ihre Konservierung eingeleitet.

Funde sind gut erhalten

In Teilen des weitläufigen Geländes sind die Funde so gut erhalten, das es möglich ist, Teilereignisse des Kampfgeschehens nachzuvollziehen wie etwa den Einschlag gezielter Pfeilsalven oder einzelne Infanterieangriffe.

Kein anderes antikes Schlachtfeld, das Archäologen bisher entdecken konnten, hat so eindrucksvolle ungestörte Hinterlassenschaften erbitterter Kämpfe geliefert.

Wo liegt der Schauplatz?

Die Fundstelle liegt am Harzhorn bei Kalefeld im Landkreis Northeim auf der östlichen Spitze eines kilometerlangen, Ost-West laufenden Höhenzuges, der als eine natürliche Barriere auf den Westrand des Harzes zuläuft.

Die Nord-Süd-Verbindungen entlang des Harzrandes müssen dort einen engen Pass überqueren, wo noch heute die Autobahn 7, die Bundesstraße 248 und die historische Heerstraße auf einem nur 300 m breiten Streifen dicht nebeneinander verlaufen.

Die nach Norden steil abfallenden Hänge der im Westen anschließenden Kuppen sind nur an wenigen Stellen passierbar. Dort finden sich die größten Konzentrationen an Waffen.

Zwei Hauptfundstellen

Bisher liegen zwei Hauptfundkonzentrationen vor, die auf ein sehr heftiges Aufeinandertreffen der Gegner deuten. In anderen Bereichen des insgesamt etwa 1,5 Kilometer breiten Fundgebietes sind die Ergebnisse weniger eindeutig: Entweder war das Kampfgeschehen dort weniger heftig oder diese Bereiche sind nach der Schlacht geplündert worden. Denkbar ist auch eine Überlagerung durch abgerutschtes Hangmaterial.

Rätselhaft bleibt, warum die Germanen nicht die Gelegenheit nutzten, das verlassene Schlachtfeld systematisch zu plündern. Zertrümmerte Wagen, Hunderte aus dem Boden ragende Geschosse und verlorene Ausrüstungsteile müssen noch jahrelang sichtbar gewesen sein, bevor der Wald sie bedeckte. Möglicherweise war das Gelände zumindest teilweise tabuisiert und niemand wagte, es zu betreten.


Die Datierung

Nachdem die Archäologen zunächst von einer Datierung in augusteische Zeit, also in die Dekaden um Christi Geburt, ausgegangen waren, wurde mit der Auffindung weiterer Funde klar, dass sich das Ereignis rund 200 Jahre nach der Varusschlacht abspielte.

Die bislang sichersten Datierungshinweise sind eine sehr abgegriffene Münze des Kaiser Commodus, der von 180 bis 192 nach Christus regierte und ein Messerfutteral, das nicht vor dem ausgehenden 2. Jahrhundert nach Christus entstanden sein kann.

Das gesamte Waffenspektrum stützt diesen zeitlichen Ansatz. Damit ist das Gefecht nach bisherigem Kenntnisstand in ein Zeitfenster vom ausgehenden Zeiten bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts einzuordnen.

Lassen sich die Ereignisse rekonstruieren?

Ein konkretes Ereignis anhand archäologischer Befunde zu rekonstruieren, ist fast immer problematisch. Dies gilt ganz besonders für den ungewöhnlichen Fall, dass es sich um ein Ereignis handelt, für das es so gut wie keine historische Überlieferung gibt. Anhand archäologischer Beobachtungen lassen sich nur Modelle entwickeln, die immer wieder neu geprüft werden müssen.

Erforschung noch in der Vorbereitung

Außerdem befindet sich die Erforschung des Schlachtfeldes im Landkreis Northeim wissenschaftlich gesehen noch im Vorbereitungsstadium.

Die weitere Auseinandersetzung damit wird mit Sicherheit zu zusätzlichen Erkenntnissen und zu Korrekturen an den vorhergehenden führen. Jeden Tag kann durch einen glücklichen Neufund eine komplette Revision der bisherigen Modelle herbeigeführt werden.

Das sehr umfangreiche Fundmaterial belegt zunächst unstrittig eine starke römische Militärpräsenz. Allerdings befand sich die klassische Struktur der römischen Armee im dritten Jahrhundert schon in weitgehender Auflösung. In ihr dienten vorwiegend Söldner aus den Provinzen und den Randbereichen des Imperiums.

So setzte Kaiser Maximinus Thrax 235 nach Christus bei seinem Feldzug gegen die Germanen unter anderem persische Bogenschützen und maurische Speerschleuderer ein. Andererseits verwendeten auch die Germanen in dieser Zeit Waffen aus römischer Produktion. Es ist daher anhand der Waffen kaum möglich zu entscheiden, ob sie von einem „Römer“ oder einem Germanen geführt wurden.

Vom Harzhorn liegen allerdings eindeutige Spuren römischer Militärtaktik vor: So wurden die dort gefundenen Pfeile nach bisherigem Kenntnisstand kaum, die indirekt durch die massiven Katapultprojektile fassbaren Torsionsgeschütze (mit mechanischen Spannvorrichtungen versehene große Pfeilgeschütze) überhaupt nicht von Germanen eingesetzt. Deshalb kann vorausgesetzt werden, dass im militärischen Sinn römisch geführte Truppen an dem Gefecht beteiligt waren.

Unsicher bleiben Größe und Auftrag der römischen Verbände. Weil sie Torsionsgeschütze und Wagen mitführten, wird es sich um keine kleine Einheit gehandelt haben. Ob ihr Auftrag aber ein rein militärischer war, oder ob es sich möglicherweise um eine bewaffnete Gesandtschaft oder Expedition handelte, muss vorerst offen bleiben.

Römische Truppen auf dem Rückmarsch?

Weiterhin handelt es sich nach den bisherigen Beobachtungen um den Schauplatz eines offenen Feldgefechts. Ob darüber hinaus Befestigungen oder Verhaue errichtet wurden, wird erst durch zukünftige Grabungen überprüft werden können.

Die bisherigen Beobachtungen machen folgende Arbeitshypothese wahrscheinlich: Römische Truppen auf dem Rückmarsch aus dem Norden fanden den nach Süden führenden Pass versperrt und erkämpften sich dann ihren Weg unter massivem Waffeneinsatz über den Höhenzug.

Offenbar blieben die römischen Truppen bei diesem Gefecht aufgrund ihrer überlegenden Militärtechnik erfolgreich, mussten aber wegen anhaltender Bedrohung Richtung Leinetal abrücken.

Ein Jahrhundertfund?

Mit diesem Neufund eines antiken Schlachtfeldes ist in Niedersachsen ein weiterer wichtiger Fundplatz zur Frage des Mit-, Neben- und Gegeneinanders von Römern und Germanen lokalisiert.

Das Römerlager in Hedemunden an der Werra markiert den Beginn des römischen Zugriffs auf die Germania magna kurz vor Christi Geburt, mit dem Fundort Kalkriese verbindet sich die Niederlage der römischen Militärmacht im Jahre 9 nach Christus, die sich nach den Rachefeldzügen der Jahre 15/16 nach Christus endgültig aus diesem Teil Germaniens zurückzieht.

In der Folge konsolidierte sich die nördliche Außengrenze des römischen Reiches am Rhein. Vor allem mit diplomatischen Mitteln wirkte Rom weiterhin auf die rechtsrheinischen Gebiete ein.

Im dritten Jahrhundert veränderten sich die Verhältnisse massiv. Germanen drängten in großen Gefolgschaften nach Süden über den Obergermanisch-Raetischen Limes, die Grenze zwischen Donau und Rhein, und nach Westen über den Rhein, um von den wirtschaftlich blühenden römischen Gebieten zu profitieren.

Diese Gebiete waren ihnen wohl bekannt, weil in den provinzialrömischen Grenzregionen längst schon eine Vermischung mit der dort ansässigen Bevölkerung stattgefunden hatte. Angehörige germanischer Stämme leisteten als Soldaten Dienst im römischen Heer oder trieben Handel mit den Bewohnern provinzialrömischer Gebiete.

Gegen Ende des zweiten Jahrhunderts kam es zu den ersten großen Kriegen, die durch Wanderungsprozesse nach Süden ausgelöst worden waren, den Auseinandersetzungen mit den Markomannen an der mittleren Donau, die die Kräfte Roms und den Kaisers Marc Aurel selbst lange banden.

213 nach Christus fielen zum ersten Mal die Alemannen, ein neu entstandener Verband unterschiedlicher germanischer Gefolgschaften in Obergermanien und Raetien, das heißt im heutigen Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ein.

Caracalla überschritt den Limes, um eine militärische Expedition gegen die Alamannen zu starten. 233 verheerten die Alamannen wiederum die blühenden Grenzgebiete. Maximinus Thrax führte deshalb im Jahr 235 nach Christus sein zum Teil aus orientalischen Einheiten bestehendes Heer weit nach Germanien hinein, um – wie bei Herodian und in der Historia Augusta überliefert – im Zuge der „Schlacht im Moor“ einen großen Sieg zu erringen.

In der historischen Forschung wurde dieses Ereignis gerne in die Nähe der römischen Außengrenzen verlagert, weil ein Vordringen viele hundert Kilometer weit ins Barbaricum unwahrscheinlich erschien. Mit dem Neufund vom Harzrand ist dieses Bild zu revidieren.

Hier ist ein größerer römischer Kampfverband, ähnlich wie für den des Maximinus Thrax beschrieben, zum ersten Mal überhaupt für das dritte Jahrhundert nach Christus mitten im Barbaricum nachgewiesen.

Geschossspitzen zeigen den Einsatz römischer Torsionsgeschütze. Möglicherweise lässt eine Vielzahl von dreiflügeligen Pfeilspitzen auf die Anwesenheit orientalischer Bogenschützen schließen, die Reflexbögen benutzten. Speerspitzen ergänzen das Spektrum der Waffen.

Auf den Tross deuten Teile von Wagen, wie Achsnägel, Radnaben und Anschirrungszubehör, aber auch Bruchstücke von Sklavenfesseln oder Zeltheringe hin. Die Fundverteilungsmuster von Sandalennägeln ermöglichen es, den Weg des römischen Heeres über den Pass nach Süden nachzuvollziehen. Die Einschläge römischer Geschossspitzen zeigen die germanischen Stellungen an.

Der Fundplatz wird zu neuen, weitreichenden archäologischen und historischen Überlegungen führen. Einige Schriftquellen werden neu zu bewerten sein. Ein methodischer Vergleich des Gefechtsplatzes am Harz mit Kalkriese, bei beiden handelt es sich um Defileegefechte, lässt vermutlich weiterführende Schlüsse auf die Vorgänge vor Ort zu, so das beide Fundplätze als Schlüssel für die Rekonstruktion der Ereignisse im Bereich des jeweils anderen dienen können.

Außerordentliche wissenschaftliche Bedeutung

Diese komplexen Erkenntnismöglichkeiten unterstreichen die außerordentliche wissenschaftliche Bedeutung des neu entdeckten Gefechtsfeldes. Die Neuentdeckung belegt ein dramatisches Ereignis im Rahmen der Beziehungen zwischen Germanen und Römern, durch das viele seit langem bekannte archäologische Phänomene wie der auffallende römische Importstrom in die Germania magna um 200 nach Christus oder das Auftreten von römischen Waffen auf Opferplätzen dieser Zeit in neuem Licht erscheinen.

Spektakuläre Entdeckung

Dass es der Archäologie damit gelungen ist, ein historisches Ereignis zu greifen, das in den vermeintlich verlässlichen historischen Quellen offenbar keinen Niederschlag gefunden hat, lässt den Neufund zu einer spektakulären Entdeckung werden, die überkommene Geschichtsbilder ins Wanken bringt und viel Stoff für zukünftige historische und archäologische Diskussionen liefert.

So - nun wißt Ihr genau so viel, wie die Medien.

Meine ganz persönliche Einschätzung:

Erstens:
Die Geschichte gerät sicher nicht ins Wanken und muss umgeschrieben werden.

Zweitens:
Ob römische Truppenverbände nach 230 u. Z. noch mit Torsionsgeschützen aufgetreten sind, bezweifle ich.

Drittens:
Diese Geschichte stellt - jetzt schon! - Kalkriese weit in den Schatten!

Dort wurde ein (möglicherweise!!!) lange gesuchtes Schlachtfeld gefunden aus einer Zeit, über die wir viele Belege haben.

In Kalefeld-Wiershausen haben wir es dagegen mit dem Ort einer sozusagen vergessenen Schlacht (oder auch nur eines Durchbruch-Gefechtes á la Angrivarierwall!) zu tun aus einer Zeit, über die wir nur sehr wenig wissen.

Eine ECHTE Sensation!

Ach ja, für alle Süd-, West- und Ostlichter hier im Forum, die sich fragen, wo genau das eigentlich ist...:

Jede/r von Euch, der schon mal auf der A7 zwischen Kassel und Hannover unterwegs war, wird sich an das Ausfahrtschild "Echte 1000 m" erinnern.

Wenn Ihr dort abfahrt, seid Ihr schon fast da...

Gruß
 

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