Vinland?

@El Quijote eine kurzlebige Kleinsiedlung plus ein oder zwei Landeplätze sind dann ein sehr kleines Herzogtümchen ;):D Was ist denn zu den Landeplätzen bekannt? Ich bin erst übermorgen wieder daheim, kann deshalb nicht beim Toplak nachsehen (falls der was über Vinland geschrieben hat)

Schade dass humorbefreit aufgeräumt wurde, ich hätte das gerne gelesen.
 
@dekumatland : (zu Post #79 weiter oben mit den Quellenwiedergaben)

Die Wahrheitsbeteuerung dient in der vorliegenden Form dazu, bei einer eher unglaublichen Schilderung sich selbst etwas zu distanzieren. So hat das schon Herodot getan. Ein "deshalb ist es glaubwürdig" und ein "so berichtet zumindest" sind feine Unterschiede. Bei Adam von Bremen kommt hinzu, dass er einen König anführt und sich sicher nicht respektlos zeigen will, so aber einen gewissen Zweifel durch das scheinbare Gegenteil ausdrücken kann, ohne den Gewährsmann zu brüskieren.

Das freie, bei vielen schon grobe und brutale Urteil, mit dem deutsche Historiker heute feine Nuancen häufig ignorieren konnten, war historisch für den Großteil der Historiker doch unmöglich. Seinerzeit löste die Enzyklika "Mit brennender Sorge" massive Reaktionen des Regimes aus, die teilweise das Konkordat verletzten. Heute verstehen viele die zurückhaltende Sprache nicht mehr und behaupten eine zu große Zurückhaltung, obwohl hier doch die Grenze getroffen wurde, hinter der womöglich eine Verfolgung der Kirche, aber ganz sicher eine Aufkündigung des Konkordats gedroht hätte.**

Dann ist da die Tatsache, dass die Grönländer tatsächlich eine eher grün-blaue Haut gehabt haben werden, wie noch heute viele Deutsche im Winter.

Und ob die Grönländer und Isländer in Norwegen und Dänemark immer die Wahrheit gesagt haben, ist stark zu bezweifeln. Dazu verweise ich auf das von mir genannte Werk von Kirsten A. Seaver.

* Der Papst ließ die Enzyklika schreiben, da sie als einzige nicht auf Latein, sondern auf Deutsch verfasst werden sollte, damit eine Übersetzung nicht verhindert werden konnte. Schon das eine unverholene Brüskierung des Regimes.

** Wer da anderer Meinung ist, bitte in einem Thread zur Enzyklika antworten. Und hier nur darauf verweisen.
 
Dann ist da die Tatsache, dass die Grönländer tatsächlich eine eher grün-blaue Haut gehabt haben werden, wie noch heute viele Deutsche im Winter.
Der Grönländer im 11. Jh. war grünblauer als der Hamburger? Konsequenterweise müssten die Scraelingar dunkelgrün... was sich in keiner Quelle findet. Das alte antike Nord-Süd "Argument" leuchtet da durch ;)
Und ebenso wenig wahrscheinlich ist der grönländische Hang zu besonder grimmer Piraterie, den Adam da aufführt.

Wie schon gesagt: mit Vorsicht zu genießen.
 
Ich weiß nicht, ob wir mit dem schwedischen "vinbär" auf Abwegen sind, es gibt es nur im Schwedischen.
Es wäre doch anzunehmen, dass es auch in den anderen nordischen Sprachen verwendet würde, aber:

Die Johannisbeeren heißen auf Isländisch "garðaberjaætt". Gemeinhin wird Isländisch als die ursprünglichste der nordischen Sprachen angesehen.

Auf Dänisch heißen sie "ribs", auf Norwegisch "rips" - das manchmal auch von den Schweden verwendet wird.

Gruss, muheijo

Das Nordische entwickelte sich seit Beginn der Wikingerzeit auseinander. Das ostnordische Schwedisch würde ich tatsächlich nicht als Beleg akzeptieren, wenn es im Isländischen (und schon im Dänischen) anders ist.
 
Der Grönländer im 11. Jh. war grünblauer als der Hamburger? Konsequenterweise müssten die Scraelingar dunkelgrün... was sich in keiner Quelle findet. Das alte antike Nord-Süd "Argument" leuchtet da durch ;)
Und ebenso wenig wahrscheinlich ist der grönländische Hang zu besonder grimmer Piraterie, den Adam da aufführt.

Wie schon gesagt: mit Vorsicht zu genießen.

Natürlich scheint das durch. Nur ist es eben kein Grund, alles als Fantasy zurückzuweisen.

Die Rede von Piraten sollte vielleicht andere abschrecken.
 
Die Rede von Piraten sollte vielleicht andere abschrecken.
Wen (oder für wen) sollte der Hamburger Kirchenmann davor abschrecken, im zunehmend dünner besiedelten Norden herumzuschippern? Ich erinnere an meine zweiflerische Frage, ob im 10. und 11. Jh. viel Schiffsverkehr in den Nordgewässern stattfand
 
Die Skandinavier wollten andere abschrecken, auf die Idee zu kommen, wie es im Spätmittelalter dann tatsächlich insbesondere Briten und Portugiesen taten. Altbekannte Strategie.
 
Dass die Information übertrieben ist, können wir vorraussetzen. Wilder Weizen wächst allerdings tatsächlich an der amerikanischen Ostküste und wird auch in den Sagas erwähnt. Kurz vor oder nach der Wein-Anekdote, wenn ich mich richtig erinnere.
Wilder Weizen wird der Nicht-Botaniker ganz einfach als Gras bezeichnen. Süßgras ist auch der Trivialname für das Wildgetreide.
Es ist natürlich so gemeint, dass dort echter Weizen wild wächst - wie im Paradies.
Von allen Getreidearten Europas hat Weizen das höchste Prestige. Weizen bevorzugt trockenes und warmes Klima. Weizenanbau ist daher nicht in allen Regionen Skandinaviens möglich. Weizenbrot ist eine Herrenspeise und hat daher ein ähnlichen hohen Status wie Wein gegenüber Bier.
In Grönland herrschte hingegen Mangel an jeglicher Art von Getreide.

Die Weintraube ist ein sehr symbolträchtige Frucht. Sie ist in der Bibel ein Symbol, für das "Land, wo Milch und Honig fließen". Nach den 40 Jahren Wanderung in der Wüste entdecken die Kundschaft der Israeliten zuerst die Weintrauben und diese sind der Beweis, dass sie das gelobte Land errreicht haben, Numerus 13, 21- 24.

Das Vinland der Sagen ebenso wie das bei Adam ist ein reinstes Schlaraffenland. Weizen und Wein wachsen dort angeblich wild - ohne Zutun des Menschen. Ebenfalls Teil dieses Schlaraffenland-Narrativs ist sicherlich auch die Erwähnung von Milchwirtschaft und Rinderzucht in den Vinland-Sagen.

Mit dem archäologischen Befund in L’Anse-aux-Méduses hat die Schlaraffenland-Erzählung offensichtlich nichts zu tun. Dort wurden vor allem Seehund-Knochen gefunden und keine Knochen von Haustieren oder gar Hinweise auf Ackerbau.

Die Erzählung der Wahrheit klingt übrigens noch unglaubwürdiger als das Schlaraffenlandmärchen. Wer glaubt soll denn bitte daran glauben, dass die Grönländer vor allem von der Jagd auf Meeres-Einhörner und Seepferde mit elfenbeinernen Stoßzähnen lebten?

Zudem wirkt merkwürdig, dass die im 11. Jh. dem Erzbistum Bremen zugehörenden (!) Grönländer noch so wild heidnisch-piratisch agiert haben sollen: wen sollen die im Nordmeer zwischen Grönland-Island-Färöern drangsaliert haben?
Auch hier sind Übereinstimmungen zwischen den isländischen Grönlandsagen und Adams Chronik wirklich bemerkenswert. Erik der Rote und seine Tochter Freydis sind doch genau solche heidnischen Piraten.

 
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Die Skandinavier wollten andere abschrecken, auf die Idee zu kommen, wie es im Spätmittelalter dann tatsächlich insbesondere Briten und Portugiesen taten. Altbekannte Strategie.
...dann waren diese Skandinavier des 11. Jhs. keine versierten Abschreckungsprofis, indem sie dafür einen Hamburger Kirchenmann einsetzten, dessen Schriften nur wenig Verbreitung fanden.. ;)

Verrennst du dich da nicht ein wenig, auch in Sachen grün-blau?
 
Das Vinland der Sagen ebenso wie das bei Adam ist ein reinstes Schlaraffenland. Weizen und Wein wachsen dort angeblich wild - ohne Zutun des Menschen. Ebenfalls Teil dieses Schlaraffenland-Narrativs ist sicherlich auch die Erwähnung von Milchwirtschaft und Rinderzucht in den Vinland-Sagen.
@Maglor den Herzog Toki, dem ein Drittel des "Herzogtums Winland" gehört (was ihn sehr reich machen soll), der der Vater von Odinkar ist - würdest du dieses ominöse Herzogtum auch in das Schlaraffenlandnarrativ eingliedern?

Entweder Adam meint was ganz anderes mit Tokis Herzogtum, oder das war und ist Mumpitz (siehe #79 mit den Quellen)
 
Ich kann nur feststellen, dass die Namen Toki und Odinkar sowie ihr angebliches Herrschaftsgebiet in den isländischen Vinland-Sagen nicht vorkommen. Ihr "großer Reichtum" passt aber durchaus ins Bild des Schlaraffenlandes.

Adam beschreibt die Gröndländer und Isländer als blutdürstig, die vinländischen Herzöge jedoch als "wunderbar enthaltsam". Der Gegensatz könnte größer nicht sein.
Diese Gegenüberstellung erinnert mich schon ein bisschen an den Gegensatz zwischen der frommen Gudrid und mörderischen Freydis in den isländischen Sagas. Jedenfalls leben Gudrid und Thorfinn Karlsefni in Vinland fast wie Heilige, während Freydis nach Grönlander-Manier halbnackt herumläuft oder Frauen den Kopf abhackt. Der Mumpitz könnte also schon zusammenpassen, wenn die Namen nicht ganz andere wären. Keiner der aus der Sage bekannten Nachfahren Thorfinns heißt auch nur so ähnlich wie Toki oder Odinkar.
 
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Die Erzählung der Wahrheit klingt übrigens noch unglaubwürdiger als das Schlaraffenlandmärchen. Wer glaubt soll denn bitte daran glauben, dass die Grönländer vor allem von der Jagd auf Meeres-Einhörner und Seepferde mit elfenbeinernen Stoßzähnen lebten?
Der Zahn des Narrwals war sehr lange ein prestigereiches Sammlerobjekt, weil man ihn für das Horn des Einhorns hielt. Das Einhorn galt als gefährlich.
 
Ja, aber grönländisches Elfenbein wurde zu teuer, als man die Tierherden in Nordnorwegen, Karasee, auszubeuten begann. Da war der Handelsweg erheblich kürzer, sicherer und die Jagd wohl auch einfacher.
 
Und genau das war eines der Handelsgüter der Grönländer.
welches sie aber nicht via Piraterie ernteten und dann handelten (wer hätte dieses Handelsgut denn beschaffen sollen, damit es dann von grimmen grönländischen Piraten geraubt und weiter verhökert wird?)
Weder grönländisches blau-grün, noch grönländische Extrempiraten, wie Adam von Bremen beides schreibt, machen einen wahrscheinlichen Eindruck; und ebenso unwahrscheinlich kommt mir die Idee vor, die gesta hammaburgensis ecclesiae pontificum (die Taten der Hamburger Bischöfe) von 1075/76 würde "Abschreckungspropaganda" einstreuen...
 
Wie sah es im 11. Jahrhundert mit dem Walfang in den fraglichen Gewässern (zum Beispiel in der Dänemarkstraße) aus? Könnten Bewohner der grönländischen Siedlungen Walfänger aus anderen Regionen dort beraubt haben?

Ein Drachenboot kann sicherlich zum Walfang verwendet worden sein. Problem ist dann aber die geringe Zuladung. Die Verarbeitung von Walen braucht Platz. Diese hätte dann wohl an Land stattfinden müssen. Für den Transport wären dickbauchige Schiffe, wie sie die Hanse oder die Engländer benutzten, besser geeignet gewesen.

Ich habe mal eine gängige Suchmaschine gefüttert. Auf die Schnelle habe ich aber nicht über früh-/hochmittelalterlichen Walfang gefunden. Wenn aber die Grönländer Walelfenbein verkauften, muss es ihn aber gegeben haben.
 
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