Versailler Vertrag zu hart und weich.... !?

Den bekam er für die außerordentlichen Bedeutung der Ammo­niaksynthese zur Herstellung von Düngemitteln. Die Allierten haben wohl mehr an den Gaskrieg gedacht.
 
Das Haber-Bosch-Verfahren wurde während des Krieges für die Munitionsherstellung verwendet, nach dem Krieg aber für die Herstellung von stickstoffhaltiger Düngemittel. (1)


(1)Luitgard Marschall, Im Schatten der chemischen Synthese, S.111
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Haber-Bosch-Verfahren wurde während des Krieges für die Munitionsherstellung verwendet, nach dem Krieg aber für die Herstellung von stickstoffhaltiger Düngemittel. (1)


(1)Luitgard Marschall, Im Schatten der chemischen Synthese, S.111


Im Krieg auch schon. ohne Stickstoffdünger wären die Deutschen und noch mehr die ÖUler kpl. verhungert.
 
Also anscheinend die gesamte Generalität und alle Monarchen samt Thronfolgern. Kopfschüttel...

Man kann den Versuch, politisch und militärisch Verantwortliche für kriegs- und völkerrechtswidrige Taten oder Befehle juristisch zur Rechenschaft zu ziehen, durchaus als zivilisatorischen Fortschritt sehen. Das Für und Wider ist ja in Bezug auf die Nürnberger Prozesse hinreichend erörtert worden. Jedenfalls mal was anderes, als immer nur die "Kleinen" zu hängen...

Siehe ganz knapp Kriegsverbrechen im Diskurs nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg bzw. die Diskussion in http://www.geschichtsforum.de/f72/kriegsrecht-v-lkerrecht-historische-entwicklung-20446/. Standardwerk zum Thema: Gerd Hankel, Die Leipziger Prozesse. Deutsche Kriegsverbrechen und ihre strafrechtliche Verfolgung nach dem Ersten Weltkrieg, Hamburg: Hamb. Edit. 2003 (dort S. 54 ff. zu den Listen, S. 74 ff. zum Ausgang des Verfahrens gegen Wilhelm II.)
 
Also anscheinend die gesamte Generalität und alle Monarchen samt Thronfolgern. Hätte er überlebt, wäre wohl auch Richthofen auf der Liste gewesen. Kopfschüttel...

Waren Fritz Haber und Anthony Fokker eigentlich dabei? Oder überhaupt Zivilisten außer dem Reichskanzler?


Fokker kaum, war ja Holländer.

Haber musste wegen den Nazis dann ja nach England emigrieren, wo er ganz erheblichen Anfeindungen ausgesetzt war.
 
Man kann den Versuch, politisch und militärisch Verantwortliche für kriegs- und völkerrechtswidrige Taten oder Befehle juristisch zur Rechenschaft zu ziehen, durchaus als zivilisatorischen Fortschritt sehen.

Dann sollten diese Bemühungen aber tunlichst den Eindruck einer Siegerjustiz vermeiden. Die Bemühungen der Alliierten waren doch etwas einseitiger Natur.

Ich möchte an dieser Stelle nur die Aufrechterhaltung der britischen Seeblockade bis in dem Sommer 1919 erwähnen, um die Deutschen gefügig zu halten, die vielen Tausenden Menschen das Leben gekostet hat.

Ein anderes "nettes" Beispiel sind die Q-Ships, besonder erwähnt sei die Baralong-Falle, die mit der amerikanische Fahne beflaggt war. Die Briten haben überhaupt gerne die US-Flagge missbraucht. Jedenfalls hat die britische Regierung es für richtig befunden, in dieser Frage die Weltöffentlichkeit jahrelang einfach zu belügen, ja sie hat überhaupt die Existenz von U-Bootfallen schlicht geleugnet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann sollten diese Bemühungen aber tunlichst den Eindruck einer Siegerjustiz vermeiden. Die Bemühungen der Alliierten waren doch etwas einseitiger Natur.

Was Wunder, wenn die Bestimmungen von Versailles in der deutschen Öffentlichkeit nur als Diktat aufgefasst wurden. Schon die Waffenstillstandsverhandlungen waren letztlich nichts anderes als ein Ultimatum, was durch die vorherige lange Weigerung der deutschen OHL gegen diesen Schritt und dann ihre plötzliche Eile darin die politische Führung zum Waffenstillstand zu drängen noch nachvollziehbar sein mag.


Auch wenn ich damit off-topic schramme sei mir ein kleiner Seitenhieb erlaubt:
Vergleicht man diese unbeugsame alliierte Haltung in Diplomatie und Seeblockade bei den Pariser Verträgen mit dem Wiener Kongress nach Napoleons erstem Sturz, ist der unvorbereitete Laie noch mehr erstaunt. Die republikanisch/napoleonischen Kriege Frankreichs wurden in Wien eher als Betriebsunfall der Monarchie angesehen, das alte Bourbonische Königshaus in Frankreich neu installiert, die französischen Staatsgrenzen nahezu unverändert beibehalten. Sogar der ehemalige Außenminister Napoleons - Talleyrand – konnte fröhlich und extrem erfolgreich auf dem Kongress wieder als Außenminister für Frankreich tätig werden. Schaut man sich die genannten Beispiele der Auslieferungsliste von Versailles an, wäre Talleyrand gewiss auch vor Gericht gestellt worden, statt einer der erfolgreichsten Diplomaten aller Zeiten zu werden.

Aber der Vergleich muss hinken, denn die antifranzösischen Koalitionen der Revolutions- & napoleonischen Zeit wurden ja von den Fürstenhäusern meist als Kriege zur Wiederherstellung der richtigen Ordnung geführt, während der 1. Weltkrieg eine rein machtpolitische Auseinandersetzung zwischen Regimes war, die sich in ihrer Grundlage meist sehr ähnlich waren. Die Erinnerung an Talleyrand's Erfolge mag sogar eine Motivation für Frankreich gewesen sein, eine ähnliche Zwietracht unter den Siegern nicht wieder zuzulassen, wie sie dieser Mann in Wien so brillant ausgenutzt hatte.
 
Vergleicht man diese unbeugsame alliierte Haltung in Diplomatie und Seeblockade bei den Pariser Verträgen mit dem Wiener Kongress nach Napoleons erstem Sturz, ist der unvorbereitete Laie noch mehr erstaunt. Die republikanisch/napoleonischen Kriege Frankreichs wurden in Wien eher als Betriebsunfall der Monarchie angesehen, das alte Bourbonische Königshaus in Frankreich neu installiert, die französischen Staatsgrenzen nahezu unverändert beibehalten.

Hallo tejason,

was Du beschreibst, ist mE eine Folge des Überganges der Kriegsführung von "Staat gegen Staat" nach "Volk gegen Volk". Der 1. Weltkrieg hatte, einmal entfesselt, seine Zäsur schon in der Art der totalen Kriegführung, der Friedensschluß folgt dem in gewisser Weise.

Gleichwohl: welchen Stellenwert hatte das tatsächlich in den täglichen Existenzkämpfen der Masse der Bevölkerung, in den Revolutionswirren, in der wirtschaftlichen Zuspitzung bis 1923? Sicher insoweit, als die öffentliche Meinung Versailles hauptsächlich verantwortlich machte.
 
...ein kleiner Seitenhieb erlaubt: Vergleicht man diese unbeugsame alliierte Haltung in Diplomatie und Seeblockade bei den Pariser Verträgen mit dem Wiener Kongress nach Napoleons erstem Sturz, ist der unvorbereitete Laie noch mehr erstaunt. [...]
Wenn ich es recht verstehe, wird gefragt, inwieweit Tatbestände wie - in Nürnberger Terminologie - das Führen eines Angriffskrieges bzw. die Verschwörung dazu "rückwirkend" auf geschichtliche Situationen angewendet werden können.

Es dürfte unstrittig sein, dass sowohl Napoleon (nach 1800) wie Friedrich II. (nach 1740) Angriffskriege geführt haben. Es gab allerdings kein kodifiziertes Völkerrecht, anhand dessen man sie (oder wenigstens ersteren, als "Verlierer") hätte anklagen können. Spätestens seit 1899/1907 gab es solche völkerrechtlichen Grundsätze jedoch. (Argumentiert man "moralisch", spielt das freilich keine Rolle.)

...während der 1. Weltkrieg eine rein machtpolitische Auseinandersetzung zwischen Regimes war, die sich in ihrer Grundlage meist sehr ähnlich waren
Eben das glaube ich nicht! Wenn man sich insbesondere die Auffassung Wilsons anschaut, aber auch die englischer und französischer Politiker, so nahmen sie für sich in Anspruch, den Sieg eines demokratisch-fortschrittlichen Systems über ein undemokratisch-rückschrittliches herbeigeführt zu haben. (Auf Rußland musste diese Argumentation 1919 keine Rücksicht mehr nehmen.)

Anders ausgedrückt: Die Tatsache, militärisch besiegt zu sein, war schon demütigend genug für viele Deutsche. Dass sie noch mit der Behauptung konfrontiert wurden, das bessere "System" habe über das schlechtere gesiegt, erbitterte sie obendrein!
 
@Silesia:
Das sehe ich ganz ähnlich. Aber der Übergang ist fließend, hatte doch die französische Republik und erst recht Napoleon den Volkskrieg im Laufe dieser Auseinandersetzungen doch ebenfalls bereits begonnen, nur ihre Gegner zogen nicht immer im gleichen Maße mit. Außerdem hatte Frankreich nicht so das Problem wie etwa die deutschen Staaten jender Zeit damit, Volk und Staat gleichzusetzen. Dabei hat gerade Preußen 1813 im Wesentlichen ebenfalls einen Volkskrieg begonnen, den man damals durchaus als "totalen Krieg" - oder wenigstens eine totale Mobilisierung ansehen konnte. Immerhin marschierte sogar Landwehr und in Ausnahmefällen sogar Landsturm über preußische Grenzen hinaus.

@Nachkriegszeit ab 1919:
M.E. verlor der im totalen Krieg propagierte und entfesselte Volkskrieg im Sinne von "Wir hier, dort die Anderen" ihren Stellenwert. Der tägliche Überlebenskampf, die politische Neuorientierung (oder besser Orientierungslosigkeit) zwischen Republikanern, "völkischen Gruppen" und Kommunisten... verwischte zunehmend die im Krieg erzwungene Gemeinschaft von Volk, Staat und Individuum. Wer Hunger hat fragt nicht woher er sein Essen nimmt! Das diese Punkte nur zum überwiegend geringen Teil eine direkte Folge von Versailles waren, konnte weder vermittelt werden, noch hatte irgendwer ein Interesse daran. Versailles wurde zum Synonym für all diese Erscheinungen, die nicht zuletzt die Folge der totalen Mobilisierung während des Krieges waren. Diese totale Mobilisierung hatte Deutschlands Streitkräfte in die Lage versetzt den Krieg stark in die Länge zu ziehen und die Volkskraft verbraucht. Der Zusammenbruch 1918 war nicht Zuletzt die Folge der Überstrapazierung dieser Kräfte, die nun nicht einmal mehr reichten die Minimalversorgung des eigenen Volkes aufrecht zu halten, denn dies konnte im letzten Kriegsjahr nur noch über jene Leistungen erfolgen, welche man in seinem eigenen „Siegfrieden“ im Osten des Kontinents erpresst hatte.
 
Es dürfte unstrittig sein, dass sowohl Napoleon (nach 1800) wie Friedrich II. (nach 1740) Angriffskriege geführt haben. Es gab allerdings kein kodifiziertes Völkerrecht, anhand dessen man sie (oder wenigstens ersteren, als "Verlierer") hätte anklagen können. Spätestens seit 1899/1907 gab es solche völkerrechtlichen Grundsätze jedoch. (Argumentiert man "moralisch", spielt das freilich keine Rolle.)

Ist das - im 19. JH als selbstverständlich angesehene "Recht" des Staates auf Kriegführung, natürlich auch eines Angriffskrieges, tatsächlich von den zitierten Vertragswerken tangiert worden?

Die Haager Konferenzen waren wohl gut gedacht und sollten Abrüstung erwirken, herausgekommen ist immerhin ein Kriegsrecht. Aber das als ius in bello, nicht als ius ad bellum
http://en.wikipedia.org/wiki/Jus_ad_bellum

"Das Recht des Souveräns zur freien Kriegführung im Sinne des ius ad bellum war weitgehend unbestritten, zumindest bei Vorliegen eines casus belli, das heißt eines als Kriegsgrund eingestuften Anlasses."
http://de.wikipedia.org/wiki/Ius_ad_bellum

Siehe zB Bismarcks diverse Präventivkriegsüberlegungen.
Jeismann, Karl-Ernst, Das Problem des Präventivkriegs im europäischen Staatensystem mit besonderem Blick auf die Bismarckzeit. An den Maßstäben hat sich durch die Haager Konferenzen nichts geändert, eine erste Bewegung ergab sich in den Zwanzigern bis zum Briand-Kellogg-Pakt.
Schlepple, Eberhard, Das Verbrechen gegen den Frieden und seine Bestafung, Europ. Hochschulschriften III/187
 
Es dürfte unstrittig sein, dass sowohl Napoleon (nach 1800) wie Friedrich II. (nach 1740) Angriffskriege geführt haben. Es gab allerdings kein kodifiziertes Völkerrecht, anhand dessen man sie (oder wenigstens ersteren, als "Verlierer") hätte anklagen können. Spätestens seit 1899/1907 gab es solche völkerrechtlichen Grundsätze jedoch. (Argumentiert man "moralisch", spielt das freilich keine Rolle.)

!

Im Falle Napoleons war aber Blücher nach Waterloo wild entschlossen ihn bei erwischen sofort erschießen zu lassen.
Wie es Ney und Murat zumindest tatsächlich ergangen ist.
 
Die Haager Konferenzen waren wohl gut gedacht und sollten Abrüstung erwirken, herausgekommen ist immerhin ein Kriegsrecht. Aber das als ius in bello, nicht als ius ad bellum.
Danke für die Richtigstellung! Das hatte ich in meiner Raserei nicht präzise genug ausgedrückt.

Ist das - im 19. JH als selbstverständlich angesehene "Recht" des Staates auf Kriegführung, natürlich auch eines Angriffskrieges, tatsächlich von den zitierten Vertragswerken tangiert worden?
"Tangiert" ja - auf kleinstem gemeinsamen Nenner: In der 1907er Präambel steht das "Bemühen, Mittel zu suchen, um den Frieden zu sichern und bewaffnete Streitigkeiten zwischen den Völkern zu verhüten", ganz oben, aber der übrige Text handelt von dem Fall, "wo ein Ruf zu den Waffen durch Ereignisse herbeigeführt wird, die ihre [der Vertragsschließenden] Fürsorge nicht hat abwenden können". - Aber das waren keine justiziablen Kategorien, zumal keine Instanzen/Verfahren vorhanden waren, welche die Kriegsverhütung hätte gewährleisten können. Ansätze dazu kamen ja erst durch die Völkerbundssatzung (Präambel, Artikel 10 ff.).

"Das Recht des Souveräns zur freien Kriegführung im Sinne des ius ad bellum war weitgehend unbestritten, zumindest bei Vorliegen eines casus belli, das heißt eines als Kriegsgrund eingestuften Anlasses."
Das Hervorgehobene ist/war natürlich ein weites Feld und läuft auf die ebenso bekannte wie häufig nutzlose Unterscheidung gerecht/ungerecht hinaus. Demnach hätte der Krieg eines Staates/Souveräns gegen einen anderen, dem gegenüber er sich vertraglich zur Respektierung und/oder zum Gewaltverzicht verpflichtet hatte, "eigentlich" keinen Grund liefern dürfen. (Zu Belgien 1914 gab es ja schon viele Diskussionen.)
 
tejason schrieb:
Aber der Vergleich muss hinken, denn die antifranzösischen Koalitionen der Revolutions- & napoleonischen Zeit wurden ja von den Fürstenhäusern meist als Kriege zur Wiederherstellung der richtigen Ordnung geführt, während der 1. Weltkrieg eine rein machtpolitische Auseinandersetzung zwischen Regimes war, die sich in ihrer Grundlage meist sehr ähnlich waren. Die Erinnerung an Talleyrand's Erfolge mag sogar eine Motivation für Frankreich gewesen sein, eine ähnliche Zwietracht unter den Siegern nicht wieder zuzulassen, wie sie dieser Mann in Wien so brillant ausgenutzt hatte.



Mir ging es bei meinem Hinweis auf dem Wiener Kongress nur um das Folgende:

Auf dem Wiener Kongress ging es doch eigentlich im Prinzip primär um die Herstellung eines Gleichgewichts der fünf europäischen Mächte. Beispielsweise wurde auch der Verlierer der Kriege, hier Frankreich, repräsentiert durch den fähigen Talleyrand, mit in die Verhandlungen einbezogen. Frankreich war nicht nur einfach Objekt der Verhandlungen, dem die Bedingungen ultimativ präsentiert wurden. Die Vereinbarungen war für Frankreich maßvoll.

Beim Versailler Vertrag saßen nun auch die USA mit am Verhandlungstisch und ein wichtiges Ziel Frankreichs war es, Deutschland so zu schwächen, das es zukünftig nicht mehr zu größerem militärischen Kriegshandlungen insbesondere zu einem Angriffskrieg in der Lage ist. Es ging hier überhaupt nicht mehr um ein Gleichgewicht der Mächte, sondern um Abrechung mit dem Verlierern insbesondere Deutschlands und vor allem auch die Befriedigung der geradezu paranoiden französischen Sicherheitsbedürfnisse. Man hat in Paris ganz gerne übersehen, das auch der Staatspräsident Raymond Ponicaré Ende Juli 1914 in St. Petersburg sein Öl ins Feuer gekippt hat.

Deutschland war kein Verhandlungspartner in Versailles, sondern lediglich nur Objekt, welches die ultimativen Bedingungen zu akzeptieren hatte.

So durfte Österreich bereits 1920 dem Völkerbund beitreten, Deutschland durfte erst dank der Politik Stresemann 1926 beitreten. Deutschland wurde in Versailles eigentlich wie ein Paria behandelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Falle Napoleons war aber Blücher nach Waterloo wild entschlossen ihn bei erwischen sofort erschießen zu lassen. Wie es Ney und Murat zumindest tatsächlich ergangen ist.

Blücher war ein „Krieger aus Leidenschaft“ könnte man sagen… Aber Ernsthaft: Bei Napoleons Rückkehr von Elba wurden die Truppen, die sich ihm anschlossen von den fliehenden Bourbonen als Meuterer angesehen… Bei den Kriegen bis 1814 kämpften Staaten gegeneinander die sich völkerrechtlich anerkannt hatten, während aus „juristischen Blickwinkeln“ Napoleons Armee 1815 sich wenig von uniformierten Banditen unterschieden hat, wenn auch nur aus Sicht seiner Gegner und Nicht-Franzosen. Was wundert aus dieser Sicht, wenn Blücher deren Anführern das Schicksal von Partisanen/Guerilleros zugedacht hat, wie es bis zurzeit nach dem 2.Weltkrieg überall anerkannt war? Erst danach wurden Partisanen allgemein verklärt und als Helden und Patrioten gefeiert. Die Trennungslinie zwischen Partisanen und Banditen ist je nach Blickwinkel auch heute noch sehr schwer.

.... Deutschland war kein Verhandlungspartner in Versailles, sondern lediglich nur Objekt, welches die ultimativen Bedingungen zu akzeptieren hatte.

So durfte Österreich bereits 1920 dem Völkerbund beitreten, Deutschland durfte erst dank der Politik Stresemann 1926 beitreten. Deutschland wurde in Versailles eigentlich wie ein Paria behandelt.

Uneingeschränkte Zustimmung für den ganzen Post. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Versailler Vertrag ja auch erst seine besondere Härte. Frankreich wusste sehr wohl, warum es Deutschland so sehr demütigen uns schwächen wollte. Hier kommt das lange Warten auf die Revanche für 1870/71 zur Geltung und das lange Motto in Frankreich dafür: „Nie davon reden, immer daran denken!“ Eine ähnliche Gelegenheit für Deutschland, nun seinerseits eine Revanche für 1919 zu verlangen, durfte es niemals geben, auch um den Preis eines instabilen, weil nicht ausbalancierten europäischen Mächtegleichgewichts. Die absolute Vormachtstellung Frankreichs ab 1919 in Europa konnte diese Nation auf Dauer aber nicht ausfüllen und dies nicht nur, weil England und Polen (letzteres sollte aus französischer Sicht anscheinend Teile der Rolle des vormaligen Zarenreiches im Mächtespiel einnehmen) eben keineswegs Frankreich als dominierende Macht in Europa weitgehend unterstützen wollten, sondern auch aufgrund der eigenen Schwäche. Schwäche bedingt durch die totale Kriegsanspannung und die französischen Leiden während des Krieges, die durchaus in weiter Hinsicht mit den Leiden der deutschen Bevölkerung (abgesehen von den letzten Hungerzeiten) vergleichbar waren. Sondern zusätzlich auch durch die erheblichen Zerstörungen des Krieges auf eigenem Territorium und eine angeschlagene Wirtschaft, die nur durch die Hilfe der USA während des Krieges leistungsfähig geblieben war. All dies trug wohl dazu bei, dass Frankreich seine scheinbar erworbene Vormachtrolle schon in den ersten Jahren nach dem Kriege weitgehend wieder verlor. Als Beispiele dazu seien nur genannt: Die deutliche Revision der Pariser Verträge durch die Türken unter Kemal Atatürk und der Abzug aus dem russischen Bürgerkrieg. Auch im östlichen Mitteleuropa (Memelland, Polnisch-Russischer Krieg und die Balkankämpfe) zeigte sich die französische Dominanz als schwach. Umso verbissener wurde das Hauptziel Frankreichs: Die Niederhaltung Deutschlands verteidigt.

Um das Bild auch in anderer Hinsicht nicht zu schief werden zu lassen möchte ich noch auf ein paar weitere Punkte hinweisen.
Der Vertrag von Frankfurt, mit dem der Frieden nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/70 besiegelt wurde, war für Frankreich auch kein Zuckerschlecken gewesen. Die finanziellen Forderungen waren beachtlich, die territorialen Verluste größer gewesen als eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Bismarck hatte die Abtretung des Elsass und Lothringens ursprünglich wohl nicht gewollt, um den Stolz der Franzosen nicht zu sehr zu verletzen. Dazu kam eine mehrjährige Besetzung französischer Festungen durch deutsche Truppen (bis die Reparationen abbezahlt waren) in einigen Teilen Frankreichs (überwiegend im während des Krieges durch Deutsche eroberten Gebieten) und ganz allgemein der verletzte französische Stolz schlechthin. Man mag sich erinnern, dass die Franzosen in den Krieg 1870 zogen mit der Forderung nach „Rache für Sadowa!“ Seltsam, das Sadowa der in Frankreich gebräuchliche Name für die Schlacht von Königsgrätz war, wo Preußen 1866 – nicht etwa Frankreich, sondern – Österreich besiegt hatte. Man sieht somit eine ähnliche Gemengelange aus Wut, Enttäuschung, Leid und Ähnlichem in Frankreich nach 1871 wie im Deutschland nach Versailles. Die Franzosen wussten also genau was der Vertrag von Versailles bewirken musste.
Einer weiteren Korrektur bedarf der Wiener Kongress in seinen Auswirkungen. Zwar wurde Frankreich als Staat geschont, doch waren die Regelungen nicht ohne Härten für die Menschen in Europa. Das betrifft nicht nur die Fortsetzung der Teilung Polens, sondern auch all die vielen Menschen, vor allem in Mitteleuropa, die ungefragt an die unterschiedlichsten Herrscherhäuser verschachert wurden und letztlich für die Kriegskosten aufkommen mussten. Selbst die Befreiung von Frondiensten ging nicht ohne Härten ab und die Potentaten revidierten nur zu schnell ihre in der Not des Krieges gemachten Zusagen gegenüber ihrem Volk, das sie in der Regel wieder zu Untertanen degradierten. Eben daher war der Wiener Kongress bekanntlich eine „Restauration Europas“ und keine „Neuordnung Europas“, wie die Pariser Verträge nach dem 1. Weltkrieg. Mit dieser letzten Aussage werde ich von meiner Seite aus auch den Vergleichs-Exkurs zu den Verträgen von Wien und Frankfurt beenden, sie waren wohl lang genug…
 
Einer weiteren Korrektur bedarf der Wiener Kongress in seinen Auswirkungen. Zwar wurde Frankreich als Staat geschont, doch waren die Regelungen nicht ohne Härten für die Menschen in Europa. Das betrifft nicht nur die Fortsetzung der Teilung Polens, sondern auch all die vielen Menschen, vor allem in Mitteleuropa, die ungefragt an die unterschiedlichsten Herrscherhäuser verschachert wurden und letztlich für die Kriegskosten aufkommen mussten.

Guter Hinweis! Nimmt man als Maßstab die territorialen Umwälzungen, die früher bei Friedensschlüssen verhandelt wurden, sind sowohl die Veränderungen 1871 und 1919 nicht besonders bemerkenswert. Ich komme gerade nicht darauf, wer es war, der sinngemäß gesagt hat: Der VV sei für einen "milden" Frieden viel zu stark formuliert gewesen.

Frankreich wusste sehr wohl, warum es Deutschland so sehr demütigen uns schwächen wollte. Hier kommt das lange Warten auf die Revanche für 1870/71 zur Geltung und das lange Motto in Frankreich dafür: „Nie davon reden, immer daran denken!“
Man sieht somit eine ähnliche Gemengelange aus Wut, Enttäuschung, Leid und Ähnlichem in Frankreich nach 1871 wie im Deutschland nach Versailles. Die Franzosen wussten also genau was der Vertrag von Versailles bewirken musste.
Leider kam ich noch nicht dazu, die vergleichende Untersuchung von Wolfgang Schivelbusch (Der Kultur der Niederlage: Der amerikanische Süden 1865, Frankreich 1871, Deutschland 1918) gründlich zu lesen. Erwähnenswert ist aber seine von Peukert übernommene Feststellung, dass es für die Weimarer Republik keinen "Gründungsmythos" gegeben hat - im Sinne eines "heroischen oder wenigstens in der nationalen Mythologie heroisierbaren Aktes" -, den die französische Republik in Gambettas "Defense nationale" besessen hätte. Die deutsche Republik hatte bloß "Sargnägel" wie die Dolchstoßlüge usw.
 
Zurück
Oben