Versailler Vertrag zu hart und weich.... !?

Daß Deutschland Gebiete und Kolonien an die Sieger abtreten mußte wäre normales Vorgehen gewesen - aber die Begründung, die Deutschen hätten sich als unfähig erwiesen, ihre Kolonien ordentlich zu verwalten, das war unfair und beleidigend.
Graichen/Gründer (Deutsche Kolonien, Berlin: Ullstein, 2005) fassen diese Diskussion unter dem Begriff der "Kolonialschuldlüge" zusammen. Die deutsche Regierung bezog sich anfangs auf Wilsons "14 Punkte" (Dokument: Erklärung: 14-Punkte-Programm von US-Präsident Woodrow Wilson, 1918), deren Punkt 5 einen "Ausgleich" verheißen hatte. Jedoch hatte Wilson später diesen Punkt als obsolet bezeichnet, weil die Deutschen der "hilflosen Bevölkerung einiger Kolonien, die sie sich selbst angeeignet hatte, untragbare Lasten und Ungerechtigkeiten aufgebürdet" hätten (S. 371); vor dem Senat erklärte er vor seiner Abreise 1919: "Die Kolonien müssen Deutschland abgenommen werden, weil es diese zum Gegenstand der Ausbeutung machte" (S. 373).

Deutsche Proteste gegen Art. 118 V.V.-Entwurf wurden in der Antwortnote der Alliierten vom 16.06.1919 so beschieden: "Endlich haben die alliierten und assoziierten Mächte sich davon überzeugen können, daß die eingeborenen Bevölkerungen der deutschen Kolonien starken Widerspruch dagegen erheben, daß sie wieder unter deutscher [sic] Oberherrschaft gestellt werden. [...] Deutschlands Versagen auf dem Gebiet der kolonialen Zivilisation ist zu deutlich klargestellt worden..." (S. 374).

Graichen/Gründer sprechen von einem "Verlusttrauma" - Kolonialschuldlüge und Kriegsschuldlüge hätten in der Folge jenes "schleichende Gift" gebildet, "das zusammen mit der Dolchstoßlegende der Weimarer Republik zusetzte" (S. 375). Das scheint plausibel.
 
Du hast recht, so wurde das deutscherseits aufgenommen:

siehe
"Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik" Online "Nr. 113 Denkschrift der deutschen Friedensdele..." (2.119:)

"Die Kolonien werden weggenommen, ohne Vergütung und ohne Schuldensukzession, selbst bei den Vorkriegsschulden, und ohne jede rechtliche Sicherheit für die bisher in den Kolonien tätig gewesenen Deutschen. Zur Begründung wird lediglich auf die angeblichen Sünden der deutschen Kolonialverwaltung verwiesen."
aus: Denkschrift der deutschen Friedensdelegierten zu den Friedensforderungen der Entente. Versailles–Weimar, 17. Juni 1919
PA, Nachlaß Brockdorff-Rantzau

Elsaß-Lothringen, die Kolonien und die Provinz Posen.
Als Tauschobjekt leider nicht zum tragen gekommen. Aber ich denke fast, dass diesen 3 Punkten nicht viele nachgetrauert haben.

Gab es aber nicht zw. Compiegne und Versailles noch "Spielchen" mit den Kriegsgefangenen? Die nicht den Absprachen entsprechend freigelssen wurden.
 
Graichen/Gründer sprechen von einem "Verlusttrauma" - Kolonialschuldlüge und Kriegsschuldlüge hätten in der Folge jenes "schleichende Gift" gebildet, "das zusammen mit der Dolchstoßlegende der Weimarer Republik zusetzte" (S. 375). Das scheint plausibel.

Und abstrahieren damit von der Nützlichkeit dieser Flucht in den Mythos, das wäre der eigene Verdrängungsaspekt. Andere Interpretationen gehen von der zielgerichteten, manipulativen Verwendung dieser Themengebiete durch die National-Konservativen gegen die nicht akzeptierte Republik aus. Das wäre der innenpoltische Kampfaspekt.

Alle Aspekte wurden schließlich auch "personalisiert": es gab dazu dann die bekannten passenden Schuldigen.


Wer soll dann hier eigentlich traumatisiert worden sein?
 
Gab es aber nicht zw. Compiegne und Versailles noch "Spielchen" mit den Kriegsgefangenen?

Ja. Artikel 10 des Waffenstillstandsvertrages verlangte, dass "sämtliche Kriegsgefangenen der Alliierten und der Vereinigten Staaten [...] ohne Recht auf Gegenseitigkeit [...] unverzüglich in ihre Heimat zu befördern" sind (zitiert nach Scheidl, Kriegsgefangenschaft, S. 141, Hervorh. von mir).

Artikel 20 der HLKO 1907 ("Nach dem Friedensschlusse sollen die Kriegsgefangenen binnen kürzester Frist in ihre Heimat entlassen werden") wurde dann in der Weise gehandhabt, dass deutscherseits der Eindruck einer "Geiselnahme" entstand (viele Details z. B. bei Meurer, Völkerrecht im Weltkrieg, 3 Bd.)
 
Und abstrahieren damit von der Nützlichkeit dieser Flucht in den Mythos, das wäre der eigene Verdrängungsaspekt. ... gehen von der zielgerichteten, manipulativen Verwendung dieser Themengebiete durch die National-Konservativen gegen die nicht akzeptierte Republik aus.
Von "Abstraktion" kann insoweit keine Rede sein, als die "manipulative Verwendung" von den Autoren auf S. 375-448 sehr breit dargestellt wird bis ins Jahr 1943 (!), als das "Kolonialpolitische Amt" - das letzte Refugium der Unentwegten - aufgelöst wurde.
 
Ja. Artikel 10 des Waffenstillstandsvertrages verlangte, dass "sämtliche Kriegsgefangenen der Alliierten und der Vereinigten Staaten [...] ohne Recht auf Gegenseitigkeit [...] unverzüglich in ihre Heimat zu befördern" sind (zitiert nach Scheidl, Kriegsgefangenschaft, S. 141, Hervorh. von mir).

Artikel 20 der HLKO 1907 ("Nach dem Friedensschlusse sollen die Kriegsgefangenen binnen kürzester Frist in ihre Heimat entlassen werden") wurde dann in der Weise gehandhabt, dass deutscherseits der Eindruck einer "Geiselnahme" entstand (viele Details z. B. bei Meurer, Völkerrecht im Weltkrieg, 3 Bd.)


Da war noch irgendwas anderes, die Rückführung der Gefangenen ist wohl (vor VV) von irgendwelchen Zahlungen/Lieferungen abhängig gemacht worden, und die Erfüllung dieser Vorbedingungen wurde unterschiedlich beurteilt.
Muss mal heute abend nachlesen.

Die Ruhrbesetzung 1923 war ja auch nur der Höhepunkt jahrelanger Drohungen und! Aktionen, schon im März 1921 wurden erste Städte las "produktive Pfänder" besetzt.
 
...wurde dann in der Weise gehandhabt, dass deutscherseits der Eindruck einer "Geiselnahme" entstand (viele Details z. B. bei Meurer, Völkerrecht im Weltkrieg, 3 Bd.)

Bei Meurer aus den 20er Jahren wäre ich vorsichtig.

"Umstritten sind vor allem die Gutachten Meurers für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß für die Schuldfragen des Weltkrieges, die völlig in der Tradition des deutschen Rechtspositivismus stehen und nationalapologetisch ausgerichtet sind."
http://www.bbkl.de/m/meurer_c.shtml

Meurer diente vor allem zur Bestätigung der Thesen Krieges. Intern hatte er mit seinen Darstellungen Kritiker in Widmann und Fischer. Das 1000-seitige Gutachten stammt nicht von Meurer, sondern wurde von der "Reichszentrale für Kriegs- und Zivilgefangene" und der "Auflösungsstelle des Kriegsgefangenenwesens" ausschließlich aus deutschem Aktenmaterial erstellt, allierte Verfahrensweisen wurden sämtlich als behördenseitig verordnete und planmäßige Völkerrechtsverletzungen kritisiert, deutsche Härten als generell "kriegsrechtlich erlaubte Repressalien" dargestellt.

Darin folgte ihm nicht einmal die bürgerliche Ausschussmehrheit, die Vorstellung des Gesamt-Gutachtenwerkes mit Kriege und Meurer führte im 3. Untersuchungs-Ausschuss zu einem Eklat.

nach Heinemann, Die verdrängte Niederlage.


Von "Abstraktion" kann insoweit keine Rede sein, als die "manipulative Verwendung" von den Autoren auf S. 375-448 sehr breit dargestellt wird bis ins Jahr 1943 (!), als das "Kolonialpolitische Amt" - das letzte Refugium der Unentwegten - aufgelöst wurde.
Sorry, da habe ich dann Deine Zusammenfassung falsch verstanden.
 
Bei Meurer aus den 20er Jahren wäre ich vorsichtig.

Ich habe die 3 Bände selbst gelesen, kann den Verfasser (oder Kompilator) einschätzen und habe von meinem neutralen Hinweis, es würden dort "viele Details" geboten, nichts zurücknehmen. Dass dort fleißig selektiert, aufgerechnet usw. wurde, ist allgemein bekannt.

Soll ich das entsprechende Monitum bezüglich Scheidl im Voraus beantworten oder noch abwarten? :winke:
 
Wer soll dann hier eigentlich traumatisiert worden sein?
Ich gehe davon aus, dass die Autoren den Topos des (politischen) Traumas hier auf sehr breite Bevölkerungskreise anwenden wollen, und zwar durchaus auf der Grundlage der psychoanalytischen Trauma-Definition: "Ereignis im Leben des Subjekts, das definiert wird durch seine Intensität, die Unfähigkeit des Subjekts, adäquat darauf zu antworten, die Erschütterungen und die dauerhaften pathogenen Wirkungen, die es in der psychischen Organisation hervorruft" (Laplanche/Pontalis, Vokabular, S. 513).

Wie die anhaltende Popularität des Kolonialgedankens nach 1918 zeigt, wurde der Verlust von weiten Bevölkerungskreisen als unerwartet, ungerecht und unhinnehmbar empfunden. Viele glaubten ja bis dahin, dass cum grano salis das deutsche Kolonialregime "besser" gewesen wäre als das der Anderen, dass man echte deutsche Kultur - für teures Geld! - in die Welt hinausgetragen hätte usw.
Dazu passt sehr gut die Auffassung der Reichsregierung, das Mindeste, was die Sieger in Bezug auf die Kolonien zugestehen müssten, wäre "ein zweiter Versuch": Denn das deutsche Volk "habe das Recht und die Pflicht, an der wissenschaftlichen Erforschung der Welt und an der Erziehung unterentwickelter Rassen als einer gemeinsamen Aufgabe mitzuarbeiten" (Mitteilung an die Siegermächte vom Mai 1921, zitiert bei Graichen/Gründer S. 374).
Diese Chance erhielten die Deutschen nicht - heute sagen viele: glücklicherweise, damals kam diese "Kränkung" zu den anderen hinzu.
 
Ich habe die 3 Bände selbst gelesen, kann den Verfasser (oder Kompilator) einschätzen und habe von meinem neutralen Hinweis, es würden dort "viele Details" geboten, nichts zurücknehmen. Dass dort fleißig selektiert, aufgerechnet usw. wurde, ist allgemein bekannt.

Meinst Du mit "drei" Bände das Gutachten?

Ich kenne sonst nur aus der Reihe Völkerrecht im Weltkrieg zu den Kriegsgefangenen den Band 3, in zwei Halbbänden.

Der Art. 20 HLKO (nach dem Friedensschluß) wurde vertraglich dann in Art. 214 bis 224 VV gefaßt, Art. 214 ("so schnell als möglich") in Umsetzung des Art. 20 HLKO.
 
Meinst Du mit "drei" Bände das Gutachten? Ich kenne sonst nur aus der Reihe Völkerrecht im Weltkrieg zu den Kriegsgefangenen den Band 3, in zwei Halbbänden.
Erbitte Vergebung für die Ungenauigkeit! Das Gesamtwerk hat ja 4 (in 5) Bände, leider antiquarisch noch sauteuer.
 
Zuletzt bearbeitet:
Erbitte Vergebung für die Ungenauigkeit! Das Gesamtwerk hat ja 4 (in 5) Bände,

Sei gewährt :D

Ich wüßte aber nun gerne, wie das "politische Trauma" bezüglich der Kolonien vor dem Hintergrund der Chaos-Jahre 1919-1924 hergeleitet wurde.

Ich kann mir das nämlich von der Gewichtung für "sehr breite Bevölkerungskreise" nicht recht vorstellen. Vielleicht bin ich dazu auch zu sehr in ökonomischem Denken verhaftet; für viele ging es schlicht ums Überleben, anderen hatten ganz andere Traumata - die des Krieges.

Ein Zitat aus einer Analyse:
"Der Verlust des Krieges und die politische Umwälzung hat zum wirtschaftlichen Zusammenbruch geführt. Die ganze Schwere in allen ihren vernichtenden Folgen wird allerdings erst in einiger Zeit für die Bevölkerung allgemein erkennbar und fühlbar sein...
Deutschland ist durch den Krieg arm und arbeitslos geworden. Alle Vorräte sind erschöpft. Die Viehbestände sind auf ein bedenkliches Maß herabgesunken. Das Verkehrswesen befindet sich in einem Zustand chronischer Erschöpfung. Rund zwei Millionen der arbeitskräftigsten Menschen hat uns die Kriegsführung draußen gekostet. Erschreckend groß sind die Verluste an Menschenleben und Arbeitskraft, welche in der Heimat durch Überanstrengung und Unterernährung verursacht worden sind. Die gesundheitlichen Verhältnisse haben sich wesentlich verschlechtert. Es muß mit dem dauernden Verlust wichtiger Teile des deutschen Wirtschaftsgebietes gerechnet werden. Der drohende Verlust der Ostmark und der Nordmark verringert die Lebensmittelbasis der städtischen Bevölkerung Deutschlands empfindlich. Der Verlust Elsaß-Lothringens und des Luxemburgischen Wirtschaftsgebietes schwächt die Stellung Deutschlands auf dem Gebiete der Eisen- und Stahlindustrie, der Textilindustrie und namentlich der Kaliindustrie. Auf diesem verkleinerten und verarmten Deutschland lastet das ganze Schwergewicht der Kriegsbeschädigten- und Hinterbliebenenfürsorge, der sonstigen inneren Kriegsschuld und der Auslandsverschuldung."

sowie etwas später

"Es wurde insbesondere unmöglich, ausreichende Devisen zu beschaffen, um die Bevölkerung, vor allem die Arbeiterschaft genügend zu ernähren. Dadurch griffen Arbeitsunlust und physische Arbeitsunfähigkeit immer weiter um sich. Die Kohlenproduktion ging zurück, die Arbeit in den Eisenbahnwerkstätten ließ qualitativ und quantitativ nach, bis das ganze Transportwesen vor der Gefahr des Zusammenbruchs stand. Rückgang der Arbeit und Mangel an Rohstoffen, die wir wegen der enormen Preise und infolge Devisenmangels nicht einführen konnten, legten die heimische Industrie lahm, während doch Deutschland nach seiner geographischen Lage und wirtschaftlichen Struktur auf Veredelung von Rohstoffen eingestellt und angewiesen ist. Hierdurch wieder stiegen die Ausgaben für die Erwerbslosenfürsorge ins Ungemessene. Im Monat Dezember 1919 mußten 12 463 Betriebe mit 529 963 Arbeitern stillgelegt werden."

Die Kolonienfrage interessierte eigentlich die Verantwortlichen nur insweit, als eine mögliche Verrechnung mit der Schuldenlast von 185 Mrd. bei einem Vorkriegsvermögen von 310 Mrd. angestrebt wurde. Man erhoffte sich eine "Anrechnung" von 2 Mrd. Pfund bzw. 30 Mrd. Mark.
 
Sei gewährt :D

Ich wüßte aber nun gerne, wie das "politische Trauma" bezüglich der Kolonien vor dem Hintergrund der Chaos-Jahre 1919-1924 hergeleitet wurde.
Ich kann mir das nämlich von der Gewichtung für "sehr breite Bevölkerungskreise" nicht recht vorstellen. Vielleicht bin ich dazu auch zu sehr in ökonomischem Denken verhaftet; für viele ging es schlicht ums Überleben, anderen hatten ganz andere Traumata - die des Krieges.

Das widerspricht sich doch gar nicht, denn hier setzt die schon erwähnte Manipulation an! Anstatt sich einzugestehen, dass des Kaisers kostspielige Kolonien ein für alle Mal verloren waren - es gab ja auch, anders als vor 35 Jahren, keine "freien Plätze an der Sonne" mehr -, starteten interessierte Kreise eine Unterschriftenaktion gegen den "Raub der Kolonien", an der sich bis April 1919 3,8 Millionen Deutsche beteiligten (Graichen/Gründer, S. 379)!

Schuld an der ganzen Misere waren hernach natürlich diejenigen, die den V.V. zu unterzeichnen hatten bzw. die jüdischen Weltverschwörer, die mit der Dolchstoß-Revolution die Herrschaft im Land übernommen hatten. Und wer fragte, was denn das Schlimmste an der gegenwärtigen Lage sei, wurde auch bedient: "Nach den Worten des britischen Historikers A. J. P. Taylor gab es für einen Deutschen damals [um 1920] drei Gründe dafür, schlecht gekleidet, hungrig oder arbeitslos zu sein: weil Danzig eine Freistadt sei, weil ein Korridor Ostpreußen vom Reich abschneide - oder weil Deutschland keine Kolonien mehr habe" (aaO, S. 380). [Das Taylor-Zitat müsste man mal im Original nachlesen.]

Natürlich hatte das nichts mit ökonomischem Denken zu tun bzw. nur auf eine verquere Art und Weise. Stresemann z. B. propagierte ein "moralisches Recht" auf Kolonien, deren Besitz sich "positiv auf die wirtschaftliche Erholung Deutschlands auswirken" würden - ja, wie denn?

Koloniale Agitation verlor in dem Maße an Einfluss, wie die wirtschaftliche Erholung nach 1923 voranschritt. Hans Grimms "Volk ohne Raum" (1926) war der letzte große Publikumserfolg - da sollte es nochmal nach Afrika gehen. Und Hjalmar Schacht erlaubte sich bei den Pariser Reparationsverhandlungen 1929 den "Scherz", deutsche Zahlungen von der Rückgabe der Kolonien abhängig machen zu wollen. Insgesamt kam der Gedanke an die Kolonien nicht über das hinaus, was er 1919 war: eine Projektionsfläche für Gefühle von Verlust, Trauer, Ohnmacht und Erniedrigung.
 
Insgesamt kam der Gedanke an die Kolonien nicht über das hinaus, was er 1919 war: eine Projektionsfläche für Gefühle von Verlust, Trauer, Ohnmacht und Erniedrigung.

Da sind wir beieinander. Wobei ich die Gefühle noch in Ansehung der 5% Interessierten "schichten" würde. ;)

Taylors Zitat - soweit zutreffend, kann ich leider nicht nachlesen - könnte auch eher die Wirkung der Agitation abseits von faktisch nachweisbaren Kausalketten zeigen, da dieses auf die Wahrnehmungen abstellt.

Dein zusätzlicher Hinweis auf die konstruierten Verantwortlichkeiten (Antisemitismus) ist völlig richtig. Hierzu gibt es zum Beispiel:
http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=975467107
Bernd, Hans-Dieter
Die Beseitigung der Weimarer Republik auf "legalem" Weg: Die Funktion des Antisemitismus in der Agitation der Führungsschicht der DNVP
Dissertation 2004
 
Bernd, Hans-Dieter, Die Beseitigung der Weimarer Republik auf "legalem" Weg: Die Funktion des Antisemitismus in der Agitation der Führungsschicht der DNVP. Dissertation 2004

Danke für den Hinweis, habe ich heruntergeladen! (Schon wieder eine Diss mit mehr als 400 Seiten...:hmpf: - wann soll man das alles lesen?)
 
Ein nicht ganz unwesentliches Problem des Vertrages war m.E. nach, das der Vertrag zu wenige versöhnliche Elemente enthielt. Man hätte sich vielleicht auf die Praxis des Wiener Kongresses von 1814/15 besinnen sollen. Nachfolgend seien beispielsweise die Bestimmungen des Artikel 227 genannt:


Artikel 227 des Versailler Vertrages
"Die alliierten und assoziierten Mächte stellen Wilhelm II. von Hohenzollern, vormaligen Kaiser von Deutschland, wegen schwerer Verletzung des internationalen Sittengesetzes und der Heiligkeit der Verträge unter öffentliche Anklage.
Ein besondere Gerichtshof wird eingerichtet, um über den Angeklagten unter Wahrung der wesentlichen Bürgschaften des Rechts auf Verteidigung zu Gericht zu sitzen. Der Gerichtshof besteht aus fünf Richtern, von denen je einer von folgenden fünf Mächten, namentlich den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan, ernannt wird.
Der Gerichtshof urteilt auf der Grundlage der erhabensten Grundsätze der internationalen Politik; Richtschnur ist für ihn, den feierlichen Verpflichtungen und internationalen Verbindlichkeiten ebenso wie dem internationalen Sittengesetze Achtung zu verschaffen. Es steht ihm zu, die Strafe zu bestimmen, deren Verhängung er für angemessen erachtet.
Die alliierten und assoziierten Mächte werden an die Regierung der Niederlande das Ersuchen richten, den vormaligen Kaiser zum Zwecke seiner Aburteilung auszuliefern."


Insgesamt wurden dann von den Allierten, hier Großbritannien, Frankreich, Italien, Belgien, Polen und Rumänien, am 03.Februar die Auslieferung von insgesamt 895 Personen verlangt. Darunter befanden sich dann beispielsweise

Kaiser Wilhelm II.
Kronprinz Wilhelm
Kronprinz Rupprecht von Bayern
Großherzog Ennst Ludwig von Hessen
Herzog Albrecht von Württemberg
Feldmarschall Paul von Hindenburg
Feldmarschall von Bülow
Feldmarschal August von Mackensen
Generaloberst von Faleknhayn
Generaloberst von Kluck
Generaloberst Freiherr von Hausen
General Ludendorff
Großadmmiral von Tirpitz
Admiral Bachmann
Admiral von Capelle
Admiral von Hipper
Admiral Scheer
Admiral von Müller (1)

Die Veröffentlichung der Namen hat in Deutschland sehr hohe Wellen geschlagen. Alleine die Nennung der Namen Hindenburg, Ludendorff, Tirpitz oder Mackensen wurde als Unmöglichkeit empfunden. Für die Rechten war das natürlich Wasser auf den Mühlen und das Geschäft der gemäßigten Politiker wurde so erschwert.


(1) BA R 43 I/340 Bl.151-161, Telegramm Deutsche Friedensdelegation vom 03.02.1920 (Namenslsite) hier zitiert nach Schwengler, "Völkerrecht, Versailler Vertrag und Auslieferungsfrage, DVA 1982.
 
Ein Link habe ich nicht, aber ein paar Namen kanne ich dir noch gerne nennen:

Reichskanzler von Bethmann Hollweg,
Generalobert von Beseler,
Generalobert von Boehn,
Generalobert Freiherr von Falkenhausen,
General von Below,
Gneral von Deimling,
General von Francois,
General von der Marwitz,
General Sixt von Armin,
General von Oven,
General von Quast,
General von Gallwitz,
General von Hutier
General Keim
Admiarl von Schroeder und Tapken
Admiral von Ingenohl
Admiral Behncke und
diverse U-Bootkommandanten
 
Also anscheinend die gesamte Generalität und alle Monarchen samt Thronfolgern. Hätte er überlebt, wäre wohl auch Richthofen auf der Liste gewesen. Kopfschüttel...

Waren Fritz Haber und Anthony Fokker eigentlich dabei? Oder überhaupt Zivilisten außer dem Reichskanzler?
 
Zuletzt bearbeitet:
Also anscheinend die gesamte Generalität und alle Monarchen samt Thronfolgern. Hätte er überlebt, wäre wohl auch Richthofen auf der Liste gewesen. Kopfschüttel...

Waren Fritz Haber und Anthony Fokker eigentlich dabei? Oder überhaupt Zivilisten außer dem Reichskanzler?

Ja, der Fritz Haber war auch dabei.
 
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