Ich bin in diesem Forum wohl in Abwehrhaltung gegangen. Sorry.
Aber du hast ja in der Tat gemeint, ich würde Grabsteine ablehnen und centuriones nur als bessere Soldaten rekonstruieren lassen. Beides ist nicht richtig.
Die Limestürme sind ein gutes Beispiel: gerade weil man sie strickt nach Abbild konstruierte hatten wir jetzt Jahrzehnte ein paar mehr als fragwürdige Rekonstruktionen, Baatz und sein Buch über den Limes oder die verschiedenen Stadien der Turmrekos arbeiten da durchaus auch mit mehr Inhalt als nur der Abbildung.
Die Einzigartigkeit schließlich in Verbindung mit der Darstellungsart, wie ich ja bereits ausgeführt habe, sprechen eben nicht für eine realistische Wiedergabe eines typischen centurionen, und sollte sich hier ein absoluter Individualist abgebildet haben, so ist seine Rekonstruktion für Darstellerkreise m.E. kein erstrebenswertes Ziel.
Es wäre das gleiche Problem, wie die Tatsache, dass die meisten centuriones wo sie stehen und gehen ihre phalerae tragen oder sich benehmen wie "cedo alteram".
Aber daran kann ich angesichts der vielen, vielen Beispiel verrutschter Dimension auf Grabsteinen einfach nicht glauben. So trägt ein eques dessen Stein in Köln zu sehen ist, eine spatha mit einem Griff, der ca. 2 1/2 mal so groß ist, wie die der übrigen Darstellungen bzw. der Funde.
Ein neronischer Grabstein zeigt uns einen miles, dessen Kopf in Relation zum Körper nicht einfach nur groß wirkt, sondern bei einer Ausstellung vor zwei Jahren bei Besuchern Mutmaßungen über den berühmten "Wasserkopf" auslöste (der, wie wir ja wissen, die Musterung kaum überstanden hätte).
Der Schild, ob nun parma oder Ovalscutum des aquilifer Musius ist entweder in der gesamten Größe oder in seiner breite zu klein, dafür ist rechter Arm um einiges zu lang.
Oder der Grabstein des Gaius Valerius Valens, auf dem der gladius wirkt, als wäre er ein Spielzeugschwert
http://www.livius.org/a/1/legio/viii_augusta/viii_augusta_mus_corinth1.JPG
Oder, oder, oder.
Was bleibt ist also:
Ein Stein, auf dem sich einige Besonderheiten der Darstellungsweise und des Darstellungsinhaltes finden
gegenüber
einer Reihe gleichwertiger Grabsteine (bei den centuriones handelt es sich im Gegensatz zu den typischen Soldatensteinen meist um teure Einzelanfertigungen, wie man unschwer sehen kann), die diese Besonderheiten nicht wiederholen
aber
eine Reihe von Besonderheiten in einzelnen Details an Grabsteinen, die eigentlich seriell gefertigt werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei diesem einen Grabstein also eine Einmaligkeit realistisch gezeigt wird ist durch die Häufigkeit der verzerrten Dimension oder veränderten Darstellung m.E. ausgesprochen gering.
Eine Rekonstruktion dieses Abbildes wäre dementsprechend nur angebracht, wenn sie im gesamten Kontext, eben als Rekontruktion genau dieses Abbildes erfolgen würde.
Mir geht es dabei nicht um die Deutungshoheit. Mir geht es dabei um die Herangehensweise.
Die Interpretation in der klassischen wie in der provinzialrömschen Archäologie hat viel mit Stilistik und Vergleichen zu tun. Mit einem soliden Handwerk also. Spätestens nach dem jahrzehntelangen Debakel um die bildgenauen Rekonstruktionen von der Trajanssäule wissen wir, um die dreifache Notwendigkeit der Quellen für eine gelungen, annähernd sichere Reko.