Politische Gefangene auch in der BRD?

Arne schrieb:
Ich lese das so, daß da jemand ins Schwitzen kam, weil er als Vorbildstaat seine Gäste nicht satt bekam :pfeif:
Ja, klingt schon verrückt, nicht? Warum schreiben sie nicht einfach, daß die Jugendlichen, die vom Bürgermeister nach Westberlin eingeladen wurden, dort auch mit Suppe verpflegt wurden? So hat eben jeder eine andere Vorstellung von einer tendenziösen Webseite... Nein, mit dem Thema hat das nichts zu tun; das ging direkt an Schini.

Daß Ihr beide den Phillipp-Müller-link, wo ganz klar von Gefängnis für Demonstranten berichtet wird, ignoriert, ist sicher nur Zufall...
 
saxo schrieb:
Daß Ihr beide den Phillipp-Müller-link, wo ganz klar von Gefängnis für Demonstranten berichtet wird, ignoriert, ist sicher nur Zufall...
Ich würde ihn gern zur Kenntnis nehmen, kann ihn aber nicht öffnen.
 
saxo schrieb:
Daß Ihr beide den Phillipp-Müller-link, wo ganz klar von Gefängnis für Demonstranten berichtet wird, ignoriert, ist sicher nur Zufall...

Wofür wurden die Haftstrafen verhängt?
 
Aha

"Nachzutragen bleibt, dass insgesamt 283 Personen vorläufig festgenommen und zehn inhaftiert wurden, gegen 70 wurde Anzeige erstattet. Elf Teilnehmer wurden der Rädelsführerschaft verdächtigt und angeklagt, kleine Fische, keine hohen FDJ-Funktionäre.Sie wurden am 20. Oktober 1952 wegen Landfriedensbruchs und zahlreicher anderer Delikte zu jeweils mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt."

Hmm. Hat aber auch nichts mit Haft aus politischen Gründen zu tun...
 
Barbarossa schrieb:
Hmm. Hat aber auch nichts mit Haft aus politischen Gründen zu tun...

Das ist m.E. zu naiv gedacht. Es gibt bestimmte Straftatbestände, die man mitunter ignorieren kann und wo es im Ermessen von Ankläger und Richter liegt, ob es zu Anklage und Verurteilung kommt - ob das in der Bundesrepublik vorkam oder noch vorkommt sei dahingestellt.
Was die Inhaftierungen 1952 angeht: der Text, der ja seinerseits aus der linken Ecke stammt und zuminets mit der DKP zu sympathisieren scheint, erwähnt durchaus, dass es zu Gewalttätigkeiten kam:

Ein angeblicher Polizeispitzel wurde von FDJ-Aktivisten zusammengeschlagen und »blieb bewußtlos in seinem Blut liegen« .

Gegen Mittag versammelten sich etwa 2000 Personen zwischen Rüttenscheider Straße und dem Gruga-Parkgelände, also am südlichen Teil der Innenstadt, um hier zu demonstrieren. Einer Aufforderung der Polizei, sich zu zerstreuen, wurde nicht nachgekommen, statt dessen warfen die Teilnehmer Pflastersteine und Flaschen. Angeblich wurden mehrere Schüsse auf die Polizisten aus Richtung Norbertstraße abgegeben , von hinten drängten Demonstranten nach, so dass sich die Ordnungshüter eingeschlossen fühlten. Ein Rückzug war nicht mehr möglich. Mit Schlagstöcken konnte die Polizei die Versammlung nicht auflösen, nach dreimaliger Warnung durch Lautsprecherwagen gab sie drei Warnschüsse ab. Anschließend wurde scharf in Kniehöhe geschossen, drei Demonstranten dabei getroffen, nach Angaben der Polizei alle Funktionäre der FDJ, was zumindest in einem Fall nachweislich falsch war. Während der »Sozialdemokrat« Bernhard Schwarze , 27 Jahre alt, (zwei Schüsse in die Beine) und der »Gewerkschaftler« Albert Bretthauer aus Kassel (Steckschuss nahe der Wirbelsäule) überlebten, starb der FDJ-Funktionär Philipp Müller.


Beim Eintreffen in Essen verkündete er lauthals, er werde sich nicht an das Demonstrationsverbot halten. Es folgten Schlägereien mit der Polizei, bei denen er, insofern sicherlich zutreffend als Rädelsführer bezeichnet, seine Münchner Gruppe dazu anhielt, Polizeiketten zu durchbrechen, und sich selbst mit Polizisten prügelte, so die parteioffizielle Darstellung der DKP.
Der Obduktionsbericht ergab einen Brustdurchschuss mit einer tiefer liegenden Ausschussstelle im Rücken. Dies kann so erklärt werden, dass er sich bückte - die Polizei meinte, um einen Stein aufzuheben -, während ihn die Polizeikugel traf. Für die KPD war er von hinten erschossen worden, während er keuchend - und von den bisherigen Scharmützeln mit der Polizei ermüdet und wohl nicht ganz aufgerichtet flüchtete. Beides ist denkbar und konnte in der anschließenden Untersuchung nicht eindeutig geklärt werden, auch ein eingeleitetes Strafverfahren gegen die beteiligten Polizisten konnte diese Frage nicht klären. Dass auch aus den Reihen der Demonstranten um Müller Steine gegen die Polizisten geflogen waren, wurde hingegen auch von kommunistischen Augenzeugen bestätigt.



Also mal abgesehen davon, dass die Polizei in der Frühphase der BRD sicherlich nicht sehr zimperlich war und sich auch - auf Befehl oder nicht - zu Verbrechen (= mehr oder minder schweren Gewaltakten) an Bürgern hat hinreißen lassen, ist ja kein Geheimnis. Aber die Verhaftungen, um die es hier im Thread ja geht, scheinen gerechtfertigt gewesen zu sein, wenn man die definition von ai zugrunde legt.

 
El Quijote schrieb:
Also mal abgesehen davon, dass die Polizei in der Frühphase der BRD sicherlich nicht sehr zimperlich war und sich auch - auf Befehl oder nicht - zu Verbrechen (= mehr oder minder schweren Gewaltakten) an Bürgern hat hinreißen lassen, ist ja kein Geheimnis. Aber die Verhaftungen, um die es hier im Thread ja geht, scheinen gerechtfertigt gewesen zu sein, wenn man die definition von ai zugrunde legt.
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Aber das ist doch das, was ich meinte - sie wurden inhaftiert, weil sie Randale ohne Ende machten und sogar die Polizei angriffen. ( Selbst die heutige Strategie der "Deeskalation" hätte da wohl nichts
bewirkt - aber das nur nebenbei, weil Tagespolitik :still: )
Auch das Beispiel mit Benno Ohnesorg, über das ich gerade einen Artikel gelesen habe, kann ich nicht in dieses Thema einordnen, weil es wärend der Studentenkravalle 1967/68 passiert ist.
 
saxo schrieb:
Daß Ihr beide den Phillipp-Müller-link, wo ganz klar von Gefängnis für Demonstranten berichtet wird, ignoriert, ist sicher nur Zufall...
hyokkose schrieb:
Wofür wurden die Haftstrafen verhängt?
Dass offensichtlich niemand den Link lesen kann, wurde bereits erwähnt.

Zum Bewertung des Vorgangs kann man feststellen, es herrscht der "Kalte Krieg", dass von Seiten des betroffenen Landes NRW ein Verfahren eingeleitet und abgeschlossen wurde:

Der Münchner Arbeiter Philipp Müller war 1948 in die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), eingetreten und seither gewerkschaftlich engagiert. 1950 nahm er an dem Pfingsttreffen und dem III. Parteitag der SED in Ost-Berlin teil. 1951 fuhr er zu den 1.-Mai-Feiern und zu den III. Weltjugendfestspielen ebenfalls nach Ost-Berlin. Im gleichen Jahr heiratete er Ortrud Voß, die er während des Pfingsttreffens kennengelernt und mit der einen Sohn hatte. 1952 starb er bei der Demonstration in Essen an der Schussverletzung.

Während KPD die Polizei als "Mörder" anprangerte, wies die Polizei darauf hin, dass die Demonstranten nicht nur Steine geworfen, sondern auch von Schusswaffen Gebrauch gemacht hätten. Das Dortmunder Landgericht bestätigte schließlich mit seinem Urteil gegen elf Demonstranten am 20. Oktober 1952, dass die Polizeibeamten in Notwehr gehandelt hätten.

http://www.nrw2000.de/nrw/demonstration.htm

Für die DDR wurde Müller zu einer (notwendigen?) Staatsikone.

Der damalige 1. Vorsitzende der FDJ, Erich Honecker, erklärte auf einer Kundgebung am 16. Mai 1952 in Berlin, die FDJ werde »nicht eher ruhen und rasten ( ... ) bis der Mord an Philipp Müller durch den Sturz der verräterischen Adenauerclique gesühnt ist«. Der Schriftsteller Kurt Barthel schrieb ein Gedicht über Müller, der Schriftsteller Paul Wiens und der Komponist Paul Dessau verfaßten zum Gedächtnis an Müller ein Arbeiterkampflied, das insbesondere in der FDJ bei politischen Anlässen gesungen wurde. Es wurden nach Müller in vielen Orten Straßen und öffentliche Einrichtungen benannt. In Ermsleben wurde eine LPG und in Biesenthal ein Betriebs-Kinderferienlager "Philipp Müller" benannt. Eine Schule in der Innenstadt von Weimar ist ebenfalls nach ihm benannt. Allerdings werden seit der Wende 1989 Einrichtungen und Straßen zum Teil zurück benannt; in München gibt es aber auch eine Initiative zur Umbenennung einer Straße in Philipp-Müller-Straße, denn Philipp Müller war Münchener. In Dresden trägt ein kleineres Stadion auch heute noch seinen Namen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Müller
 
Mercy schrieb:
Das Dortmunder Landgericht bestätigte schließlich mit seinem Urteil gegen elf Demonstranten am 20. Oktober 1952, dass die Polizeibeamten in Notwehr gehandelt hätten.
Fällt bei diesem Satz wirklich keinem was auf? Na dann tuts mir leid... Vielleicht habe ich zu lange das ND gelesen, um zu wissen wie man was zwischen den Zeilen schreibt...

Der für mich bedeutende Satz im link, den einige nicht lesen können, lautet:
Die Schüsse sind mit Urteil vom 2. Oktober 1952 vom Dortmunder Landgericht als Notwehr eingestuft worden. Dieses Urteil stieß vielfach auf Unverständnis. Dutzende Jugendliche wurden festgenommen, elf von ihnen später zu Gefängnisstrafen bis zu zwei Jahren verurteilt.
Da zu den Demonstrationen u. a. durch Martin Niemöller und einen anderen Pfarrer aufgerufen wurde, kann ich mir Gewalttaten nicht - oder nur durch gekaufte Provokanten - vorstellen.
 
saxo schrieb:
Fällt bei diesem Satz wirklich keinem was auf? Na dann tuts mir leid... Vielleicht habe ich zu lange das ND gelesen, um zu wissen wie man was zwischen den Zeilen schreibt...
Mir ist beim lesen des ganzen Artikels nur aufgefallen, daß die Kommunisten versucht haben, die Demos für ihre Zwecke auszunutzen und durch Überraschung und Aggressivität den gerade erst gegründeten Westdeutschen Staat zu destabilisieren.
Vielleicht stimmt ja die Bemerkung mit dem ND...:devil:
 
saxo schrieb:
Der für mich bedeutende Satz im link, den einige nicht lesen können, lautet:
Da zu den Demonstrationen u. a. durch Martin Niemöller und einen anderen Pfarrer aufgerufen wurde, kann ich mir Gewalttaten nicht - oder nur durch gekaufte Provokanten - vorstellen.

Wer ursprünglich zu Demonstrationen aufgerufen hat, spielt (leider) für den späteren Verlauf keine große Rolle. Wie viele friedlich angedachte Demos werden von gewalttätigen Gruppen als Deckung für ihre Krawalle genutzt?

Das ist doch immer das irrwitzige, daß bei Demos gegen Gewalt und Krieg Steineschmeisser ihren persönlichen Krieg gegen die Staatsordnung führen.
 
saxo schrieb:
Fällt bei diesem Satz wirklich keinem was auf? Na dann tuts mir leid... Vielleicht habe ich zu lange das ND gelesen, um zu wissen wie man was zwischen den Zeilen schreibt...

Da braucht dir nichts leid tun, seit wann konntest du denn etwas anderes lesen?
 
Arne schrieb:
Nein, das sind in der Regel "Wirtschaftsflüchtlinge".

Das weiß ich.
Aber es gibt auch politische Flüchtlinge.
Mir ging es dabei auch nicht um die Beweggründe der Flüchtlinge,sondern darum,daß die Gesetze die das möglich machen,von unseren Politikern erlassen worden sind. Sie werden ja ganz bewußt dort gelassen,damit sie keinen Anspruch auf ein Asyl-Verfahren haben.
Sie sind also Opfer dieser zweifelhaften Politik.
Ich meinte die Frage,ob das politische Häftlinge sind in übertragenem Sinn.
 
Du meinst also, sie sind quasi bei uns "politische Gefangene", weil sie in ihrer Heimat politisch verfolgt sind? Sorry, das ist mir zu "konstruiert".
 
Im Jahresbericht von 1982 bezeichnet Amnesty International Kriegsdienstverweigerer, deren Anträge auf Anerkennung von den verschiedenen Prüfungsausschüssen abgelhent wurden und Gefängnisstrafen erhielten als gewaltfreie politische Gefangene.

Weiterhin berichtet Amnesty in den Jahren 1981 und 1982 von der Zunahme von strafrechtlichen Verfolgungen aufgrund von Meinungsäußerungen, die nach Auffassung der Behörden den Tatbestand der "Unterstützung einer terroristischen Organisation im Sinne des §129a des Strafgesetzbuches erfüllten."
Am 5.Februar 1981 fällte das OLG Stuttgart ein Urteil, das zwar nicht zu Freiheitsstrafen führte, in den Augen von amnesty international jedoch einen Präzedenzfall für eine zu extensive Auslegung des Gesetzes schuf.

(nach amnesty international. http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/WNachLand?OpenView&Start=1&Count=200&Expand=37#37 )
 
Mercy schrieb:
Zum Bewertung des Vorgangs kann man feststellen, es herrscht der "Kalte Krieg", dass von Seiten des betroffenen Landes NRW ein Verfahren eingeleitet und abgeschlossen wurde:
Das ist natürlich richtig, allerdings entschuldigt oder rechtfertig man solche Vorgänge nicht, wenn sie von Ostblockstaaten verübt werden.

Ich finde die Definition von politischen Gefangenen im Übrigen nicht sehr gelungen. Schon allein die Trennung in gewaltfreie und nicht gewaltfreie politische Gefangene. Natürlich können wir gewalttätige politische Gefangene wie die in Guantanamo dabei erwähnen, wir haben einen solchen aber auch im Grafen Stauffenberg. Auch er war, bis zu seiner Hinrichtung, ein gewalttätiger politischer Gefangener. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischem dem Nazireich und der BRD oder ahnlichen Staaten. Doch ab wann kann man trennen? wenn z.B. Bush oder Berlusconi Richter ernennen, die in ihrem Sinne Recht sprechen, gilt dies dann noch als Rechtsstaat oder hätten Bürger nun das Recht auf Widerstand. Wer entscheidet, welche Mittel zum Widerstand eingesetzt werden dürfen und welche nicht? Was ist mit verhafteten Atomkraftgegnern? Unser Strafrecht ist nicht sehr hart, es gibt keine langjährigen Haftstrafen für Demonstranten. Ihre Rechte werden dennoch beschnitten, Demonstrationsverbote, Bannmeilen, Schikanen, Wasserwerfer etc. Was ist mit den Berufsverboten gegen KPD-Mitglieder? Es ist richtig, das sich eine Demokratie gegen ihre Feinde zur Wehr setzen muß, es steht für mich aber genauso fest, daß sich auch Demokratien an ihren eigenen Werten vergehen können und in der Geschichte der Bundesrepublik kam es leider schon allzuoft dazu, daß man politisch Andersdenkende unangebracht behandelt hat. Ich mahne bei diesem Thema also zur Vorsicht. Nicht jeder ist ein politischer Gefangener bloß weil er inhaftiert wurde und nicht jeder politische Häftling ist ein bloßer Krimineller weil wir in einem Rechtstaat leben der nicht fehlen kann.
 
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