nochmal zurück zum Titel ("Saxones")
Mich würde eure Meinung zu folgender These interessieren, Albert Genrich, seines Zeichens "Altsachsenforscher" hat sie -meines Wissens- als erster angedeutet:
Die von Tacitus u. a. schriftlichen Quellen aufgelisteten Stammesnamen verschwinden überraschend plötzlich und es taucht südlich der Angeln, westlich der (damals dort noch ansässigen) Langobarden und nordöstlich der Friesen plötzlich der Gesamtbegriff der "Sachsen" auf.
Etwa um die gleiche Zeit bzw. eigentlich früher, also beispielgebend (ich hab auch die Frankendiskussion diesbezüglich verfolgt und dort die doch recht einleuchtende "Namensgebungs-Quintessenz" vermisst) nennen sich bzw. nennt MAN die Kriegshaufen jener Germanenstämme, die auf der Höhe Kölns den Rhein zu Raub- und Abenteurzügen nach Gallien überqueren "Franken" (frank = wild, ungebärdig... ungestüm) - und verschiedene aus dem Norden und Osten (gleicher dt. geograph. Höhe) Abziehende, Verdrängte schließen sich am Main (bzw. am Limes nördlich davon) zu den "Alemannen" zusammen..
Ebenso entstehen Thüringer (wie ich belehrt wurde, ohne Wandalenanteil

) und später, im letzten Kapitel der sogen. Völkerwanderung, die Baiovarii, Bajuwaren (bestimmt ohne Awaren), sozusagen "am plötzlichsten" als rasch weiterüberlieferte Bezeichnung.
Zusammengefasst: das Wort Ethnogenese passt für die räuberischen Vorläufer und für die tatsächliche Völkerwanderungszeit nicht wirklich, "Branding" oder "Firmenname" schon eher.
Die um die selben Zeiten und aus nicht weit entfernten bzw. unmittelbar benachbarten Gegenden stammenden und sich aufmachenden KLEINEN Stammesscharen haben also für ihre gezwungene Landsuche, aber auch für Kampf- Eroberungs- Raub- und späteren Landnahmezug einen "Trend" aufgenommen: sie schlossen sich OFFIZIELL* zusammen und gaben sich (heute noch sprachlich nachvollziehbare) "artifizielle" = beschreibende Namen und somit Zusammengehörigkeitsidentitäten. Ja?
"Scharen" deshalb, weil man ganze Stämme, Brukterer oder besonders die Friesen noch Jhdte. später am selben Platz eingetragen findet, also blieben diese (größtenteils) dort sesshaft, auch wenn's noch so scheiße war...
*Mit offiziell meine ich "für die Nachrichten", es heißt nicht, dass die Einzelstämme sofort auf ihre Herkunftsnamen verzichteten, aber ... sie werden sie nach anch vergessen ahben, da sie einem neuen Nationenbegriff unterstanden oder diesen hochhalten mussten (wie zb. Oberösterreicher in Wien

)
Aber die - schon erwähnten - Chauken verschwinden langsam und parallel zum an gleicher Stelle auftauchenden Namen der "Sachsen" - der vorher NIRGENDS stand.
Jetzt (endlich, danke für die Einleitungsaufmerksamkeit!) die viel weniger pragmatische aber, wie ich denke, hochinteressante These zur -> Namensgebung der Sachsen.
Tacitus selbst hat ja (hoffe, ich irre mich nicht) schon von "Nerthus-Völkern" geschrieben oder besser, diesen Begriff weiterüberliefert, für die Völker, wo "plötzlich" bzw. über den Zeitraum von nur einer Generation "Saxones" in die Landkarte eingetragen wird.
Die These lautet - ich versuche sie kurz darzustellen - dass junge abenteuerlustige (und natürlich freie) Krieger es leid waren, der Nerthus als höchster Muttergottheit zu huldigen und Wodan, den Kriegsgott voranstellten. Schuld an der Abkehr hatte weniger die Göttin selbst, sondern deren Priester, die z.B. die Waffen horteten und nur dann ausgaben, wenn Kriegsgefahr drohte oder zB. einführten, dass man vor der Göttin nur mit gebundenen Händen erscheinen durfte (bitte fragt mich jetzt nicht nach der genauen Quelle dieser "Riten", Tipp: schlag nach bei Genrich - Ich persönlich hätte die Priester bzgl. Waffeneinsperren übrigens gut verstanden).
Rundum (Franken, Semnonen zB. ->Alamannen) erfreute man sich des "lustigen" (und im kräfteraubenden Detail wirklich notgedrungener Auswanderer wahrscheinlich gar nicht lustigen) "Sich über reichere - dh. römische - Gegenden Hermachens", nur die Stammessöhne rund um und an der unter(st)en Elbe durften das nicht.
Ergo: gründeten sie, ihren (neuen?) Gott
Sahsnoth (hoffe das jetzt exakt geschrieben zu haben) bzw. einen Vorläufer, der mir nicht mehr einfällt, anrufend so etwas wie eine "Brüderschaft" rund um das Zeichen, das sie diesem Gott zuordneten oder anders, das er in ihre Hände gelegt hat - das Sax, nur messerlanges Kurzschwert - und nannten sich "Saxen", ich las es bei Genrich als "Schwertbrüder" oder Schwertgenossen, aber vielleicht mag auch Schwertsöhne stimmen ;-)
Die These wagt dann die Vorstellung, dass diese freien Krieger eigene Dörfer bezogen und -> KEINE übergeordnete Adelsstruktur zuließen, eine grundsätzlich "ritterliche, also feudale Ordnung" an sich muss das nicht ausschließen, da ein Treueeid, also bedingungslose Gefolgschaft sozusagen den german. Völkern "in Fleisch und Blut saß" (doppelt als Reaktion auf diesbzügliche verkommene und gewiss bekannte Sitten im niedergehenden röm. Reich)
Bruderschaft, eigene Siedlungen UND das nicht Zulassen einer Oberherrschaft dieser (nicht zuletzt durch ihre Waffen) rasch bestimmenden Sax-Burschen könnte auch ein wenig Licht darauf werfen, was so geheimnisvoll aus den Schulbüchern bzgl. des späteren Sachsenkrieges Karls klingt: Widukind taucht plötzlich als Herzog, also als Oberkommandierender des Heeres auf, gebärdet sich aber keineswegs königlich feudal, Guerillakriegstaktik, schwere Auffindbarkeit des Feindes und immer wieder schnelles Zusammenziehen der sächs. Kräfte...
Zudem könnte man durchaus weiterspinnen und gar nicht so viel spätere Zeiten: Schwertbrüderschaft -> Bruderschaft -> Vorläufer mittelalterl. (Schwert-)Ordens-Bruderschaften
Basis ist aber etwas, was ich hier ganz selten lese: Religion als Basis des Handelns, die tiefe Gläubigkeit und eine schicksalsbezogene (den Nornen unterworfene), fatalistische Grundhaltung, die aber zunehmend Passivität abzulehnen beginnt, die junge Haudraufs sich von einer Erd-Mutter-und Fruchtbarkeitsgöttin* abwenden und zu einem Kriegsgott beten ließ...?
*Angesichts der klimatischen = Ernährungslage-Zustände außerdem nachvollziehbar.
Was denkt ihr, wisst ihr genaueres, was ist davon zu halten, Berufene?
;-)
+ edit: weitere Quellen (außer Genrich): H.J. Häßler (Hg.), Studien zur Sachsenforschung 1980 - 1987