Ich kann's nicht lassen, aber nehmen wir doch mal die Rhetorik diecses Elaborats auseinander.
Ich ziehe mal die Passage vor, die für mich Anlass ist die Rhetorik dieses Elaborats auseinanderzunehmen
Vieles wird über die Bedeutung von einzelnen Ortsnamen geschrieben, auch von Herrn und Damen, die Doktorentiteln haben und von Laien als "Experten" angesehen werden ("die müssen das wissen, die haben es schließlich studiert").
Das ist quasi die Umkehr des
Argumentum ad verecundiam (des Autoritätsarguments).
Argumenta ad vercundiam nennen anstatt echten Argumenten den wissenschaftlichen oder geistlichen Rang des Verfassers.
Professor XY sagt.... F. ist Straßenbauer und geht mit seiner Fachkenntnis ... mit dem Sachverstand des Straßenbauingenieurs...
Hier aber ist noch gar keine Kritik geäußert worden, da verteidigt sicher Verfasser schon gegen sie. Das ist natürlich der Versuch, die eigenen Behauptungen mittels des
Argumentum ad hominem gegen jedewede Kritik zu
immunisieren.
Stellen wir uns mal vor, ein überschätzter Schnulzensänger oder wahlweise ein mittelbegabter Vegankoch würde in einer Pandemiesituation den Rat der Ärzte, Virologen und Epidemiologen in den Wind schlagen mit dem Argument "Vieles wird über Krankheiten geschrieben, auch von Personen die Doktortitel haben und von Laien als 'Experten'angesehen werden ('die müssen das wissen, die haben es schließlich studiert')."
So was würde zum Glück in der Realität nicht vorkommen....
Ist Ihnen sicher bekannt,...
Ihnen ist ferner bekannt,...
Psychologisch nicht ungeschickt dieser Satzeinstieg. Einfach mal mindestens strittige Thesen als allgemein bekannte Tatsachen hinzustellen. "Wie, das weißt du nicht? Weiß doch jeder..."
Hat ein wenig was vom
Red Herring.
So, dies zum Formalen. Kommen wir zum Inhaltlichen:
…
Meine Deutungen gehen auf Lautverschiebungen und Lexika von Altsprachen (arabisch als Basis für hamito-semitischen Ursprung, irisch als Basis für keltisch, russisch als Basis für slawisch und baskisch als Basis für die älteste europäische Sprache überhaupt, dem Vaskonischen). Das dürften die Hauptquellen für unsere heutigen Sprachen samt ihrer "Zwischenstufen" altgriechisch und latein sein.
Hier offenbart der Verfasser erstmal eklatante Unkenntnisse.
1) die afro-asiatischen oder hamito-semitischen Sprachen gehören zwar zu einer Großfamilie, haben aber einen gewissen Abstand zueinander, eben den hamitischen und den semitischen Sprachzweig.
2) Innerhalb des semitischen Sprachzweiges ist - abgesehen vom
Neuhebräischen, welches von manchen als auf dem Indoeuropäischen basierende Kunstsprache mit semitischem Lexikon gesehen wird - das Arabische wohl die Sprache mit dem meisten Abstand vom Rest-Semitischen. Man nennt es wegen seiner phonetischen Unterschiede auch
luġat aḍ-ḍād (Sprache des Ḍād). Das Arabische als Beispielsprache für semitischen oder gar hamito-semitischen Ursprungs irgendeines europäischen Toponyms würde also nicht nur Kenntnisse im Umgang mit arabischen Wörterbüchern erfordern, sondern auch tiefe Kenntnisse der Sprachgeschichte.
3) Irisch ist eine Neu-Keltische Sprache. Sie gehört zu den q-keltischen Sprachen. Um q-keltisch zu sein, müsste ein Ortsname a) spätestens 600 v. Chr. gegründet worden sein und b) dann entweder nicht mehr dem keltischen Sprachwandel unterworfen gewesen oder aber von einer nicht-keltischsprachigen Bevölkerung besiedelt worden sein - der Einfachheit halber ignoriere ich mal, dass das Irische natürlich nicht das q-Keltische von vor 2.600 Jahren repäsentiert, wie hier in der Mail vom Anonymus suggeriert.
4) Auch Russisch ist natürlich eine moderne Form des Slawischen. Warum nimmt er nicht wenigstens ein Altkirchenslawisches Lexikon?!
5) Baskisch ist eine nichtindoeuropäische, isolierte Sprache. Irisch, Russisch, Latein und Griechisch sind indoreuropäische Sprachen, Arabisch ist eine semitische Sprache. Wie sollen Latein und Griechisch Zwischenstufen davon sein? Das ist doch Blödsinn. Latein ist eine (bzw eine Vielzahl) von Zwischenstufen zwischen dem umbrisch-oskischen Zweig des italischen Zweiges der indoeruopäischen Sprachen und den romanischen Sprachen. Aber sicher nicht zwischen Baskisch und Deutsch, oder Arabisch und Deutsch. Oder Russisch und Irisch. What a crap!
6) Wir wissen nicht, wann und wie das Baskische nach Europa kam. WAHRSCHEINLICH ist es die älteste Sprache Europas. Gesichert ist sie aber erst ab der Antike. Und zwar in dem Raum, in dem sie auch heute noch gesprochen wird. Ob das Baskische (bzw. das Konstrukt Waskonisch als historischer Vorläufer des Baskischen) vor der indoeuropäischen Einwanderung jemals auch z.B. in Skandinavien, auf den britischen Inseln oder in Süddeutschland gesprochen wurde, weiß man nicht. (Gut, Vennemann und seine Epigonen sind davon überzeugt, aber haben - ganz abgesehen von Occams Razor - doch eine ganze Reihe argumentativer Schwächen und zeichnen sich durch Unkenntnis des Baskischen aus.)
Die Benennungsmotivation für eine Stelle war früher ein unverwechselbares/unveränderbares Kennzeichen, aber keine "Mobilie" wie ein Mensch oder ein Tier: mal hier mal da dann wieder jahreszeitbedingt ganz weg...
Bei uns im Wald gibt es einen Ort, denn wir als Kinder alle als "Bärental" kannten. Das hatte einen einfachen Grund: Ein Nachbarsmädchen hatte dort mal einen Teddy verloren. Die war gut zehn Jahre älter als ich, dürfte diesen Ort also so genannt haben, als ich noch flüssig war. Aber weil sie den Ort "Bärental" nannte und ihre Geschwister ihn "Bärental" nannten, nannten auch meine Freunde und ich ihn "Bärental".
Übertragen wir dies mal auf größere Zusammenhänge: An einem Ort hat sich eine einmalige Tatsache N ereignet. Die haben du und ich erlebt. Nun will ich dir erzählen was ich heute gemacht habe. Und ich erzähle dir, dass ich an dem N-Ort war. Du weißt sofort was gemeint ist. Morgen fragst du mich: Gehen wir zum N-Ort? Fünf andere kommen mit und nennen diesen Ort fortan auch N-Ort. Obwohl sie das Ereignis nicht erlebt haben und allenfalls aus Erzählungen wissen, was es mit dem Namen auf sich hat, benutzen sie ihn.
Das Ereignis N könnte z.B. - weil Anonymus explizit tiernamenbasierte Ortsnamen anspricht, die er in Abrede stellt - ein besonder erfolgloses oder umgekehrt -reiches Jagdereignis gewesen sein. Oder man wurde Zeuge einer interessanten Tierbeobachtung.
Nun kommen wir also zu mittelalterlichen Ortsnamengründungen. Dein Anonymus behauptet, Benennungsmotivation sei ein unverwechselbares Kennzeichen gewesen. Ja, so habe ich auch schon argumentiert und das werde ich auch jetzt nicht in Abrede stellen. Unveränderbar? Nicht unbedingt. Es reicht ja, wenn der Zustand lange genug andauert. Bei dem Mädchen aus meiner Nachbarschaft waren es Tage oder sogar nur Stunden, dass der Teddy verloren war.
Wenn wir also von der Namenkontinuität einer Siedlung ausgehen, dann muss die Siedlung oder zumindest ihr unmittelbares Umfeld kontinuierlich besiedelt gewesen sein.
So jetzt geht also Bauer Michael hin und gründet einen Hof. Mit seiner Frau, seinen Kindern und seinem Gesinde.
Das ist Michaels Hof. Nun gründen seine drei Söhne von diesem Hof ausgehend Filialhöfe, denn fruchtbares Land ist genug da. Der Hof wächst zum Dorf heran. Michaels Dorf. Michaelsdorf. Michael stirbt. Aber die Bauern aus Thomasdorf und aus Martinsdorf kennen den Ort als Michaelsdorf. Thomas sagt zu seiner Frau Thomasa: "Du, ich geh besuche heute Jörn Michaels Sohn. Michael(s)sohn, wird spät, wir trinken Bier und spielen Skat." Daraufhin Thomasa: "Wenn du schon nach Michaelsdorf gehst, dann bring auch Jörna und Michaela Blumen mit." (Ja, ich weiß, die Darstellung ist leicht sexistisch, Männner die Skat spielen und Bier trinken und Frauen, die zuhause bleiben...)
Der Name hat sich verfestigt, Michael ist längst weg.
In den USA (bzw. eigentlich in den britischen Kolonien in Nordamerika) gab es mal einen Waldbesitzer. Der ist seit 400 Jahren tot, aber sein Land heißt bis heute Pennsylvania. Walid, nach dem Valladolid benannt wurde, ist sei 1.300 Jahren tot. Und Sindolf wahrscheinlich seit 1.400 Jahren.
(und zu) Sindelsdorf: Ist Ihnen sicher bekannt, dass es ein vorrömisches Wort zenda gibt, welches sich noch heute im spanischen sendero bzw. frz. sentier weiterlebt (beides heißt Weg, Fußpfad).
So ein Unsinn.
Sendero und
sentier kommen von
semita bzw. dem davon abgeleiteten
semitarius. Und was genau soll "vorrömisch" heißen? Das ist doch keine Sprachbezeichnung.
Zum Rest äußere ich mich, wenn gewünscht, auf konkrete Nachfrage.