Sex im Mittelalter

Tut mir Leid, kann ich nicht nachvollziehen.
Auch das halte ich für eine Umsetzung der Moralvorstellungen des Viktorianischen Zeitalters auf das Mittelalter.

Die Luxuria als Todsünde war eine mittelalterliche Vorstellung, keine des viktorianischen Zeitalters.

Es ist natürlich vollkommen klar, dass die (verschriftlichten) Moralvorstellungen (das Über-Ich) und das tatsächliche Tun voneinander abweichen.
 
Die Luxuria als Todsünde war eine mittelalterliche Vorstellung, keine des viktorianischen Zeitalters.

Es ist natürlich vollkommen klar, dass die (verschriftlichten) Moralvorstellungen (das Über-Ich) und das tatsächliche Tun voneinander abweichen.


Kein Schimmer was die Luxuria ist.

Die Schwänke der Zimmerischen Chronik (ausgehendes Mittelalter/beginnende Neuzeit) sind aber derart handfest, dass ich konträr lautende Berichte schlicht nicht glauben kann.
Vielleicht sollte man noch anfügen, dass die Chronik geschrieben wurde für die Nachkommen der Herren und Grafen von Zimmern, zur Erziehung.
Nicht unbedingt ein Publikum, dem man Zoten vorsetzt.
 
Kein Schimmer was die Luxuria ist.

Die Wolllust. Ich dachte, das wäre aus dem Kontext ersichtlich.

Die Schwänke der Zimmerischen Chronik (ausgehendes Mittelalter/beginnende Neuzeit) sind aber derart handfest, dass ich konträr lautende Berichte schlicht nicht glauben kann.

Es steht gar nicht zur Debatte, ob gewisse Sexualpraktiken bekannt waren, ob sie tatsächlich ausgeübt wurden ist schwer nachzuweisen. Die Beschreibung von ausgeübten Sexualpraktiken kann - gerade im 15./16 Jhdt. - immer auch als Verunglimpfung motiviert sein. Gerade die Beschreibung von der Pfälzer Mechtild hat einige abwertende Elemente. Da sind drei Männer (natürlich nicht gleichzeitig; zwei Edelleute, und wenn von diesen keiner zur Hand ist ein eigens eingestellter Bediensteter: "Ich hab wol von den alten gehört, das sie ain offenhaiser hab gehabt, genannt der Halberdrein, der ist ir ganz haimlich gewesen, hervorab so der graf von Fürstenberg oder herr Veit von Emmershofen nit bei der handt."), Mechthild wird in zwei Stellungen beschrieben - einmal als real geschehen, einmal in einem Rästel - die auch noch heute mit Tieren verbunden werden. Aus damaliger Sicht wurde durch solche Praktiken die göttliche Ordnung, bei welcher der Mensch über dem Tier stand verletzt. Wenn also eine hochgestellte und politisch relevante Dame mit solchen Praktiken in Verbindung gesetzt wird, dann soll sie gezielt lächerlich gemacht werden.
Frauenfeindliche Literatur ist im 15. und 16. Jhdt. en vogue. Ich nenne nur Fischart, Rabeleis oder Pérez de Guzmán.
 
. - immer auch als Verunglimpfung motiviert sein. Gerade die Beschreibung von der Pfälzer Mechtild hat einige abwertende Elemente.


Mag in dem Fall durchaus sein.
Aber,
es ist bei weitem nicht der einzige Schwank, Verwechslung von Potenz- und Abführmittel, Pärchen die "inFlagranti" vom Erdbeben überrascht werden und nicht mehr "auseinander kommen" dementsprechend verkeilt pudelnackt auf der Gasse herumhopsen usw.

Zoten die man heute den Nachkommen nicht unbedingt aufgeschrieben hinterlassen würde....


Ach so,
es geht mir keineswegs um die Sexual-Praktiken, es geht mir um die Tatsache dass deftigste Zoten schriftlich hinterlassen werden, mit dem ausdrücklichen Wunsch, dass sie den Nachkommen zur "Unterrichtung" über die "alten Zeiten" und "das Herkommen" des Geschlechtes "der Herren und Grafen von Zimmern" zu dienen haben.
Ich denke Du verstehst wie das "Unterrichten" verstanden werden soll.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sage es noch einmal mit Peter Dinzelbacher, den ich diesbezüglich bereits referenziert und auch zitiert hatte: "Wie weit die Laien diese Ausblendung oder Verteufelung eines zentralen Lebensbereiches ihrer Existenz mittrugen, läßt sich nicht pauschal beurteilen."
 
Und das Luther-Wort: Der Woche zwier schadet weder Dir noch Ihr?

Luthers Einstellung zu Frauen ist- wir wollen keine aktuelle Gesellschaftspolitik diskutieren, du hast es selbst gesagt - im zeitlichen Kontext zu betrachten. Meint, die Befindlichkeit von Frauen war eigentlich nebensächlich, wenn der Herr des Hauses mal wollte. Luther machte da keine Ausnahme, es gibt ein paar deutliche Aussagen des Herren.

El Quijotes Einwand kann ich deshalb sehr gut nachvollziehen: wir diskutieren keine heutigen Moralvorstellungen, eine Übertragung heute/gestern sollte und kann nicht 1:1 stattfinden. Aber wir lernen aus vorangegangenen gesellschaftlichen Befindlichkeiten sehr gut zu verstehen, warum wir heute so ticken und nicht anders. Ich halte es für legitim, über so etwas nachzudenken, ohne heutige Vorstellungen zu bemühen und zu übertragen.
 
Luthers Einstellung zu Frauen ist- wir wollen keine aktuelle Gesellschaftspolitik diskutieren, du hast es selbst gesagt - im zeitlichen Kontext zu betrachten. Meint, die Befindlichkeit von Frauen war eigentlich nebensächlich, wenn der Herr des Hauses mal wollte. Luther machte da keine Ausnahme, es gibt ein paar deutliche Aussagen des Herren.

El Quijotes Einwand kann ich deshalb sehr gut nachvollziehen: wir diskutieren keine heutigen Moralvorstellungen, eine Übertragung heute/gestern sollte und kann nicht 1:1 stattfinden. Aber wir lernen aus vorangegangenen gesellschaftlichen Befindlichkeiten sehr gut zu verstehen, warum wir heute so ticken und nicht anders. Ich halte es für legitim, über so etwas nachzudenken, ohne heutige Vorstellungen zu bemühen und zu übertragen.

Diese Aussagen Luthers kenne ich nicht. Aber! damals demnach normal, heute die Aussage des des Württ. Landesbischofs zu seinem Sexualleben, undenkbar. Mit anderen Worten, wenn mein Nachbar so anfängt, beende ich das Gespräch und rede zukünftig mit dem über Fußball und Politik, werde solche Themen zu vermeiden wissen.

Wir sind überhaupt nicht auseinander mit unseren Ansichten dazu, abgesehen von meiner These, dass der Blick auf die Vergangenheit bei diesen Themen vielfach vom viktorianischen Zeitalter verstellt wird.
 
Aber! damals demnach normal, heute die Aussage des des Württ. Landesbischofs zu seinem Sexualleben, undenkbar.

Wie mehrfach geschrieben würde ich da etwas differenzieren; zum einen ist es die Aussage Luthers, d.h., eines Mannes, und es wäre zu beachten, ob und inwiefern sich auch andere dazu diesbezüglich äußerten.
Zum anderen ist es im Kontext der Auseinandersetzung mit dem Zölibat zu sehen, da Luther diese Enthaltsamkeit als unnatürlich empfand.
Und schlußendlich ist für das entsprechende Zitat Luthers ("In der Woche zwier...") noch nicht einmal andgültig klar, ob er es wirklich selbst so gesagt hat oder ob man es ihm nachträglich zugeschrieben hat; es heißt nämlich dazu stets "... soll von Luther stammen", "Luther soll gesagt haben..." etc.

Mit anderen Worten, wenn mein Nachbar so anfängt, beende ich das Gespräch und rede zukünftig mit dem über Fußball und Politik, werde solche Themen zu vermeiden wissen.

Ein durchaus wichtiger Punkt: es kommt auf den Kreis bzw. die Zuhörer an, ob solche deutlichen Worte gebraucht werden oder nicht. Und ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, daß man sich damals immer und überall sowie jedem Nachbarn gegenüber zu solchen Dingen geäußert hat.

Wir sind überhaupt nicht auseinander mit unseren Ansichten dazu, abgesehen von meiner These, dass der Blick auf die Vergangenheit bei diesen Themen vielfach vom viktorianischen Zeitalter verstellt wird.

Sicher trüben die Vorstellungen des viktorianischen Zeitalters unsere Sicht nach wie vor, aber die sieben Todsünden, zu denen von Anbeginn auch die Wollust gehört, haben ihren Ursprung definitiv in der Spätantike, genauer im 4. Jh. (Evagrius Ponticus) .
Und die Wollüstigen läßt ein Dante Aligheri im 14. Jh. bspw. in L'Inferno in Feuer und Schwefel schmoren...
 
Diese Aussagen Luthers kenne ich nicht.

"Vom ehelichen Leben" (1522). Gut, da hat es zwar noch ein Jahr gedauert, bis er verheiratet war und wer weiß... :winke:. Aber das liest sich eigentlich nicht wirklich abweichend von den anderen Vorstellungen (wenn auch Luther etwas rustikaler war als ein Moralniederschreiber der Kirche). Meint: Luther ist möglicherweise in mancher Hinsicht als Reformator zu bezeichnen, wenn man mag, hierbei aber gab es eine recht klare Rollenteilung: die Wünsche der Männer und die Pflichten der (Ehe)Frauen.

http://bitflow.dyndns.org/german/MartinLuther/Vom_Ehelichen_Leben_1522.pdf

Wir sind überhaupt nicht auseinander mit unseren Ansichten dazu, abgesehen von meiner These, dass der Blick auf die Vergangenheit bei diesen Themen vielfach vom viktorianischen Zeitalter verstellt wird.
Da bin ich ganz bei dir. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass wir heutzutage zum Glück mittlerweile auch etwas losgelöst sind vom viktorianischen Zeitalter und einiges mit mehr Distanz sehen können.
 
"Vom ehelichen Leben" (1522). Gut, da hat es zwar noch ein Jahr gedauert, bis er verheiratet war und wer weiß... :winke:. Aber


Der Herr Luther hat als Junggeselle übers "eheliche Leben" geschrieben.....

irgendwie predigt sich´s am besten wenn man nicht involviert ist:devil:
 
OT:

Der Herr Luther hat als Junggeselle übers "eheliche Leben" geschrieben.....

irgendwie predigt sich´s am besten wenn man nicht involviert ist:devil:

Das halten seit dieser Erfindung Generationen von Klerikern so. :devil:

So, aber nu (fast) back to topic (Thema ist ja eigentlich nicht das wie, sondern das wo, wenn ich den Faden nicht ganz verloren habe):
Abgesehen davon, dass man Luther getrost in die Neuzeit schieben kann, skizziert er ganz gut ein Frauen- und Männerbild, auf biblischen Grundlagen, die im Mittelalter nicht besonders anders waren.

Wenn hier bereits geschrieben wurde, welche Aufzeichnungen es über Sexualität in vergangenen Epochen geht, so ist damit üblicherweise die Sexualität der Männer gemeint. Frauen wurde bis vor allzu langer Zeit gar keine bedeutende Sexualität zugestanden, war nicht sichtbar, nicht existent (es gibt imho auch keine Beschreibungen von weiblicher Homosexualität inkl. deren Sanktionen hier und da).
 
OT:

Frauen wurde bis vor allzu langer Zeit gar keine bedeutende Sexualität zugestanden, war nicht sichtbar, nicht existent ().


In der Zimmerischen Chronik kann ich mich aber an ein paar Schwänke in der Richtung erinnern.

Auch die Pfalzgräfin scheint ja durchaus nicht Objekt, eher handelnde gewesen zu sein.

Zumindest schildert der Graf von Zimmern, dass ohne bestimmte Kriterien nichts lief.:still:
Die Sexualität der Frau scheint mir da durchaus vorhanden:yes:
 
Zuletzt bearbeitet:
... es gibt imho auch keine Beschreibungen von weiblicher Homosexualität inkl. deren Sanktionen hier und da...

Laut John Boswell "Christianity, Social Tolerance and Homosexuality" - University of Chicago Press 1980 wurde um 1260 in Orleans ein - lokales bzw. lokal geltendes - diesbezügliches Gesetz erlassen, welches wohl für beide Geschlechter galt und das Bestrafungen beim ersten Vergehen, beim zweiten Vergehen sowie auch beim dritten Vergehen beinhaltet.
Siehe Eintrag zu 1260 auf Geschichte der LGBT - Mittelalter - Wikipedia sowie die entsprechenden Referenzen auf Prohibitions und http://www8.georgetown.edu/departments/medieval/labyrinth/conf/cs95/papers/moran_fn.html#fn0

Hier wäre es natürlich interessant, wenn jemand herausbekommen könnte, wie John Boswell darauf gestoßen ist bzw. was wirklich verbrieft ist und inwiefern er dabei interpretiert... :fs:
 
Zuletzt bearbeitet:
Laut John Boswell "Christianity, Social Tolerance and Homosexuality" - University of Chicago Press 1980 wurde um 1260 in Orleans ein - lokales bzw. lokal geltendes - diesbezügliches Gesetz erlassen, welches wohl für beide Geschlechter galt und das Bestrafungen beim ersten Vergehen, beim zweiten Vergehen sowie auch beim dritten Vergehen beinhaltet.
Siehe Eintrag zu 1260 auf Geschichte der LGBT - Mittelalter - Wikipedia sowie die entsprechenden Referenzen auf Prohibitions und http://www8.georgetown.edu/departments/medieval/labyrinth/conf/cs95/papers/moran_fn.html#fn0
Da danke ich dir aber wirklich sehr für die Links. Das war mir so nicht bekannt.
 
Frauen wurde bis vor allzu langer Zeit gar keine bedeutende Sexualität zugestanden, war nicht sichtbar, nicht existent .


Hmmm,

eigentlich habe ich ja darauf schon geantwortet,

aber:scheinheilig:

ist das "nicht zugestehen" weiblicher Sexualität nicht viktorianisches Zeitalter pur?
Im Mittelalter, zumindest im ausgehenden siehe Zimmerische Chronik, sehen die Fakten doch eher anders aus.
Könnte das nicht schlicht daran liegen, dass die Männer "schon immer" die "handfesten Witze" reißen, die Frauen da nicht "so" drüber lachen können.

OT: Wenn der ehemalige Verlobte meiner Frau zur allgemeinen Erbauung im Freundeskreise eine deftige Geschichte erzählt, und sie kommt dazu, pflegt sie mit den Schultern zu zucken und zu sagen "so ist er halt".
 
Hmmm,

eigentlich habe ich ja darauf schon geantwortet,

aber:scheinheilig:

ist das "nicht zugestehen" weiblicher Sexualität nicht viktorianisches Zeitalter pur?
Möglich.
Könnte das nicht schlicht daran liegen, dass die Männer "schon immer" die "handfesten Witze" reißen, die Frauen da nicht "so" drüber lachen können.

OT: Wenn der ehemalige Verlobte meiner Frau zur allgemeinen Erbauung im Freundeskreise eine deftige Geschichte erzählt, und sie kommt dazu, pflegt sie mit den Schultern zu zucken und zu sagen "so ist er halt".

Das mag stimmen, ist aber weder Mittelalter noch viktoriansches Zeitalter, sondern Stammtisch 21. Jahrhundert.
 
Möglich.

Das mag stimmen, ist aber weder Mittelalter noch viktoriansches Zeitalter, sondern Stammtisch 21. Jahrhundert.


Der ehemalige Verlobte von Repo´s Frau geht aber an keinen Stammtisch:nono:
trotzdem stellt er die These auf, dass "nach altem Herkommen" die öffentlich geäußerten Witze der Männer die deftigeren sind.:rofl:
 
OT:
Frauen wurde bis vor allzu langer Zeit gar keine bedeutende Sexualität zugestanden, war nicht sichtbar, nicht existent.


Moment mal, was fällt mir da ein....

Hab ich jetzt einen Alzheimer Anfall, oder erinnere ich mich richtig, dass man vor 2-3 Jahrzehnten in einem fränkischen Nonnenkloster überaus deftige spätmittelalterliche Literatur gefunden hat?

Mercy, Du Spezialist im klösterlichen Franken, hilf mir doch mal auf die Sprünge.
Wenn da was war, Du weißt es.
 
Ist schon erstaunlich, wie ernst manche dieses Thema sehen ;-) Ich bleibe allerdings dabei, daß ich den zeitgenössischen Darstellungen wenig abnehmen kann und werde, was Keuschheit und Frömmigkeit angeht. Selbst die Darstellungen von Sex unserer heutigen Gesellschaft spiegelt zu 80 Prozent nicht das wieder, wie es wirklich abläuft. Man stelle sich nur vor, in 200 Jahren bekommt jemand ein pornografisches Produkt unserer Zeit in die Hand und dichtet uns allen eben das dort gesehene oder gelesene an. Wärd ihr damit zufrieden ?
 
Ist schon erstaunlich, wie ernst manche dieses Thema sehen ;-)
:confused:

Ich bleibe allerdings dabei, daß ich den zeitgenössischen Darstellungen wenig abnehmen kann und werde, was Keuschheit und Frömmigkeit angeht.
Ich erlaube mir, mich dazu selbst zu zitieren:
Ich sage es noch einmal mit Peter Dinzelbacher, den ich diesbezüglich bereits referenziert und auch zitiert hatte: "Wie weit die Laien diese Ausblendung oder Verteufelung eines zentralen Lebensbereiches ihrer Existenz mittrugen, läßt sich nicht pauschal beurteilen."
Anm. 1: Dahingehend stimmt ihm bspw. auch Hans-Henning Kortüm grundsätzlich zu, der ansonsten bei weitem nicht alle Sichtweisen von Peter Dinzelbacher teilt.
Anm. 2: Frömmigkeit ist - gerade in der Betrachtung des europäischen Mittelalters - eine vielschichtige Thematik (weil sie nahezu alle damaligen Lebensbereiche durchdrungen hat), hat aber nicht zwangsläufig mit Askese oder gar Asexualität o. dgl. zu tun.
Anm. 3: Keuschheit war i.d.S. nur für den Klerus und für Ordensleute verpflichtend; und daß dabei Ideal sowie Anspruch einerseits und Realitäten andererseits auseinanderfallen konnten, hat hier mW auch niemand bestritten.

Selbst die Darstellungen von Sex unserer heutigen Gesellschaft spiegelt zu 80 Prozent nicht das wieder, wie es wirklich abläuft. Man stelle sich nur vor, in 200 Jahren bekommt jemand ein pornografisches Produkt unserer Zeit in die Hand und dichtet uns allen eben das dort gesehene oder gelesene an. Wärd ihr damit zufrieden ?
Dazu nur folgende Anmerkung: Im Gegensatz zum Mittelalter gibt es bspw. für die 2. Hälfte des 20. Jh. mehrere Studien - welche übrigens alle die grundlegenden Schlußfolgerungen des Kinsey Report nicht widerlegen konnten, sondern bei aller berechtigter Kritik im Großen und Ganzen bestätigten. Sicher ist es möglich, daß diese Aufzeichnungen in 200 Jahren alle verlorengegangen sind und aus unserer Epoche nur noch pornographisches Material bzw. ein derartiges Produkt übriggeblieben ist; ein solches Szenario erscheint aber äußerst unwahrscheinlich (die Medien, auf denen solche Arbeiten gespeichert sind, sind nämlich nicht weniger dauerhaft als die anderen).
Ebensowenig läßt sich natürlich sagen, inwieweit die Herangehensweise der Historiker in der Zukunft sein wird, aber vorausgesetzt, daß sich die allgemeine Vorsicht hinsichtlich möglicher Vermeidung pauschaler Beurteilungen nicht abschwächt, ließen sich selbst beim unwahrscheinlichen Fall, daß sämtliche Studien verlorengehen und lediglich pornographisches Material erhalten bleibt, nicht mehr als die folgenden Fragen einigermaßen beantworten:
1. Welche Praktiken waren (offenbar) bekannt?
2. Was war davon wirklich toleriert bzw. inweiweit lassen sich Aussagen bzgl. Tolerierung treffen (und dann für wen und vor allem in welchen Regionen)?

Selbst die Darstellungen von Sex unserer heutigen Gesellschaft spiegelt zu 80 Prozent nicht das wieder, wie es wirklich abläuft...
Dazu habe ich übrigens noch eine weitere Frage: Entstammen die 80% einer statistischen Erhebung, einer Studie o. dgl. oder ist das eher eine gefühlsmäßig-intuitive Abschätzung?
 
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